Vinctae in Monasterio Antiquo

Vinctae in Monasterio Antiquo – Ankunft im Kloster

Autor: Karl Kollar

Jedes Mal, wenn Karin Michels in der jüngeren Zeit auf der Fahrt zu einer neuen Stelle als Lehrerin war, gingen ihr die gleichen Gedanken an die Vergangenheit durch den Kopf. Voller Zorn musste sie an die Frau denken, der sie den ganzen Ärger zu verdanken hatte und die ihr auch ihre Tochter weggenommen hatte. Sehr deutlich sah sie die Schlagzeile von damals vor sich: »Minderjährige Tochter als Sklavin verkauft«. Die Presse hatte es sehr aufgebauscht und natürlich war an diesem Satz kein Wort war. Aber mit so einem plakativen Satz ließ sich eben die Auflage steigern.

Sie seufzte. Ihre Tochter war damals gerade mal seit zwei Monaten 18 Jahre alt und hatte sich sehr von ihrer Mutter abgekapselt. Karin wusste nur, dass sie oft bei dieser Frau war, die vom Alter her eigentlich auch ihre Mutter hätte sein können. Natürlich hatte sie ihre Tochter zur Rede gestellt, doch diese schaltete nur auf stur. Karin hatte sich mit ihrer Tochter total zerstritten wegen der Frau.

Es war für Karin eine große Enttäuschung, ihre Tochter sozusagen an eine fast gleichaltrige Frau zu verlieren. Sie wusste damals weder, was ihre Tochter bei der Frau machte, noch dass sie in diese Frau verliebt war und sich von ihr fesseln ließ. Sie wusste auch nicht, wie die Presse zu diesem Foto gekommen war. Es zeigte ihre Tochter, wie sie sich an ihre Geliebte ausgeliefert hatte. Die Presse hatte dazu eine Schauergeschichte erfunden, die Karin letztendlich ihre Anstellung an der Schule kostete. Immer wieder kam Karin der Ärger hoch und sie sah sich wieder beim Direktor sitzen. Sie müsse doch Verständnis haben, dass sie keinen Kontakt mehr zu den Kindern habe dürfe. Karin hatte damals nur noch weinen können.

Das Ortschild ‚Goldersbach’ riss sie etwas aus ihren Gedanken, denn sie hatte den kleinen Ort gefunden, in dem sie hoffte wieder eine Anstellung zu bekommen, diesmal vielleicht eine etwas längere. ‚Am Kloster 1’ war als Adresse angegeben. Da der Ort auf der Karte nur sehr klein eingezeichnet war, hoffte Karin, schnell die angegebene Adresse zu finden. Zumal so ein Kloster-Gebäude sicher auffallen würde. Sie blickte auf die Uhr. Eine halbe Stunde hatte sie noch, um die Schule zu finden.

In den letzten Jahren hatte sie immer nur befristete Angebote bekommen. Ob es diesmal wohl etwas längeres sein würde? Sie hoffte, dass es vielleicht ihre letzte Stelle sein könnte.

* * *

Catherina von Taubach, die Direktorin der Schule, saß in ihrem Büro im Abthaus und blickte auf die Uhr. Bald würden die ersten beiden Betreuerinnen eintreffen. Sie warf noch einmal einen Blick auf die Bewerbungen von Karin Michels und Andrea Falk. Beide Frauen hatten den einen oder anderen Punkt in ihrem Lebenslauf, der sie für diese besondere Aufgabe geeignet schienen ließ. Doch diese Entscheidung lag nicht bei ihr. Herzog Karl von Kollstein hatte fast alle Entscheidungen für diesen Lehrgang allein getroffen.

Sie sah aus dem Fenster auf den Klosterhof und fragte sich, ob die Handwerker die Unterkünfte für die Betreuerinnen vielleicht doch schon fertig hatten. Für alle Fälle hatte sie aber in dem kleinen Gasthof des Ortes einige Zimmer reserviert. Sie beschloss, noch einmal kurz bei den Arbeitern vorbei zu sehen. Dazu nahm sie sich das Schlüsselbund aus dem Schreibtisch und verließ ihr Büro. Sie trat vor die Tür des Abthauses und ging zur Klosterpforte.

Sie blickte sich noch einmal um. Es hatte sich viel verändert, seit der Herzog sie mit dieser neuen Aufgabe zusätzlich betraut hatte. Die Handwerker waren beauftragt, die Räumlichkeiten des Klosters, die das Militär früher genutzt hatte, wieder in einen guten Zustand zu bringen. Der bisherige Schulbetrieb hatte für diese Räume keinen Bedarf, deswegen standen sie leer und waren bis vor kurzem noch in dem Zustand, in dem das Militär sie verlassen hatte. Außerdem erforderte der Lehrgang, den der Herzog wünschte, noch zusätzliche räumliche Veränderungen, die sie zu überwachen hatte.

Zur Zeit stand die Klosterpforte noch offen, um den Handwerker freien Zugang zu gewähren. Aber wenn die Bondagetten einmal eingezogen waren, dann musste diese Pforte und damit der einzige Zugang zum inneren Klosterbereich streng kontrolliert werden. Und zwar in beide Richtungen. Zum einen sollte kein Unbeteiligter Zugang zu den neuen Lebensbereich der Mädchen bekommen und genauso durften sich die Mädchen nur innerhalb der Klausur, dem inneren Klosterbereich frei bewegen.

Es bot sich an, diese Zugangskontrolle in der alten Klosterpforte zu realisieren, da diese früher schon einmal diese Funktion hatte. Zukünftig würde dieser Gang eine Schleuse darstellen, die von zwei Türen begrenzt wurde. Die geplante Konstruktion sah vor, dass immer nur eine der beiden Türen geöffnet sein konnte. Dies war eine wichtige Forderung vom Herzog.

Er war es auch, der den Begriff »Bondagetten« eingeführt hatte. Er kennzeichnete recht gut, was diesen besonderen Lehrgang auszeichnen würde. Die Bondagetten würden fast die ganze Zeit immer irgendwie gefesselt beziehungsweise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein, immer passend zu der jeweiligen Aufgabe und zu dem jeweiligen Unterrichtsstoff. Die Direktorin bekam immer eine Gänsehaut, wenn sie an die Tragweite dieses Konzeptes dachte. Denn für einige der Mädchen war ausgemacht, das sie hier sehr langsam und behutsam an ihr zukünftiges Leben in Fesseln heran zuführen waren.

Frau von Taubach schritt durch die Klosterpforte und trat in den Kreuzgang. Es sah schon fast wieder aus wie in einem Kloster, nur lagen an vielen Stellen noch die Maschinen und Materialien der Handwerker herum. Sie ging die wenigen Schritte bis zum direkt an den Kreuzgang angebaute Brunnenhaus und stieg die Stufen der Treppe hinauf. Das Militär hatte das Treppenhaus einbauen lassen und die Direktorin musste sich eingestehen, dass diese Änderung nur von Vorteil war. Der Kreuzgang wurde damit so gut wie nicht verändert, aber die oberen Bereiche waren sehr gut zu erreichen.

Auf der Suche nach dem Handwerksmeister stieg sie die Treppe zum Dachgeschoss hoch und trat in den Korridor. Sie fand ihn im einem der vier Wohnbereiche für die Betreuerinnen und fragte nach dem Stand der Arbeiten und ob die Wohnungen schon bezugsfertig seien.

Doch der Meister musste sie enttäuschen. »Die Zimmer werden erst am Sonntag fertig werden.« Er sah den besorgten Blick der Direktorin. »Es geht einfach nicht schneller. Die Sachen müssen trocknen.«

Frau von Taubach fragte nach den anderen Räumlichkeiten.

Der Meister berichtete über den Stand der Arbeiten. »Der Klausurbereich, also die Räume links und rechts vom Kreuzgang werden bis Sonntag Abend fertig sein.« Er machte eine Pause. »Aber der Turm und die Räume im Gästehaus werden frühestens in zwei Wochen fertig.«

Frau von Taubach nahm es zur Kenntnis. Der Meister spürte ihre Enttäuschung, wenn gleich beide den Grund für die Verzögerungen kannten.

Sie dankte ihm für seinen Extraeinsatz am Wochenende und bat ihn, dies auch seinen Mitarbeiten auszurichten. Dann ging sie langsam wieder in Richtung Treppenhaus und dachte über die Verzögerungen nach. Während der geplanten Umbauaktionen wurde historische Mauerreste gefunden, die vermutlich zu einem Vorgängerbau des Klosters gehört hatten. Die archäologischen Arbeiten hatten alle Zeitpläne kräftig durcheinander gewürfelt. Doch der Herzog hatte entschieden, dass der geplante Zeitplan für den Lehrgang auf jeden Fall einzuhalten sei. ‚Dann müssen Sie eben etwas improvisieren’, hatte er gesagt. ‚Die Mädchen sollen ja lernen, mit Einschränkungen klar zu kommen.’ Sie seufzte wieder.

Da noch etwas Zeit war, machte sie noch einen Abstecher ins Obergeschoss, wo die Unterkünfte der Bondagetten sein würden. Zu ihrer großen Erleichterung waren diese Räume schon genauso fertig gestellt, wie es der Herzog gewünscht hatte. Sechzehn Mädchen konnten sich auf vier Schlafräume verteilen, die alle gleich eingerichtet waren. Aus Sicht der Direktorin konnten die Mädchen jetzt schon kommen. Doch sie wusste, dass dies nicht im Sinne des Herzogs war. Er hatte ganz genaue Vorstellungen, wie das nächste halbe Jahr für seine Tochter und die anderen Mädchen ablaufen sollte.

Fast ehrfürchtig öffnete sie eine der Türen und trat in das Zimmer. Auf den ersten Blick sah es fast aus wie in einer Jugendherberge. Die Betten waren noch nicht bezogen, nur der robuste Matratzenschoner aus Leinen war schon über gezogen. Auf dem Tisch lagen vier mal Bettwäsche und Handtücher bereit. Eine der ersten Aufgaben der Bondagetten würde es sein, ihr Bett selbst zu beziehen.

Dabei würden sie dann sicher auch die Besonderheit von Bettlaken und Schonbezug entdecken. Frau von Taubach ging zu einem der Betten und warf einen Blick auf die Manschetten, die auf dem Leinen angebracht waren. Sie waren innen weich gepolstert und von außen leicht mit einem Klettverschluss zu öffnen und zu schließen. Doch ihre Aufgabe war, die Mädchen in der Nacht an das Bett zu fesseln.

Mit einer Gänsehaut dachte sie daran, dass die Herzogstochter Prinzessin Tamara selbst im Kloster anwesend war, um das Herrichten der Betten zu überwachen. Von ihr war der Wunsch nach dieser besonderen Ausstattung und von ihr stammte auch der Entwurf, der dann von der Schneiderei umgesetzt wurde.

Auch die weich gepolsterten Bettlaken gehörten dazu, denn diese hatten an den entsprechenden Stellen Aussparungen, durch die dann die Manschetten gezogen wurden. Die Prinzessin hatte in der Schneiderei sogar auf einen Probe-Mittagsschläfchen bestanden, bei dem sie wunschgemäß mit den Manschetten festgeschnallt wurde.

Die Direktorin riss sich aus ihren Gedanken. Sie verließ das Zimmer und schloss leise die Tür so, als wollte sie die schon schlafenden Mädchen nicht weiter stören.

* * *

Karin war bereits vier Mal die kleine Dorfstrasse entlang gefahren. Doch sie hatte bisher weder das Kloster gefunden noch eine Straße, die »Am Kloster« hieß. Dabei gab es in dem kleinen Ort ohnehin nur ganz wenige Nebenstraßen. Keine jedoch hatte sie zu etwas geführt, was ein Kloster oder eine Schule hätte sein können.

Es gab auch ein kleines Geschäft in dem Dorf, doch es hatte noch geschlossen. In der Ortsmitte war eine Tafel, auf der neben viel Werbung auch ein kleine Karte von dem Ort war. Doch auch die hatte Karin schon drei mal studiert und nirgends ein Kloster gefunden. Sie war verzweifelt. Die Zeit schritt voran und sie hätte eigentlich schon lange in der Schule sein müssen.

Sie hielt auf dem kleinen Platz in der Ortsmitte und ging noch einmal zu dem ausgehängten Plan. Doch auch jetzt fand sie keinen Hinweis auf das Kloster.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah Karin eine Frauengestalt. Obwohl sie ungern Fremde ansprach, sah sie keine andere Möglichkeit mehr. »Guten Tag, könnten sie mir bitte helfen?« rief Karin über die Straße.

Die Gestalt blieb stehen und blickte misstrauisch auf Karin. Diese lief über die Straße und zeigte ihr Schreiben der Schule vor. Doch als die fremde Frau den Brief sah, blickte sie Karin verschreckt an und entschuldigte sich. »Damit will ich nichts zu tun haben.« Dann ging sie schnell weiter.

Enttäuscht ließ Karin das Schriftstück sinken und blickte der Frau verwundert nach. »Aber wie komme ich denn dahin? Mehr will ich doch gar nicht.« Sie hoffte allerdings nicht, noch eine Antwort zu bekommen.

Doch zu ihrer Überraschung drehte sich die Frau und blickte Karin mitleidig an. »Den Weg hinter dem Huber-Hof immer geradeaus. Bis hoch in den Wald. Aber seien sie vorsichtig. Die sind verrückt.« Dann drehte sie sich schnell um und ging mit schnellen Schritten weiter.

Karin war über den Hinweis so dankbar, dass sie vergaß zu fragen, welcher Hof das denn sei. Doch sie wollte Frau nicht länger belästigen. Sie ging noch einmal zu dem kleinen Ortsplan.

Diesmal hatte sie Glück, denn der Huberhof machte Werbung für den Verkauf von Kartoffeln und es war die Adresse angegeben, so konnte Karin sich den Weg einprägen.

* * *

Auf ihrem Weg durch das Treppenhaus blickte Frau von Taubach noch einmal auf die Uhr. Bis zur Ankunft der Betreuerinnen war noch Zeit. Sie ging in Gedanken den Terminplan von heute noch einmal durch und beschloss, kurz beim Hausmeisterehepaar vorbei zu schauen. Sie wollte wissen, ob die drei angekündigten Mädchen schon eingetroffen wären. Als sie an das vom Herzog für die drei Damen bestellte Programm dachte, bekam sie schon wieder eine Gänsehaut.

Gleich als sie aus der Klosterpforte trat, sah sie Frau Klebe vor ihrem Haus stehen. Sie schien auf ihren Mann zu warten, der wohl mit dem Auto unterwegs war, denn der Parkplatz für den alten VW-Bus war leer.

Frau Klebe sah ihre Chefin kommen und ging ihr etwas entgegen. Sie wünschte ihr einen ‚Guten Morgen’.

Die Direktorin erwiderte den Gruß und fragte nach den drei jungen Frauen, die der Herzog angekündigt hatte.

»Mein Mann holt sie gerade.« bestätigte sie die Vermutung der Direktorin. Sie holte tief Luft. »Aber es ist doch grausam, was der Herzog wünscht, meinen Sie nicht auch?«

Frau von Taubach wollte hier ihren wahren Gefühle nicht zeigen, sie gab vor, nicht so genau über das Programm Bescheid zu wissen.

»Sie sollen in den drei Kellerräumen diesmal wie richtige Gefangene untergebracht werden.« Die Empörung war deutlich in ihrer Stimme zu hören. »Angekettet und bei Wasser und Brot.« ‚Und keinen Kontakt’, fügte sie nach kurzer Pause noch hinzu.

Die Direktorin wusste, dass es in dem alten Jagdhaus im zweiten Kellergeschoss ein paar kleinere Räume gab, in denen früher das frisch erlegte Wild kühl gelagert wurde. Später wurden daraus Gefängniszellen gemacht, die in der neueren Zeit für besondere Erziehungsmaßnahmen genutzt wurden.

Das Schweigen der Direktorin nahm Frau Klebe als Anteilnahme. »Zwei Tage bei Wasser und Brot hat noch keinem geschadet, das hat der Herzog mir gesagt, als er hier war.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.« Dann dachte sie einen Moment nach. »So streng musste es doch sonst nicht sein.«

Das tiefe Brummen kündigte den kleinen Bus an, der gleich darauf um die Ecke bog. Herr Klebe fuhr bis dicht vor die Haustür und stieg aus. Er ging auf die beiden Frauen zu, begrüßte die Direktorin und gab seiner Frau einen Briefumschlag. »Vom Herzog für Dich. Es sind wohl weitere Anweisungen.« Dann drehte er sich wieder um und ging zurück zum Auto. Er nahm ein Schlüsselbund aus der Hosentasche und suchte nach einem Schlüssel, dann öffnete er die Schiebetür des Busses und ging hinein.

Nach kurzer Zeit kam er langsam wieder heraus und hielt dabei eine Kette in der Hand, an der er unnachgiebig zog. Langsam kamen nacheinander drei Gestalten aus dem Bus, die alle einen Sack über dem Kopf trugen und deren Hände und Füße mit Ketten verbunden waren. Unter den Säcken war ein sehr gedämpftes Stöhnen und Ächzen zu hören. Die Direktorin erkannte diesen besonderen Klang, der sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, das die drei Mädchen strenge Knebel trugen.

Herr Klebe half ihnen, aus dem Bus zu kommen, dann zog er sie relativ schnell hinter sich her und ging in das Haus. Mit sehr harter Stimme kündigte er kurz die Stufen an, dann zog er wieder an der Kette und führte die drei Mädchen in das Haus. Es war deutlich zu sehen, dass er dies nicht zum ersten Mal machte.

Erst als alle vier im Haus verschwunden waren, nahm Frau Klebe den Brief des Herzogs zur Hand. Sie riss ihn vorsichtig auf, nahm das Schreiben heraus und begann zu lesen.

Der Direktorin, die von dem eben gesehenen Schauspiel noch sehr beeindruckt war, fiel auf, dass sie sich Miene von Frau Klebe auf einmal sichtlich veränderte. Aus dem bisher eher mitleidigen Blick wurde auf einmal ein eher grimmiger Blick. Sie zeigte ihrer Chefin den Brief und deutete auf die Stelle, an der die drei Namen der Mädchen zu lesen waren.

Jetzt verstand auch die Direktorin den Gefühlswechsel und auf einmal glaubte sie auch verstanden zu haben, was der Herzog mit dieser ach so strengen Behandlung bezweckte. Denn diese drei Damen hatten es mehr als verdient.

»Ich will mal schauen, was ich noch an altem und hartem Brot habe.« Mit diesen Worten verabschiedete sich die Hausmeisterin und ging mit entschlossenen Schritten auf ihr Haus zu.

Catherina von Taubach blickte ihr verblüfft nach. Erst als sie die Frau in dem Haus verschwinden sah, drehte sie sich langsam um und ging in Richtung des Besucherparkplatzes. Es war Zeit, nach der Betreuerin zu sehen.

* * *

Bis zum Waldrand war Karin jetzt schon gefahren. Sie blickte immer verzweifelter auf die Uhr. Sie war jetzt schon über eine Stunde zu spät und hatte immer noch keine Spur von dem Kloster. Und das an ihrem ersten Arbeitstag. Dabei war sie sonst sehr pünktlich und hasste es, wenn sie zu spät kam. Sie würde als Entschuldigung anführen, das sie nicht her gefunden hatte.

Doch zu ihrer großen Erleichterung gab es Waldrand einen ersten Hinweis, dass sie auf dem richtigen Weg war. Der Feldweg in den Wald war wie üblich nur für Landwirtschaft und Forstarbeit erlaubt, doch es gab ein kleines Zusatzschild: »Zufahrt zum Kloster frei.« Karin atmete auf.

Trotzdem musste sie noch eine recht lange Strecke durch den Wald fahren, ohne das sich etwas von einem Kloster zeigte. Nach einer lang gezogenen Kurve stand sie zu ihrem Erstaunen auf einmal vor einem Kasernentor. Zumindest sagten dies die Schilder. ‚Sicherheitsbereich!’. ‚Militärisches Hoheitsgebiet!’. Und noch einiges mehr. Sogar ein kleines Wachhäuschen gab es, vor dem ein Mann in seltsamer Uniform stand. Karin blieb einige Meter vor dem Schlagbaum stehen und machte den Motor aus. Sie war ratlos.

Der Wachmann kam auf sie zu und blickte sie streng an. Doch dann sah er bei einem Blick in den Wagen den Brief auf dem Beifahrersitz. Die Miene des uniformierten Mannes entspannte sich.

Karin hatte das Fenster runter gekurbelt und wollte gerade nach dem Weg fragen, als sie die sanfte Stimme des Mannes überraschte. »Sie sind die neue Lehrerin?«

Karin fand keine Worte.

»Die Chefin erwartet sie schon.« Der Mann ging zurück zu seinem Häuschen und schien kurz zu telefonieren. Dann trat er wieder heraus und machte den Schlagbaum auf. Er winkte Karin heran.

»Bitte fahren Sie nach dem Stadttor gleich rechts auf den Parkplatz. Die Chefin wird Sie dort abholen.« Dann winkte er Karin durch.

* * *

Nach der nächsten Kurve konnte Karin endlich einen Blick auf das Kloster werfen. Der Wald öffnete sich zu einer sehr großen Lichtung, es war eher ein großes nicht bewaldetes Tal, welches sich vor Karin auftat. In mitten dieses Tales waren die Gebäude des Klosters sowie einige Wohnhäuser zusehen. Dies vermutete Karin zumindest.

Aber sie war erleichtert. Jetzt wusste sie, dass sie richtig war und das Kloster war endlich in Sichtweite.

Doch die Überraschungen für Karin sollten noch nicht aufhören. Kaum hatte sie die große Kurve passiert, als sie vor einem großen und verschlossenem Tor stand.

Ihr gingen die Worte der Wache durch den Kopf. Diese hatte von einem Stadttor gesprochen und dies würde es wohl sein. Karin überlegte, wie es jetzt wohl weiter gehen würde und war gerade im Begriff, den Motor auszumachen, als sie sah, wie sich erst der eine und dann der andere Torflügel öffnete. Ein Mann winkte sie herein und zeigte ihr den Weg.

Sie fuhr mit ihrem Wagen auf den Parkplatz. Er war komplett leer. Karin suchte sich einen Parkplatz aus und stellte ihr Auto ab. Dann stieg sie aus und blickte sich um. Sofort fielen ihr die großen hohen Mauern und der kleine runde Wachtum auf und sie kam sich vor wie unterhalb einer Burg. Doch es war hoffentlich ihr Kloster.

»Schön, dass Sie da sind.« hörte Karin eine Stimme. Sie folgte der Stimme und sah auf der Treppe vor der Mauer eine Frau stehen. Karin ging zu der Treppe hin und stieg die Stufen hinauf.

Catherina von Taubach stellte sich vor und gab Karin die Hand. »Schön, dass sie her gefunden haben.«

Karin stellte sich ebenfalls vor und wollte sich für ihre Verspätung entschuldigen. Doch die Direktorin winkte ab. »Wir wissen, dass wir hier sehr abgelegen und vor allem sehr schwer zu finden sind. Aber das ist auch so gewollt.«

Karin blickte sie sprachlos und erstaunt an.

»Dies war früher mal ein sehr geheimes Militärgelände, deswegen ist es nirgends verzeichnet. Da unser Institut aber auch auf Diskretion baut, haben wir an diesem Zustand nicht viel geändert.«

So langsam fand Karin ihre Worte wieder. »Und dieser seltsame Kaserneneingang?«

Frau von Taubach lächelte. »Den hat damals das Militär nicht abgebaut. Und wir nutzen es jetzt als Tarnung. Es verschreckt vor allem neugierige Wanderer.« Sie blickte auf die Uhr. »Wir müssen noch auf eine Kollegin von Ihnen waren, dann können wir zum Gasthof gehen.«

Karin blickte sie schon wieder etwas verwundert an. Aber insgeheim war sie erleichtert, dass sie nicht die einzige war, die zu spät kam.

»Die Unterkünfte für sie sind noch nicht fertig, und deswegen werden sie noch zwei Nächte in dem Gasthof einquartiert. Aber jetzt können wir oben auf meiner Terrasse warten.« Die Direktorin bat Karin, ihr zu folgen.

* * *

»Sitzt mein Handschuh gut?« Alexandra Zirbel drehte sich vor dem großen Spiegel in dem kleinen Zimmer des Gasthofes. Ihre Geliebte Birgit Solcher hatte sie gerade in ihren geliebten Monohandschuh eingeschnürt.

Birgit strahlte. Als Antwort gab sie ihrer Freundin einen Kuss. »Du siehst super aus.«

Trotzdem war Alexandra skeptisch. »Ob das wirklich klappen wird? Was machen wir, wenn sie nicht da ist?«

Birgit war zuversichtlich. »Sie ist sicher da, glaubt mir.« Sie nahm sich ihren eigenen Monohandschuh vom Tisch und rollte ihn locker zusammen. Auf einmal lagen doch leichte Zweifel in ihrer Stimme. »Es wäre schon schön, wenn es klappen würde.« Dann steckte sie den Handschuh in ihre Tasche und hängte sich diese um.

»Ich freue mich auf heute. Es wird sicher toll.« Alexandras Augen strahlten. Sie wackelte etwas mit ihren vom Leder gefangenen Armen und versuchte ihre Freundin zärtlich zu streicheln.

»Wir haben das ja auch lange genug geplant«, erwiderte Birgit. »Schade, dass Frau Windisch nicht da ist.« In ihrer Stimme klang etwas Bedauern mit. »Paula kennt sich mit dem Handschuhen leider nicht aus.« Die Wirtin hatte heute morgen einen Termin beim Herzog und deren Tochter wollten die beiden nicht fragen.

Alexandra wollte sicher gehen. »Hast Du auch die Knebel eingepackt?«

Birgit griff in ihre Tasche und zeigte ihrer Freundin die glänzenden roten Bälle mit den schwarzen Lederriemen. Trotzdem war sie noch unsicher. »Ob wir das wirklich machen können?«

»Warum sollte das nicht gehen, wir sind doch hier total ungestört.« In Alexandras Blick lag etwas träumerisches. Dann lächelte sie. »Lass uns gehen«.

Sie ging zur Tür und mit einer erstaunlichen Sicherheit nutzte sie ihre ledereingehüllten Arme, um die Klinke herunter zu drücken und die Tür zu öffnen. Es war sehr deutlich zu sehen, dass sie nicht zum ersten Mal mit dem Monohandschuh unterwegs war.

* * *

»Wir können hier auf der Terrasse warten.« Frau von Taubach führte Karin zu einer kleinen Sitzgruppe vor dem Abthaus. Sie nahmen beide Platz. »Ich habe mit Frau Falk ausgemacht, dass sie hier her kommt.«

Karin blickte sich um und war beeindruckt. »Man sieht, dass es früher mal ein Kloster war.«

Die Direktorin gab ihr recht. »Dabei wurde es schon im 16. Jahrhundert aufgelöst. Es war dann lange Zeit eine kirchliche Schule und später nach deren Auflösung stand es leer. Bis es dann das Militär in seiner Abgeschiedenheit entdeckt hatte.«

Karin dachte über ihre Anfahrt nach. »Es ist gut bewacht.« Sie hatte es es als Feststellung formuliert, gemeint war es aber als Frage.

»Ja, Sie haben recht, wir legen hier sehr viel Wert auf Sicherheit und Diskretion.« Sie machte eine Pause und schien kurz nachzudenken. »Wir sind hier im Prinzip völlig autark und könnten monatelang hier leben, ohne das die Außentore geöffnet werden müssten.« Sie blickte auf die Uhr. »Aber das möchte ich Ihnen erklären, wenn ihre Kollegin auch da ist, dann muss ich es nicht zweimal erzählen.«

Karin versuchte ihre Neugier im Zaum zu halten.

Auf einmal waren Schritte zu hören. Beide blickten auf. Durch das große Tor am Schreibturm kam eine Frau mit energischem Schritt auf sie zu.

Karin und die Direktorin standen auf und gingen auf sie zu. »Schön, dass sie her gefunden haben.«

Andrea Falk stellte sich vor, dann blickte sie etwas verunsichert auf die beiden Frauen. »Ich habe mich etwas verspätet. Ich wusste nicht mehr, dass es so abgelegen ist.«

Die Direktorin wollte sie beruhigen. »Es liegt ja heute noch nichts wichtiges an. Aber bevor wir gleich mit dem Dienstlichen anfangen, es wäre Mittagszeit. Darf ich Sie zum Essen einladen? Wir können in den kleinen Gasthof gehen, wo Sie auch untergebracht sind.«

Die beiden zukünftigen Lehrerinnen nahmen das Angebot gern an.

»Wir gehen aus dem Kloster heraus in den inneren Ort«, erklärte die Direktorin und deutete auf den Turm, durch den Andrea gerade gekommen war. Sie sah, dass beide Frauen verständnislos schauten. Sie beschrieb kurz die Besonderheiten dieses Ortes mit seinen drei Mauerringen.

»Sie werden die Details zu unserem Ort hier noch kennen lernen. Interessanterweise haben die drei Mauerringe die Zeiten weitestgehend überstanden und sind heute wieder so wichtig wie zu aktiven Zeiten des Klosters.«

Mit gemütlichen Schritten gingen die drei auf das große Portal zu. Karin war beeindruckt. »Mit dem Turm und dem Wehrgang sieht es eher aus wie eine Burg und nicht wie ein Kloster.«

Die Direktorin bestätige Karins Beobachtung. »Das gehört alles zum ersten Mauerring. Ich werde Ihnen das gleich noch anhand einer Karte erläutern.«

Wieder waren Schritte zu hören und gleich darauf bogen zwei junge Frauen um die Ecke. Frau von Taubach war erstaunt, als sie die beiden erblickte. »Sie sind heute schon hier?«

»Wir wollen den Tag heute genießen«, erklärte eine der beiden Frauen.

»Darf ich die Damen einander vorstellen«, die Direktorin wurde auf auf einmal übertrieben vornehm, so dass deutlich zu spüren war, das die Förmlichkeit nicht ernst gemeint war. Sie zeigte auf die beiden Lehrerinnen. »Karin Michels und Andrea Falk, zwei der Betreuerinnen.« Dann zeigte sie auf die beiden jungen Damen. »Birgit Solcher und Alexandra Zirbel. Sie werden den Lehrgang mitmachen.«

Birgit Solcher trat vor und reichte den beiden Frauen die Hand zur Begrüßung.

Alexandra Zirbel hingegen blieb regungslos stehen. Sie lächelte etwas verlegen. Sie spürte Karins fragenden Blick. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht die Hand reichen kann.« Sie drehte sich langsam einmal um ihre eigene Achse.

Karin sah voller Erstaunen, dass ein lederartiges Gebilde ihre Arme auf dem Rücken zusammen hielt.

Birgit spürte die fragenden Blicke. »Wir haben uns für dieses Wochenende ein Zimmer im Gasthof genommen.«

Alexandra wackelte etwas mit ihren verpackten Armen und ergänzte. »Wir wollten die Abgeschiedenheit hier ausnützen. Nur hier können wir die Handschuhe so schön ungestört und frei tragen.«

Karin wunderte sich etwas über das »Wir«. Doch sie sollte sofort erfahren, was gemeint war. Mittlerweile war ihr auch wieder eingefallen, dass Alexandra einen Monohandschuh trug. Sie hatte so etwas auch schon mal bei ihrer Tochter gesehen. Es gab ihr deswegen einen leichten Stich.

»Catherina, können Sie mir da bitte hinein helfen?« Birgit hatte aus ihrer Tasche ebenfalls so ein Ledergebilde genommen. Dabei sah sie mit träumerischen Blick abwechselnd auf die Direktorin und ihre Partnerin.

Frau von Taubach schien diese Bitte nicht zu überraschen. »Aber gern.« Sie nahm den Handschuh entgegen. Auf einmal war ein strenger, aber deutlich gespielter Befehlston zu hören. »Umdrehen, Arme auf den Rücken.«

Birgit Solcher lächelte, dann drehte sie sich übertrieben zackig um und genauso schnell hatte sie ihre Unterarme auf dem Rücken aneinander gelegt.

Karin sah sehr interessiert zu, wie die Direktorin ziemlich routiniert die Lederhülle an Birgits Armen hoch zog und sie dann nach und nach zuschnürte. Noch mehr faszinierten sie aber die verliebten Blicke, die Birgit dabei mit Alexandra austauschte.

Frau von Taubach legte die Riemen des Handschuhs über die Schulter und schien sie dort zu befestigen. Karin erkannte, das die Lederhülle so nicht von den Armen herunter rutschen konnte. Sie war ziemlich beeindruckt von dem Mut der beiden Frauen. Immerhin war es ihnen so nicht mehr möglich, ihre Arme oder Hände zu benutzen.

»Und was haben Sie heute noch so vor?« In der Stimme der Direktorin lag Neugier.

»Wir wollen heute spazieren gehen und den Tag genießen.« Birgit hatte sehr viel Stolz und Vorfreude in der Stimme. Sie bedankte sich für das Anlegen und ging auf Alexandra zu. Sie sprach leise, aber Karin verstand es. »Sollen wir wirklich?« Es lag einiger Zweifel in ihrer Stimme.

Alexandra schien ebenfalls noch einmal nachzudenken, doch dann hatte sie sich entschlossen. »Ja, wir tun es.«

Birgit ließ sich von der Entschlossenheit anstecken. Sie ging wieder auf die Direktorin zu. »Könnten Sie bitte einmal in meine Tasche fassen?«

Karin fiel auf, wie sehr sich die Körperhaltung von Birgit verändert hatte. Sie reckte ihren Oberkörper hervor und ging auf einmal viel gerader und stolzer.

Frau von Taubach kam der Bitte nach und als Karin sah, was sie aus der Tasche holte, musste sie innerlich stöhnen. Es waren zwei dieser Bälle mit Lederriemen, die sie gelegentlich auch bei ihrer Tochter gesehen hatte.

Die Direktorin schien auch von diesen Bällen nicht besonders beeindruckt zu sein, aber sie erkannte sehr wohl die Konsequenzen, die dieser Wunsch hatte. »Sind Sie sicher, dass Sie das wirklich wollen?«

Wieder war es Alexandra, die antrieb. Sie blickte verträumt zu ihrer Geliebte. »Wir freuen uns schon die ganze Zeit darauf.« Sie trat auf Frau von Taubach zu und öffnete ihren Mund. Als sie sah, das sich der Ball ihrem Mund näherte, schloss sie genüsslich ihre Augen. Es war deutlich zu sehen, wie sehr sie die Prozedur genoss.

»Einmal umdrehen, bitte«, die Stimme der Direktorin war in diesem Moment sehr verhalten. Auch sie war von der Entschlossenheit und der zunehmenden Hilflosigkeit der beiden Frauen sehr gefangen.

Karin konnte erkennen, wie ihre zukünftige Chefin den Lederriemen wie bei einem Gürtel mit einer Schnalle verschloss. Sie erkannte, dass sich die Alexandra so den Ball nicht mehr aus dem Mund entfernen konnte. Sie bekam eine Gänsehaut.

Frau von Taubach nahm den zweiten Ballknebel in die Hand und blickte Birgit fragend an. Es schien, als zögere diese noch etwas. Sie blickte zweifelnd auf ihre Geliebte. »Du spinnst.« Doch dann lächelte sie, trat ebenfalls auf die Direktorin zu und blickte sie mit einem ähnlichen Blick an wie zuvor schon ihre Freundin.

Karin hielt den Atem an. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was die beiden Frauen da tatsächlich machten. Sie würden beide sehr hilflos und geknebelt sein. Sie war fasziniert von so viel Liebe und gegenseitigem Vertrauen.

Nach dem Birgit ebenfalls geknebelt war, bedankte sie sich mit einem Knicks bei der Direktorin und trat dann auf ihre Freundin zu. Beide blickten sich sehr verliebt in die Augen und ihre verschlossenen Münder näherten sich.

Karin spürte, wie eine Hand sie auf ihrer Schulter sehr sanft weg zog. Sie verstand sofort. Sie wollten das verliebte Paar allein lassen.

* * *

Schweigend gingen die drei Frauen sehr langsam die Straße entlang. Sie waren noch sehr von dem Zauber gefangen, der das Liebespaar umgeben hatte. Keiner sagte etwas.

Erst nach dem sie schon vor dem kleinen Gasthaus standen, brach Karin das Schweigen. Sie wunderte sich, wie sie sich gegenseitig aus dem Monohandschuh befreien würden.

Die Direktorin lächelte hintergründig. »Vielleicht wollen sie das ja auch gar nicht.«

Karin blickte ihre zukünftige Chefin erstaunt an.

»Sie sind sehr fasziniert von den beiden?«

Karin musste zustimmen. Sie war von dem sehr verliebten Frauenpaar schwer beeindruckt. Besonders weil sie den eigentlich sehr strengen Monohandschuh weniger als Fesselung verstanden, sondern eher als schickes und nur etwas einschränkendes Kleidungsstück.

»Sie werden die beiden zusammen mit noch zwei anderen Mädchen das nächste halbe Jahr betreuen und sie auf ihrem besonderen Weg begleiten.«

Karin war von dieser Nachricht sehr erfreut. Doch dann gingen ihr wieder die Bilder ihrer Tochter durch den Kopf.

»Wir könnten uns nach draußen setzen.« Die beiden Lehrerinnen waren mit dem Vorschlag ihrer Chefin einverstanden. Sie gingen durch die Gaststube auf die kleine sehr gemütliche Terrasse und nahmen Platz.

Paula kam gleich heraus und brachte die Speisekarten. Sie entschuldigte sich: »Es wird heute etwas länger dauern, wir haben eigentlich mit keinen Gästen gerechnet und ich bin allein.«

Frau von Taubach konnte sie beruhigen. »Das macht nichts, wir haben heute viel Zeit.«

Die Wirtstochter fragte nach den Getränken und die drei Frauen äußerten ihre Wünsche.

Es standen nicht viel Gerichte zur Auswahl, und so fiel den Frauen die Wahl auch nicht schwer. Als Paula die Getränke brachte, hatten sie sich entschieden und teilten ihre Auswahl mit.

»Wie sie vielleicht wissen, sind wir eine Schule, die schon immer Wert auf Diskretion gesetzt hat.« Die Direktorin begann unvermittelt mit der dienstlichen Begrüßung. »Bei uns werden vorwiegend die Damen der Oberschicht ausgebildet und manchmal haben die Familien schon sehr seltsame Anforderungen an das Ausbildung für ihre Töchter.«

Sie machte eine Pause, um die Wichtigkeit dieser Aussage zu betonen und vermutlich auch, um den beiden Frauen Zeit zu geben, darüber nachzudenken, wie außergewöhnlich diese Wünsche wohl sein würden.

»Der Anblick, den Frau Solcher und Frau Zirbel zur Zeit bieten, ist für die Bewohner des inneren Ortes nichts ungewöhnliches. Das kennen und respektieren sie. Das ist der Hauptgrund, warum der Herzog uns für den Lehrgang seiner Tochter ausgewählt hat.«

Karin und Andrea hörten aufmerksam zu.

»Ein weiterer Grund dürfte sein, dass wir hier innerhalb des großen äußeren Zaunes für Wochen autark sein können. Die Universität aus der Landeshauptstadt lässt hier ein Forschungsprojekt laufen, dass zeigen soll, das der Ort über Jahre sich selbst versorgen kann, mit Landwirtschaft, Handwerkern und allem sonst.«

Die Direktorin trank einen Schluck.

»Bloß die Versorgung mit Strom sowie die Müllentsorgung wird noch von außen durchgeführt, ansonsten sind wir wie früher das Kloster auch vollkommende Selbstversorger. Aber der Herzog sagt, dass dies auch schon in Planung ist. Er ist Mitglied in dem Ausschuss der Uni für dieses Projekt.«

Sie machte eine kleine Pause.

»Alle Bediensteten und ihre Angehörigen wohnen hier im Ort innerhalb des zweiten Mauerrings.« Frau von Taubach griff in ihre Tasche und legte einen Ortsplan auf den Tisch. Sie nahm einen Stift zur Hand und erklärte den Aufbau des Klosters sowie des Ortes.

»Hier ist sozusagen als Innerstes die ehemalige Klausur der Mönche.« Sie zeigte auf dem Plan den Kreuzgang sowie die daran angrenzenden Gebäude. »In diesem Bereich wird der halbjährliche herzogliche Lehrgang hauptsächlich stattfinden und dort können sich die Mädchen auch völlig unbefangen in ihrer jeweiligen Fesselung bewegen.« Sie machte eine kleine Pause und mit einem Lächeln in der Stimme fügte sie ein »soweit ihnen das möglich ist« hinzu.

»Im Anbau, also im ehemaligen Gästehaus des Klosters ist die sonstige Schule untergebracht. Der Unterricht beginnt allerdings erst im September. Die ersten beiden Monate sind wir mit dem Lehrgang also völlig ungestört.«

Sie zeigte auf der Karte die Mauern des Klosters. »Diese Mauer haben sie schon gesehen, das ist die mit dem Wehrgang. Damit ist der innere Klosterbereich gegenüber dem Ort abgeschirmt. Es gibt nur drei Zugänge, die vom Hausmeister kontrolliert werden.« Sie zeigte das Tor im Schreibturm, den Aufgang beim Parkplatz und den Zugang im Norden zur Herberge.

»Dann wäre hier der zweite Mauerring.« Sie zeigte den Verlauf auf der Karte. »Er schließt die frühere Klosterversorgung ein.« Sie zeigte die verschiedenen Wirtschaftsgebäude, die Geschäfte, sowie die Bauernhöfe und die Mühle. »In diesem Bereich herrscht für alle Schülerinnen ein großer Vertrauensraum, nicht nur für ihre Bondagetten.«

Sie zeigte auf ein Gebäude auf der Karte. »Hier ist der Gasthof, in dem wir uns befinden. In diesem Bereich sind die Wohnungen der Schülerinnen und aller sonstiger Bediensteten, die nicht direkt bei den Arbeitsstätten wohnen können.«

Paula brachte die Essen.

»Nach dem Essen schauen wir uns die Räumlichkeiten an. Und jetzt wünsche ich einen guten Appetit.«

* * *

»Das hier wird in Zukunft der einzige Zugang zur Klausur sein.« Frau von Taubach hatte Karin und Andrea wieder in das Kloster zurückgeführt und zeigte ihnen jetzt das Innere des zukünftigen Ausbildungsbereichs.

»Bitte achten Sie auf diese beiden Türen.« Sie zeigte die äußere und die innere Tür des Pfortenganges. »Zukünftig wird sich immer nur eine von beiden öffnen lassen. Damit lässt sich der Zugang in und aus der Klausur streng kontrollieren.«

‚Und das wird auch nötig sein’, fügte sie in Gedanken noch dazu.

Karin versuchte sich den Vorgang vorzustellen. Erst als die Direktorin dies mit einer Schiffsschleuse verglich, erkannte sie die Wirkung der zwei Türen.

Die Direktorin trat mit den beiden Lehrerinnen in den Kreuzgang. Karin war beeindruckt vor der strengen symmetrischen Klosterarchitektur. Frau von Taubach war bemüht, ihnen die heutige Nutzung des Klosters zu erläutern.

»Hier links gleich neben der Schleuse ist unser für den Betrieb wichtigster Raum, hier ist der Empfang und die Überwachungstechnik untergebracht. Sie zeigte auf die beiden Schreibtische sowie die acht Bildröhren, die im Moment noch einige Handwerker bei der Arbeit zeigten.«

Sie trat wieder in den Kreuzgang. »Wir können einmal herum gehen. Hier rechts ist das Parlatorium. Hier gab es früher für die Mönche Sprecherlaubnis, sonst musste im Kloster geschwiegen werden.« Sie hielt inne und ließ die Frauen diesen Gedanken zu Ende denken. Erst nach einiger Zeit dämmerte es Karin, das ihre Chefin vermutlich auf die Ballknebel der Schülerinnen anspielte.

Frau von Taubach verwies auf das große abgesperrte Loch im Boden. »Hier wurden alte Mauerreste gefunden, deswegen hat sich unser kompletter Zeitplan verschoben. Wir müssen in den ersten Wochen noch viel improvisieren.«

Sie gingen weiter und passierten eine verschlossene Tür. »Das war früher der Kapitelsaal. Für die geplante Ausbildung wird er bisher nicht gebraucht.«

Sie passierten das alte Portal zur Kirche auf der Nordseite. »Für den gesamten Lehrgangszeitraum wird diese Tür zugesperrt sein. Die Schülerinnen bekommen Zugang zur Kirche nur über die Empore.« Sie beschrieb, das jeden Sonntag in der Kirche der Gemeindegottesdienst stattfand.

Sie gingen durch den nördlichen Teil des Kreuzganges und kamen in den Westflügel des Klosters. Dort betraten sie zunächst das zukünftige Pausenzimmer. »Hier können sich die Schülerinnen während der Pausen aufhalten. Gleich daneben ist der große Unterrichtssaal.« Sie ließ Karin und Andrea jeweils einen Blick hineinwerfen.

Karin fielen sofort die vielen Lederriemen an den Stühlen der Schülerinnen auf sowie viele Haken und Ösen. Sie musste wieder an ihre Tochter denken.

Im nächsten noch größeren Raum war der Speisesaal untergebracht. Sie gingen hinein und die Direktorin führte sie zu einer Treppe in den Raum darunter. Durch eine Tür konnten sie in den Raum unterhalb des Unterrichtssaal blicken. »Hier werden die Schülerinnen ihren Mittagsschlaf halten. Darauf legt der Herzog besonders viel Wert.«

Karin war erstaunt. Sie sah einige Betten, ein paar Liegen und ein Tisch, auf dem ein Rahmen mit Gummi aufgespannt war. Die Direktorin erklärte, das dies ein Vakuumbett sei. Es sei vorgesehen, dass die Schülerinnen sich jeweils einigen müssten, wer jeweils darin schlafen dürfte. Karin konnte mit diesen Worten allerdings nichts anfangen.

Sie gingen wieder nach hinauf und die Direktorin führte sie zum Treppenhaus. »Im Obergeschoss ist der Wohnbereich für die Schülerinnen untergebracht.« Sie zeigte ihnen die vier Teamräume sowie das große Freizeitzimmer und die sanitären Anlagen.

»Nur ein kleiner Unterrichtsraum ist hier im östlichen Flügel untergebracht und die Bibliothek mit dem ehemaligen Scriptorium, der Schreibstube der Mönche.«

Sie zeigte auf die kleine Treppe, die nach oben führte. »Im Dachgeschoss werden Ihre Privaträume sein, sowie noch einige Räume für die Ausbildung.« Sie machte eine Pause und ihr Tonfall veränderte sich. »Aber leider sind die Räume noch nicht fertig. Erst Sonntag Abend können sie einziehen.«

Die Direktorin zeigte auf einen Durchgang im Ostflügel, der noch abgesperrt war. »Dort geht es zum Turm und in den neuen Bau. Aber der Bereich wird erst in einigen Wochen fertig. Dort sind weitere Unterrichtsräume in Vorbereitung. Vor allem die Räume, die wir für die Spezialprojekte brauchen werden.«

* * *

»Ich hoffe, meine Tochter Paula hat Sie gut bedient?« Frau Windisch, die Wirtin des kleinen Gasthofs erkundigte sich bei Karin, nach dem sie ihr das gewünschte Getränk gebracht hatte.

Karin bedankte sich. »Es war alles in Ordnung.«

»Sie macht das noch nicht lange.« Es war zu sehen, dass sie trotzdem ziemlich stolz auf ihre Tochter war. »und sie geht noch zur Schule.«

Andrea kam und setzte sich zu Karin. Sie bestellte sich ebenfalls etwas zu trinken. Die Wirtin fragte, ob sie auch etwas essen wollten.

Karin fragte nach einem Salatteller und Andrea schloss sich an. Die Wirtin verschwand in der Küche und ließ die beiden Lehrerinnen zurück.

Beide schwiegen zunächst, denn sie waren sehr damit beschäftigt, all die neuen Eindrücke und Informationen zu verarbeiten. Nach den inneren Klosteranlagen hatte die Direktorin die Außengebäude innerhalb des Klosters gezeigt und sie außerdem dem Hausmeisterehepaar vorgestellt. Sie waren dann noch in der Kirche gewesen und hatten sich das Außengelände angesehen.

Die Tür zur Straße öffnete sich langsam und Karin war überrascht als sie Birgit und Alexandra erblickte. Obwohl es Karin schwer fiel, dies zu glauben, trugen beide ihre Monohandschuhe und sie hatten auch noch die Knebel im Mund. Was ihr aber vor allem auffiel, waren die vor Glück strahlenden Augen der beiden. Sie funkelten um die Wette und beide machten einen genauso verliebten wie glücklichen Eindruck.

Frau Windisch hatte die Tür ebenfalls gehört und als sie die beiden erblickte, kam sie auf sich zu und half ihnen, sich an einen Tisch zu setzen. Mit einem erfreuten Lächeln fragte sie nach, ob sie etwas trinken wollten. Sie blickte Birgit an und fragte »Du magst Apfelschorle?« Birgit nickte dankbar.

Dann wurde ihre Freundin von ihr gefragt: »Alexandra, Dir darf ich eine O-Saft-Schorle bringen?« Auch Alexandra nickte. Als Frau Windisch hinter der Theke verschwand, gab Birgit ihrer Freundin einen Kuss mit den geknebelten Lippen. Karin tat dieser Anblick etwas weh, obwohl sie sich doch auch über das Glück des Paares freute.

Die Wirtin brachte die Getränke und stellte sie vor die beiden Frauen hin. In beiden Gläsern steckte ein Strohhalm. Ohne das sie gefragt wurde, trat sie dann hinter Birgit und nahm ihr den Knebel ab. Genauso befreite sie Alexandra von ihrem Knebel. Zu Karins Erstaunen nahm sie die beiden Knebel mit.

Paula brachte die beiden Salatteller und wünschte einen guten Appetit. Karin und Andrea ließen es sich schmecken.

* * *

Als Paula die Salatteller wegräumte, blickte Birgit die Wirtstochter an und sagte, dass sie dann wieder weiter wollten. Paula erwiderte den Blick und sagte: »Ich werde es meiner Mutter ausrichten.«

Gleich darauf kam Frau Windisch und hielt die Ballknebel in der Hand, die sich noch einmal mit einem Handtuch trocken rieb. Ohne das eine der Frauen etwas gesagt hätte, trat die Wirtin hinter sie und legte beiden den Knebel wieder an. Wieder schauten sich die beiden sehr verliebt in die Augen und küssten sich mit den jetzt wieder geknebelten Lippen. Dann standen sie vorsichtig auf und nachdem sie sich beide noch einmal mit einem Knicks bedankt hatten, verließen sie die Gaststube.

Karin blickte ihnen total fasziniert hinterher.

Die Wirtin trat zu Karin und Andrea an den Tisch. Es war ihr anzusehen, dass auch sie von dem außergewöhnlichen Liebespaar beeindruckt war. »Ich kenne sie von früher. Sie waren immer schon so verliebt und mutig.«

Karin war noch sehr fasziniert von der besonderen Ausstrahlung der beiden Frauen.

Andrea fragte es: »Wie kommen sie denn aus dem Handschuhen wieder heraus?«

Die Wirtin blickte sie mit einem hintergründigen Lächeln an: »Es täte mich nicht wundern, wenn sie Morgen früh so zum Frühstück kämen.«