Vinctae in Monasterio Antiquo

Vinctae in Monasterio Antiquo – Kirsten

Autor: Karl Kollar

Obwohl es noch sehr früh am Sonntag Morgen war, hatte es Karin nicht lange in ihrem Bett im Gasthof ausgehalten, denn sie hatte sehr unruhig geschlafen. Immer wieder musste sie über das außergewöhnliche Auftreten der Herzogstochter nachdenken. Besonders dieser so seltsame Mantel beschäftigte sie. Obwohl sie fast die ganze Nacht gegrübelt hatte, war ihr keine Möglichkeit eingefallen, wie sich die Prinzessin daraus hätte befreien können. Karin hatte noch deutlich das Bild vor Augen, wie die beiden Arme der Prinzessin in der Ärmel-Röhre gefangen waren und welch hilflosen Eindruck sie damit machte.

Da es noch sehr früh am Morgen und entsprechend kühl war, hatte Karin sich ihre Sommerjacke über gezogen und ohne dass es ihr so recht bewusst war, führten ihre Schritte sie zu der Herberge nördlich vom Kloster. Erst als Karin vor dem großen Gebäude stand und daran hoch sah, wusste sie, was sie hergezogen hatte. Tamara stand innen vor dem Fenster und machte einen sehr verzweifelten Eindruck. Dies sah Karin auf den ersten Blick. Ebenso sah sie, das die Prinzessin immer noch den Ball im Mund trug.

Auch Tamara schien Karin entdeckt zu haben, denn sie machte auf einmal hektische Bewegungen, soweit der strenge Mantel dies zuließ. Auch ihre Lippen bewegten sich um den Knebel und Karin kam es vor, als würde sie rufen. Es sah zudem aus, als würde Tamara an das Fenster klopfen, doch ein Geräusch war nicht zu hören. Karin ahnte, wie grausam konsequent dieser Mantel seine Trägerin gefangen hielt. Sie bekam eine Gänsehaut. Gleichzeitig aber wusste sie, was sie tun musste.

* * *

Zügig betrat Karin die Herberge und stieg in das obere Stockwerk. Mit eiligen Schritten ging sie den Weg bis zu dem Zimmer, in dem sie gestern Abend die Prinzessin zurückgelassen hatte. Sie klopfte an die Tür und wartete kurz, doch dann dachte sie über die gegenwärtige Lage von Tamara nach und wagte es einzutreten, ohne auf eine Antwort zu warten. Tamara war gerade dabei, sich mit dem Mantel zur Tür zu drehen. Karin konnte gut erkennen, das der Mantel der Prinzessin nur sehr wenig Beinfreiheit ließ.

»Geht es Ihnen gut?« Karin wollte eigentlich nicht so herein platzen, doch der verzweifelte Gesichtsausdruck von Tamara hatte Besorgnis in ihr geweckt.

»Aufmaffen, biffe aufmaffen.«

Karin musste erst ein wenig über die seltsamen Worte der Prinzessin nachdenken. Doch dann fiel ihr der Ball im Mund der Herzogstochter auf und es war ihr klar, dass sie deswegen nicht mehr richtig sprechen konnte.

»Soll ich Ihnen den Mantel aufmachen?« Karin war sehr unsicher. Sie wollte sich nach wie vor nicht einmischen, doch Tamaras Blick am Fenster war ein deutlicher Hilfeschrei gewesen.

Ein heftiges Nicken von Tamara war die Antwort. Dann blieb sie stehen.

Karins Blick fiel auf den Reißverschluss auf der Rückseite des Mantels und sie begann sich, der Prinzessin den Mantel zu öffnen. Ein etwas gedämpfter Seufzer der Erleichterung war zu hören.

Karin sah, dass es noch einen zweiten Reißverschluss gab, der das Beinteil des Mantels geschlossen hielt. Sie zog auch diesen auf und öffnete auch die beiden Schnallen, die das Beinteil unten am Saum noch zusätzlich zusammen hielten.

Tamara drehte sich um und blickte Karin mit einem Gemisch aus Scham und Dringlichkeit an. Karin sah, dass die Prinzessin zwar ihre Arme heftig zu bewegen versuchte, aber die Armröhre hielt ihre Arme nach wie vor gefangen. Karin fasste am Oberteil des Mantels an und zog ihn zu sich her. Dabei sah sie, wie Tamara so nach und nach ihre Arme aus dem Ärmel ziehen konnte.

Kaum waren die Prinzessin aus dem Mantel befreit, als sie blitzschnell den Raum verließ. Karin fragte sich, ob ihre Hilfe richtig war oder ob es jetzt Ärger mit dem Herzog geben würde. Immerhin hatte sie seine Tochter aus ihrer seltsamen Gefangenschaft befreit.

Sie horchte, ob sie Schritte von der Treppe hören würde, doch von dort kamen keine Geräusche. Sie blickte aus dem Fenster, ob die Prinzessin die Herberge vielleicht schon verlassen hatte, doch auch draußen war sie nicht zu sehen.

Karin legte den Mantel, den sie immer noch in den Händen hielt aufs Bett und ging mit langsamen Schritten zur Tür, um aus dem Zimmer zu sehen. Aus einem anderen Raum fiel Licht auf den Korridor und sie hörte das Geräusch einer Toilettenspülung. Karin war erleichtert, denn anscheinend war die Prinzessin nicht weggelaufen, zumindest bis jetzt nicht. Doch sie fragte sich, ob sie wohl zu ihr zurück kommen würde.



Mit verschämt langsamen Schritten kam Tamara aus dem Bad und ging auf Karin zu. In ihrer Hand hielt sie einen kleinen Schlüssel, den sie Karin reichte, während sie sie mit einer Mischung aus Verlegenheit und Flehen an sah. Dann drehte sie sich um und griff mit einer Hand an das Schloss, welches ihren Ballknebel geschlossen hielt.

Schnell hatte Karin das kleine Schloss geöffnet und Tamara konnte sich von dem Knebel befreien. »Danke.« Verschämt blickte sie Karin an.

Diese war immer noch sehr verwundert. »Sie haben die ganze Zeit in dem Mantel gesteckt?« Sie bereute die Frage gleich nach dem sie sie ausgesprochen hatte.

Die Prinzessin versuchte es zu überspielen. »Ja, haben Sie etwas dagegen?« Ihre Stimme klang etwas schnippisch.

Sie schwiegen sich einen Moment an, dann fiel Karin der rettende Ausweg ein. »Darf ich Sie zum Frühstück in meiner Pension einladen?«

Tamara kämpfte sichtlich mit ihrem Stolz, doch schließlich siegte ihr Hunger. Mit noch etwas Misstrauen in der Stimme nahm sie die Einladung an. »Ich würde nur vorher gern noch unter die Dusche springen.«

* * *

Karin lauschte dem Rauschen des Duschwassers, während sie auf die Herzogstochter wartete. Sie war wieder in das Zimmer gegangen, wo der so faszinierende Mantel noch auf dem Bett lag. Karin nutzte die Gelegenheit, ihn sich einmal etwas genauer anzusehen. Besonders der seltsame Ärmel interessierte sie. Er war tatsächlich aus einem Stück gearbeitet und jeweils links und rechts an dem Schulterteil des Mantels angenäht. Karin stellte sich gerade und hielt ihre Arme so, wie sie sie wohl in dem Ärmel halten müsste. Ihr Atem ging etwas heftiger, denn sie spürte die grausame Hilflosigkeit, die dieser besondere Ärmel erzwang.

In diesem Moment kam Tamara zur Tür herein. Sie hatte sich schon umgezogen und blickte Karin dankbar an. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie ihre Armhaltung entdeckte.

Karin fühlte sich ertappt. Trotzdem wollte sie etwas Nettes sagen. »Das ist ein sehr seltsamer Mantel. Aber schön.«

Tamara fühlte sich geschmeichelt. »Gefällt er Ihnen? Ich habe ihn selbst entworfen und dann nähen lassen. Aber ich brauche Hilfe zum An- und Ausziehen.«

Karin war zu verblüfft, um darauf eine Antwort zu geben. Stattdessen ließ sie ihren Blick vom Mantel zum Fenster wandern.

Tamara fing diesen Blick auf und spürte die nicht gestellte Frage. Sie lächelte und schüttelte dann den Kopf. »Nein danke, das reicht mir erst mal.« Sie ging zu ihrem Koffer, öffnete ihn und nahm eine Lederjacke heraus. Sie reichte diese Karin und sah sie etwas verlegen an. »Tut mir leid, ich habe nichts anderes dabei. Könnten Sie mir bitte da hinein helfen?«

Karin kam der Bitte gern nach, auch wenn sie noch nicht verstand, warum die Prinzessin die Jacke nicht selbst anziehen konnte. Sie nahm das Lederstück in die Hand und war überrascht von dem großen Gewicht der Jacke.

Tamara spürte die Neugier und die Fragen von Karin. »Die Jacke ist sehr robust gearbeitet, überall mindestens zwei Lagen, deswegen ist sie so schwer.«

Karin öffnete die Jacke und jetzt fiel ihr die eigentliche Besonderheit der Jacke auf. Die Ärmel waren bis zum Ellenbogen fest mit der Jacke verbunden. Die Trägerin wäre nur in der Lage, ihre Unterarme zu bewegen. Karin blickte Tamara fragend an.

Die Prinzessin lächelte. »Sie müssen mir die Jacke von unten anreichen, dann kann ich in die Ärmel schlüpfen. Dann ziehen Sie sie nach oben und können sie zumachen.«

Karin kam der Bitte nach und hielt die Jacke so, dass Tamara ihre Hände in die Ärmelöffnungen stecken konnte. »Gut so?« fragte Karin leise. Ihre Hände zitterten ganz leicht.

Die Stimme der Prinzessin war ebenfalls etwas leiser. »Jetzt bitte langsam hochziehen.« Sie hielt ihre Arme längs neben ihrem Körper, so dass Karin die Jacke an ihr bis zu den Schultern hochziehen konnte.

»Das ist eine sehr seltsame Jacke.« Karin bemühte sich, ihre Stimme neutral klingen zu lassen. Sie traf damit allerdings trotzdem Tamaras Eitelkeit.

»Gefällt Sie Ihnen? Ich habe sie auch selbst entworfen.« Es klang eine Menge Stolz in ihrer Stimme mit.

Die Lehrerin war sichtlich irritiert von der Begeisterung der Prinzessin, sich durch Kleidung die Bewegungsfreiheit rauben zu lassen.

»Könnten Sie sie noch zumachen? Das kann ich so nicht mehr?« Tamara spürte die Irritation von Karin. »Ich kann meine Unterarme noch gut bewegen, aber ich komme nicht mehr an die Verschlüsse.« Sie bewegte etwas ihre Arme, um den verbliebenen Freiraum zu zeigen.

Karin wankte zwischen Abneigung und Faszination. Es wurde ihr unheimlich, denn schon wieder war die Prinzessin in einem seltsamen Kleidungsstück gefangen. Die Lehrerin versuchte sich nichts anmerken zu lassen, trat vor Tamara und schloss mit leichtem Zittern den Reißverschluss. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf den Ballknebel, den die Prinzessin vorhin auf den Tisch gelegt hatte.

Tamara folgte dem Blick, schüttelte mit dem Kopf und lächelte. »Nein danke, den braucht es nicht. Den habe ich nur wegen ‚ihr’ getragen, dieser blöden Schnepfe«

Karins fragender Blick brachte Tamara dazu, zu erzählen. »Die neue Freundin von meinem Vater.«

So langsam konnte Karin das Handeln der Prinzessin nachvollziehen. Die neue Lebensgefährtin des Vaters war schon immer eine Quelle für tiefgründige Konflikte. Aber sie sah eine gute Gelegenheit, der Herzogstochter etwas näher zu kommen. Es würde ihr bestimmt gut tun, wenn sie ihr Herz erleichtern würde.

»Wir sollten dann gehen.« Karin spürte jetzt auch Hunger und immerhin wartete im Gasthof ein reichlich gedecktes Frühstücksbuffet.

* * *

Es war nach wie vor recht kühl draußen und Karin war über ihre Jacke recht dankbar. Sie ging langsam neben der Prinzessin her entlang der Klostermauer zum Gasthof und hörte lauschte ihren etwas traurigen Stimme.

»Es hat damit angefangen, dass meine Mutter vor einigen Jahren gestorben ist. Das hat uns alle richtig aus der Bahn geworfen.«

Karin war bemüht, nicht zu schnelle Schritte zu machen, damit die Prinzessin mit ihrer selbst gewählten geringen Beinfreiheit nachkommen konnte. Der ziemlich enge Rock, den sie trug, war wadenlang und hatte keinen Gehschlitz.

»Aber es hat uns auch zusammen geschweißt.« Die Prinzessin berichtete, dass sie versucht hatte, ihrem Vater so gut wie es eben ging, die Frau zu ersetzen. »Ich habe ihn oft begleitet, wenn er wichtige Termine hatte und er war stolz darauf, mich an seiner Seite zu haben.«

Karin gab die gute Zuhörerin. Sie spürte, dass es für der Prinzessin gut tat, einfach mal ihr Herz ausschütten zu können.

»Irgendwie war da schon immer die Idee zu diesem Lehrgang. Meine Mutter hatte mir oft davon erzählt, dass sie in ihrer Jugend selbst an so einer besonderen Schule unterrichtet wurde und dass sie es sehr gern gesehen hätte, wenn ich in ihre Fußstapfen treten würde.« Es war einige Trauer in ihrer Stimme zu hören und Karin legte vorsichtig ihren Arm um die Prinzessin, um sie zu trösten. Tamara nahm diese Geste dankbar an. Sie gingen noch langsamer weiter.

»Ich habe war immer an der Seite meines Vaters und habe alles gemacht, um ihn glücklich zu machen.« Ihre Stimme wurde bewegter. »Nur ein einziges Mal habe ich ihn nicht begleitet, weil ich an dem Tag unbedingt ein spannendes Buch zu Ende lesen wollte. Ich hätte damals nicht so egoistisch sein dürfen.«

Karin ahnte schon, was an dem Abend passiert war. Doch sie sagte nichts, sondern ließ Tamara reden.

»Ich hätte ihn unbedingt begleiten müssen. Doch ich habe es nicht getan. Und als Ergebnis hat er SIE an dem Abend mit nach Haus gebracht. Ich habe SIE am nächsten Morgen gesehen, als er mit IHR zusammen am Frühstückstisch saß. Ich bin auf mein Zimmer gelaufen und habe nur noch geweint.«

Sie waren stehen geblieben. Karin nahm die Prinzessin in den Arm und tröstete sie durch Streicheln.

»Sie kamen später auf mein Zimmer und er hat sie mir vorgestellt. Eine Baroness Franziska von Widgenstein.« Der Klang ihrer Stimme zeigte deutlich, was sie von der neuen Freundin ihres Vaters hielt. »Ich habe sie von Anfang an nicht gemocht. SIE hat ihn mir weggenommen.«

Es war Karin aufgrund ihrer Erfahrung klar, dass hier einer der klassischen Vater-Tochter-Konflikte vorlag, doch sie wusste auch, dass sie Tamara dabei nicht wirklich helfen konnte. Immerhin würde es ihr gut tun, wenn sie ihr Herz erleichtern konnte.

»Ich wollte sogar diesen Lehrgang absagen, nur damit ich immer bei ihm sein kann. Doch dann wurde mir klar, dass ich damit meinen größten Traum aufgeben würde. Und ich würde auch meiner Mutter sehr weh tun, denn es war auch ihr größter Wunsch, dass ich eine ebensolche Erfahrung machen sollte, wie sie sie damals erfahren hat.«

Sie gingen langsam weiter. Es schien, als sei Tamara über einen großen Berg hinweg gegangen. »Doch jetzt beginnt es.« Sie blickte Karin dankbar an.

Nach der Kurve kam Gasthof ins Blickfeld. Paula fegte gerade die Stufen vor dem Haus. Als sie die beiden kommen sah, beeilte sie sich und ging wieder hinein.

* * *

Im kleinen Frühstücksraum war es angenehm warm. Karin zog ihre Jacke aus und hängte sie über einen der Stühle. Dann ging sie zum Frühstücksbuffet. Gerade als sie sich einen Teller nehmen wollte, fiel ihr Blick auf die Prinzessin, die immer noch etwas unsicher an der Tür stand. Die Lehrerin sah, wie Tamara nahezu gierig auf das Buffet blickte und dabei versuchte, mit ihren Armen an den Verschluss ihrer Jacke zu kommen. Karin konnte hier sehr eindrücklich sehen, wie gut die Jacke gearbeitet war. Weder konnte die Prinzessin den Reißverschluss erreichen, noch gab es für sie irgendeine andere Möglichkeit, sich aus der Jacke zu befreien.

»Wollen Sie die Jacke nicht ausziehen?« Karin blickte Tamara mit einer Mischung aus Neugier, Humor und gespielter Naivität an. »Hier ist es doch gut geheizt.«

Tamara hielt in ihren vergeblichen Befreiungsversuchen inne und blickte Karin verunsichert an. Hatte ihre Begleitung schon vergessen, was die besonderen Eigenschaften dieser Jacke waren. Und die Prinzessin wusste nur zu gut, wie zuverlässig dieses Kleidungsstück sie gefangen halten konnte. Wenn der Reißverschluss geschossen war, gab es für sie keine Möglichkeit mehr, sich daraus zu befreien. Und ihre Armfreiheit war zudem drastisch eingeschränkt.

Ein Lächeln glitt über Karins Gesicht. »Es sollte ein Scherz sein.« Sie trat auf Tamara zu und öffnete den Reißverschluss Dann half sie Tamara, sich aus der Jacke zu befreien, in dem sie sie an ihrem Körper nach unten zog.

Karin fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn sie diese Jacke tragen würde. Doch das sie traute sich nicht zu fragen.

* * *

Elke Helmar, die Betreuerin des gelben Teams stand an dem kleinen Tischchen im Stehcafes des Bahnhofs und nippte an ihrem Morgenkaffee. Sie wartete auf eine der zukünftigen »Schülerinnen«, die sie auf der Anreise zum Kloster begleiten sollte. Ihre Chefin Frau von Taubach hatte ihr erklärt, dass sie als eine der zukünftigen Betreuerinnen hier ihre erste Aufgabe war zunehmen hatte und das es wichtig sei, auf Jennifer Weber gut aufzupassen.

Immer wieder blickte sie an ihrer außergewöhnlichen Kleidung hinunter. Die schwarzen Lederstiefel reichten ihr bis kurz über das Knie und gaben ihr in Kombination mit der weißen Hose ein sehr strenges Aussehen. Dazu trug sie die weiteren Sachen, die in Zukunft ihre Uniform ausmachen würde: eine weiße dazu passende Bluse sowie eine schwarze Jacke mit gelben Ärmelaufschlägen und Schulterteilen. Sie schüttelte den Kopf ob des Aufwandes, der hier getrieben wurde, denn sie war extra in die 200 km entfernte Stadt gefahren und hatte eine Nacht im Hotel geschlafen, nur um jetzt am Morgen rechtzeitig am Bahnhof zu sein und die Teilnehmerin in Empfang nehmen zu können. Und Frau Falk, eine ihre zukünftigen Kolleginnen, würde mit dem Auto am Zielbahnhof warten, um sie dann abzuholen und ins Kloster zu bringen.

Sie blickte auf die Uhr. Es war kurz vor Acht Uhr, Frau Weber und ihr Mann sollten jeden Moment eintreffen. Ihre Begeisterung darüber, schon so früh aufstehen zu müssen, nur um eine der Teilnehmerinnen begleiten zu können, hielt sich in Grenzen. Und sie wusste bis jetzt auch nicht, warum eine Begleitung von Frau Weber so wichtig war. Dazu hatte ihre Chefin ihr nichts gesagt. Sie hatte nur etwas von einem besonderen Zustand der Teilnehmerin erwähnt. Und das diese sich so etwas schon lange gewünscht hatte.

Und dann bogen sie um die Ecke. Elke war sich sicher, dass sie es waren, noch ehe sie näher gekommen waren. Von ihnen ging irgendwie ein gewisser Zauber aus. Elke konnte zunächst gar nicht sagen, was es war.

Beim Näherkommen konnte sie das Paar unauffällig mustern. Der Mann trug einen dunklen Anzug mit Krawatte, während von der Frau nur ihre Haare zu sehen waren. Der Rest ihrer Figur war versteckt unter einem leicht gräulichen Umhang, der bis zu ihren Waden reichte. Nur gelegentlich öffnete sich vorn ein kleiner Spalt und gab einen Blick frei auf Rock und Bluse, die die Frau sehr wahrscheinlich darunter trug. Nur ihre schwarzen glänzenden Stiefel mit hohen Absätzen waren deutlich zu sehen.

Elke drehte sich deutlich zu ihnen und blickte das Paar erwartungsvoll an. »Sie sind Herr und Frau Weber? Ich bin Elke Helmar und werde sie ins Kloster begleiten.«

Herr Weber stellte sich und seine Frau ebenfalls vor. »Jenni freut sich schon sehr auf die Zeit.« Er blickte seine Frau sehr verliebt an, diesen Blick erwiderte Jenni. Dann wandte er sich wieder an Elke: »Sie wurden über alles informiert?«

Elke bejahte. »Ich soll Ihre Frau auf der Zugfahrt begleiten.« Mehr hatte ihr ihre Chefin allerdings nicht gesagt. Was genau Jennis besonderem Zustand ausmachte, wusste sie nicht.

Herr Weber wollte anscheinend ganz sicher gehen. »Sie wissen, dass sie Jennis Gepäck tragen müssen?«

Die Betreuerin wollte sich keine Blöße geben. »Ja sicher, das kann ich machen.« Sie wußte es zwar nicht, aber der kleine Koffer stellte auch kein Problem dar.

Sie warf einen Blick auf Jenni, die neben ihrem Mann etwas nervös hin und her trippelte. Sie schien recht aufgeregt zu sein.

»Ich muss dann los, ich habe einen dringenden Geschäftstermin.« Er gab seiner Frau noch einen Kuss, dann war er auch schon verschwunden.

Elke war verwundert. Als ihr Blick auf Jenni fiel, sah sie, wie sie ihm sehr verliebt hinterher blickte. Allerdings machte sie keinen Versuch, ihm nach zu winken. Auch nicht, als er sich in der Bahnhofshalle noch einmal zu ihr umdrehte und winkte. Elke kam dies schon etwas seltsam vor. Doch sie sagte nichts. Stattdessen blickte sie auf die Uhr. »Wir sollten dann langsam zum Bahnsteig gehen, der Zug wird bald da sein.«

Jenni warf einen Blick auf ihren Koffer, dann sah sie Elke bittend an.

Die Betreuerin verstand den Blick und nahm sich den Koffer, doch sie fand es schon etwas seltsam, dass die Frau bisher keinen einzigen Ton gesagt hatte. Nicht mal gegenüber ihrem Mann war ein Abschiedswort gefallen. In Elke stieg ein Verdacht auf. Sie lächelte in sich hinein.

* * *

Im Abteil war es warm und gemütlich. Jenni hatte sich sofort ans Fenster gesetzt und machte es sich gemütlich. Sie blickte aus dem Fenster und stöhnte leise vor sich hin.

Elke hatte sich im Bahnhof eine Zeitschrift gekauft und begann nun darin zu lesen. Nur ab und zu blickte sie hinüber zu Jenni und fragte sich, ob sie mit ihrem Verdacht richtig liegen sollte. Es war schon auffällig gewesen, wie unsicher Jenni vorhin auf der Treppe zum Bahnsteig unterwegs war und wie schwer sie sich mit dem Einsteigen in den Zug getan hat. Sie hatte nicht um Hilfe gefragt, aber Elke bittend angesehen und auch ihre Unterstützung dankbar angenommen

Durch das Fenster zum Gang sah Elke, wie der Schaffner näher kam. Sie holte ihre Fahrkarte aus ihrer Tasche hervor und blickte dann hinüber zu Jenni. Die baldige Schülerin blickte die ganze Zeit aus dem Fenster. Doch Elke konnte an ihren Augen sehen, dass sie wohl eher träumte. »Frau Weber, wo haben Sie denn ihre Fahrkarte?«

Auf einmal kam Unruhe in Jennis Erscheinung auf. Es schien, als würde sie leicht hektisch.

Elke war verunsichert. Sie würde doch wohl eine Fahrtkarte haben. Jetzt ärgerte sie sich, dass sie ihren Mann nicht danach gefragt hatte.

Jenni blickte Elke wieder mit diesem hilfesuchenden Blick an, doch wiederum sagte sie kein einzigen Wort.

Elke wurde es zu bunt. Ihre Stimme wurde etwas energischer. »Frau Weber, wo ist ihre Fahrkarte?«

Jenni blickte sie fast verzweifelt an. Ihr Atem ging heftig. Aber es fiel Elke auf, dass sie nur durch die Nase Luft holte, dieses tat sie dafür mittlerweile recht heftig.

Die Tür des Abteils wurde aufgezogen und der Schaffner trat ein. Er fragte nach den Fahrkarten. Elke reichte ihm ihre Fahrkarte und wandte sich dann wieder an Jenni. Diese reckte ihren Oberkörper hervor.

»Machen Sie bitte ihren Mund auf, wo ist ihre Fahrkarte.« Elke war mittlerweile aufgestanden.

Jenni blickte ihre Begleitung mit verschreckten Augen an. Dann öffnete sie ihren Lippen leicht. Es kam ein Stück gelbes Schaumgummi zum Vorschein.

Jetzt endlich verstand Elke.

»Was ist jetzt?« Die Stimme des Schaffners klang schon etwas ungeduldig.

Elke setzte sich neben Jenni und legte ihre Hand leicht unter Jennis Kinn. Dann drückte sie es sanft nach oben. Jenni schloss ihren Mund wieder.

»Sie haben eine Fahrkarte dabei?« fragte Elke jetzt in einem sehr viel geduldigeren Stil.

Jenni nickte dankbar. Dann blickte sie an sich herunter.

Elke folgte dem Blick. Doch zunächst wusste sie nicht, was Jenni damit andeuten wollte.

Jenni wackelte mit dem Hals. Ein wenig öffnete sich dabei der Umhang.

Elke verstand endlich und griff mit ihrer Hand nach dem Umhang, um ihn etwas zu öffnen. Dort hing die Fahrkarte in einer Plastikhülle. Die Betreuerin nahm die Fahrkarte heraus und gab sie dem Schaffner, der schon sehr ungeduldig schaute.

Der Schaffner stempelte die Karte ab und gab sie zurück, dann verließ er das Abteil und schloss die Tür.

Als Elke die Karte wieder in die Hülle zurück steckte, fiel ihr noch etwas anderes auf, was bisher durch den Umhang verdeckt war. Über Jennis Brust verliefen zwei gekreuzte Lederriemen. Jetzt verstand sie endlich, was das Ganze sollte und warum die Reise für Jenni allein viel zu gefährlich war.

Sie blickte ihren Schützling bewundernd an, während ihre Hände den Umhang vorn wieder schlossen. »Ich staune über Ihren Mut.«

Jenni blickte sie mit verträumten Augen an. Gern hätte sie etwas erwidert.

Elke verstand die Antwort auch so. Sie setzte sich wieder auf ihren Platz und widmete sich wieder ihrer Zeitung. Nur ab und zu blickte sie hinüber zu Jenni, die gelegentlich leise vor sich hin stöhnte.

* * *

Es war sehr gemütlich in dem kleinen Frühstücksraum und sowohl Karin als auch Tamara genossen ihr Frühstück ausgiebig.

»Entschuldigen Sie bitte, ich bin Sabrina Friedheim. Sind Sie auch von dem Lehrgang im Kloster?« Das Mädchen vom Nachbartisch war aufgestanden und hatte sich neben den Tisch von Karin und Tamara gestellt.

Karin blickte sie etwas verwundert an.

Sabrina wurde etwas verlegen. »Ich hörte, dass Sie sich darüber unterhalten. Und ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich bin auch dafür angemeldet und ...« Auf einmal brach sie in Tränen aus.

Bislang war ihr die Frau nicht weiter aufgefallen. Sie hatte an einem der anderen Tische gesessen und hatte, soweit Karin es gesehen hatte, bisher noch nichts gegessen. Sie machte einen ziemlich traurigen Eindruck. Karin ermunterte sie, sich auf den freien Stuhl zu setzen und bot ihr noch etwas Kaffee an.

Sabrina nahm dankend an und trank einen Schluck. Dann blickte sie die beiden Damen an. »Ich denke, ich bin ihnen eine Erklärung schuldig.« Auf eine Antwort wartete sie nicht. »Mein Freund hat mich hergebracht, damit ich hier zu seiner ... »

Auf einmal wurde sie rot und blickte zu Boden. »zu seiner ... » Sie stammelte wieder.

»Ich soll für ihn hier ausgebildet werden. Wir hatten das ganz toll geplant, er wollte mich in Ketten legen und in das Kloster führen, doch dann...« Sie schluchzte wieder. »Dann musste er ganz überraschend auf einen Geschäftstermin und hat mich hier zurückgelassen.«

Auf einmal wurde Tamara hellhörig. »Du bist Sabrina, die Kettensklavin?« platze es aus ihr heraus.

Sabrina blickte sie erst verblüfft an, dann wurde sie sehr rot und blickte verschämt zu Boden. »Ja«, kam es ganz leise von ihr.

»Natürlich werden wir Dir helfen, Deinen Traum zu erfüllen.« Tamara blickte zwischen Karin und Sabrina hin und her.

Sabrina blickte Tamara sehr verwundert an.

»Mein Vater hat mir deine Anmeldung gezeigt,« erklärte die Prinzessin, »deswegen weiß ich, was Du Dir gewünscht hast.« Tamara sah, dass Sabrina immer noch sehr ungläubig schaute. »Ich bin Tamara, die Tochter von Herzog Kollstein.«

Sabrina war nach dieser Vorstellung sehr erleichtert. »Ja, ich bin Sabrina. Ich möchte zur Sklavin erzogen werden.«

Karin ging in Gedanken noch einmal die Namen der Mädchen durch, die in ihrem Team waren und sie war sehr erleichtert, als sie feststellte, dass diese Sabrina nicht dazu gehörte. Trotzdem war sie irritiert, mit welcher Inbrunst dieses Mädchen hier ihren Wunsch nach Sklaverei dar brachte.

Tamara blickte Sabrina kritisch an. »Du weißt aber auch, was mein Vater zu Deinem Wunsch gesagt hat?«

Sabrina sagte, das sie es wußte. »Das ist mir egal. Ich werden alles lernen, was ich lernen soll. Und in einem halben Jahr, zu Weihnachten, werde ich mich dann an ihn ausliefern, dann werde ich seine Sklavin... und ich werde perfekt sein.«

Karin versuchte, wieder zurück zum Anfang zu kommen. »Und was möchten Sie von uns?«

»Es war mein großer Traum, schon in Ketten ins Kloster geführt zu werden, das wollte er machen, wenn er nicht plötzlich weg gemusst hätte.« Die Enttäuschung war deutlich in Sabrinas Stimme zu hören.

Karin sah, wie bei Tamara auf einmal die Augen leuchteten. Sie ahnte, dass dies gewiss nichts Gutes bedeuten würde, zumindest nicht für Sabrina. Und da sprach es Tamara auch schon aus: »Sollen wir Dich in Ketten legen und ins Kloster bringen?«

Auf einmal bekam Sabrina leuchtende Augen. »Das würdet ihr tun?« Das wäre sehr nett von Euch.«

»Hast du denn was da?«

»Mein Freund hat alles da gelassen.«

Tamara stand auf. »Worauf warten wir noch?« Sie blickte Sabrina auffordernd an.

Karin war etwas verunsichert ob dem Eifer der Herzogstochter. Sie hatte schon verstanden, dass wenn Tamara sich etwas vornahm, dann machte sie es gründlich. Sie fragte sich, wie es Sabrina wohl ergehen würde und ob ihre Hilfe erforderlich wäre.

Doch Tamara machte einen sehr selbstsicheren Eindruck. Sie blickte kurz zu Karin herüber »Warten Sie hier auf uns.«

Karin kam der Bitte gern nach. Der Eifer von Tamara war ihr ohnehin genauso wenig geheuer wie dieser seltsame Wunsch von Sabrina.

Karin nahm sich noch einen Kaffee und wartete.



Auf einmal waren Schritte auf dem Korridor zu hören, die näher kamen, dazu zwei Frauenstimmen. Karin war sehr gespannt, was Tamara wohl mit Sabrina gemacht hatte. Doch als die Tür aufging, sah sie, dass stattdessen Birgit und Alexandra in den Raum kamen und freundlich »Guten Morgen« wünschten. Karin erwiderte den Gruß.

Paula hatte die Schritte ebenfalls gehört und kam aus der Küche. »Möchten Sie frühstücken?«

»Nein, danke.« antwortete Birgit. »Wir haben schon gefrühstückt. Aber Du könntest mal Deine Mutter holen. Wir möchten in die Kirche gehen und sie muss uns in die Handschuhe helfen.«

Paula schien zu wissen, was diese Bitte bedeutete. Ihre Augen leuchteten, als sie sich umdrehte und zurück in die Küche ging.

Karin glaubte sich verhört zu haben. Unwillkürlich blickte sie erstaunt zu dem Liebespaar. Doch als sie sah, was Birgit aus ihrer Tasche holte und auf den Tisch legte, sah sie, dass sie es richtig verstanden hatte. Auf dem Tisch lagen die zwei Monohandschuhe, die Karin schon gestern an den Mädchen bewundert hatte.

Alexandra blickte ihre Freundin zweifelnd an. »Ich bin nach wie vor nicht sicher, ob das so richtig ist.«

Birgit hingegen war zuversichtlich. »Warum sollte das denn nicht gehen. Beim letzten Mal haben wir das doch auch gemacht.«

»Aber das war doch auch was ganz anderes.« widersprach Alexandra. »Jetzt gehen wir allein zum Gottesdienst. Ob wir da wirklich die Handschuh tragen können?«

Karin hätte sich bei diesen Worten fast verschluckt. Anscheinend planten die beiden Liebenden, die Kirche mit angelegten Monohandschuhen aufzusuchen.

»Natürlich könnt ihr das machen.« Frau Windisch kam in den Raum. »Und ihr seid bei weitem nicht die Ersten. Meine Gäste machen das oft. Zumindest die weiblichen.«

»Sie meinen, wir können das wirklich wagen?« Alexandras Stimme ließ noch einige Unsicherheit erkennen.

»Aber natürlich. Außerdem könntet ihr euch auch in den geschützten Bereich setzen.« In der Kirche dürfen alle Schülerinnen der Schule so erscheinen, wie sie es möchten, solange sie ordentlich bekleidet sind, dies erklärte Frau Windisch. Sie ging zum Tisch und griff sich einen der Handschuhe. »Wer möchte zuerst?«.

Laura kam in den Raum. »Darf ich zusehen?«

Birgit trat vor und legte ihre Arme auf den Rücken, während sie Laura anlächelte. »Aber gern.«

Karin glaubte nicht, was sie da sah. Birgit und Alexandra hatte sich sehr schick gemacht. Birgit trug einen dunkelblauen Hosenanzug und Alexandra hatte sich ein graues Kostüm angezogen, welches einer Chefsekretärin alle Ehre gemacht hätte. Die schwarzen Monohandschuhe passten dabei so überhaupt nicht ins Bild.

Doch Frau Windisch ließ sich davon nicht beirren. Sehr routiniert legte sie wie gewünscht Birgit den Handschuh an. Und Karin musste innerlich zugeben, dass es doch sehr gut zu dem Anzug passte.

Auch Laura blickte sehr interessiert auf die immer enger werdende Lederhülle, die sich um Birgits Arme legte. Es war zusehen, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, aber sich nicht zu fragen traute.

Ihrer Mutter schien das nicht recht zu sein. »Hast Du nichts zu tun?«

Laura seufzte, dann drehte sie sich um, um wieder in die Küche zu gehen.

Doch Frau Windisch hatte es sich anders überlegt. »Laura, warte mal.«

Laura drehte sich verwundert um.

»Eigentlich bist Du alt genug dafür.« Sie hatte nachgedacht. Es kam oft vor, dass während der Schulzeit die Schülerinnen gelegentlich Besuch von Verwandten und meist älterer Schwestern bekamen. Und diese wollten manchmal noch einmal so einen Handschuh tragen. Manche mussten ihn sogar tragen. Und auch die Gäste der Wochenendseminare wollten manchmal am Abend noch »trainieren«. Deswegen wäre es gut, wenn Laura das Anlegen auch lernen würde, da sie immer häufiger sich auch um die Gäste kümmern muss.

Sie lächelte ihre Tochter an. »Aber Alexandra müsste es erlauben.«

Die Freundin von Birgit drehte sich neugierig um. »Was müsste ich erlauben?«

»Ich würde Laura Dir gern den Handschuh anlegen lassen, wenn Du nichts dagegen hast. Es wird Zeit, dass sie das lernt.«

Laura ließ einen kurzen Freudenschrei hören, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Ja, das würde ich gern machen.«

Alexandra lächelte. »Aber gern.« Dann ging sie zum Tisch, nahm sich den Handschuh und reichte ihn Laura. »So musst Du ihn halten, wenn ich meine Arme rein stecken möchte. Dann ziehst Du ihn an meinen Armen hoch.« Alexandra drehte sich um und als Laura den Handschuh wie beschreiben hielt, steckte sie ihre Arme hinein. Vorsichtig zog Laura ihn höher.

»Jetzt solltest Du die Riemen über der Schulter anbringen.« lies Alexandra mit etwas leiserer Stimme hören.

Lauras Hände zitterten etwas, als sie die Riemen sortierte. Doch sie verstand nicht, was sie damit machen sollte. Ihre Mutter kam ihr zu Hilfe. »Schau her, das ist ganz einfach.« Sie nahm einen der Riemen, legte ihn unter Alexandra Schulter hindurch über die Brust, um ihn dann über die andere Schulter nach hinten zu ziehen. Laura durfte ihn dort in der Schnalle befestigen.

»Jetzt mache es mit dem anderen Riemen entgegengesetzt.« ermutigte sie ihre Tochter.

Laura hatte jetzt keine Schwierigkeit mehr, Alexandra den zweiten Riemen ebenfalls anzulegen.

Birgit war hinzu getreten. »Du machst das gut und lernst schnell«

»Ich will das auch können, wenn ich mal die Gäste bedienen muss.« lächelte Laura.

»Dann kommt die Schnürung«, erklärte ihre Mutter. »Immer gleich die Schnüre nachziehen und immer nur ein paar Ösen weiter.«

Laura wusste zuerst nicht, was gemeint war, so dass ihre Mutter die ersten paar Ösen vormachte. »Du musst die Gäste immer fragen, wie eng geschnürt sie es wünschen.«

Laura sagte, dass sie es machen wird, dann stutzte sie einen Moment. Sie ließ die Schnürung kurz los und ging um Alexandra herum. »Wie streng mögen sie es denn, Frau Solcher?«

Doch Birgit antwortete für sie. »Alexandra ist ehrgeizig, auch wenn sie es nicht gern zugeben mag. Mache den Handschuh ruhig ganz zu.«

Alexandra versuchte einen bösen Blick in Richtung ihrer Geliebten, doch dann bestätigte sie es. »Ja, ich liebe es gern sehr eng.«

Laura hatte zunehmender Enge der Schnürung deutliche Schwierigkeiten, doch sie ließ sich davon nicht beirren. »Ich würde ja gern mal wissen, wie sich so ein Handschuh trägt.« schien sie laut zu denken.

»Das ist gar nicht so einfach«, ließ Birgit hören, »das braucht viel Übung und eine gute Gelenkigkeit.«

Frau Windisch freute sich insgeheim über den Eifer ihrer Tochter. Sie dachte darüber nach, ihr auch einmal so ein Wochenendseminar zu schenken. »Du hast ja bald Geburtstag« sagte sie laut.

Alexandra war schon sehr verzückt, deswegen reagierte sie erst etwas später. »Das fühlt sich ganz toll an. Probieren solltest Du es auf alle Fälle mal.«

»Jetzt musst Du noch dafür sorgen, dass der Handschuh nicht versehentlich wieder aufgeht, das ist wichtig. Unsere Gäste sollen sich stets auf uns verlassen können.« Sie zeigte ihr, was sie am oberen Ende der Schnürung mit der langen Schnur eine Schleife machen sollte und das der Lederriemen an den Oberarmen auch noch verschlossen werden konnte.

Alexandras Augen glänzten, als sie sich umdrehte und bei der Wirtstochter für die gute Arbeit bedankte.

Laura wurde rot.

Karin hatte sich während dieser faszinierenden Prozedur nicht von der Stelle bewegt, zu sehr hatte sie dieses gefühlvolle und doch auch nüchterne Einschnüren fasziniert. Und sie sah, dass beide Frauen wirklich gern diesen Handschuh trugen. Wie es wohl ihrer Tochter erging?

Das Paar verabschiedete sich. Sie winkten noch einmal mit den jetzt so unerbittlich verpackten Armen, dann öffnete Alexandra geschickt die Tür und dann verließen sie den Raum.

Auch Frau Windisch ging mit ihrer Tochter wieder in die Küche und ließ eine total nachdenkliche Karin am Tisch zurück.



Wieder öffnete sich die Tür. Karin blickte auf und sah, dass Tamara in den Frühstücksraum kam. Sie grinste bis zu den Ohren. Sie blickte sich kurz um, dann zog sie kurz an einer Kette, die sie in der Hand hielt.

Es war Kettengerassel zu hören und nur langsam betrat die über und über mit Ketten versehene Sabrina den Raum. Sie strahlte ebenfalls, selbst der Ballknebel der von einem Kopfgeschirr gehalten wurde, konnte das Leuchten in ihren Augen nicht verdecken.

Tamara tat, als wäre überhaupt nichts. Sie blickte Karin an und lächelte. »So, fertig.« Sie setzte sich zu Karin an den Tisch und zog noch einmal kurz an der Kette.

Sabrina senkte den Kopf zu Boden, dann versuchte sie mühsam, sich trotz der Ketten vor Tamara hinzu knien. Nur sehr langsam gelang ihr dies.

Tamara hörte Frau Windisch in der Küche hantieren, sie stand wieder auf und ging zu ihr, um sich noch einen Kaffee zu bestellen. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz.

Karin war sprachlos, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.

Frau Windisch brachte den Kaffee. Als sie Sabrina auf dem Boden knien sah, protestierte sie. Sabrina solle sich bitte auf einen Stuhl setzen.

Doch Tamara erklärte ihr, dass ihr »Anhängsel« sich das selbst so gewünscht hatte. Sabrina musste es ebenfalls bestätigen, erst dann war die Wirtin zufrieden. Erst im Nachhinein fiel Karin auf, dass Frau Windisch wegen der Ketten und dem Knebel nichts gesagt hatte.

Tamara ließ sich von Sabrinas Gestalt nicht beeindrucken. Zumindest versuchte sie es vorzugeben. Genüsslich und langsam genoss sie ihren Kaffee. Die Kette von Sabrinas Halsband hatte sie auf dem Tisch um den Zuckerstreuer gehängt.

Schließlich hatte sie ausgetrunken. Sie stand auf, reckte sich leicht, dann ging sie zur Garderobe und nahm sich ihre Lederjacke vom Haken. Damit ging sie auf Karin zu. »Wären Sie bitte so freundlich?« Sie grinste. »Wir müssen dann wieder ins Kloster.«

Karin tat sich diesmal etwas leichter, der Prinzessin in dieso faszinierende Jacke zu helfen, die sie recht unauffällig hilflos machte. Sehr schnell hatte Karin die Jacke an Tamaras Armen hochgezogen und sie dann mit dem Reißverschluss geschlossen.

Als wäre nichts gewesen, ging die Prinzessin danach wieder zum Tisch, vor dem Sabrina immer noch kniete und den Kopf gesenkt hielt. Tamara konnte gerade eben so zum Zuckerstreuer greifen. Sie zog ihn ein wenig zu sich heran, dann griff sie sich das Kette und zog daran. Sabrina stöhnte leise in den Knebel, als sie mühsam versuchte, mit ihren Ketten wieder aufzustehen.

Karin glaubte kaum, was sie sah. Obwohl Tamara durch ihre Jacke eigentlich ziemlich hilflos war, schaffte sie es dennoch, Sabrina gegenüber sehr dominant aufzutreten. Und Karin sah, dass es ihr auch noch viel Spaß bereitete.

Sabrina hatte sich sehr schnell in die Rolle einer Sklavin fallen lassen. Sie war glücklich, dass ihr Traum in Fesseln und Knebel ins Kloster geführt zu werden sich jetzt doch noch erfüllte. Sie stöhnte leise vor sich hin.



Karin fand es seltsam faszinierend, mit den beiden Frauen zum Kloster zu gehen, die beide aus unterschiedlichen Gründen recht hilflos waren. Dabei waren es beide aber aus eigenem Willen und zumindest die Prinzessin ließ sich deswegen überhaupt nichts anmerken. Recht zielstrebig ging Tamara den Weg zum Abthaus und genoss es dabei, die in Ketten gelegte Sabrina hinter sich her zu ziehen.

»Was wollen Sie denn jetzt schon hier?« Frau von Taubach war nicht begeistert, als sie Sabrina erblickte.

Tamara trat vor und erklärte die Zusammenhänge.

»Ich habe noch keinen Aufpasser für Euch.« Sie blickte etwas ratlos. »Frau Helmar wird erst gegen Mittag hier eintreffen.«

Karin bot sich an. »Könnte ich nicht auf die beiden Damen aufpassen?« Sie fand es in der Gegenwart dieser beiden so unterschiedlichen Frauen sehr faszinierend.

Frau von Taubach war erleichtert. »Ich kann es Ihnen nicht anordnen, weil sie noch gar nicht arbeiten. Aber sie wären mir eine große Hilfe, wenn sie auf die Zwei so lange aufpassen könnten, bis Frau Helmar da ist. Bleiben sie bitte möglichst in der Nähe.«

Karin fragte, wann der nächste Termin wäre.

»Wir wollen gegen Zwölf Uhr gemeinsam zum Mittagessen gehen. Bis dahin müssten sie wieder hier sein.«

Karin versprach es.

* * *

Catherina von Taubach legte die Mappe mit den Anmeldungen neben das Telefon und stand auf. Soeben hatte die äußere Torwache das Eintreffen von Marianne Leisner gemeldet, die von ihrem Onkel, dem Graf Bastius hergebracht wurde. Sie ging mit langsamen Schritten vor das Haus und wartete auf die Ankunft der beiden.

Sie musste nicht lange warten, denn bald darauf kam ein eher unauffälliger Kleinwagen durch den Torturm und nahm den Weg bis vor das Abthaus. Die Direktorin ging auf das Auto zu, um den Grafen standesgemäß zu begrüßen. Immerhin war es ein guter Freund von Herzog Kollstein und er hatte seine Nichte für den Lehrgang angemeldet.

»Es ist schön, dass sie es möglich machen konnten.« Der Graf war sichtlich erleichtert.

Frau von Taubach wiegelte ab. »Es war sowieso noch einige Plätze frei, insofern ist es kein Problem gewesen.«

Der Graf wandte sich wieder zum Auto und öffnete die Tür. Dann blickte er ins Innere des Wagens. »Du kannst jetzt aussteigen.«

Sehr langsam schob sich eine eher zierliche Gestalt aus dem Auto und blickte sich ängstlich um. Marianne machte einen sehr unsicheren Eindruck und trippelte nervös umher.

Der Direktorin fiel dies auf. Sie versuchte sie zu beruhigen. »Hier sind sie sicher, hier kann Ihnen nichts passieren und hier wird Sie auch keiner finden.«

Marianne blickte sie verunsichert an.

Graf Bastius blickte auf seine Nichte und bat sie, ihr Gepäck aus dem Kofferraum zu holen.

Mit bedächtigen Bewegungen kam Marianne dieser Bitte nach. Sie ging zum Kofferraum, öffnete ihn und stellte einen Koffer sowie einen kleinen Rucksack neben das Auto. Sie schloss den Kofferraum, dann schnallte sie sich den Rucksack auf den Rücken, nahm den Koffer in die Hand und trat neben ihrem Onkel.

Frau von Taubach spürte immer noch einige Unruhe bei der künftigen Schülerin und deswegen bot sie an, dass sie in ihr Büro gehen könnten. Bis zum Mittagessen sei noch etwas Zeit.



Marianne und ihr Onkel nahmen auf den beiden Stühlen vor dem Schreibtisch platz, während die Direktorin auf die andere Seite setze. Sie bat ihre Sekretärin, doch drei Kaffee zu bringen.

Es fiel Frau von Taubach auf, dass Marianne eine gewisse Erleichterung zeigte. Ein Teil ihrer Anspannung hatte nachgelassen. Aber ob sie wirklich wusste, auf was sie sich hier eingelassen hatte? Unvermittelt wandte sie sich an Marianne. »Du wirst große Opfer bringen müssen, wenn Du Dich hier verstecken willst.«

Marianne blickte sie mit fest entschlossenen Blick an. »Das werde ich schaffen.« Sie verzog das Gesicht. »So schlimm wie 'er' kann es nicht werden.«

Graf Bastius blickte sie an und versicherte ihr, hier sicher zu sein.

Marianne blickte kurz auf ihren Onkel, dann wandte sich sich wieder ihrem Gegenüber zu. »Ich habe aber kaum Erfahrung und werde mich bestimmt dumm anstellen.«

Die Direktorin lächelte hintergründig. »Darüber brauchst Du Dir überhaupt keine Sorgen zu machen.« Sie reichte Marianne einige Fotos, auf denen einige Frauen in Fesseln und mit Knebel zu sehen waren.

Es war Marianne anzusehen, dass sie von dem Anblick erschrocken war. Ihr Blick wechselte verstört zwischen ihrem Onkel und der Direktorin hin und her.

Frau von Taubach ließ ihre Stimme einen winzigen Ton strenger klingen. »Unter anderem das wird Dich hier erwarten.«

Marianne schluckte. Eine Träne lief über ihre Wange. Dann warf sie noch einen Blick auf die Bilder, diesmal etwas länger. Sie schien in Grübeln zu kommen. »Die machen alle so einen glücklichen Eindruck, obwohl sie so ...« Sie wusste offensichtlich nicht, was sie sagen sollte.

Die Direktorin testete weiter. »Gefällt dir so etwas?«

Es war Mariannes Miene abzulesen, dass sie am liebsten spontan aufgesprungen und davon gelaufen wäre. Doch ein Blick zu ihrem Onkel ließ ihre Miene verändern. »Ich weiß nicht.« Sie blickte wieder auf die gefesselten jungen Frauen. »Was hat die denn da im Mund?« Ihre Stimme zitterte deutlich.

Jetzt war es an Frau von Taubach, einen verwunderten Blick zu Graf Bastius zu werfen. Er schaute etwas hilflos und mit deutlich sichtbaren schlechtem Gewissen zurück. Es hatte den Anschein, als habe er seine Nichte überhaupt nicht vorbereitet.

Die Direktorin wusste, dass es falsch wäre, Marianne jetzt zu schonen. »Das ist ein Knebel, ein Ballknebel. Er wird dich mehr oder weniger effektiv am Sprechen hindern.«

Eine weitere Träne lief über Mariannes Wange, die sie hastig wegwischte.

Der Direktorin fiel ein, dass sie noch ein Prospekt von der Ponyfarm Steinmüller bereitliegen hatte. Sie nahm es aus der Schublade und reichte es Marianne.

Diese schlug es auf und ließ es mit offenem Mund sinken, als sie die aufgezäumten Mädchen erblickte. »Was ist denn das? Was macht die da?« Ihre weinerliche Stimme zitterte.

Frau von Taubach bemühte sich, ihre Stimme streng klingen zu lassen. »Das sind die Ponymädchen, die hier ausgebildet werden.«

Marianne fiel das Sprechen schwer. »Werde ich auch so...« Sie blickte wieder verstört auf das Prospekt.

Die Direktorin wusste, was sie meinte. »Auch Sie werden einmal so ein Ponymädchen sein.«

Marianne ließ ihren Kopf in ihren Hände sinken und brach in Tränen aus.

Frau von Taubach und Graf Bastius blickten sie schweigend an. Helfen konnten sie ihr in diesem Moment nicht.

Marianne hob ihren Kopf und blickte ihren Onkel an. »Gibt es denn gar keine andere Möglichkeit?«

Ihr Onkel blickte sie mit einem bedauernden Blick an. »In zwei Wochen ist deine Trauerzeit vorbei und dann müsstest Du zu deinem Wort stehen.«

Es war deutlich zu sehen, wie sehr Marianne mit sich kämpfte. Schließlich hob sie ihren Kopf und blickte noch einmal über die gefesselten Frauen, die vor ihr lagen. »Und wie lange würde ich so...«

Frau von Taubach ahnte, dass die Entscheidung gefallen war. »Die Ausbildung ist für ein halbes Jahr vorgesehen.«

»Und so lange wäre ich hier sicher?« Diese Frage ging an ihren Onkel.

»Hier wird dich keiner finden.«

Frau von Taubach griff in ihre unterste Schublade. Dort hatte sie ein paar ihrer Probe-Sachen bereitliegen. Sie nahm einen kleinen Ballknebel heraus und wischte ihn mit dem bereitliegendem Tuch ab. Dann stand sie auf und trat hinter Marianne. »Wie wäre es, wenn Sie es gleich einmal ausprobieren?«

Marianne drehte sich mit einer Mischung aus Erschrecken und Unglauben zu ihr um und blickte verängstigt auf den seltsamen Ball mit den Riemen, den Frau von Taubach in ihrer Hand hielt.

Graf Bastius trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Du schaffst das, mein Kind.«

Marianne blickte verschreckt zu ihrem Onkel, dann wieder langsam zurück zu dem Furcht einflössenden Ball. »Was muss ich denn tun?«

Die Stimme von Frau von Taubach klang auf einmal fast zärtlich. »Machen Sie einfach Ihren Mund recht weit auf.« Dabei hielt sie den Ball vor ihren Mund.

Marianne sah den drohenden Ball vor ihrem Mund und kam doch der Bitte nach.

Langsam sah sie den Ball näher kommen, bis er in ihrem Mund und damit aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Dafür spürte sie ihn um so deutlicher zwischen ihren Lippen. Ihre Zunge musste weichen.

Frau von Taubach verschloss mit schneller Routine die Schnalle hinter ihrem Kopf und zupfte dann Mariannes lange Haare zurecht. Dann trat sie wieder an ihrem Schreibtisch und legte einen breiten Gürtel auf den Tisch. »Das sollten Sie zur Eingewöhnung auch gleich tragen.«

Marianne warf einen Blick auf den ziemlich breiten Gürtel, konnte aber außer ein paar zusätzlicher Riemen an der Seite nichts Seltsames daran finden. Sie nahm ihn in die Hand und wollte etwas antworten, aber jetzt bemerkte sie die Wirkung des Balls in ihrem Mund. Sie war verwirrt.

Sie entdeckte die zusätzlichen Schnallen und blickte Frau von Taubach verwirrt an. »Wenn Sie möchten, können Sie sich ihn selbst umlegen. Ich zeige Ihnen dann, wofür die weiteren Riemen sind.«

Marianne nahm den Gürtel vom Tisch und schlang ihn um ihren Taille. dann zog sie ihn fest. Doch Frau von Taubach war es nicht streng genug. »Zwei Löcher enger gehen sicher noch.« Sie blickte sie ermutigend an.

Marianne kam der Bitte, die eigentlich ein Befehl war, nach. Sie keuchte etwas, was durch den Knebel in ihrem Mund ziemlich gedämpft wurde.

»Stehen Sie bitte einmal auf.«

Marianne stand auf und blickte die Direktorin unsicher an.

»Reichen Sie mir ihre Hand.«

Marianne steckte ihre Hand aus.

Frau von Taubach nahm die Hand und führte sie zu Mariannes Taille, wo von dem Gürtel zwei kürzere aber nicht minder breite kleinere Riemen herunter hingen. Fast wie in Zeitlupe nahm Frau von Taubach die beiden Riemen zur Hand und zu Mariannes Überraschung schlang sie sie um ihr Handgelenk und schloss mit einer routinierten Schnelligkeit die Schnalle.

»Jetzt die andere Hand«

Marianne war noch viel zu überrumpelt um zu begreifen, wie sie in kürzester Zeit sehr viel ihrer persönlichen Freiheit verloren hatte. Jetzt blickte sie verblüfft zwischen Frau von Taubach und ihrem Onkel hin und her und nur langsam begann sie zu verstehen, dass sie jetzt sowohl geknebelt als auch gefesselt war.

Graf Bastius trat zu ihr. »Sei tapfer, dann wirst Du es schaffen.« Er strich ihr über ihren Kopf. »Ich bin stolz auf Dich.«

»Dann möchte ich Sie zu ihrer Ausbildung willkommen heißen.« Sie reichte Marianne so die Hand, dass sie diese ergreifen konnte, obwohl ihr Handgelenk an der Taille fixiert war.

Es war ihr anzusehen, dass sie etwas antworten wollte, doch sie musste sich wieder mit der Wirkung des Balls in ihrem Mund auseinander setzen. Da sie die Lippen etwas bewegt hatte, passierte es, das etwas von ihrem Speichel aus dem Mund lief und über ihr Kinn nach unten tropfte. Sie zuckte etwas wilder an ihren Armen und es war gut zu sehen, dass sie mit ihrer Hand zum Mund wollte, um sich den Speichel abzuwischen.

Frau von Taubach hatte insgeheim auf diesen Moment gewartet. Es kam nicht oft vor, das sie so ein unschuldiges Mädchen in die süßen Geheimnisse einweihen konnte. Sie legte ihren Hand unter ihr Kinn und führte ihren Kopf so sanft, dass sie sie anblicken musste. »Gewöhnen Sie sich daran, dass wird Ihnen noch oft passieren.«

Graf Bastius trat zu ihr und strich ihr ebenfalls über die Wange. »Der Ball verhindert, dass Du schlucken kannst.« Er machte eine Pause und gab Marianne so Gelegenheit, darüber nachzudenken. Wieder rannte eine Träne durch ihr Gesicht.

»Am Anfang ist es schwer zu ertragen, aber Sie werden sich daran gewöhnen. Es wird allen Mädchen so ergehen.«

Erst langsam begann Marianne zu begreifen, in welcher Situation und Hilflosigkeit sie sich befand. Ihr Mund war mit einem Knebel versiegelt und ihre Hände waren am Gürtel fixiert. So konnte sie sich den Ball nicht selbst aus dem Mund nehmen. Und sie konnte auch keinen bitten, ihr die Hände los zumachen, denn sie konnte nicht mehr sprechen. Sie war völlig hilflos. Auf einmal spürte sie ein seltsames Kribbeln in sich.

* * *

Andrea Falk hatte das Auto auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof geparkt und ging mit unsicheren Schritten in Richtung des Bahnsteiges, auf dem der Zug ankommen sollte. Es war das erste Mal, dass sie mit solchen gewagten Stiefeln unterwegs war und sie glaubte, ständig die Blicke der anderen Passanten zu spüren. Doch, so sagte sie sich, trug sie doch nur die für die Schule vorgeschriebene Uniform. Und zu dieser gehörten eben diese schwarze Stiefel mit dem ewig langen Schaft, der ihr bis über die Knie reichte.

Sie sollte ihre Kollegin Elke Helmar abholen, die eine der zukünftigen Schülerinnen auf der Anreise mit der Bahn begleitet hatte. Andrea war bisher beeindruckt, wie gut die Ankunft der Teilnehmer dieses Lehrgangs organisiert war. Gleich nach der Ankunft des Zuges sollten sie dann zu dritt zu der Universitätsklinik fahren, um dort noch eine weitere Teilnehmerin abzuholen.

Die Lautsprecherstimme kündigte die Ankunft des Zuges an. Andrea blickte noch einmal an sich herunter um zu prüfen, ob ihre Uniform in Ordnung war. Sie bückte sich und zog noch einmal an den Stiefelschäften. Natürlich hatten die Stiefel etwas verrufenes, doch insgeheim genoss sie es, sie in dieser Form in aller Öffentlichkeit tragen zu dürfen.

Der Zug fuhr ein und die Türen öffneten sich. Andrea erblickte ihre Kollegin Elke sofort, denn auch sie fiel mit diesen Stiefel sofort auf. Elke stieg aus und stellte einen Koffer neben sich und blieb neben der Tür stehen. Sie reichte ihre Hand der Person hinter ihr und half ihr beim Aussteigen. Andrea musterte das Mädchen, welches hinter Elke mit etwas unsicheren Schritten her trippelte. Doch außer dem grauen Umhang und den Stiefeln fiel ihr nichts an ihr auf.

»Guten Morgen,« die Stimme von Elke klang gut gelaunt, als sie Andrea die Hand reichte. »Wo hast Du denn geparkt?«

Andrea erwiderte den Gruß und beantwortete Elkes Frage nach dem Parkplatz, dann reichte sie auch Jenni die Hand. Doch zu ihrem Erstaunen blickte Jenni sie nur erschrocken an.

Elke kam ihrem Schützling zur Hilfe. »Jenni kann ihre Hände nicht benutzen.« Dabei grinste sie bis über beide Ohren. »Und sie möchte auch schweigen.«

Andrea konnte nur ahnen, was diese Worte genau bedeuteten, aber da die Direktorin sie entsprechend vorbereitet hatte, blickte sie Jenni freundlich an. »Dann seien Sie bei uns herzlich willkommen.«

Als Antwort lächelte Jenni. Den Mund hielt sie geschlossen.

Elke gab den Anstoß. »Dann lasst uns zum Auto gehen.« Sie nahm den Koffer und die Tasche und ging mit eiligen Schritten voran.

Andrea blickte ihr etwas verwundert nach und gerade als sie sich in Bewegung setzen wollte, war ein ‚mmmpf’ von Jenni zu hören. Andrea wandte ihren Blick auf die Schülerin, die sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte, die aber deutlich langsamer unterwegs war. Andrea war auf einmal klar, dass Jenni anscheinend in ihrer Beinfreiheit deutlich eingeschränkt zu sein schien. Sie machte den Eindruck, als wollte sie sich so schnell wie möglich bewegen, da sie schon nach kurzer Zeit schwer durch die Nase zu keuchen begann und zu schwitzen begann.

Andrea war klar, dass sie Jenni überforderten. Sie ging auf sie zu und legte zunächst ihre Hand auf ihre Schulter. »Langsam,« versuchte sie ihren Ehrgeiz zu bremsen. »Gehen sie bitte langsam.«

Jenni blieb verblüfft stehen und blickte Andrea dankbar an. Sie atmete heftig durch die Nase.

Andrea Legte ihren Arm um Jennis Schulter und mit ruhiger Stimme sprach sie zu ihr. »Wir gehen jetzt langsam zum Auto. Nur so schnell wie es geht.«

Jenni blickte sie erleichtert an. Sie setzte vorsichtig einen Fuß nach vorn und begann mit kleinen Schritten ihren Weg. Andrea passte sich dem langsamen Tempo an.

Dennoch hatte Andrea den Eindruck, als würde Jenni sich sehr hastig bewegen. Sie fragte sich, was Jenni so alles unter ihrem Umhang versteckt hatte.



Als Andrea mit Jenni im Arm beim Auto ankam, hatte Elke das Gepäck vor den Kofferraum gestellt und wartete. Sie schien sich entschuldigen zu wollen. »Der Koffer war schwer.«

Andrea löste sich von Jenni und ging mit dem kleinen Schlüsselbund, welches sie aus ihrer Tasche nahm zum Kofferraum und öffnete ihn. Dann ging sie zur Fahrertür. Sie öffnete die Türen und blickte Jenni auffordernd an.

Elke hatte mittlerweile das Gepäck eingeladen und den Kofferraum wieder zugemacht. Sie überblickte die Situation und ging dann auf Andrea zu. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Andrea warf einen bewundernden Blick auf Jenni, dann ging sie zu ihr und brachte sie zur hinteren Beifahrertür.

Jenni drehte sich mit dem Rücken zum Auto, dann setzte sie sich auf die Rückbank, drehte sich dann ins Auto und holte ihre Beine hinterher. Andrea musste grinsen, es schien Jenni hatte hiermit einige Erfahrung. Aber sie sagte nichts.

Elke setzte sich neben Jenni und bat Andrea, ihr den Sicherheitsgurt an zureichen. Andrea kam der Bitte nach, dann schloss sie die Tür, ging um das Fahrzeug und setzte sich ans Steuer. »Auf zur Klinik.« Ihre Stimme klang in dem Moment etwas unsicher.

* * *

Andrea blickte noch einmal auf den Brief, den Elke ihr gegeben hatte. Die Angaben waren sehr detailliert: Universitätsklinik, Gebäude 23, Stockwerk 5, Station F: Kieferchirurgie. Sie betrat den Fahrstuhl und drückte den Knopf für das fünfte Stockwerk. Während sich der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte, fragte sie sich, um was es sich bei Kirstens Operation wohl handeln würde.

Nach einer sehr sanften Fahrt öffneten sich die Türen und Andrea trat auf den Flur. Ein eigentümlicher Geruch empfing sie und sie musste sofort an ihre letzten Zahnarztbesuch denken. Zum Glück war bei ihr alles in Ordnung gewesen.

Mit etwas Zögern ging sie auf die Tür zu, in der auf großen Buchstaben »Station F: Kieferchirurgie« stand. Sie drückte gegen die Tür und betrat vorsichtig den langen Korridor. »Melden sie sich bei der Oberschwester.« stand als weiterer Hinweis in dem Brief.

Mit vorsichtigen und leisen Schritten ging sie auf das Schild 'Schwesternzimmer' zu. Eine Krankenschwester kam heraus und erblickte Andrea. »Sie sind Frau Helmar vom Kloster?«

Andrea nannte ihren Namen. »Frau Helmar sitzt unten im Auto.« Sie warf noch einmal einen Blick auf ihr Schreiben. »Wir sollen eine Kirsten Michels abholen.«

Ein Schatten fiel über das Gesicht der Schwester, die sich etwas ängstlich umsah. »Gehen sie zu Zimmer 24 und warten sie dort. Ich hole die Oberschwester.«

Andrea blickte die Schwester noch einmal kurz fragend an.

Diese drehte sich um und zeigte mit der Hand auf das Ende des Ganges. »Das letzte Zimmer auf der rechten Seite.«

Andrea bedankte sich, dann ging sie mit bedächtigen Schritten weiter. Sie schaute auf die einzelnen Zimmernummern und ging den Gang entlang. Vor dem Zimmer mit der Nummer 24 standen zwei Stühle. Andrea nahm Platz und blickte sich um.

Die Tür des Zimmers gegenüber trug keine Nummer, dafür ein Schild mit der Aufschrift »Labor«. Die Tür stand halb auf, aber es war keiner zu sehen. Andrea hörte, dass sich in dem Raum zwei Frauen unterhielten.

Auf einmal hörte Andrea den Namen ihrer Chefin Frau von Taubach und unwillkürlich hörte sie etwas aufmerksamer zu.

»Wann wird Kirsten von ihr abgeholt?« fragte die eine Stimme.

Die andere Stimme, ein wenig tiefer, antwortete. »Die Damen sollen gegen 11 Uhr da sei. Sie melden sich bei der Oberschwester, dann bringt diese sie zu mir.«

»Ich bin froh, wenn ich Dich nicht mehr mir ihr teilen muss. Es war nicht leicht, ihr die ganze Zeit die Geliebte vor zuspielen.« Sie lachte. »Aber was tue ich nicht alles für meine geliebte Ärztin.«

Ihr Gegenüber schien ebenfalls zu lachen. »Du hast es ja auch für die Wissenschaft getan. Aber meine liebe Nina, sei ehrlich, es hat Dir auch Spaß gemacht, sie mir in die Arme zu treiben.«

»Du meinst wohl in deine Messer.« Sie lachte wieder. »Du hast sie ganz schön zugerichtet.«

»Och komm, so ein paar kleine Wunden am Kiefer, dass fällt doch kaum auf. Außerdem ist es doch schon wieder gut verheilt.« Die Stimme der Ärztin war einen Moment still. Andrea war sich mittlerweile sicher, das es eine Ärztin sein musste. »War es denn so schlimm mir ihr? Gib es zu, Du hast es genossen, wenn Du mit ihr spielen konntest.«

»Höre ich da etwa Eifersucht?« ein Lächeln war in Ninas Stimme zu hören. »Naja, sie hat oft Augenbinde, Gehörstöpsel und Knebel getragen, da hatte ich meine Ruhe vor ihr.«

»Und sie hat nichts mitbekommen?«

«Sicher nicht. Die Ohrstöpsel waren von eurer HNO-Abteilung. Die sind gut, da hörst Du nichts mehr. Und die Kleine ist voll darauf abgefahren«

Andrea begriff so langsam, was für ein gemeines Spiel mit der armen Kirsten gespielt wurde.

»Hat ihre Mutter keinen Ärger gemacht? Du musstest Sie doch wegen der Operation fragen oder nicht?« fragte die Ärztin.

»Die Kleine ist seit einem halben Jahr volljährig, vergiss das nicht. Sie hat es zur Hälfte aus Liebe zu mir getan und um ihrer Mutter eins auszuwischen.«

»Du bist ein Biest, weißt Du das?« die Stimme der Ärztin strahlte Bewunderung aus.

»Und das Beste ist, dass sie jetzt für ein halbes Jahr weg ist.« Es war das Geräusch eines Kusses zu hören.

»Ob sie etwas gemerkt hat? Sie war heute morgen bei der Kontrolle so seltsam abweisend zu mir.«

Nina wiegelte ab. »Und selbst wenn, was macht es schon aus. Wenn sie mit dem Kloster fertig ist, wird sie mich vergessen haben.«

Die Ärztin blieb skeptisch. »Ich weiß nicht. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gefühl dabei.«

»Was willst Du denn?« Nina schien die Gedanken ihrer Freundin wegwischen zu wollen. »Es ist passiert und Du konntest Dein Projekt erfolgreich durchziehen. Dein Bericht wird Wellen schlagen.«

»So langsam müssten die Damen vom Kloster auftauchen. Ich hatte ihnen gesagt, dass ich nicht viel Zeit habe und sie pünktlich sein sollen.«

Andrea überlegte. Sie konnte jetzt schlecht in genau diesem Moment klopfen, denn dann würde sie sich verraten. Sie sah auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges eine Toilettentür und da wusste sie, wie sie es anstellen würde. Sie erhob sich langsam und ging sehr leise zu der Tür. Sie öffnete sie mit Schwung und trat ein, dann trat sie ans Waschbecken und wusch sich die Hände. Nachdem was sie gerade mehr oder weniger unfreiwillig mit angehört hatte, hatte sie das dringende Bedürfnis, sich zu waschen.

So nebenbei beschäftigte sie der Gedanken, dass der arme Kirsten, die sie ja noch gar nicht kannte, Übles angetan worden war und das sie heftig manipuliert wurden war.

Sie trocknete sie die Hände ab und verließ bewusst geräuschvoll die Toilette. Sie ging auf das Zimmer zu, aus dem die grausame Geschichte zu hören war und klopfte.

Es dauerte erst einen Moment, dann war ein verschrecktes »Ja?« zu hören.

Andrea drückte die Tür ganz auf und trat ein. Sie sah, wie sich eine Frau mittleren Alters ihren Arztkittel zuknöpfte. Und der Vorhang an der Wand wackelte noch heftig. Sie ahnte, was hier wohl gerade passiert war.

»Entschuldigen Sie bitte, ich komme vom Kloster und soll Kirsten Michels abholen.« Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. »Die Oberschwester wollte mich abholen, aber bis jetzt ist sie nicht gekommen.«

Die Ärztin hatte sichtbare Mühe, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Gehen Sie ins Schwesternzimmer. Ich sage ihr inzwischen Bescheid, dass sie da sind.«

Andrea hatte es nicht geschafft, die Ärztin lange anzusehen. Sie wusste, dass diese Frau keinerlei Skrupel hatte und deswegen war sie froh, schnell wieder aus dem Raum heraus zu kommen. Mit sehr gemischten Gefühlen ging sie wieder in Richtung des Schwesternzimmers.

Gerade als sie den Raum betreten wollte, kam von der Tür eine resolute Stimme. »Sie haben da nichts verloren.« Es konnte nur die Oberschwester sein, bei dem resoluten Auftreten war Karin sich sehr sicher. Sie trat auf den Flur zurück und blickte die Frau wie ein verschreckter Hase an. »Ich bin vom Kloster und soll Kirsten Michels abholen.«

Die Oberschwester blickte auf ihre Uhr. »Sie sind unpünktlich, meine Liebe.« Ihre Stimme klang sehr hart.

Andrea war perplex. Es war doch nicht ihre Schuld. Doch ihr war klar, dass sie durch Widerspruch nichts erreichen würde.

Die Oberschwester ging ins Schwesternzimmer und nahm eine Mappe vom Tisch. Dann trat sie mit resolutem Schritt auf den Flur und grunzte Andrea an. »Kommen Sie mit.«

Andrea gehorchte widerspruchslos. Sie traten in das Zimmer ein, vor dem sie bisher gewartet hatte. Andrea blickte ins Zimmer und als sie die Gestalt auf dem Bett sitzen sah, war ihr irgendwie sofort klar, dass dies Kirsten sein muss und das diese über den Verrat ihrer Geliebten Bescheid wissen musste. Von ihrem Gesicht ging so etwas abgrundtief Trauriges aus, dass es kaum eine andere Interpretationsmöglichkeit gab.

Erst auf den zweiten Blick fielen Andrea die anderen Besonderheiten an der Patientin auf. Ihre Hände wurden von einem Lederriemengeschirr an ihrer Taille festgehalten und seitlich am Kiefer waren seltsame Metallteile zu sehen.

Andrea konnte nur ahnen, was jetzt in Kirsten vorgehen musste. Sie schien heftig geweint zu haben und als die Oberschwester sie unsanft vom Bett zog, hatte sie Schwierigkeiten, auf den Beinen zu stehen.

Die Oberschwester ging zum Telefon und wählte eine Nummer. Sie meldete sie nicht, sondern sie sagte nur kurz: »Kommen Sie bitte in Zimmer 24.«

Andrea hatte es in der Zwischenzeit gewagt, zu Kirsten an Bett zu treten. Sie wischte ihr ein paar Tränen weg und mit leiser Stimme fragte sie, ob es ihr gut gehe.

»Sie kann Ihnen nicht antworten.« Die Stimme der Oberschwester hallte durch den Raum.

Andrea erschrak und fragte sich, was für eine Teufelei die Ärztin diesem unschuldigen Geschöpf angetan hatte.

Die Tür flog auf und eine junge Schwester, nur wenig älter als Kirsten kam in den Raum. Sie war fast etwas außer Atem. Sie sagte nichts, blickte aber die Oberschwester mit einem Blick aus Angst und Gehorsam an.

»Erklären Sie der Dame bitte den Verschluss und händigen Sie ihr die Schlüssel aus. Aber nur gegen Unterschrift. Die Patientin wird entlassen.« Dann drehte die Oberschwester sich zur Tür und verließ den Raum mit schnellen Schritten.

Alle drei blickte ihr verunsichert hinterher.

Die Schwester ging langsam auf Kirstens Bett zu und nahm ein kleines Schlüsselbund aus dem Nachtschrank. Diesen zeigte sie Andrea. »Diese Schlüssel sind sehr wichtig, mit diesen können sie den Verschluss ent- und verriegeln.«

Andrea nahm allen ihren Mut zusammen. »Welchen Verschluss?«

Die Schwester blickte Andrea verblüfft an. »Na den Mund von unserer Patientin.« Sie blickte auf Kirstens Kopf.

Andrea verstand immer noch nichts.

Die Schwester wandte sich an Kirsten und mit sehr liebevoller Stimme bat sie sie, doch einmal ihren Kopf zu heben.

Jetzt sah Andrea die Metallteile deutlich an Kirstens Kiefer. Etwas unterhalb ihrer Ohren war ein Metallstück anscheinend in ihren Wangenknochen implantiert, an diesem saß eine kleine Runde Scheibe, von der wiederum ein Metallbügel zu ihrem Unterkiefer lief. Der Bügel war an drei Stellen ebenfalls im Kiefer eingelassen. Die beiden Scheiben waren mit einem Metallstreifen hinter ihrem Kopf miteinander verbunden.

Die Stimme der Schwester zitterte, als sie es erklärte. »Sehen sie hier dieses kleine Scharnier? Das ist das Schloss und mit dem Schlüssel damit können sie es öffnen und schließen.«

Andreas Blick ließ die Schwester weiter erklären: »Die dreieckige Öffnung ist für den Schlüssel vorgesehen, das Schloss hat vier Stellungen: Frei, Auf, Zu und Gesperrt.«

Andrea musste schlucken. So langsam begann sie zu ahnen, was Kirsten angetan wurde.

»’F’ bedeutet Frei, sie kann ihren Mund beliebig öffnen und schließen.« Die Schwester reichte Andrea den Schüssel und bat sie, das Schloss einmal auf 'F' zu stellen.

Andreas Hände zitterten. Sie musste mit beiden Händen zufassen, um das kleine Loch zu treffen. Der Schüssel stand im Moment auf 'S' und sie musste ihn drehen, um zu ‚F’ zu kommen. Es machte drei mal leicht »Klick«.

Die Schwester blickte Kirsten auffordernd an.

Kirsten wirkte nach wie vor sehr apathisch, aber sie wusste, was die Schwester von ihr wollte. Langsam öffnete sie ihren Mund auf, machte ihn wieder zu und wieder auf.

Die Schwester erklärte: Bei 'F' kann sie den Kiefer frei bewegen.« Sie legte sehr sanft die Hand unter Kirstens Kinn.

Kirsten schloss ihren Mund.

»Jetzt stellen Sie es mal auf 'A'.«

In Kirstens Blick war eine kleine Spur Angst zu sehen. Die Schwester sah dies und deswegen streichelte sie ihr sanft über den Kopf. »Tut mir leid, aber das kann ich Dir nicht ersparen. Deine Betreuerin muss sich doch damit auskennen.«

Es war vermutlich der Blick in die Zukunft, der bewirkte, das Kirstens Miene sich etwas aufhellte. Sie drehte ihren Kopf so hin, dass Andrea das Schloss bedienen konnte. Den Mund hatte sie geschlossen.

Andrea steckte den Schlüssel wieder ins Schloss und mit einem leichten Druck sprang es in die gewünschte Stellung.

»’A’ bedeutet ‚Auf’, der Mund lässt sich nur in Richtung "weiter auf" bewegen, die andere Richtung ist blockiert.«

Sie ließ Andrea einen Moment über ihre Worte nachdenken.

»Wenn man Kirsten eine Weile in dieser Stellung allein lässt, wird sie irgendwann ihren Mund so weit auf haben, wie es nur geht, denn jede kleinste Bewegung des Kiefers bringt denselben unweigerlich in die nächste Rasterstellung. Das müssen Sie wissen und stets berücksichtigen.«

Die Schwester blickte Kirsten ermutigend an. Ganz langsam öffnete diese ihren Mund und das Öffnen war begleitet mit einem leisen Klicken. Dann hielt sie inne und fast so, als wolle sie es überlisten, war zu sehen, dass sie ihre Kiefermuskeln anstrengte. Aber die Apparatur gab keinen Millimeter nach. Im Gegenteil, als sie ihre Muskulatur etwa entlastete, waren gleich wieder zwei Klicks zu hören.

Hätte Andrea in diesem Moment in Kirstens Augen gesehen, hätte sie ein glückliches Leuchten gesehen.

Andrea hingegen hatte Mitleid mit Kirsten und deswegen versuchte sie, die Prozedur von sich aus abzukürzen. Sie steckte den Schüssel wieder in das Schloss und drehte auf 'F'. Sie blickte die Schwester an. »Was bedeuten dann 'Z' und 'S'?«

Kirsten schien lange nichts gesagt zu haben, denn ihre Stimme war im ersten Moment sehr heiser. Sie musste sich räuspern. Dann blickte sie Andrea bittend an »Ich möchte es ihnen vorführen.«

Andrea verstand nur sehr langsam, dass Kirsten auf ihren Mundverschluss stolz war.

Die Schwester war über Kirstens Reaktion ebenfalls erstaunt. »'Z' ist das Gegenstück von 'A', der Verschluss blockiert dann in Richtung des Öffnens.« Sie blickte Kirsten an.

Diese machte den Mund weit auf und drehte ihren Kopf so, dass Andrea das Schloss auf 'Z' stellen konnte.

Kirsten wartete einen Moment, dann ließ sie ihre Kiefermuskeln arbeiten und wieder war dieses unheimliche Klicken zu hören. Immer kleiner wurde die Mundöffnung.

»S sperrt den Verschluss in jeder beliebigen Stellung.«

Andrea verstand. Doch dann steckte sie den Schlüssel wieder in das Schloss und drehte sie ihn wieder auf 'F'. Ihr war das Ganze nicht geheuer.

Kirsten schien enttäuscht zu sein, als sie merkte, das ihr Kiefer seine Freiheit wieder hatte. Es war zu sehen, dass sie mit sich kämpfte. Sie drehte sich zu Andrea. »Sie bringen mich ins Kloster? Frau ...?«

Andrea brachte es nicht übers Herz, sich von diesem so arg gebeutelten Mädchen mit dem Nachnamen anreden zu lassen. »Ich bin Andrea.«

»Andrea.« Sie blickte auf ihren Nachttisch, dann wieder auf Andrea. »Ich hätte da einen Wunsch. Ob Sie mir den wohl erfüllen könnten?«

Andrea blickte Kirsten liebevoll an. »Alles was Du willst.«

Kirsten blickte noch einmal auf den Nachttisch. »Dort in der Schublade ist ein kleines Päckchen.«

Andrea machte die Schublade auf und entnahm es. Sie öffnete es und sah, das es ein schön besticktes Taschentuch enthielt.

Kirsten blickte sie bittend an. »Das habe ich selbst bestickt und das würde ich gern tragen auf dem Weg ins Kloster.«

Andrea verstand nicht. »Wie tragen?«

Kirstens Stimme wurde etwas leiser. Es schien, als schämte sie sich. »Im Mund und auf 'S'«

Andrea musste schlucken. Jetzt hatte sie den Wunsch verstanden. Dennoch zögerte sie.

»Ich träume schon so lange davon. Seit ich angemeldet wurde.« Eine Träne lief über ihre Wange. »Bitte erlauben Sie es.« Ihre Stimme hatte etwas flehendes.

Andrea wollte ihr den Gefallen auf jeden Fall tun. »Ich will es gern erlauben. Aber was muss ich denn machen?«

Kirsten hatte etwas Mut gefasst. Sie lächelte. »Formen Sie einen Ball und stecken Sie mir den dann in den Mund. Dann nehmen Sie den Schlüssel und stellen auf 'Z'. Wenn ich es Ihnen dann andeute, bitte auf 'S'.

Andrea ahnte, dass Kirsten sich dies schon lange vorher oft ausgemalt hatte. Jetzt hoffte Andrea, es auch wirklich so sein würde, wie Kirsten sich das vorgestellt hatte. Sie wollte auf keinen Fall ihre Hoffnungen zerstören. Ihre Hände zitterten etwas, als sie das kostbare Taschentuch leicht zusammen rollte.

Kirsten hatte die Augen geschlossen und ihr Mund war weit geöffnet. Sie drehte ihren Kopf zu Andrea.

Es war still im Raum.

Andreas Hand mit dem Ball nährte sich langsam Kirstens Mund. Sie bemühte sich, ihn mit sehr viel Zärtlichkeit zu füllen. Sie dachte nicht darüber nach, dass sie Kirsten damit Knebeln und der Stimme berauben würde, sondern darüber, dass sie Kirsten einen lange gehegten Wunsch erfüllen würde. So fiel es ihr dann auch leichter, das seltsame Schloss auf ‚Z’ zu stellen.

»Fertig«, es war fast ein Flüstern, als sie Kirsten mitteilte, dass das Taschentuch komplett in ihrem Mund verschwunden war und sie den Mundverschluss wunschgemäß eingestellt hatte.

Kirsten schloss ihren Mund sehr langsam, es schien, als wollte sie jeden Klick einzeln auskosten. Obwohl ihre Augen geschlossen waren, wurde das Strahlen in ihrem Gesicht immer deutlicher sichtbar.

Es dauerte fast zwei Minuten, bis Kirsten die Augen öffnete und Andrea sehr dankbar anblickte. Dann senkte sich ihr Blick langsam auf Andreas Hand, in der sie immer noch den Schlüssel hielt.

Andrea war von ebenfalls von dem seltsamen Zauber gefangen, als sie den Schlüssel jetzt wieder in das winzige Schloss steckte und ihn auf 'S' drehte.

Fast etwas misstrauisch probierte Kirsten danach, ihren Kiefer zu bewegen und erst, als sie es nicht zustande brachte, blickte sie Andrea mit noch größerer Dankbarkeit an.

Andrea strich ihr bewundernd über das Haar. Doch dann fiel ihr Blick auf Kirstens Arme, die immer noch an der Taille befestigt waren. »Soll ich Dir die Arme losmachen?«

Kirsten blickte sie lange an und schien ernsthaft nachzudenken.

Doch dann wurde ihr die Entscheidung von der Schwester angenommen.

»Es tut mir ja leid, aber es ist eine Anordnung der Ärztin, dass Kirsten die Arme noch die nächsten zwei Wochen fixiert haben muss.«

Bei dem Wort 'Ärztin' glitt ein Schatten über Kirstens Gesicht und sie blickte auf ihre Tasche sowie zur Tür. Andrea ahnte, was dieser Blick bedeutet.

Die Schwester ging zu Schrank und nahm eine Mappe heraus. »Hier ist alles wichtig noch einmal aufgeschrieben. Und passen sie sehr gut auf die Schlüssel auf. Es gibt keine anderen«

Andrea bekam eine Gänsehaut. Sie nahm die Mappe entgegen und steckte den Schlüssel in ihre Geldbörse.

»Bitte achten Sie darauf, dass sie möglichst nicht ihr Kinn berührt. Sie darf in den ersten zwei Wochen ihren Mundverschluss noch nicht berühren, deswegen sind ihre Hände ständig zu fixieren.« Sie kam näher und beugte sich zu Andrea hinunter, damit sie flüstern konnte. »Ich glaube nicht, dass das stimmt. Bei unseren anderen Patienten ist diese Dauer viel kürzer, nur zwei Tage.«

Auf dem Flur waren Schritte zu hören. Die Schwester trat wieder zurück und reichte Andrea ein Stück Stoff. »Für alle Fälle wäre hier noch eine Augenbinde.«

Andrea nahm auch diese entgegen und blickte Kirsten fragend an. Diese schüttelte leicht mit dem Kopf. Andrea steckte sie Binde in ihre Tasche.

Auf einmal sah Andrea, dass Kirsten ihre Fäuste ballte und es war deutlich zu sehen, dass sich ihr Körper verspannte. Andrea blickte zur Tür und erkannte den Grund für Kirstens Stimmungsumschwung. Die Ärztin war in den Raum eingetreten und hinter ihr betrat noch eine andere Frau das Zimmer.

Bei Kirsten lief eine Träne über die Wange und ihre Arme zuckten heftig.

»Na, wie geht es unserer so tapferen Patientin am Tag ihrer Abreise?« Die Ärztin wandte sich an Nina, die sich neben sie gestellt hatte. »Siehst du, sie weint Abschiedstränen.«

Andrea war sichtlich empört und aufgebracht. Wie konnte diese Frau nur so kalt und gefühllos sein. Sie hatte das Gefühl, Kirsten beschützen zu müssen. Sie nahm allen ihren Mut zusammen, stellte sich vor die Ärztin und fragte mit fester Stimme: »Brauchen Sie uns noch?« Dann nahm sie wortlos Kirstens Hand, griff ihre Tasche und sie stürmten gemeinsam aus dem Raum.

Auf dem Flur gingen sie mit schnellen Schritten weiter, bis sie die Tür zum Treppenhaus erreicht hatten. Doch das laute Rufen der Schwester hielt sie auf. »Augenblick, Frau Falk, warten sie bitte noch einen Moment.«

Als die Schwester bei ihnen war, musste sie kurz innehalten, um wieder zu Atmen zukommen. Dann und ihre Stimme zitterte dabei, sagt sie mit fester Stimme. »Ich möchte mich in aller Form für meine Chefin entschuldigen. Das war absolut gefühllos und gemein.«

Andrea war etwas verblüfft, doch dann nahm sie nach einem Blick zu Kirsten die Entschuldigung an.

Die Schwester reichte sie Andrea einen kleinen Zettel. »Wenn es Probleme mit dem Kiefer geben sollte, unter dieser Nummer bin ich immer erreichbar für Sie.«

Sie drehte sich zu Kirsten und strich ihr leicht über das Haar »Tapferes Mädchen. Du wirst dein Glück finden.«

Doch dann veränderte sich ihr Blick noch einmal. » Ich habe noch etwas Wichtiges vergessen. Würden sie bitte auf mich warten? Es ist wichtig.«

Erst als Andrea es bestätigte, lief die Schwester noch einmal in die Station. Ihre schnellen Schritte verhallten. Es war still. Dann kamen die Schritte zurück.

Die Tür ging auf und die Schwester hielt einen Umhang mit Kapuze in der Hand. »Die ersten Tage sollte Kirsten den Kopf vor Zugluft schützen. Achten Sie darauf, dass sie draußen immer die Kapuze aufsetzt.«

Andrea blickte die Schwester zweifelnd an. Ohne das ihr richtig bewusst war, vermutete sie auch hier eine Intrige der Ärztin. Doch die Schwester konnte ihren Verdacht entkräften und ihr sogar die medizinischen Zusammenhänge erklären. Die Wunden waren noch nicht ganz verheilt und sollten deswegen nicht dem frischen Wind ausgesetzt werden. »Das hat ‚sie’ nicht angeordnet. Das ist eine Empfehlung, die wir allen unseren Patienten geben.«

Sie trat auf Kirsten zu und blickte sie fragend an. Als Kirsten nickte, legte sie ihr den Umhang über die Schulter schloss ihn vorn und setzte ihr die Kapuze auf. Die Kapuze war groß und reichte ihr so weit über den Kopf, dass von ihrem Gesicht so gut wie nichts mehr zu sehen war.

»Wie eine Nonne« scherzte die Schwester.

»Naja, wir fahren ja auch ins Kloster.« antwortete Andrea, dann reichte sie der Schwester noch einmal die Hand. Kirsten winkte zum Abschied mit dem Kopf.

Andrea drehte sich um und ging zum Fahrstuhl. Sie drückte auf den Knopf nach unten, dann drehte sie sich um und blickte zu Kirsten. Ein wenig Glanz war in ihre Augen zurück gekehrt, zumindest soweit Andrea es unter der Kapuze sehen konnte.



Mit schnellen Schritten lief Kirsten auf den Ausgang zu. Andrea hatte fast Schwierigkeiten mit ihrem Tempo mitzuhalten. Es war deutlich, dass Kirsten froh war, die Klinik verlassen zu können.

Nach dem Eingangsportal blieb sie stehen und sah Andrea fragend. Diese zeigte auf das Auto, welches sie in Sichtweite des Eingangs geparkt hatte. Kirsten nahm ihr Tempo wieder auf und ging mit genauso schnellen Schritten in die Richtung, die Andrea angedeutet hatte.

Andrea fragte sich, wie sie das schnelle Tempo deuten sollte. Es schien, als würde Kirsten sich doch auch auf das Kloster freuen würde. Andrea wünschte sich für sie, dass sie ihre Trauer und ihren Ärger bald vergessen würde.

Als Elke sie kommen sah, ging sie um das Auto herum und machte die Beifahrertür auf. Kirsten blickte Andrea fragend an und als ihre Begleitung auf den Beifahrersitz deutete, setze sie sich in das Auto und blickte Andrea bittend an.

Andrea schien zu wissen, was sie wollte und griff zum Sicherheitsgurt. Sie beugte sich in das Auto und legte ihr vorschriftsmäßig den Gurt an, dann zog sie sich aus dem Auto zurück und sah, dass Elke sie fragend ansah.

Andrea bückte sich noch einmal ins Auto und mit etwas belegter Stimme sagte sie, dass es noch einen kleinen Moment dauern würde. Dann zog sie sich aus dem Auto zurück und schloss sanft die Tür.

Elke sah sie verblüfft an. Andrea ging um Auto herum und gab Elke einen kurzen Überblick über die Ereignisse auf der Station und was sie auch mehr oder weniger unfreiwillig erfahren hatte.

Elke war fassungslos. Sie brauchte ein paar Augenblicke, um zu verarbeiten, was Andrea ihr gerade gesagt hatte. Dann stiegen sie wortlos wieder ein.

Andrea ließ den Motor an und fuhr aus der Parklücke. Immer wieder gingen ihre Gedanken zur Station und sie war mehr als empört über die Kaltschnäuzigkeit und Skrupellosigkeit der Ärztin, Kirsten einfach so für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Doch auf Rücksicht auf ihre beiden Passagiere unterließ sie es, darüber auch zu reden. Auch wenn sie sich gern mit Elke darüber ausführlich unterhalten hätte.

Als sie die Hauptstraße erreichte, forderte der Verkehr ihre Aufmerksamkeit und sie wurde in ihren Gedanken abgelenkt.

* * *

Andrea war froh, als sie den Wagen endlich neben dem Abthaus abstellen konnte. Ihre Chefin erwartete sie schon. Sie war wie üblich von der Wache informiert worden.

Die beiden Betreuerin halfen zuerst den beiden Mädchen beim Aussteigen, dann ging Andrea zu Frau von Taubach und berichtete ihr kurz von den Ereignissen in der Klinik. Auch der Blick ihrer Chefin verfinsterte sich, als sie von den grausamen Ereignissen hörte.

Elke beschrieb, wie die Bahnfahrt verlaufen war. Frau von Taubach entschuldigte sich. »Ich hoffe, sie sind mir nicht böse, dass ich Ihnen von Jennis besonderem Zustand nichts gesagt habe. Ich hatte es einfach vergessen.«

Elke erwähnte, dass es für Jenni so vielleicht sogar authentischer war. »Sie hat es sehr genossen.« Die Betreuerin lächelte. »Erst bei der Fahrkartenkontrolle habe ich es gemerkt.«

Frau von Taubach bat Elke, die schon anwesenden Mädchen zum Mittagessen zusammen zu holen. Dann wandte sie sich an Andrea. »Sie werden sich heute nur noch um Kirsten kümmern. Vorher müssen sie allerdings Jenni noch beim Telefonieren helfen.« Sie blickte auf die ebenfalls noch mit einem Cape verhüllte Gestalt von Jenni, die fast etwas aufdringlich zu der Direktorin hinüber sah.

Andrea blickte etwas verwirrt.

»Jenni hat sich dies noch für ihre Anreise gewünscht.«

Andrea kam der Bitte nach, obwohl es ihr etwas seltsam vor kam. Sie ging auf Jenni zu und blickte sie fragend an. »Sie wollten telefonieren?«

Jennis Blick zeigte Erleichterung. Sie nickte heftig.

Andrea blickte sie auffordernd an. »Dann folgend Sie mir bitte.«

Jenni trippelte langsam hinter Andrea her.



Im Büro drehte Andrea zu Jenni um und zeigte auf das Telefon. »Bitte schön. Sie kommen klar?«

Jenni schüttelte heftig mit dem Kopf.

»Was ist?« fragte Andrea sichtlich genervt. Doch dann wurde ihr bewusst, das sie hier einen Job machte und dass es ihre Aufgabe war, sich den Problem und besondere Bedürfnissen der Mädchen zu stellen. »Können Sie nicht reden?« Sie versuchte ihre Stimme etwas freundlicher klingen zu lassen.

Zur Antwort kam Jenni auf Andrea zu und als sie vor ihr stand, öffnete sie den Mund und zeigte ihre Mundfüllung.

Andrea grinste. »Ach deswegen.«

Jenni grinste ebenfalls. Doch dann blickte sie Andrea ernst an und ebenso zum Telefon.

Andrea folgte dem Blick »Du möchtest telefonieren.«

Jenni nickte.

»Soll ich Dir den Mund freimachen?«

Heftiges Nicken war die Antwort.

Andrea kam der Bitte nach und holte einen gerade zu riesigen Schaumgummiball aus Jennis Mund.

Jenni räusperte sich, dann sagte sie leise »Danke.«

Andrea wusste nicht, was sie mit dem Ball machen sollte. Sie blickte Jenni fragend an.

Diese lächelte hintergründig. »Ich glaube, der ist reif für den Müll.«

Andrea machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Doch Jenni war dies nicht recht. »Halt, warten Sie.«

Andrea drehte sich verwundert um.

»Könnten Sie mir einmal den Umhang abnehmen, es ist warm hier drin. Und könnten Sie dann auch wählen und mir den Hörer halten?«

Andrea kam dies schon etwas seltsam vor, doch sie kam der Bitte nach.

Gleich als sie den Umhang von Jennis Schultern genommen hatte, sah sie den Monohandschuh und ein ungläubiger Blick lag auf seiner Trägerin. »Oh, wie lange tragen Sie den denn schon?«

»Seit heute Morgen, mein Mann hat mich nach dem Frühstück hinein geholfen.«

»Auch im Zug?«

Jenni bestätigte es. »Auch im Zug. Aber jetzt würde ich gern telefonieren.«

Andrea begleitete sie zum Telefon, sie wählte die von Jenni genannte Nummer und hielt ihr den Hörer.

»Hallo Schatz, ich bin es.« Jennis Stimme strahlte Begeisterung aus. »Es war genauso, wie ich es mir erträumt habe. Es war toll.«

Andrea bemühte sich, möglichst gut weg zu hören. Unwillkürlich blickte sie auf die Uhr.

Jenni fing diesen Blick auf. »Ich muss Schluss machen. Wir gehen gleich zum Mittagessen.«

Die Gegenseite fragte etwas.

»Ja, den trage ich noch.« Sie blickte zu Andrea. »Sie hält mir gerade den Hörer.« Sie blickte sie dankbar an. »Sie sind alle sehr nett hier. Ich muss jetzt los. Ich liebe Dich.«

* * *

Karin saß auf der Bank vor dem Abthaus und blickte sich um. Es war Mittagszeit und alle Teilnehmer des Lehrgangs sollten sich für den gemeinsamen Weg zum Gasthof hier treffen.

Sie blickte immer wieder auf die kleine Gruppe der Mädchen, die beieinander standen und sich unterhielten. Dabei waren es allerdings die Monohandschuhe, die Karin so sehr faszinierten. Von Birgit und Alexandra wusste sie schon, dass sie diese so seltsamen Fesselgeräte gern trugen. Jetzt war noch ein drittes Mädchen dabei, welches ihre Arme ebenfalls auf dem Rücken gefangen hatte. Sie stand allerdings bei den drei Mädchen der Familie Steinmüller und unterhielt sich mit ihnen sehr angeregt.

Fasziniert beobachtete Karin, wie gelegentlich ihre Arme in ihrem Ledergefängnis zuckten. Dieser Handschuh machten einen sehr sicheren Eindruck. Daneben stand noch die Herzogstochter, die, so wusste Karin, in ihrer Lederjacke ebenfalls so gut wie gefangen war.

Einige andere Mädchen waren noch da und je weiter die Zeit fortschritt, desto mehr Mädchen trafen ein. Karin hielt ihre Augen bei den Monohandschuh-Mädchen.

Frau von Taubach kam auf sie zu und bat sie zu einer kurzen Besprechung. »Ich möchte gern die Aufsicht auf dem Weg zur Gaststätte eingeteilt wissen.«

Karin erhob sich und folgte ihrer Chefin. Elke und Andrea, ihre beiden Kolleginnen traten ebenfalls herbei. Die Direktorin begann zu erklären. »Andrea, sie führen ihren Schützling allein.« Sie blickte auf eine mit einer Kapuze verhüllte Gestalt, die mit gesenktem Kopf auf der Bank saß.

»Elke, sie passen auf unsere »Sklavin« auf.« Elke grinste. »Sie dürfen sie ruhig ein wenig härter anfassen.«

»Karin, Ihnen würde ich gern alle anderen Mädchen anvertrauen. Es geht leider nicht anders. Ich selbst werde auf Marianne aufpassen.«

Karin blickte zu die Mädchen, auf die sie aufpassen würde. Sie freute sich insgeheim, denn je länger sie diese Handschuhe betrachtete, desto besser gefielen sie ihr.

Andrea ging auf die Bank zu, setzte sich neben die Gestalt und legte ihren Arm um ihre Schultern. Sie schien ihr etwas zu erklären.

Dann trat Frau von Taubach vor die Mädchen und gab diese Einteilung ebenfalls bekannt. Frau von Taubach ging auf die vier Ponymädchen Jasmin, Sandy Anna und Jenni zu und bat sie, ihr zu folgen. Sie führte sie zu Karin und machte sie einander bekannt. »Ihre Betreuerin Daniela Bringel hat eine Autopanne, sie kann erst später kommen. Ich möchte Sie bitten, sich Frau Michels und ihren Mädchen anzuschließen.«

Frau von Taubach blickte über die anwesenden Mädchen und winkte dann Karin zu sich. »Sie können mit ihren Mädchen schon einmal vorgehen.«

Karin sah sich ebenfalls um und als alle ihre acht Mädchen da waren, gingen sie los. Karin freute sich insgeheim, jetzt schon von drei Monohandschuh-Mädchen umgeben zu sein. Irgendwie hatten diese Handschuh trotz allem etwas faszinierendes.



Elke ging mit geringschätzigem Blick auf Sabrina zu und fragte nach den Schlüsseln für die vielen Ketten und Handschellen.

Auf einmal wurde Sabrina kreidebleich. Sie stammelte etwas in ihren Knebel, der in ihrem Mund steckte.

Elke trat hinter sie und nahm ihr den Knebel ab. »Wo sind die Schlüssel?« wiederholte sie ihre Frage etwas ungehaltener.

»Die sind bei meinem Freund.« Sie war kaum zu verstehen.

»Und wo ist der?« Elke musste gar nicht erst schauspielern. Über soviel Leichtsinn war sie echt sauer.

»Der musste weg auf eine Geschäftsreise.« Sabrina hielt ihren Kopf gesenkt. Sie schämte sich.

»Rühre Dich nicht vom Fleck!.« Elke ließ Sabrina stehen und ging zu ihrer Chefin. Dieser »Fehler« von Sabrina kam ihnen beiden sehr gelegen.

Frau von Taubach wusste natürlich, was unter normalen Umständen in so einem Fall zu tun gewesen wäre. Sie hatte in ihrem Büro alle Schlüssel für die gängigen Fesselgeräte. Und für alle Fälle war da auch noch Frau Windisch mit ihrer großen Sammlung von Spezialwerkzeugen zum Öffnen von Schlössern. Sie hatte bisher noch jedes Schloss auf bekommen. Aber das wäre im Fall von Sabrina nicht zweckdienlich gewesen. Sie dachte noch einmal an die Worte des Herzogs von einer der vielen Vorbesprechungen. Sabrina hatte ein sehr romantisches Bild einer Sklavin und es war jetzt eine sehr gute Gelegenheit, dieses Bild ein wenig zurecht zu rücken und ihrem Schützling die Augen zu öffnen.

»Sie bringen Sabrina so wie sie ist, zum Gasthaus und ich telefoniere noch schnell mit Frau Windisch und erkläre ihr meinen Plan.«

Elke dachte an die Tochter. »Sie soll auch Paula einweihen.«

Frau von Taubach grinste. »Und Sie erklären ihr, dass die Handwerker, die die Ketten öffnen können, erst am Mittwoch wieder da sind und dass sie solange in den Ketten bleiben muss.«

Elke ging langsam auf Sabrina zu und ergriff die Kette, die vorn am Halsreifen baumelte. Ohne Sabrina noch eines Blickes zu würdigen, ging sie los und zog Sabrina hinter sich her.



Frau von Taubach ging in ihr Büro und blickte kurz auf Marianne, die noch auf dem Besuchersessel saß. Tapfer ertrug sie den Knebel im Mund und ihre Hände waren auch noch an dem Taillenriemengeschirr befestigt. Auf ihrer Bluse waren deutliche Spuren ihres Speichels zusehen. Das brachte das längere Tragen eines Ballknebel einfach mit sich.

Während Frau von Taubach sich das Telefon griff, warf sie einen kurzen Blick auf Marianne. Sie machte nach wie vor einen recht traurigen Eindruck, schien sich aber von den Fesseln und dem Knebel nicht weiter beeindrucken zu lassen. Das war schon mal ein ganz gutes Zeichen. Vielleicht hatte der Graf ja doch recht und sie würde es über kurz oder lang doch mögen.

Sie ging ins Nebenzimmer, so dass Marianne sie nicht hören konnte und telefonierte kurz mit Frau Windisch. Sie erzählte ihr von dem Plan, bat sie mit zuspielen und auch ihre Tochter zu informieren.

Dann legte sie auf und ging zu ihrem Schreibtisch zurück. Sie stellte das Telefon auf seinen Platz zurück und blickte dann zu der Gestalt im Besuchersessel. Marianne war gerade wieder mit einem Speichelfaden beschäftigt und versuchte sich vorzubeugen, um ihre Bluse trocken zu halten.

Die Direktorin versuchte, ihrer Stimme einen recht strengen Klang zu geben und vor allem ein Lächeln in der Stimme zu unterdrücken. »Und wer wird dann meinen Fußboden sauber machen?«

Marianne erschrak und zog ihren Oberkörper zurück. Sie fing wieder an zu weinen.

Frau von Taubach wusste, dass es falsch war, Marianne jetzt zu schonen. Sie musste wissen, dass sie ihr Versteck hier im Kloster teuer erkaufen musste mit dem Verlust ihrer körperlichen Freiheit. Und dennoch war sie überzeugt, das die Nichte des Grafen hier eine andere Art von Freiheit entdecken würde und dass es ihr trotz der scheinbaren Strenge und Härte bald sehr gut gefallen würde.

»Wir gehen jetzt zum Gasthaus.« Dabei klang ihre Stimme wieder etwas weicher. »Dort gibt es Mittagessen.«

Marianne blickte auf.

»Hältst Du den Knebel noch solange aus?«

Marianne war sichtlich verstört. Dennoch bemühte sie sich um Höflichkeit. Sie nickte verschüchtert.

Frau von Taubach trat auf sie zu und streichelte ihr sanft über den Kopf. »Du wirst Dich schon daran gewöhnen. Es ist alles nicht so schlimm wie es aussieht.«

Marianne war über den auf einmal sehr versöhnlichen Ton etwas irritiert.

»Ich möchte dir diese Brille aufsetzen. Damit wird Dich keiner erkennen können und Du kannst unbesorgt nach draußen.« Sie verschwieg, dass die Brille mit den großen Gläsern in Wirklichkeit eher die Wirkung eine Augenbinde hatte, denn die Gläser waren von innen zugeklebt. Nur unten war ein kleiner Spalt offen, so dass die Trägerin ein kleines bisschen auf den Weg achten konnte.

Marianne zeigte keine Reaktion, als ihr die Brille aufgesetzt wurde. Frau von Taubach half ihr beim Aufstehen, dann legte sie ihren Arm um das Mädchen und führte sie nach draußen.

* * *

Christine war sehr aufgeregt. Heute sollte es endlich losgehen. Sie hatte sich von ihren Eltern und ihren drei älteren Brüdern verabschiedet, hatte sich ihre schon lange zuvor gepackte Tasche gepackt und war die wenigen Straßen vom Bauernhof ihrer Eltern zum Gasthof zu Fuß unterwegs.

Sie hatte schon öfters mal bei den Wochenendeseminaren als Betreuerin ausgeholfen, um ihr Studium zu finanzieren. Dabei war sie von den Fesseln immer sehr fasziniert gewesen und hatte stets davon geträumt, selbst einmal so etwas zu erleben.

Um so mehr hatte sie sich gefreut, als Frau von Taubach sie angesprochen und gefragt hatte, ob sie Lust hätte, den letzten freien Platz zu besetzen. Christine hatte sofort zugesagt. Auch wenn ihre Eltern von dem Gedanken nicht so angetan gewesen waren. Doch das war der Bauerntochter egal.

Allerdings hatte Christine zuvor noch einen Termin bei Frau Windisch, denn sie hatte auch ihr zugesagt, bei dem Lehrgangsessen mit dem Bedienen zu helfen. Auch damit konnte sie sich ein wenig dazuverdienen. Und dann sollte es losgehen.



»Was machst Du denn mit der großen Tasche?« fragte Frau Windisch nach der Begrüßung.

»Die ist für den Lehrgang, der jetzt bei Ihnen essen wird«, erklärte Christine. »Ich nehme ebenfalls an diesem Lehrgang teil.«

Frau Windisch war etwas verwirrt. »Aber dann hätte ich Dich ja gar nicht fragen dürfen, ob Du mir hilfst? Du bist doch dann mein Gast.«

Christine winkte ab. »Ich helfe ihnen gern.«

»Aber Du wirst Dich zu Ihnen setzen und mit Ihnen essen, darauf besteht ich.«

Christine winkte ab. »Wir schauen mal.«

Paula kam mit den weißen Tischdecken. Christine stellte ihre Tasche ab und half der Wirtstochter beim Decken der Tische. Frau Windisch ging in die Küche, um nach dem Essen zu schauen.

* * *

Frau von Taubach war schon etwas verwundert, Christine als Bedienung zu sehen. Sie wandte sich an die Wirtin und sagte mit einem Lächeln in der Stimme. »Ich muss Ihnen ihre Christine dann aber wegnehmen.«

»Ich habe es befürchtet.« Frau Windisch antwortete auf gleicher Wellenlänge. »Aber ich geben sie gern Ihnen in die Ausbildung.« Sie zwinkerte Christine zu. »Sie hat mir versprochen, danach alles mit einer Hand auf den Rücken gebunden servieren zu können.«

Frau von Taubach blickte etwas verwundert auf Christine.

Diese lächelte. »Das möchte ich mindestens bei Ihnen lernen.«

Birgit trat zu ihr und stupste sie mit ihrem Handschuh an. »Das geht auch mit beiden Händen auf dem Rücken.« Sie grinste, dann drehte sie sich zu Frau Windisch. »Haben Sie noch das Tablett mit dem Halsband?«

Frau von Taubach blickte sie verwundert an. Sie schien nicht zu wissen, was gemeint war.

Alexandra war ebenfalls zu ihnen getreten. Eigentlich wollte sie Birgit zurückhalten, denn sie wusste, wie aufdringlich ihre Freundin manchmal sein konnte. Doch als das Tablett erwähnt wurde, bekam sie auch leuchtende Augen. Sie erinnerte an den letzten Geburtstag, der hier gefeiert wurde.

Frau Windisch fiel es wieder ein. »Ach das meinst Du.« Sie überlegte, dann blickte sie zu ihrer Tochter. »Das wollte Paula zur Erinnerung behalten.«

Es war Birgit anzusehen, dass sie etwas im Schilde führte. Sie wandte sich an Paula. »Könntest Du das Tablett holen? Ich würde gern damit den Kaffee servieren.« Sie lächelte hintergründig.

Frau von Taubach blickte auf den gedeckten Tisch. »Ich glaube, jetzt sollten wir die Fesseln aber erst einmal beiseite lassen und das Essen genießen.«

Es ging ein leiser Seufzen durch den Raum.

* * *

Andrea hatte Kirsten gerade den Umhang abgenommen und wollte ihn auf den Haken an der Wand hängen, als sie einen gedämpften Schrei von ihr hörte. Fast gleichzeitig hörte sie, wie jemand im Raum »Kirsten« gerufen hatte. Sie drehte sich rasch um und konnte gerade noch sehen, wie Kirsten langsam zu Boden fiel. Karin war auf Kirsten zu gestürmt und kniete vor ihr. Sie blickte sie voller Angst an.

Andrea erinnerte sich an die Worte der Schwester und kramte hastig in ihrer Geldbörse. Sie kniete sich ebenfalls nieder und hantierte hastig an Kirstens Kiefer. Dann stand sie wieder auf und blätterte hastig in der Mappe, die sie vom Krankenhaus bekommen hatte.

Mittlerweile hatte sich alle um Kirstens scheinbar leblosen Körper versammelt und blickten voller Sorgen auf die Geschehnisse vor ihnen auf dem Boden. Auch Frau von Taubach kniete sich nieder und blickte ebenso besorgt auf Kirsten. Sie fühlte Kirstens Puls und ihre Miene entspannte sich ein kleines bisschen. Dann blickte sie auf die sehr besorgte Karin. Sie fragte sich, warum Frau Michels sich so nach vorn gedrängt hatte. »Frau Michels, sie machen sich anscheinend sehr viel Sorgen um Kirsten. Kennen Sie sie näher?«

Karin liefen die Tränen über das Gesicht, als sie ihren Kopf hob. Sie blickte ihre Chefin verzweifelt an. »Kirsten ist ...« Sie schluchzte. »Sie ist meine Tochter.«



Andrea hatte unterdessen die Mappe wieder beiseite gelegt und kniete sich ebenfalls vor Kirsten hin. Sie drückte ihren Mund nach unten und zog das mittlerweile triefende Taschentuch heraus. Sie legte es auf den Teller, den Elke ihr geistesgegenwärtig hinhielt.

Karin blickte an dem Körper ihrer Tochter entlang und sah die in Taillenhöhe fixierten Arme. Karin fasste hastig an die Schnallen, doch sie war viel zu nervös, um die Schnallen lösen zu können. Sie blickte wieder zu ihrer Chefin. »Machen Sie sie bitte los.« Es war mehr ein Befehl als eine Bitte.

Doch da zuckten Kirstens Arme und mit zarter Stimme widersprach sie. »Nein, bitte nicht, das muss so sein, sagen die Ärzte.«

Andrea beugte sich zu ihr herunter und strich ihr sanft über die Haare. »Tapferes Mädchen.« Dann half sie ihr beim Aufstehen und führte sie zu dem Stuhl, den Elke bereitgestellt hatte.



Frau von Taubach hatte sich von dem ersten Schrecken erholt und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Sie wusste durch Andreas Bericht, was in der Klinik passiert war und was Kirsten angetan wurde. Nicht zuletzt deswegen wusste sie Kirsten bei Elke in guten Händen, denn sie und die andere noch nicht eingetroffene Betreuerin Daniela hatte beide eine ausführliche medizinische Ausbildung und wussten was in solchen Fällen zu tun war. Jetzt war es an der Zeit, sich um die Mutter zu kümmern.

Sie ging auf Karin zu und nahm sie beiseite. »Nehmen Sie bitte alles so hin, wie es jetzt ist. Sie werden genug Gelegenheit bekommen, ausführlich mit ihrer Tochter zu reden.«

Karin verstand nicht, was ihre Chefin meinte. Sie schaute sie zweifelnd an.

»Ihrer Tochter wurden ein paar grausame Sachen angetan.« Sie wusste es wäre falsch, Karin jetzt zu schonen. »Aber das ist vorbei und jetzt ist es wichtig, nicht zurück zu blicken.« Sie bemühte sich ihre Stimme wichtig klingen zu lassen. »Fragen Sie jetzt nicht nach der Vergangenheit. Blicken Sie zusammen mit ihrer Tochter in die Zukunft.« Sie sah ihr dabei sehr eindrücklich in die Augen.

Karin war fassungslos, dennoch gab sie sich Mühe, den Worten ihrer Chefin zu folgen.

»Stehen Sie ihr zur Seite und seien Sie für sie da. Sie braucht ihre Mutter jetzt ganz besonders.« Noch etwas fiel ihr ein. »Machen Sie ihr jetzt auf keinen Fall irgendwelche Vorwürfe.« Sie bemühte sich, besonders eindringlich zu klingen. »Sie werden später alles erfahren, aber jetzt müssen sie einfach nur für sie da sein.«

Frau von Taubach konnte nur ahnen, was so alles zwischen Mutter und Tochter vorgefallen war. Trotzdem war es wichtig, dass die beiden jetzt für einander da waren. Sie ergriff Karins Hand und zog sie zu dem Stuhl, auf dem ihre Tochter saß. Karin kniete sich wortlos vor den Stuhl und ohne etwas zu sagen, nahm sie ihre Tochter in den Arm.

Frau von Taubach gab Andrea ein Zeichen und blickte dabei auf Kirstens Hände. Andrea schien kurz zu überlegen, dann kniete sie sich vor Kirsten und öffnete die Riemen, die Kirstens Hände festhielten. Wieder wollte Kirsten protestieren, doch Andrea legte einen Finger auf Kirstens Lippen und beruhigte sie.

Kirsten legte ihre jetzt freien Arme um ihre Mutter und zog sie ebenfalls an sich. Dann begann sie hemmungslos zu weinen.

Frau von Taubach erkannte, dass es Tränen der Erleichterung waren. Sie ließ Kirsten weinen, denn sie wusste, das es ihr gut tat.



Frau Windisch räusperte sich. »Wir würden dann gern das Essen auftragen.« Es war die willkommene Ablenkung.

Frau von Taubach ging auf den Stuhl zu und legte eine Hand auf Karins Schulter. Mit leiser sehr vorsichtiger Stimme sagte sie, dass es jetzt Zeit zum Mittagessen wäre. Sie wusste, dass es beiden gut tat, jetzt auf andere Gedanken zu kommen. Karin erhob sich.

Frau von Taubach reichte Kirsten die Hand und zog sie sanft vom Stuhl hoch. Sie begleitete beide zum Tisch und ließ sie sich jeweils links und rechts auf den Stuhl neben ihr setzen. Sie sollten sich jetzt noch nicht so einfach austauschen können, aber sie wollte sie auch nicht unnötig weit trennen. Sie bat Andrea, neben Kirsten Platz zu nehmen um ihr notfalls helfen zu können. Marianne durfte sich auf die gegenüberliegende Seite von Frau von Taubach hinsetzen. Sie trug immer noch ihre Fesseln und den Knebel. Aber ihr Blick war schon sehr viel entspannter.

Dann blickte sie sich wieder um und bat auch die anderen Mädchen, sich einen Platz zu suchen. Es fiel auf, das Birgit, Alexandra und Jenni immer noch in ihrem Handschuh gefangen waren. Auch Sabrina trug noch ihre Fesselung.

Sie erhob sich und begrüßte noch einmal alle, die bisher eingetroffen waren zu diesem besonderen Lehrgang, der so turbulent begonnen hatte. »Und jetzt wünsche ich Ihnen Guten Appetit.«

Sie blickte den Tisch entlang und ihr Blick blieb auf den drei Monohandschuhen liegen. Sie lächelte. »Die Betreuerinnen werden Ihnen jetzt noch einmal die Fesseln abnehmen, damit sie das Essen genießen können. Später einmal werden sie lernen, wie sie auch mit dem Monohandschuh essen können.« Ein erstauntes Raunen füllte den Raum und bei einigen der Mädchen waren leuchtende Augen zu sehen. Elke und Andrea standen auf. Frau von Taubach gab Karin ein Zeichen, sitzen zu bleiben.

Dann blickte sie zu Sabrina und sie gab sich Mühe, ihrem Blick etwas Mitleid zu geben. »Es tut mir leid, aber Sie müssen sich mit ihren Ketten arrangieren, wir haben leider keine Möglichkeit, Ihnen die Fesseln zu öffnen.«

Sabrina hatte irgendwie damit gerechnet, auch befreit zu werden, doch sie musste sich eingestehen, dass dies nicht möglich war, denn alle Schlüssel waren bei ihrem Freund und der war weit weg auf Geschäftsreise.

Laura und Christine servierten die Getränke. Für Sabrina steckte ein Strohhalm im Glas.

Es wurde auf ein erfolgreiches halbes Jahr angestoßen. Alle erhoben ihr Glas, auch Kirsten und ihre Mutter. Sabrina blickte als einzige etwas verunsichert in die Runde.

Dann wurde das Essen serviert und als alles aufgetragen war, setzte sich auch Christine mit an den Tisch. Alle griffen herzlich zu und ließen es sich schmecken. Nur Sabrina blickte gelegentlich auf ihren leeren Teller.

Frau von Taubach sah gelegentlich unauffällig zu ihr hinüber. Sie nahm die Blicke wahr, die Sabrina auf die vollen Teller der anderen warf. Doch sie traute sich nichts zu sagen.

Schließlich war es Zeit für die nächste Demütigung. Fast schon scheinheilig blickte sie deutlich auf Sabrina und ihren leeren Teller. »Haben Sie keinen Hunger?« Ob sie ihr wohl auf den Leim ging?

Sabrina blickte sie verwundert an. »Und ob ich Hunger habe.« Sie hoffte irgendwie, doch noch von den Fesseln befreit zu werden.

Frau von Taubach äußerte ihr Bedauern. »Es ist schade, dass Sie nicht an die Schlüssel gedacht haben.« Sie schien nachzudenken. Dann wandte sie sich an Frau Windisch, die an der Theke stand. »Hätten Sie nicht etwas Brot für Frau Friedheim?«

Frau Windisch hatte den Plan von Frau von Taubach sofort begriffen. Sie ging in die Küche und kam nach kurzer Zeit mit einem Teller zurück, auf dem einige Brotscheiben lagen. Den stellte sie Sabrina auf ihren leeren Teller.

Sabrina blickte verwundert auf das Brot und zuckte etwas mit den gefangenen Armen. Sie blickte Frau von Taubach fragend an.

Diese wusste natürlich genau, was Sabrina wollte, aber genau das übersah sie. »Lassen Sie es sich schmecken.«

Sabrina schien nachzudenken. Ihr Blick wechselte von Neugier zu Verlegenheit. Sie wurde rot und es war zu sehen, dass sie mit sich kämpfte. Schließlich siegte ihr Hunger. Sie beugte sich vor und versuchte, mit dem Mund etwas von einer der Scheiben abzubeißen. Es gelang ihr erst nach einiger Zeit, da das Brot auf dem glatten Teller nicht wirklich Halt hatte. Als sie ihren Kopf wieder hob, waren einige Tränenspuren in ihrem Gesicht zu sehen, die sie auch nicht wegwischen konnte.

So als wäre nichts gewesen, genossen die Damen weiter ihr Mittagessen. Keiner wollte oder traute sich, Sabrina zu helfen.

Frau von Taubach war zufrieden. Die erste Lektion war erfolgreich.

* * *

Frau Windisch kam auf den Tisch zu und fragte, wer denn nach dem Essen alles einen Kaffee oder etwas anderes zu trinken haben wollte. Sie nahm die Wünsche auf. Birgit stand auf und ging zu Frau von Taubach. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Die Direktorin antwortete so, dass es alle hören konnten. »Wenn Du das machen willst, sehr gern.«

Birgit wandte sich an Frau Windisch und flüsterte ihr ebenfalls etwas in Ohr.

Ein Lächeln war auf dem Gesicht der Wirtin zu sehen. Dann antwortete sie. »Paula wird Dir gern helfen.« Dann wandte sie sich an ihre Tochter und bat sie, das besondere Tablett zu holen. Laura schien zu wissen, was gemeint war, denn sie verließ den Raum.

Birgit warf einen Blick auf ihre Geliebte. Diese schien zu wissen, was ihre Partnerin wollte. Sie stand ebenfalls auf und nahm sich einen der bereitliegenden Monohandschuhe. Mit einer fast erstaunlichen Routine und Geschwindigkeit legte sie diesen ihrer Freundin an. Dann setzte sie sich wieder an ihren Platz. Ihrem amüsierten Blick war zu entnehmen, dass sie wusste, was Birgit vorhatte.

Paula kam zurück in den Gastraum und hatte ein seltsames Brett in der Hand. An einer Seite hatte es eine etwas nach innen gebogene Kante, an deren einen Ende ein längerer Lederriemen befestigt war. Am anderen Ende war eine Schnalle. An der gegenüberliegende Seite des Brettes hingen kleine Ketten herunter. An den Ketten war noch so etwas wie ein runder Lederriemen zu sehen.

Christine war ebenfalls aufgestanden. Zusammen mit Laura und Birgit ging sie in die Küche.

Frau von Taubach stand auf und warf ein Lächeln in die Runde. »Ich wollte heute eigentlich noch keinen Unterricht machen, aber bitte schauen Sie zu, wenn jetzt der Kaffee serviert wird. So etwas erwarte ich später von Ihnen allen.«

Mit sehr kleinen Schritten kam Birgit aus der Küche und grinste über das ganze Gesicht. Sie bewegte sich sehr vorsichtig und machten einen sehr konzentrierten Eindruck. Vor ihrer Taille befand sich das Tablett, welches Paula vorhin geholt hatte. Jetzt war gut zu sehen, wofür die Riemen und Ketten des Tabletts waren. Mit den Riemen war das Tablett um Birgits Bauch geschnallt und die Ketten auf der anderen Seite führten jetzt zu dem dazugehörigen Halsband und hielten das Tablett waagerecht. Auf dem Tablett standen acht Becher, aus denen es nach Kaffee duftete. Birgit ging langsam auf den Tisch zu und bat, sich doch bitte zu bedienen.

Karin war fasziniert von diesem Anblick und auch von dem Stolz, der aus Birgits Gesicht hinaus strahlte. Sie vergaß für diesen Moment sogar ihre Tochter. Auch die anderen Mädchen waren von Birgits Anmut sehr fasziniert. Zugleich konnte man den Eindruck haben, als würde Birgit schon die ganze Zeit auf diese Weise servieren, denn sie strahlte dabei eine gewisse Natürlichkeit aus.



Nach einiger Zeit stand Frau von Taubach noch einmal auf und dankte der Wirtin für das gute Essen. Dann wandte sie sich an ihre baldigen Schülerinnen und lud zum gemeinsamen Spaziergang ein. »Doch vorher hätte ich noch ein Anliegen.« Sie ließ ihre Stimme wichtig klingen.

»Wie Sie wissen, hilft Christine hier im Gasthaus mit.« Sie warf einen Blick auf Christine, die mit der plötzlichen Aufmerksamkeit gar nicht gerechnet hatte. »Wenn wir jetzt alle in der Küche helfen, dann könnte Christine mit auf den Spaziergang kommen.«

Es herrschte einmütige Zustimmung. Sie standen auf und blickte alle Frau Windisch erwartungsvoll an. Diese gab bekannt, was so alles zu tun wäre. Sie zählte auf. »Die Tische abräumen, es muss alles in die Geschirrspülmaschine, die großen Töpfe müssen abgewaschen werden und die Tische müssen wieder richtig hingestellt werden.«

Frau von Taubach teilte die Mädchen auf die verschiedenen Aufgaben ein. Sie machten sich fröhlich an die Arbeit. Alexandra und Birgit halfen beim Tisch abräumen. Alexandra stellte die Sachen auf das Tablett, welches Birgit immer noch trug und ihre Freundin brachte die Sachen in die Küche, wo das Tablett gleich wieder leer geräumt wurde.

Karin war fasziniert von der Selbstverständlichkeit und der Professionalität, mit der Birgit ihre verbliebenen Möglichkeiten nutzte.



Schon nach kürzester Zeit war alles zur Zufriedenheit der Wirtin erledigt. Jasmin und Anna hatten sogar frische Blumen für die Tische geholt. Frau Windisch bedankte sich für die Arbeit und hielt dabei ihre Tochter im Arm.

Frau von Taubach blickte auf Birgits Handschuh sowie auf den Tisch auf dem neben den Handschuhen von Alexandra und Jenni auch noch die anderen Fesseln lagen, die die Damen auf dem Weg zum Gasthof getragen hatten. Sie bat die Betreuerinnen, die Mädchen für den Spaziergang fertig zu machen.

Karin wusste im ersten Moment nicht, was jetzt von ihr erwartet wurde. Erst als Alexandra sich ihren Handschuh vom Tisch genommen hatte und zu ihr trat, erkannte sie, was jetzt ihre Aufgabe war. Doch Laura kam ebenfalls auf Alexandra zu und blickte sie verlegen an. »Dürfte ich das noch mal machen?«

Alexandra warf einen fragenden Blick zu Frau von Taubach und als diese leicht nickte, reichte Alexandra der Wirtstochter den Handschuh.

Laura war jetzt schon etwas sicherer, so dass das Anlegen des Handschuhs diesmal etwas schneller ging.

Sie hatte es gar nicht bemerkt, aber die anderen Mädchen hatte sich um sie gescharrt und schauten zu, wie Alexandras Arme langsam in dem Handschuh verschwanden. Besonders bei Kirsten lag etwas Sehnsucht im Blick.

Laura hatte gerade die Schnürung von Alexandras Handschuh beendet und blickte sowohl glücklich als auch fasziniert auf die jetzt so erbarmungslos gefangenen Arme von Alexandra, dass sie es zuerst gar nicht merkte, als Jenni ihr ihren Handschuh ebenfalls hin hielt.

»Magst Du mir den auch anlegen.« fragte Jenni mit etwas befangener Stimme. Sie empfand einen gewissen Zauber, von dieser so unschuldigen Wirtstochter in ihren Handschuh gesteckt zu werden.

Laura war sichtlich überrascht. »Aber... Aber gern.« Sie nahm den Handschuh entgegen und blickte ihn verwundert an, weil er anders aussah, als der von Alexandra.

Frau von Taubach sah Lauras Zögern und trat zu ihr. »Das ist ein Handschuh ohne Schnürung, da ist nur ein Reißverschluss zu schließen. Ansonsten musst Du den aber genauso handhaben.«

Sie half Laura etwas beim Anlegen dieser Variante des Handschuhs. Sie nutzte die Gelegenheit gleich noch einmal zu etwas Unterricht. »Dieser Handschuh lässt sich sehr schnell anlegen, dafür ist er nicht in der Breite zu variieren. Der Handschuh wird also schon auf Maß gefertigt.«

Lauras Augen leuchteten, als sie langsam den Reißverschluss entlang von Jennis Armen nach oben zog. Die Direktorin machte noch auf das Riemenpaar aufmerksam, welches am oberen Rand der Armhülle angebracht war. »Damit wird der Handschuh noch gesichert und der Reißverschluss wird etwas entlastet.«

Auch Karin war fasziniert und hatte für einen Moment ihre Tochter vergessen. Doch Andrea erinnerte sie wieder daran, als sie mit dem Lederriemen, mit dem bis vorhin Kirstens Hände gefesselt waren, in der Hand vor ihr stand. Sie blickte Karin verlegen an. »Ich müsste ihrer Tochter den Riemen wieder anlegen.« Es war ihr anzusehen, dass ihr dieser Satz nicht leicht gefallen war.

Karin musste sichtlich schlucken. Sie blickte zweifelnd auf das Fesselgerät, welches ihrer Tochter wieder ihre Armfreiheit rauben würde.

Kirsten war ebenfalls auf ihre Mutter zugekommen. Sie sah sie mit festem Blick an und mit etwas zittriger Stimme sagte sie, das es eine Forderung der Ärzte sei. »Es ist nur zu meinem Besten.«

Es war ein ermutigender Blick von ihrer Chefin, der Karin sagte, was sie zu tun hatte. Sie nahm Andrea den Riemen aus der Hand, dann trat sie zu ihrer Tochter und strich ihr liebevoll über den Kopf. »Du bist sehr tapfer.« Sie legte danach den Riemen um Kirstens Taille und schnallte ihn fest.

Fast wie in Zeitlupe bewegte Kirsten ihre Arme und legte sie so, dass ihre Mutter die beiden Riemenpaare schließen konnte. Eine Träne lief über Kirstens Gesicht.

Ihre Mutter wischte die Träne zärtlich weg und zog Kirsten in ihre Arme. »Meine Kleine.« Sie streichelte ihr über den Rücken. Kirstens Arme zuckten.



Christine trat auf Andrea zu und hielt ein paar Handschellen in der Hand. »Dürfte ich die wohl tragen? Ich habe leider nichts anderes.«

Andrea war darauf nicht vorbereitet. Sie blickte etwas hilflos zu ihrer Chefin.

Frau von Taubach trat zu ihnen und warf einen kritischen Blick auf die Handschellen. »Eigentlich Spielzeug«, war ihre abschätzige Äußerung. »Aber für den Spaziergang geht es.« Sie blickte Christine fragend an. »Hast Du die Schlüssel dabei?« Der Blick von ihr zu Sabrina sagte alles.

Christine war verblüfft. Doch ein schneller Griff in ihre Tasche brachte einen kleinen Schlüssel hervor. Sie reichte ihn Andrea, dann legte sie ihre Arme auf den Rücken. Sie fühlte eine Gänsehaut, als sie das leise metallische Klicken hörte. Sie schloss die Augen und stöhnte in sich hinein.



»Würden Sie mir bitte wieder mit der Jacke helfen?«

Karin blickte auf und sah, dass die Prinzessin ihre Jacke in der Hand hielt. Sie löste sich von ihrer Tochter und wandte sich der Prinzessin zu.

»Ich wollte aber nicht stören.« sagte Tamara und blickte etwas verlegen, als sie Karin ihre Jacke reichte.

Karin murmelte ein »kein Problem«, dann sie nahm die Jacke entgegen und diesmal wusste sie gleich, wie Tamara in die Jacke zu helfen war. Sie zog die Jacke entlang den Armen empor und rückte sie an den Schultern zurecht. Dann griff sie zum Reißverschluss und zog ihn langsam nach oben. Die Prinzessin war wieder in ihrer sehr faszinierenden Jacke gefangen.



Marianne warf einen sehr verunsicherten Blick zu Frau von Taubach. Sie war sehr verwirrt. Die Fesseln nahmen ihr sehr viel Freiheit, aber andererseits fühlte es sich auch irgendwie aufregend an. Sie selbst wusste nicht, wie sie sich entscheiden sollte.

Es war der Blick der Direktorin zu dem Tisch, auf dem nur noch ein Knebel und ein Lederriemen lag, der Marianne die Entscheidung abnahm. Gehorsam ging sie zum Tisch und mit leicht zitternder Hand nahm sie sich den Knebel vom Tisch. Sie schob sich den Ball in den weit geöffneten Mund und griff dann zu den Lederriemen, die links und rechts neben dem Ball herunter hingen. Doch sie wusste nicht so recht, was sie damit machen sollte. Etwas zögernd ließ sie sie wieder los.

Andrea trat zu ihr und half Marianne, den Knebel zu schließen. Dann blickte sie fragend auf den Taillenriemen, der als einziges noch auf dem Tisch lag.

Marianne war in Gedanken noch dabei, sich mit dem Ball im Mund zu arrangieren. Sie legte fast ohne nachzudenken ihre Arme wieder so an ihre Taille, wie sie sie auch vor dem Essen hatte halten müssen.

Andrea legte ihr den Riemen um und fixierte ihre Hände entsprechend.



Juliane blickte sehr interessiert auf die Mädchen, die sich ihre Freiheit hatten nehmen lassen. Etwas neugierig war sie schon, aber sie hatte sich keinerlei Fesselsachen mitgebracht. Den drei Ponymädchen Jasmin, Sandy und Anna schien es ähnlich zu ergehen. Auch sie blickten neidisch auf die Mädchen, die jetzt Fesseln tragen durften.

* * *

Frau von Taubach bat Elke Helmar und Andrea Falk zu einer kleinen Abstimmung. Sie erläuterte ihren Gedanken. »Elke, sie gehen mit den Mädchen voraus. Schaffen Sie es, auf alle ein Auge zu haben?«

Elke konnte dies bestätigen. »Das schaffe ich. Sie machen es mir ja leicht.« Sie blickte dabei auf die Monohandschuh-Mädchen und lächelte hintergründig.

»Andrea, wir beide werden uns um Mutter und Tochter kümmern.« Sie warf einen Blick auf Karin, die ihre Tochter noch in der Umarmung hielt. »Versuchen Sie bitte unauffällig herauszufinden, wie viel Kirsten wirklich weiß. Ich werde derweil ihre Mutter vorbereiten.« Sie versuchte ihrer Stimmung Zuversichtlichkeit zu geben, doch sie innerlich wusste sie, was für ein großes Leid Kirsten angetan wurde und wie schwer es sein würde, ihrer Mutter dies schonend zu erklären.

Sie sprach noch kurz die Route ab. »Wir werden oben am Jordan entlang gehen.« Dies war der Weg, der oberhalb des Klosters parallel zum zweiten Mauerring entlang lief. Warum er ‚Jordan’ genannt wurde, war heute nicht mehr bekannt.

Die Chefin gab das Signal zum Aufbruch. »Wir brechen jetzt zum ersten gemeinsamen Spaziergang auf. Ich möchte Sie bitten, sich Frau Helmar anzuvertrauen.« Sie blickte die Mädchen an, die sich in Fesseln hatten legen lassen. »Sie wird auf sie aufpassen.« Sie gab noch bekannt, wann sie wieder im Kloster sein sollten.

Marianne kam bestürzt auf Frau von Taubach zu. Diese ahnte sofort, um was es Marianne ging. Dabei sah sie eine gute Gelegenheit, gleich zwei Sachen auf einmal zu erledigen.

Sie lächelte und blickte zu Laura. Sie fragte nach einem leichten Schal oder etwas ähnlichem. Dann ging sie zur Garderobe und hängte Marianne den Umhang von Kirsten um. Es kam ihr mehr als zu gute, dass es für Kirsten einen Grund gab, sich nicht mehr in diesem Umhang zu verstecken.

Laura brachte den Schal. Frau von Taubach legte diesen Schal um Kirstens untere Gesichtshälfte.

Kirsten war zufrieden, Andrea ebenso, denn so waren Kirstens doch noch frische Wunden auch vor dem Wind geschützt. ‚Die anderen Wunden lassen sich nicht so einfach schützen’ dachte sie beim Losgehen.

* * *

Frau von Taubach hoffte, dass sie die richtigen Worte finden würde. Sie wusste, dass sie Kistens Mutter eine für sie schreckliche Nachricht überbringen musste. »Sie wissen, dass ihre Tochter bei einer Kieferorthopädin war?«

Karin ahnte noch nichts. »Hatte sie Probleme mit den Zähnen?« Sie stellte erschreckend fest, dass sie von ihrer Tochter nicht mehr viel wusste.

»Nein, darum ging es bei der Operation nicht.« Frau von Taubach hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie sie langsam die grausame Wahrheit enthüllen wollte.

Karin begann das Nachdenken. »Sie wurde bei einer Kieferorthopädin operiert?«

»Wenn Sie ihre Tochter noch lieben, dann akzeptieren sie die Veränderung.«

Karin war stehen geblieben. »Welche Veränderung? Was hat dieses Biest meiner Kleinen angetan?«

Frau von Taubach war bemüht, die Gedanken der Mutter in die richtige Richtung zu lenken. »Bitte bedenken sie, dass ihre Tochter diese Veränderung gewünscht hat.«

Karin schwieg und blickte ihre Chefin erschrocken an.

Jetzt war es an der Zeit, die ganze Wahrheit zu offenbaren. »Machen Sie ihr bloß keine Vorwürfe, auch wenn sie entsetzt sind. Dann bricht sie erst Recht zusammen.« Sie holte noch einmal Luft. »Nehmen sie alle ihre Kraft zusammen und bewundern sie den Mundverschluss.«

Jetzt war das Wort gefallen. Doch wie es Frau von Taubach erwartet hatte, konnte Karin mit dem Begriff nichts anfangen. Jetzt war es an der Zeit, Kirsten hinzu zu ziehen. Sie blieb stehen und bat Andrea, doch mit Kirsten ein paar Schritte näher zu kommen.

Frau von Taubach nutzte die Zeit, Karin weiter vorzubereiten. »Es nicht mehr änderbar. Wenn sie ihre Tochter lieben, dann akzeptieren sie es.« Ihre Stimme wurde schneller. »Bewundern sie es, auch wenn es ihnen schwer fällt. Es ist sehr wichtig für Kirsten.«

Als ihre Tochter vor ihr stand, musste Karin trotz all ihrer Ängste ein kleines bisschen lächeln. So stand Kirsten immer vor ihr, wenn sie ein schlechtes Gewissen hatte. Den Kopf hielt sie zu Boden gesenkt und ihre Hände zitterten ein wenig.

Frau von Taubach wollte es voran bringen. »Andrea, nehmen Sie bitte den Schal ab.« Ohne das sie es wollte, klang ihre Stimme streng. »Kirsten, sehen Sie Ihre Mutter bitte an.«

Kirsten kam dem Befehl nach und es war ihr anzusehen, wie schwer es ihr fiel.

Auf den ersten Blick konnte Karin keine Veränderungen dem Gesicht ihrer Tochter feststellen. Fast breitete sich so etwas wie Erleichterung in ihr aus. Doch dann entdeckte sie die Metallbügel, die unten entlang des Kiefers nach hinten führten. Als Kirsten ihren Kopf etwas drehte, konnte Karin die anderen Bestandteile des Mundverschlusses entdecken. Doch noch verstand sie nicht, was es für einen Zweck hatte.

»Kirsten, möchtest Du es vorführen?« Andrea war zu ihnen getreten und hielt etwas metallisch glänzendes in der Hand.

Kirsten blickte erst sehr verunsichert auf den Schlüssel in Andreas Hand, dann wieder zu ihrer Mutter. Sie wusste in diesem Moment nicht, was sie machen sollte.

Es war ein auffordernder Blick von Frau von Taubach, der Andrea handeln ließ. Sie steckte den Schlüssel in das kleine Schloss des Kieferverschlusses und beschrieb die Funktionen der vier Stellungen.

Karin war sprachlos. Nur ganz langsam begriff sie, welches Funktion diese seltsamen Metallteile hatten und dass es damit möglich war, Kirsten die Kontrolle über ihren Kiefer zu nehmen. Karin kämpfte innerlich mit den Tränen, als sie so langsam begriff, was diese Frau ihrer Tochter so nachhaltig angetan hatte. Doch sie gab sich große Mühe sich nichts anmerken zu lassen.

Andrea stellte das Schloss wieder auf ‚offen’, dann steckte sie den Schlüssel wieder ein.

Es war der erwartungsvolle Blick ihrer Tochter, der sie schließlich dazu brachte, all ihre Wut und ihren Ärger hinunter zu schlucken. Ohne ein Wort zu sagen, nahm sie ihre Tochter in die Arme und drückte sie fest an sich.

Bei Kirsten flossen Tränen der Erleichterung. Jetzt war es heraus und ihre Mutter hatte ihr verziehen.



Frau von Taubach spürte, dass es jetzt an der Zeit war. Sie trat auf das Paar zu und mit bewusst liebevoller Stimme fragte sie, ob Kirsten jetzt nicht von ihrer Operation erzählen wolle. Sie wusste, dass es Kirsten sehr helfen würde, wenn sie sich ihren Ärger und ihre enttäuschte Liebe von der Seele reden könne.

Kirsten blickte Frau von Taubach zunächst recht ungläubig an, doch dann begann sie mit leiser Stimme zu erzählen. Sie berichtete von der Nachbarin, die neben ihr eingezogen war und die sich sofort um sie gekümmert hatte. Sie schien sehr bald erkannt zu haben, nach was Kirsten sich sehnte, ohne das es ihr bewusst war.

Kirstens Stimme hatte zu kämpfen, als sie von der gemeinsamen Zeit mit Nina berichtete. Doch Frau von Taubach spürte, dass es ihr zunehmend leichter fiel.

Kirsten hatte schon immer gern Knebel getragen. Sie liebte es, ihre Stimme zu verlieren und sich nicht mehr äußern zu können. Dann war da die Idee mit dem permanenten Mundverschluss. Kirsten konnte nicht mehr genau sagen, wie es zu der Idee gekommen war, irgendwann stand der Gedanke einfach im Raum.

Sehr aufgeregt war Kirsten damals zusammen mit Nina in die Klinik gefahren, um bei der Ärztin ein erstes Beratungsgespräch zu führen.

Als Andrea diese Worte hörte, musste sie heftig schlucken. Das Kirsten damals heftig manipuliert worden war, wusste sie auch jetzt noch nicht. Sie glaubte bis jetzt, das es wäre ihre eigene freiwillige Entscheidung gewesen wäre.

Kirsten erzählte, dass Nina ihr gesagt hatte, dass sie das jetzt selbst entscheiden dürfe und sie nicht mehr ihre Mutter fragen muss, weil sie schon volljährig war.

Bei diesen Worten ballte Karin heimlich die Fäuste. Doch sie zwang sich, weiter ruhig zuzuhören.

Schließlich war der Termin der Operation da und Kirsten war sehr aufgeregt. Doch wegen der Vollnarkose bekam sie davon gar nichts mit. Erst später auf dem Zimmer erwachte sie und spürte sofort, dass sie ihren Kiefer nicht mehr bewegen konnte. Das lag aber an den Verbänden, erklärte ihr die Ärztin, die am Bett stand. Der Kieferverschluss brauche noch Zeit, um auszuhärten.

»Und dann wollte ich Nina überraschen. Ich hatte ihre Stimme auf dem Flur gehört und habe mich heimlich in das Zimmer der Ärztin geschlichen, aus dem ich sie gehört hatte.« Ihre Stimme wurde auf einmal sehr traurig. »Dort sah ich sie, wie der Ärztin einen sehr intensiven Kuss gab. Beide hatten die Augen geschlossen, deswegen haben sie mich nicht gesehen. Ich bin sofort aus dem Zimmer gegangen und dann auf mein Zimmer gelaufen und habe geweint.« Das tat sie auch jetzt wieder und Karin musste ihre Tochter trösten.

»Sie hat mir Nina weggenommen« schluchzte Kirsten.

Andrea wurde bleich. Kirsten wusste wirklich nichts von dem Verrat. Die Betreuerin blickte etwas hilflos zu ihrer Chefin. Diese hatte dies ebenfalls erkannt und legte als Antwort ihren Finger auf ihre Lippen. Wenn es irgendwie möglich war, sollte Kirsten diese zusätzliche Enttäuschung erspart werden. Wenn sie glaubte, sie hätte ihre Geliebte erst in der Klinik verloren, dann sollte es so bleiben. Denn die Wirklichkeit wäre noch viel schmerzhafter für Kirsten und es stand zu befürchten, dass sie diesen Schock nicht verarbeiten könnte.

»Wir hatten noch so viel vor.« Sie holte tief Luft. Ihre große Enttäuschung war deutlich zu spüren. »Ich hätte auch noch auch Arm- und Beinschienen bekommen sollen, dann hätte sie mich vollständig kontrollieren können.« Trotz der Enttäuschung war da auch ein gewisses Leuchten in ihren Augen.

Karin war entsetzt über sich selbst. Sie musste sich eingestehen, sich sehr von ihrer Tochter entfernt zu haben. Es war ihr schlechtes Gewissen, was sie nach den Schienen fragen ließ.

Kirsten erklärte mit weinerlicher Stimme, dass sie damit ihre Gelenke genauso wie ihren Kiefer verschließbar machen könnte. Sie könne sich dann nur so viel bewegen, wie es ihr erlaubt wurde.

Frau von Taubach hatte das Gefühl, sich einmischen zu müssen. »Ich könnte mir vorstellen, dass dies im nächsten halben Jahr ein Projekt werden könnte.« Sie wollte Kirsten eine Perspektive bieten.

Kirsten blickte erstaunt hoch. Sie begann zu strahlen.

Doch Frau von Taubach wollte ihr nicht zu viel Hoffnung machen. »Ich muss dass aber erst mit dem Herzog besprechen. Der muss es genehmigen.«

Karin sah die leuchtenden Augen ihrer Tochter und sie ahnte, wie sehr Kirsten wohl unterwürfig war. So langsam begann sie zu ahnen, was zuletzt zwischen ihr und ihrer Tochter so alles schief gelaufen war. Karin hatte geglaubt, sie müsse ihrer Tochter viel Freiheit lassen, doch jetzt musste sie erkennen, dass es genau das Falsche gewesen war. Kirsten brauchte die Enge und die Eingeschränktheit, nur dort schien sie Erfüllung zu finden. Karin begann zu ahnen, was sie tun musste, um ihrer Tochter wieder zu Glück zu verhelfen. Und sie fürchtete sich zugleich davor.

»Ich freue mich auf den Lehrgang.« Kirstens Augen strahlten ein klein wenig. Doch dann fiel ein Schatten über ihr Gesicht und eine Träne lief über ihre Wange. »Nina wird mich nicht wieder sehen wollen.« Sie schluchzte. »Ich wollte mich total von ihr kontrollieren lassen.«

Andrea war zu ihr getreten. »Es ist bestimmt besser, wenn Du nicht mehr an sie denkst.« Sie ist ein hundgemeines Schwein, fügte sie in Gedanken noch dazu.

Frau von Taubach spürte, dass Kirsten jetzt etwas Abwechslung in ihren Gedanken bestimmt gut tun würden. »Jetzt bereite Dich erst mal auf den Lehrgang vor. Du wirst sehen, dass wir Dich hier auch gut kontrollieren können.«

Kirsten blickte zwischen ihren Tränen zu Frau von Taubach auf. Es war etwas Ungläubiges in ihrem Blick.

Frau von Taubach zählte einige der Sachen auf, die für die Mädchen geplant waren. Je mehr sie erwähnte, desto entspannter wurde Kirstens Blick. Frau von Taubach wusste, dass es für Kirsten wichtig war, sich wieder auf die Zukunft freuen zu können.

»Wir fangen gleich an.« Sie blickte auffordernd zu Karin. »Wenn wir im Kloster sind, wird Deine Mutter dich zur Mittagsruhe bringen. Du wirst wie zukünftig jede Nacht dazu auf dem Bett fixiert. Deine Leben in Freiheit ist jetzt zu Ende.« Sie hoffte, dass diese fast übertriebenen plakativen Worte bei Kirsten das Richtige auslösen würden.

Schweigend ging sie neben Kirsten her und lies ihr Zeit, über das Gesagte und damit ihre Zukunft nach zu denken.



Die Glocke vom Kirchturm schlug drei mal.

Frau von Taubach blieb stehen und blickte auf ihre Uhr. »Meine Damen, wir sollten umkehren und ins Kloster zurückgehen. Der Herzog wird bald eintreffen.«

Andrea und Karin waren stehen geblieben und hatten sich umgedreht. Karin suchte den Blick ihrer Tochter. Kirsten blickte mit leicht sehnsuchtsvollem Blick auf die vor ihnen liegende Klosteranlage.

»Der Herzog erwartet uns zu einer ersten Besprechung, doch ich werde ihm erklären, was vorgefallen ist. Wir fangen dann einfach später an.« Sie blickte Karin auffordernd an. »Sie werden ihre Tochter zur Mittagsruhe zu Bett bringen. Andrea, sie werden ihr dabei helfen und ihr erklären, worauf es ankommt.«

Andrea schien zu wissen, was gemeint war. Sie nickte zustimmend.

»Sobald sie fertig sind, kommen Sie dann bitte zur Besprechung ins Abthaus.«

Karin hingegen blickte fast etwas ratlos. Sie wusste nicht, was Frau von Taubach von ihr erwartete.

Frau von Taubach legte den Arm um Kirstens Schulter und zog sie leicht zu sich heran. Dabei warf sie Andrea einen ermutigenden Blick zu und deutete ihr an, mit Karin voraus zu gehen. So würde Kirsten nicht so leicht hören, was Andrea mit ihrer Mutter besprechen würde.



»Sie müssen sich überwinden.« Andreas Stimme hatte fast etwas flehendes. »Auch wenn es sie sehr viel Überwindung kostet, sie müssen es unbedingt tun.«

»Was denn?« Karin verstand nicht. »Was muss ich tun?«

Andrea blickte sich noch einmal um, sie wollte sich vergewissern, ob sie genügend Abstand zu Frau von Taubach und Kirsten hatte. Trotzdem sprach sie etwas leiser weiter. »Sie müssen ihre Tochter auf dem Bett festschnallen.«

Karin war sprachlos.

»Sie wünscht sich das schon so lange und es wäre ein ganz wichtiges Zeichen für Kirsten, wenn ihre Mutter es machen würde.«

Karin musste schlucken. »Ich wollte ihr nie weh tun.«

»Sie tun ihr erst dann weh, wenn Sie es nicht tun.« Andrea betete, dass es die richtigen Worte waren. »Ersparen Sie ihr bitte noch so eine große Enttäuschung.«

In Karin arbeitet es. Sie schwieg

»Sie wollen doch, dass Kirsten glücklich wird.« Andrea hatte das Gefühl sich sehr weit aus dem Fenster zu lehnen. »Kirsten ist von Natur aus unterwürfig und das weiß sie auch, zumindest unterbewusst. Zeigen Sie ihr, dass Sie sie so lieben, wie sie jetzt ist. Und auch wenn es ihnen sehr schwer fallen wird, bewundern sie ihren Mundverschluss, sonst bricht sie völlig zusammen.«

Karin blickte Andrea verwirrt an. »Geben sie mir ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken.«

Schweigend gingen sie weiter.

* * *

Der Wagen von Herzog von Kollstein stand neben dem Abthaus. Er selbst saß auf der Bank vor dem Haus und blätterte in einer Mappe. Als er die Damen kommen sah, legte er die Unterlagen beiseite und stand auf.

Frau von Taubach begrüßte ihn freundlich, dann drehte sie sich zu Karin, Andrea und Kirsten um und bat sie, Kirsten wie abgesprochen ins Bett zu bringen. Der Herzog blickte ihnen hinterher.

»Das sind Mutter und Tochter Michels.« Frau von Taubachs Stimme ließ eine deutliche Anspannung erkennen. Sie berichtete kurz von den bisherigen Vorkommnissen.

Herzog Kollstein war sichtlich erstaunt über diesen seltsamen Zufall. Sein Blick zeigte Sorgen. »Wird uns das Probleme bereiten?« Es schien, dass er den Lehrgang sehr ernst nahm. »Ich möchte meine Tochter nicht enttäuschen, wenn wir da Ärger bekämen.«

»Ich denke nicht, dass wir uns sorgen müssen.« Sie berichtete vom Spaziergang und wie Karin von dem Mundverschluss erfahren hatte. Doch auch der Herzog wusste mit diesem Wort nichts anzufangen.

Frau von Taubach beschrieb ihm kurz, um was es sich handelte. »Aber Frau Falk wird ihnen dazu mehr sagen können, sie hat Kirsten aus der Klinik abgeholt und hat auch eine Einweisung in die Mechanik bekommen.«

Der Herzog war erstaunt. »Sie mache mich richtig neugierig. Ich möchte Mutter und Tochter gern kennen lernen.«

Frau von Taubach vertröstete ihn auf später. Es wäre wichtig, dass Frau Michels ihre Tochter jetzt zur Bettruhe bringt. »Kirsten hat in den letzten Stunden sehr viel durchgemacht und ist sehr labil. Sie braucht jetzt erst mal Ruhe. Das Wiedersehen mit ihrer Mutter war ein großer Schock für sie.« Sie beschrieb, was sich im Gasthaus zugetragen hatte.

»Sind wir eigentlich vollständig?« Der Herzog wechselte das Thema.

Frau von Taubach berichtet von den einzelnen Anreisen und dass zwei Frauen später kämen. »Sie hatten eine Autopanne und mussten erst in die Werkstatt.«

»Wir werden auf jeden Fall mit den Besprechungen und dem Theater warten, bis alle Damen eingetroffen sind.«

* * *

Als sie vor dem Teamzimmer standen, ließ Andrea Kirsten los und drehte sich zu Karin um. »Ich bringe Kirsten kurz ins Bad. Sie könnten schon einmal ihr Bett vorbereiten.«

Karin zögerte etwas.

»Es ist nur Marianne im Zimmer und die wird nicht stören.« Sie legte wieder ihren Arm um Kirstens Schulter. »Christine wollte noch mal in den Gasthof. Sie hatte dort wohl etwas vergessen.«

Karin kam der Bitte nach und trat in das Zimmer ein. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, welches der vier Betten das von Kirsten war.

Marianne saß mit traurigem Blick am Tisch. Sie hatte immer noch ihren Knebel im Mund und die Arme waren an dem Taillenriemen fixiert. Karin nickte ihr freundlich zu. Marianne erwiderte den Gruß höflich.

»Welches Bett ist das von Kirsten?« Ihre Stimme zitterte. Und erst nach sie es ausgesprochen hatte, fiel ihr ein, dass Marianne wegen dem Ball im Mund schlecht antworten konnte.

Marianne blickte sie verunsichert an. Doch dann stand sie auf, ging zu einem Bett und blieb davor stehen.

Karin verstand die Geste nicht richtig. »Ist das ihres oder das von Kirsten?«

Marianne war es überhaupt nicht gewöhnt, geknebelt zu sein. Sie blickte sie mit dem Ball im Mund hilflos an.

Karin wusste nicht, was sie von dem Blick halten sollte. »Soll ich dir den Ball abnehmen?«

Marianne schien zu überlegen. Sie zögerte etwas, dann schüttelte sie den Kopf.

»Das ist Dein Bett?«

Wieder ein Kopfschütteln.

»Das von Kirsten?«

Marianne nickte. Eine Träne lief über ihre Wange. Mit dem seltsamen Ball im Mund war es so demütigend. Aber sie wagte es nicht, sich gegen die Anordnung von Frau von Taubach aufzulehnen. Sie würde das durchhalten, hatte sie sich vorgenommen.

Karin wischte ihr die Träne weg. Dann drehte sie sich zum dem Bett um und schlug die Bettdecke zurück. Sehr provokativ lagen die Klett-Riemen bereit, um ihre Tochter gefangen zu nehmen.

Die Tür ging auf und Andrea trat eilig ein. Sie war allein. Sie warf einen Blick auf Marianne und bat sie fast etwas unhöflich zu ihrem Bett. »Beeile Dich, wir haben nicht viel Zeit.« fügte sie eilig hinter her. Sie schlug ebenfalls die Bettdecke zurück und mit einer Handbewegung deutete sie Marianne an, sich aufs Bett zu legen.

Sie winkte Karin ebenfalls zu sich. »Schauen Sie zu, damit sie wissen, was sie gleich mit ihrer Tochter machen müssen.«

Karin kam der Bitte, die eigentlich ein Befehl war nach. Sie sah, wie Marianne sich auf das Bett gelegt hatte und etwas ratlos blickte, denn sie schien nicht zu wissen, was passieren würde.

Andrea nahm ein Bein von Marianne und zog es zu dem Riemen auf dem Bett. Sie zeigte Karin, wie die Riemen anzuwenden waren. »Zum Öffnen der Riemen den Klettverschluss lösen und dann hier aus dem gegenüberliegenden Bügel herausziehen.« Sie legte die geöffneten Riemen auseinander, dann zog sie Mariannes Bein darauf. »Es ist wie beim Blutdruckmessen. Die Seite mit dem Klettverschluss hier durch den Bügel schieben und dann einfach festziehen. Das hält sicher und ist von innen heraus nicht mehr zu öffnen.«

Karin blickte mit einer Mischung aus Faszination und Gänsehaut zu, wie Mariannes Beine in sehr kurzer Zeit ans Bett fixiert wurde.

Andrea befreite Mariannes Arme, dann öffnete den Taillenriemen und schloss stattdessen die breiten Matratzenriemen um ihren Bauch. Zuletzt ergriff sie die Arme und befestigte sie ebenfalls mit den Klettriemen. Dann zog sie die Decke über Mariannes gefesselten Körper.

Karin blickte ein wenig ängstlich auf das Bett. Von der Fixierung der Schülerin war nichts mehr zu sehen. Lediglich der Ball in ihrem Mund zeigte noch etwas von dem besonderen Zustand von Marianne.

Andrea sah diesen Blick und versuchte ihre Kollegin zu beruhigen. »Die Mädchen werden in Zukunft jede Nacht so schlafen.«

Karin blickte noch etwas verunsichert und zweifelnd.

»Ich hole dann ihre Tochter.« auf dem Weg zur Tür drehte sie sich noch einmal kurz um. »Seien Sie stark. Kirsten braucht es jetzt dringend.«

* * *

Herzog von Kollstein und Frau von Taubach saßen im Büro am Besprechungstisch. Vor ihnen lag eine Liste mit zwanzig Namen, auf der achtzehn davon schon abgehakt waren. Nur bei Petra Krannitz und Daniela Bringel fehlte der Haken.

Der Herzog nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse. Er überlegte laut. »Könnten wir auch ohne die beiden anfangen?«

Die Direktorin überlegte. »Das würde schon gehen. Frau Bringel betreut die Ponymädchen und die sind sehr selbstständig.« Sie lächelte hintergründig. »Obwohl gerade die eine starke Führung brauchen.«

Der Herzog lächelte ebenfalls. Er fragte nach der Aufgabe von Frau Krannitz.

»Sie ist eine der Damen im roten Team, welche Frau Falk betreut werden.«

Der Herzog musste lächeln. »Ich darf mich nicht von meiner Tochter erwischen lassen. Ich sollte jedes dieser Mädchen kennen. Zumindest die Namen.«

Frau von Taubach lächelte ebenfalls. Dann erklärte sie. »Frau Krannitz ist die ‚Ahnungslose’.«

Jetzt wusste ihr gegenüber, wer gemeint war. »Ach die Bauunternehmer-Witwe? Die von ihrer Freundin ohne ihr Wissen angemeldet wurde.« Er erinnerte sich gut, weil es ihretwegen zwischen ihm und seiner Tochter anfangs viel Streit gegeben hatte. Er meinte, man müsse der Frau doch sagen, was sie hier erwarten wurde. Doch seine Tochter war auch der Seite der Freundin gewesen und sie hatte sich wie üblich durchgesetzt.

Das Telefon klingelte. Frau von Taubach nahm ab und meldete sich kurz. Sie hörte zu und ihre Miene erhellte sich. Sie bedankte sich und legte auf, dann blickte sie den Herzog erleichtert an. »Frau Bringel und Frau Krannitz sind eben durch die Wache gefahren.«

Auch die Miene des Herzogs entspannte sich.

Frau von Taubach griff wieder zum Telefon. Sie wählte eine kurze Nummer und wartete. »Catherina hier. Frau Bringel kommt.«

Sie hörte die Antwort.

»Bring bitte ihre vier Mädchen zum Abthaus. Bis gleich.« Sie legte auf.

Herzog von Kollstein nahm sich die Liste zur Hand und machte hinter den beiden Namen ebenfalls einen Haken. Dann blickte er auf die Uhr. »Dann können wir ja doch fast wie geplant beginnen.«

* * *

Sie hatten die Wache passiert und Daniela lenkte den Wagen durch den engen Waldweg. »Gleich sind wir da.« Sie blickte zu Petra Krannitz, die neben ihr auf dem Beifahrersitz saß.

»Jetzt musst Du mir aber verraten, was mich erwartet.« Petra hoffte, endlich zu wissen, was ihre langjährige Freundin mit ihr vorhatte. »Und warum musste ich allen erzählen, ich wäre auf einer langen Weltreise?«

Daniela lächelte, während sie den Wagen durch das kleine Stadttor steuerte. »Damit Dich keiner vermisst.«

Petra schwieg.

Ihre Begleitung steuerte den Wagen auf den Parkplatz und stellte den Motor ab. Sie drehte sich zu ihrer Freundin. »Das hier wird Dir helfen, den Tod von Klaus zu verarbeiten und darüber hinweg zu kommen.« Sie öffnete beide Sicherheitsgurte, dann stieg sie aus. Sie ging um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür.

Während Petra sich sehr mit dem Aussteigen abmühte, kramte Daniela derweil in ihrer etwas zu große geratenen Handtasche. Währenddessen lächelte sie über die Bemühungen ihrer Freundin, aus dem Auto auszusteigen. »Das mit der Zwangsjacke war Deine Idee.«

»Ich weiß«, keuchte Petra. »Aber es ist schön.« Dann sah sie, das Daniela einen Ballknebel mit Kopfgeschirr aus ihrer Tasche genommen hatte. Petra lächelte. »Weitere Fragen sind also nicht erlaubt?« fragte sie, als Daniela mit dem Knebel näher kam. Dann öffnete sie ihren Mund und blickte ihre Freundin erwartungsvoll an.

Sehr routiniert und schnell legte Daniela ihrer Freundin das Kopfgeschirr an. Dann griff an die Leine, die an ihrem Halsband baumelte. Sie zog spielerisch daran und mit sehr viel Grinsen in der Stimme befahl sie. »Folgen Sie mir bitte, Frau Krannitz.«

Petra brummelte etwas in ihren Knebel, dann gab sie dem Zug der Leine nach und ging hinter ihrer Freundin her. Ihre Augen leuchteten. Sie stiegen die Treppen empor und traten in den Klosterhof.



Frau von Taubach wartete vor dem Abthaus. Sie war erleichtert. »Jetzt sind wir vollständig.«

Daniela berichtete kurz von der Wagenpanne und wie schnell die Werkstatt dann doch noch geholfen hatte.

Frau von Taubach wandte sich an Petra. »Sie wissen, was sie hier erwartet?«

Petra hatte keine andere Möglichkeit, als mit dem Kopf zu schütteln.

Frau von Taubach bat Daniela, Petra zunächst im Freizeitraum unterzubringen und dann gleich zur Besprechung zu kommen. Dann wandte sie sich wieder an Petra. »Sie werden bald erfahren, weswegen Sie hier hergebracht wurden.«

* * *

Karin war wie benommen. Sie stand neben Kirstens Bett und wartete auf ihre Tochter. So viel Neues strömte auf sie ein. Sie wusste, was jetzt alles von ihr erwartet wurde. Von ihrer Chefin, von ihrer Kollegin und vor allem von ihrer Tochter. Sie hoffte sehr, dass sie es richtig machen würde.

Die Tür ging auf und Kirsten trat langsam in den Raum. Es war deutlich zu sehen, dass auch sie ziemlich verunsichert war.

»Komm her.« Sie versuchte, ihrer Stimme etwas strenges zu geben. Sie hoffte, dass sie den richtigen Ton treffen würde.

Kirsten verstand noch nicht, was gerade passierte.

»Du hast doch gehört, was die Chefin gesagt hat. Dein Leben in Freiheit ist vorbei.« Sie blickte auf Kirstens Bett. »Leg Dich aufs Bett.«

Kirsten blickte ungläubig auf ihren Gürtel, der immer noch ihre Arme festhielt.

»Nun mach schon, wir haben nicht so viel Zeit.« Ihre Stimme klang noch ein wenig strenger.

Kirsten blickte verwirrt noch einmal kurz auf ihre Mutter, dann ging sie zügig zum Bett und legte sich langsam darauf.

Karin drehte sich zu ihr hin und hoffte dabei, dass sie alles richtig machen würde. Es fiel ihr unendlich schwer, aber sie wollte ihre Tochter nicht enttäuschen.

Sie griff sich ein Bein und zog es zu der Stoffschnalle auf der Matratze. Sie legte die Riemen um das Bein ihrer Tochter und schloss den Klettverschluss. Dann griff sie das andere Bein und schnallte es ebenfalls fest.

Kirstens hatte ihren Kopf gehoben und schaute ungläubig. Es schien als konnte sie nicht glauben, was gerade passierte.

Erst jetzt machte Karin die Schnalle der linken Armfesselung auf und dabei achtete sie sehr darauf, dass sie immer den Arm ihrer Tochter festhielt. Obwohl es ihr große Überwindung kostete, bemühte sie sich, ihrer Tochter jetzt wie angekündigt keine Freiheiten mehr zu lassen. Sie hoffte innig, dass es jetzt richtig war.

Gleich nachdem die Schnalle offen war, zog sie Kirstens Arm zur Seite, wo die Schnalle für den Arm wartete. Mit fast schon so etwas wie Routine fixierte sie den Arm ihrer Tochter.

Kirsten schaute ihr sprachlos dabei zu.

Genauso verfuhr sie mit dem anderen Arm. Kirsten wollte den Mund aufmachen, doch Karin blickte sie streng an. »Wir sind noch nicht fertig.«

Sie löste den Lederriemen um die Taille und schlang stattdessen die dafür vorgesehen Riemen aus der Matratze um den Bauch ihrer Tochter. Sie schloss auch diesen Klettverschluss und drückte sie alle noch mal etwas fest. Dann kniete sie sich vor das Bett und strich ihrer Tochter durch das Gesicht. »Ruhe dich schön aus. Liegst Du bequem?« Dabei ließ sie ihre Stimme bewusst sanft klingen.

Kirsten blickte ihre Mutter total verblüfft an. Doch dann lächelte sie glücklich. »Ja, so ist es sehr bequem.«

Andrea klopfte und steckte ihren Kopf zur Tür herein. »Wir müssten dann gehen.« Sie wartete aber auf keine Antwort, sondern zog sich gleich wieder zurück, nach dem sie einen Ballknebel auf Kirstens Bett geworfen hatte.

Kirsten blickte ihre Mutter verblüfft an. Eine Träne lief über ihre Wange, die Karin sofort wegwischte.

»Mama, ich...« Karin legte einen Finger auf die Lippen ihrer Tochter und blickte sie voller Liebe an. »Nicht jetzt, Liebling. Wir reden später.« Dann nahm sie den Knebel zur Hand und blickte ihre Tochter fragend an. Jetzt war sie zu keinem Wort mehr fähig, diese Minuten kosteten sie alle Kraft, die sie noch hatte.

Kirstens Augen leuchteten und dennoch blickte sie ungläubig zwischen dem Knebel, den ihre Mutter in den Händen hielt und ihrem Gesicht hin und her. Schließlich blieb ihr Blick auf dem Knebel liegen.

Karin hoffte sehr, dass sie alles richtig machen würde. Sie hatte bisher nur gesehen, wie Birgit und Alexandra einmal geknebelt wurden.

Sie hielt den Ball vor Kirstens Mund, so wie es bei Birgit beobachtete hatte. Kirsten öffnete mit einem sehr glücklichen Blick ihren Mund und Karin schob unter Aufbringung all ihrer verbliebenen geistigen Kräfte den Ball in den Mund.

Kirsten hob von selbst ihren Kopf und Karin konnte die Schnalle am Hinterkopf schließen. »Ist es so in Ordnung?« Kirsten nickte leicht und blickte ihre Mutter glücklich an.

Über ihre Wange liefen ein paar Tränen, die Karin wegwischte. Sie strich ihr noch einmal über die Haare, dann erhob sie sich und tat so, als wollte sie die Fesseln, die ihre Tochter an Bett fesselten, noch einmal kontrollieren. Dann strich sie ihr noch einmal liebevoll über den Körper. »Bis später«

Kirsten drehte ihren Kopf zu ihr und blickte ihr mit einem strahlenden Lächeln zu ihr.

Karin streichelte ihr noch einmal durch die Haare. »Ruhe Dich aus.«

* * *

»Das haben sie toll gemacht.« Andrea hatte vor der Tür gewartet, damit sie zum Abthaus gehen konnten. Der Herzog hatte zur ersten Besprechung geladen.

Karin ging zunächst wortlos neben Andrea her. Erst im Treppenhaus brach sie ihr Schweigen. Sie beschrieb, dass es ihr unendlich schwer gefallen ist, ihre Tochter zu fesseln.

Andrea erwiderte ihr, dass es genau das Richtige war. »Ihre Tochter braucht das jetzt. Die Fesseln geben ihr jetzt Halt und das ist wichtig.«

»Ich werde noch einige Zeit brauchen«, Karins Stimme war leise, »bis ich das verarbeitet habe.«

»Es war toll, dass sie sich überwunden haben. Sie haben genau das richtige gemacht.«

»Es war so schwer.« Karin seufzte. »Ich wollte ihr nie ein Leid antun.«

Sie gingen schweigend weiter. Immer wieder musste Karin an die leuchtenden Augen ihrer Tochter denken. Es war ihr sehr sehr schwer gefallen, sie an das Bett zu fixieren und noch viel schwerer fiel es ihr, sich n den Gedanken zu gewöhnen, dass Kerstin Gefallen an diesen Fixierungen gefunden hatte.

Andererseits sagt sie sich, dass es ihr bei ihrer Aufgabe hier im Kloster sicher helfen wird, denn ihre erste Pflicht war es, für ihre vier Team-Mädchen da zu sein, wenn diese Hilfe brauchten. Gleichzeitig sollte sie stets für den richtigen Sitz beziehungsweise der sicheren Anwendung der jeweiligen Fesselung sorgen, soviel hatte sie schon verstanden.

Auf einmal begann in ihr der Gedanke zu reifen, dass Bondage und Fesselungen sowie die damit verbundene Hilflosigkeit etwas schönes sein konnte. So ganz langsam begann sie ihre Aufgabe in einem etwas anderen Licht zu sehen.

* * *

Frau von Taubach wartete mit Herzog von Kollstein vor dem Abthaus. Karin und Andrea gingen zu ihnen. Frau von Taubach stellte sie zunächst einander vor und erkundigte sich dann bei Karin, wie der Kontakt zu ihrer Tochter verlaufen sei.

Karin berichtete zögernd von ihren sehr aufgewühlten Gefühlen und dass es ihr unendlich schwer gefallen ist, Kerstin ans Bett zu fesseln.

Andrea mischte sich ein. »Eigentlich wäre es meine Aufgabe gewesen, aber ich denke, für Kerstin war es sehr wichtig.« Sie wandte sich an Karin. »Ich hoffe, es war nicht falsch mit dem Knebel, aber ich dachte, es wäre eine sehr großes Zeichen, wenn sie ihn nutzen.«

Karin musste zugeben, dass sie das noch mehr Kraft gekostet hat.

»Sie haben das richtige gemacht.« Andrea legte ihr die Hand auf die Schulter.

Karin blickte sorgenvoll zu ihr.

Herzog von Kollstein ergriff das Wort. »Wie geht es meiner Tochter?« Er blickte dabei Karin an.

Karin fühlte sich aus ihren Gedanken gerissen. Sie musste zugeben, nicht zu wissen, was die Prinzessin im Moment machte.

Ihre Chefin kam ihr zu Hilfe. Sie erwähnte, dass Tamara im Moment mit den anderen Mädchen im Freizeitraum wäre und dass Frau Helmar bis jetzt auf sie aufpasst hatte.

Der Herzog blickte Karin wieder an, diesmal etwas zweifelnder. »Warum wussten sie das nicht?«

»Kirsten...« Karin begann zu stottern. »Ich meine... Tochter...«

Wieder kam Frau von Taubach ihr zu Hilfe. »Karin hat eben ihre Tochter wiedergefunden.« Sie beschrieb, was sich bis eben ereignet hatte. Dann bat sie Andrea, noch einmal einen kurzen Überblick über die Ereignisse in der Klinik zu geben.

Auch Herzog Kollstein war tief betroffen von diesem gemeinen Verrat. Jetzt blickte er Karin verständnisvoll an und bat sie um Verzeihung. »Sie werden das schon schaffen. Und jetzt lassen Sie uns beginnen.«

Sie betraten das Abthaus und begaben sich in das Besprechungszimmer.



Der Tageslichtprojektor warf eine Folie an die Wand, auf dem der Herzog eine Tabelle gezeichnet hatte. Er zeigte auf die erste Spalte. »Ich möchte Ihnen noch einmal kurz einen Überblick über den Lehrgang geben. Wie Sie ja wissen, verfolgen wir drei Ausbildungslinien.«

Er blickte auf die Tabellenüberschriften und lächelte. »Die Namen sind von meiner Tochter.«

Karin blickte auf die Folie, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Kirsten.

»Bondagette rund um die Uhr«, »Ponymädchen« sowie »Devot und gehorsam«, diese drei plakativen Titel stellte der Herzog als die drei Ausbildungslinien vor und nannte dazu einige Details, die Karin jedoch überhörte. Sie musste wieder an ihre Tochter denken, wie sie jetzt so hilflos im Teamraum auf dem Bett lag und sich nicht bewegen konnte.

»Frau Michels, haben Sie die Prioritäten verstanden?« Die Stimme ihrer Chefin erst riss Karin aus ihren Gedanken. Sie sah erschreckt auf und blickte den Herzog verlegen an.

Dieser blickte noch einmal auf das Projektorbild und zählte noch einmal auf. »Oberste Priorität hat die Gesundheit und die Unversehrtheit der Mädchen. Behalten Sie dieses Ziel zu jeder Zeit im Augen.«

Karin dachte an das Metall an dem Kiefer ihrer Tochter und seufzte.

»Weiterhin ist mir wichtig, dass der Tagesplan so weit wie möglich eingehalten wird, natürlich immer mit dem gesunden Menschenverstand.«

Karin versuchte tapfer dem Vortrag zu folgen.

»Und als Drittes schließlich: Sie haben die Freiheit, von allen unseren Vorgaben abzuweichen, wenn es Ihnen für wichtig und richtig erscheint. Ich möchte Sie in diesem Fall aber bitten, den Vorgang später schriftlich festzuhalten, damit wir gegebenenfalls die Regeln besser an die Realitäten anpassen können.«

Karin nahm die Worte wahr, aber deren Tragweite erkannte sie nicht. Ihre Gedanken waren schon wieder bei Kirsten.

»Frau Michels, sollen wir Sie von ihren Aufgaben entbinden?« Die Stimme des Herzogs klang besorgt.

Diese Worte waren es, die Karin aufrüttelten. »Nein, bitte nicht.« Sie wurde verlegen und brach in Tränen aus. »Bitte nicht, dies ist meine letzte Chance.« Sie wischte sich die Tränen weg. »Ich bin ab sofort aufmerksam.« versprach sie.

Der Herzog machte sich eine Notiz.

»Ich fürchte, sie werden nicht die nötige Autorität aufbringen, um meine Tochter unter Kontrolle halten zu können.« Er blickte besorgt zu Frau von Taubach.

Doch Frau von Taubach stand auf Karins Seite. »Lassen Sie es uns versuchen. Ich habe Vertrauen in Frau Michels. Sie wird das schaffen.«

Der Herzog stand auf. »Nun denn, ich werde dann die »Bösen« holen, bereiten Sie bitte alles andere vor.« Dann ging er aus dem Raum.

Frau von Taubach stand ebenfalls auf und schaltete den Projektor ab. Dann drehte sie sich zu ihren Betreuerinnen. »Bringen sie bitte Ihre Damen auf das jeweilige Teamzimmer. Ich komme dann vorbei, bringe die Ausrüstung und erkläre ihrem Team, was wir vorhaben.«

* * *

Frau Klebe, die Hausmeisterin stand schon vor ihrer Haustür und wartete auf den Herzog. Ihr Gesicht zeigte ein besonderes Lächeln.

Der Herzog begrüßte die Hausmeisterin und erkundigte sich nach dem Befinden der drei eingekerkerten Mädchen. »Tragen sie wie abgesprochen den neuen Knebel?«

Frau Klebe musste lächeln. »Ja, es brauchte zwar ein wenig Überzeugungskraft, aber mein Mann hat mir geholfen.«

Der Herzog ahnte, was sich in den drei Kerkerzellen unterhalb des alten Jagdhauses abgespielt haben musste.

»Nur etwas ist merkwürdig.« Die Stimme von Frau Kleben wurde fast etwas nachdenklich. »Das Gestöhne und die Schreie der Mädchen sind erstaunlich leise geworden.«

»Das liegt an der Besonderheit der neuen Knebel.«Der Herzog lächelte. »Meine Tochter hat sich das ausgedacht.« Er erklärte, dass der Knebel innen mit einem Spezialgranulat gefüllt war, welches sich ausdehnt, wenn es feucht wird. »Es quellt durch den Speichel der Mädchen auf.«

Frau Klebe blickte amüsiert. Sie hatte die Wirkung dieses Knebels, der sich im Mund der Mädchen immer weiter ausdehnte, sofort verstanden. »Das geschieht ihnen recht. Warum hatten sie auch immer so eine große Klappe. Und was haben sie mit dem Tonband vor?«

Der Herzog blickte finster. »Ich habe ihre Eltern jeweils gebeten, ein paar Worte zu sprechen.« Der drückte auf die Play-Taste. Es ertönte die Stimme eines der Väter. ‚Meine liebe Sophie, wir haben deinem Treiben lange genug zugeschaut, jetzt ist es vorbei...’

Frau Klebe blickte ihn verwundert an. »Und Sie meinen, damit erreichen Sie etwas bei diesen Gören?«

Der Herzog war von seinem Plan überzeugt. Allerdings nahm er die Zweifel der Hausmeisterin zur Kenntnis. »Das wird nur ein Baustein von vielen sein.« Es schien, als würde er noch einmal über seinen Plan nachdenken. »Sind die anderen Sachen verfügbar?«

Frau Kleben wusste, er meinte. »Mein Mann hat die Fesseln im Keller neben den Zellen bereitgelegt. Die blickdichten Kapuzen sind auch schon unten.«

Er blickte zur Tür. »Nun dann, lassen wir es angehen.« Sie gingen in das Jagdhaus hinein.

* * *

Karin war erleichtert, als sie in das Zimmer ihres Team trat. Alle ihre vier Mädchen, auf die sie in Zukunft aufzupassen und zu betreuen hatte, hatten sich schon versammelt.

Birgit und Alexandra saßen auf dem Bett von Birgit und schmusten mit ihren noch angelegten Monohandschuhen. Juliane saß am Tisch und lass in einem Buch, während Tamara noch in ihrer Jacke am Fenster stand und irgendwie sehnsüchtig nach draußen blickte.

Die Herzogstochter drehte sich um und blickte Karin erwartungsvoll an. »Jetzt wird es losgehen?« Es schien, als war auch sie über den Ablauf gut informiert.

Karin blickte sie etwas ratlos an. »Ich weiß es nicht. Ich sollte bloß dafür sorgen, dass Sie jetzt alle hier sind.«

Es klopfte. Karin drehte sich um und öffnete die Tür.

Frau von Taubach trat ein. Sie ging zum Tisch und legte ein Bündel von Lederriemen sowie einige Stoffbeutel auf den Tisch. Es waren auch vier Ballknebel dabei.

Unvermittelt wandte sie sich an die vier Damen. »Ich möchte Sie im Namens des Herzog auffordern, etwas zu schauspielern.«

Tamara kam zum Tisch und blickte wissend auf die mitgebrachten Gegenstände. Die anderen vier blickten etwas skeptisch.

»Ich möchte sie bitten, dass Sie alle diese Arm- und Beinfesseln tragen, den Knebel angelegt haben und den Beutel über den Kopf tragen.« Während sie erläuterte, hob sie den jeweiligen Gegenstand hoch. »Die vier Damen von gelben Team sollen glauben, es würde allen so ergehen wie ihnen selbst.«

Frau von Taubach spürte die Fragen der Mädchen, auch wenn sie nichts sagten. »Der Herzog möchte ein neuartiges Erziehungsprogramm ausprobieren und das bedarf einiger Vorbereitungen.«

Die anderen Mädchen kamen ebenfalls zum Tisch. Ihre Blicke waren noch etwas zweifelnd.

»Die Beutel, die sie über dem Kopf tragen, erlauben noch ein gedämpftes Sehen. Bei den vier Damen wird das nicht so sein, sie werden nichts mehr sehen können.« Sie erklärte, dass den vier Mädchen die Hauben zuerst abgenommen werden, dann erst allen anderen. »So sollen sie annehmen, dass es allen so erginge wie ihnen selbst auch.«

Karin blickte ihre Mädchen neugierig an.

»Ein mehr oder weniger lautes Jammern in den Knebel ist erwünscht. Auch dürfen sie gern an ihren Fesselungen zerren und ziehen, es soll glaubwürdig sein. Die Fesseln werden das schon aushalten.« Sie lächelte hintergründig

Sie beschrieb, wie sich der Herzog den späteren Ablauf vorgestellt hatte. »Die Mädchen werden einander vorgestellt, dann wird von jeder ein Strafregister vorgelesen.« Sie holte ein Schreiben aus ihrer Rocktasche. »Damit Sie später nicht versehentlich lachen müssen, möchte ich Ihnen jetzt gleich Ihre »Sünden« vorlesen, damit Sie wissen, was ihnen dann scheinbar vorgeworfen wird.« Sie nahm das Schreiben zur Hand und begann die »Sünden« vorzulesen.

Karin fragte sich, was dieses seltsame Theater sollte und ob sich die vier Damen wirklich so beeindrucken lassen würden, wie der Herzog sich das wohl vorgestellt hatte. Die Vorwürfe an Ihre Damen waren auf jeden Fall bestenfalls schlechtes Benehmen und Ungehorsam, aber mehr nicht.

»Frau Michels,« sie blickte Karin an, als sie mit dem Verlesen der Liste fertig war. »helfen sie dann bitten Ihren Damen beim Umkleiden.« Sie zeigte noch einmal auf den Tisch, auf dem die Fesselsachen lagen. »Wenn sie fertig sind, kommen sie bitte ins Parlarium.« Sie ließ ihren Blick noch einmal durch das Zimmer schweifen, dann ging sie hinaus.



Karin wusste im ersten Moment nicht, was mit dem Umkleiden gemeint war. Erst als Tamara sich vor sie hinstellte und sie bat, ihr wieder bei der Jacke zu helfen, verstand Karin, was gemeint war. Sie musste sich erst wieder klar machen, dass drei ihrer vier Mädchen ja mehr oder weniger strenge Fesseln trugen, aus denen sie sich nicht selber befreien konnten. Sie war etwas über sich selbst erstaunt.

Sie half Tamara wie schon einmal aus der Jacke und legte diese dann über den Stuhl. Auch Birgit und Alexandra waren zu ihr getreten und Karin öffnete ihnen ihre Monohandschuhe.

Als sie sich wieder zum Tisch drehte, hatte Tamara schon den Ballknebel im Mund und war gerade dabei, ihn in ihrem Nacken zu schließen.

Alexandra trat ebenfalls an den Tisch und nahm sich einen der Knebel. Sie reichte ihn ihrer Geliebten und nahm sich noch einen. Beide Mädchen legten sich recht routiniert die Knebel an.

Vier Augenpaare richteten sich auf Juliane. Diese blickte sehr verunsichert auf den Tisch, auf dem jetzt nur noch ein Ballknebel lag. Sie schluckte schwer.

Alexandra sah den zweifelnden Blick von Juliane und blickte sie ihrerseits aufmunternd an. »Ich helfe Dir.« Obwohl sie ihren Knebel im Mund hatte, war sie noch gut zu verstehen.

Juliane blickte Alexandra verunsichert an.

Doch Alexandra ließ ihr gar keine Zeit, eine weitere Reaktion zu zeigen. Sie nahm sich den vierten Knebel vom Tisch und hielt ihn Juliane vor den Mund.

Es war nicht klar, ob Juliane noch etwas sagen wollte oder ob sie »brav« sein wollte, denn Alexandra schob ihr einfach den Ball zwischen die geöffneten Lippen. Dann trat sie hinter Juliane und hatte ihr genauso schnell die Riemen hinter dem Kopf geschlossen.

Tamara und Birgit hatten sich derweil die Taillenriemen vom Tisch genommen und sich diese um den Bauch gelegt und festgeschnallt. Ebenso schnallten sie sich die Fußfesseln fest. Diese erlaubten den Mädchen nur noch sehr kleine Schritte.

Tamara ging mit winzigen Schritten auf Karin zu und blickte sie auffordernd an. Dabei hielt sie ihre Arme so, wie sie später von den Riemen auch festgehalten würden.

Karin war der besondere Zauber dieses Augenblicks wohl bewusst. Fast etwas langsam griff sie zu den Riemen und schnallte die Arme der Prinzessin fest.

Genauso machte sie es bei Birgit und Alexandra, die sich in der Zwischenzeit auch die Riemen umgelegt hatte.

Juliane war immer noch ziemlich verunsichert, doch jetzt griff auch sie zu den letzten Riemen, die noch auf dem Tisch lagen und schnallte sich diese um. Dann folgte sie ihren Teampartnerinnen und legte ihre Arme ebenfalls in die richtige Position. Karin schnallte auch ihr die Arme fest.

Auf einmal war von Birgit ein sehr wehleidiges Stöhnen zu hören und als gleich darauf auch Alexandra mit Stöhnen einsetzte, drehte Karin sich erschreckt um. Ihr Blick zeigte Sorge. Erst das gedämpfte Lachen von Tamara machte sie darauf aufmerksam, dass das Paar schon mit dem Schauspiel-Jammern begonnen hatte. Karin lächelte erleichtert. »Wir müssen dann losgehen.«

Tamara blickte auf den Tisch und stupste Karin an. Dann warf sie den Blick auf die vier Hauben, die noch auf dem Tisch lagen.

Karin war verunsichert. »Sollen Sie die jetzt gleich aufsetzen?«

Tamara nickte.

Karin seufzte innerlich. Insgesamt war ihr das ganze Getue mit Fesseln und Knebeln nach wie vor unheimlich. Doch sie gab sich einen Ruck und bat ihre vier Mädchen noch einmal zu sich. Sie nahm sich nacheinander die Kapuzen vom Tisch und zog sie den Mädchen über den Kopf.

Wieder setzte ein gedämpftes Jammern ein, was gleich darauf in ebenso gedämpftes Kichern überging.

Karin versuchte, ihrer Stimme ein Lächeln zu verleihen. »Aber meine Damen, ich bitte um Ruhe.«

Prompt wurden die vier noch etwas lauter.

Tamara drehte sich demonstrativ zur Tür. Karin sah die Geste und bat zum Aufbruch. Sie war sich allerdings nicht sicher, wo sie hinzugehen hatten. Sie wusste nur den Namen des Raumes ‚Parlarium’, aber ihr war nicht klar, wo dieser Raum zu finden war. Doch da Tamara trotz der Kapuze zielstrebig voran ging, hoffte Karin, sich auf die Herzogstochter verlassen zu können.



Andrea war mit ihren Mädchen schon anwesend und Daniela kam mit ihren Mädchen gerade den Kreuzgang entlang, als Karin mit ihren Mädchen in das Parlarium eintrat.

Karin war beeindruckt von dem Raum, der wegen der nackten, nur grob behauenen Steine einen sehr martialischen Eindruck machte. Sie kam sich fast vor, wie in einem alten Historiendrama. Der Herzog hätte für das »Theater« keinen besseren Raum finden können.

Frau von Taubach war schon anwesend und freute sich sehr, dass alle Mädchen ihrer Bitte nachgekommen waren. Sie erklärte noch einmal eindringlich, was jetzt wichtig war, dann trat sie wieder in den Kreuzgang und gab dem Herzog ein Zeichen.

Ohne das es angesagt wurde, setzte jetzt im Parlarium ein Knebelgestöhn und ein Jammern ein und die Mädchen begannen zunächst zurückhaltend, doch bald immer stärker an ihren Fesseln zu ziehen. Karin sah dem Treiben fasziniert zu.

Auf einmal waren Schläge und Schmerzensschreie zu hören, während von draußen vom Kreuzgang her ein immer lauter werdendes Stöhnen und Jammern zu hören war.

Karin blickte sich erstaunt um und fragte sich, ob das mit den Schlägen nicht ein wenig zu weit ging. Doch dann sah sie, dass Frau von Taubach ein Tonband in der Hand hatte. Sie grinste Karin an.

Der Herzog schritt voran und zog hinter sich an einer Leine. Vier Mädchen mit Kapuzen stolperten hinter ihm her. Sie hatten ihre Arme und Beine ebenfalls mit dem Lederriemen gefesselt, nur eine von ihnen war sogar mit Ketten gefesselt. Erst nach einiger Zeit fiel Karin ein, dass dies Sabrina sein musste, die sie schon kennen gelernt hatte. Die Mädchen trugen graue Stoffhosen und dazu ein T-Shirt in gleicher Farbe. Nach den vier Mädchen betrat Elke den Raum. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie Mühe hatte, ein ernstes Gesicht zu machen.

Frau von Taubach und Elke halfen den Mädchen, ihren Platz zu finden. Karin fand, dass sie dabei nicht gerade zimperlich mit ihnen umgingen.

Der Herzog ergriff das Wort. Er begrüßte die Trainerinnen und verwies dann auf die 16 Zöglinge, die sich hier zu einer Therapie eingefunden hätten.

Frau von Taubach hielt ein Schild hoch, auf dem »Protest« stand. Ein Welle von Knebelstöhnen war die Antwort. Es war so laut, dass der Herzog erst einmal um Ruhe bitten musste.

»Wir werden Ihnen jetzt zum gegenseitigen Kennenlernen die Hauben abnehmen. Ich erwarte dann Ruhe.«

Wie es abgesprochen war, nahm erst Elke dem »gelben« Team die Hauben ab, dann ging sie in der Runde weiter und nahm auch den anderen Mädchen die Hauben vom Kopf.

Karin suchte ihre Tochter unter den Mädchen und als sich ihre Blicke trafen, zwinkerte Kirsten ihrer Mutter kurz zu, dann machte sie wieder ihr trauriges Geschichte und stöhnte. Karin war erstaunt, dass sie trotz ihres Mundverschlusses trotzdem noch einen Knebel trug. Noch etwas fiel ihr auf. Von Kirstens Gesicht ging trotz der Schauspielerei ein Strahlen aus, wie sie es schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich für ihre Tochter vor allem wünschte, dass sie glücklich werden würde. Es tat ihr zwar weh, dass sie dabei so schlimme Erfahrungen machen musste, aber wenn diese Fesseln bewirkten, dass Kirsten glücklich war, dann war Karin auch bereit, diese zu akzeptieren. Auch wenn es ihr noch schwer fiel.

Der Herzog räusperte sich noch einmal, dann nahm er ziemlich theatralisch eine Schriftrolle und begann mit dem Verlesen der 16 »Sündenregister«. Es war sehr still im Raum. Er nannte jeweils den Namen des Mädchens und lass dann ihre Sünden vor. Die vier Damen vom gelben Team kamen wie zufällig als Letzte dran. Nachdem jedes der Mädchen bisher immer nur beschämt den Kopf gesenkt hatte, folgten die Vier mehr oder weniger freiwillig diesem Beispiel.

Gleich danach trat Elke auf sie zu und zog ihren vier Mädchen wieder die Kapuzen über den Kopf.

Frau von Taubach hielt ein weiteres Schild hoch auf dem die Worte: »Aufstehen! Umhergehen!« standen.

Die anderen Mädchen kamen der Bitte nach und in dem Geräuschtumult sahen sie, wie die vier Mädchen von Elke abgeführt wurden. Der Herzog ging hinterher, blieb aber im Kreuzgang stehen und wartete. Erst nach einiger Zeit kam er in den Raum zurück und bat wieder um Ruhe.

Es war augenblicklich still. »Ich danke Ihnen, dass sie dieses kleine Theater mitgemacht haben.« Er blickte dankbar in die Runde. »Ich denke, dass war sehr überzeugend.«

Er gab Frau von Taubach ein Zeichen, dann sprach er weiter. »Sie können es sich jetzt gemütlich machen. Nach einer kurzen Pausen beginnen wir mit der richtigen Vorstellung.«

Frau von Taubach bat die Karin, Andrea und Daniela zu sich und gab ihnen die weiteren Anweisungen. »Der kritische Teil ist vorbei, jetzt können es sich ihre Mädchen so gemütlich machen, wie sie wollen. Wenn sie wollen, dürfen sie auch Fesseln tragen, ganz wie belieben. Achten Sie bitte nur darauf, dass die Mädchen jetzt nicht in die Nähe der Teamräume kommen, dann wäre die gesamte Komödie umsonst gewesen.«

Karin gab die Anweisungen an ihre vier Mädchen weiter, nach dem sie sie von den Hand- und Fußfesseln befreit hatte. Tamara war es, die den Anstoß gab. »Ich würde gern meine Jacke tragen. Könnten Sie sie holen?«

Alexandra, die noch ihren Knebel im Mund hatte, fügte schnell und relativ deutlich hinzu: »Und unsere Monohandschuhe, das wäre toll.«

Frau von Taubach nahm diese Anregung auf. Sie ging zu dem Schrank, der neben der Tür stand und öffnete ihn. »Ein paar Sachen sind auch hier, wenn sie möchten, dürfen Sie sich auch hier bedienen.«

Karin bat die Mädchen, hier zu warten, dann ging sie in den Kreuzgang zum Treppenhaus. Je näher sie dem Zimmer des gelben Teams kam, desto lauter wurde das Jammern, welches aus dem Zimmer nach draußen drang. Fast wurde es ihr unheimlich. Das Theater hatte anscheinend einen ziemlichen Eindruck bei den Damen hinterlassen.

Mit schnellen Schritten ging sie zu ihrem Teamraum und holte die verlangten Kleidungsstücke. Sie hielt sowohl die Jacke als auch die beiden Handschuhe in der Hand und sie fand es fast unheimlich, wie so wenig Leder und so eine unschuldig aussehende Jacke so fesselnde Eigenschaften haben konnten.



Als Karin in das Parlarium zurück kam, wurde sie schon begierig von Tamara und dem Liebespaar erwartet. Tamara nahm ihr einen Handschuh aus der Hand und ging damit auf Alexandra zu. Diese hatte ihre Arme schon erwartungsvoll auf ihrem Rücken zusammengelegt, so dass Tamara ihr schnell den Handschuh anlegen konnte.

Birgit war fast etwas verlegen auf Karin zugekommen. Sie schien Karins mangelnde Erfahrung zu spüren. »Würden Sie mir bitte da hinein helfen?«

Karin wollte sich jetzt allerdings auch keine Blöße geben, immerhin gehörte es zu ihren Aufgaben, den Mädchen zu jeder Zeit und bei allen Wünschen zu helfen. Sie versuchte, Birgits Wünschen nachzukommen, doch es ging bei weitem nicht so schnell wie bei Tamara oder Elke.

Tamara war neben sie getreten und fast unauffällig gab sie Karin hier und da Tipps zum richtigen Anlegen und Zuschnüren. Karin war für die Hilfe sehr dankbar.

Schließlich blickte die Herzogstochter sie voller Erwartung an. Karin wusste im ersten Moment nicht, was sie jetzt tun sollte. Doch dann fiel ihr ein, dass sie ja auch die Jacke von Tamara geholt hatte. Sie nahm sie zur Hand und half der Prinzessin beim Anziehen der faszinierenden Jacke.

Sie blickte sich um. Einige der Mädchen standen noch vor dem Schrank und suchten nach etwas schönen zum Tragen, andere hatte schon etwas gefunden. Karin suchte nach ihrer Tochter. Sie fand Kirsten auf ihrem Stuhl, auf dem sie vorhin schon gesessen hatte, doch jetzt trug sie eine schwarz glänzende lederne Zwangsjacke. Die Jacke stand ihrer Tochter sehr gut, dass musste Karin sich eingestehen. Sie ging zu ihr und setzte sich auf den Platz neben ihr.

Kirsten blickte ihre Mutter glücklich an. »Es ist schön, dass Du da bist.«

Karin strich ihr über den Kopf. »Meine Kleine« Sie wollte was Nettes sagen. »Die Jacke steht Dir gut.« Trotzdem war es ihr schwer gefallen.

Die Augen ihrer Tochter strahlten. »Die hatte zufällig meine Größe.«

Karin lächelte ebenfalls. Als Antwort strich sie ihr über ihre verpackten Arme.

Kirsten genoss die Zärtlichkeit ihrer Mutter. Doch dann veränderte sich ihre Stimme. »Ich glaube, Du musst Deine Arbeit machen.« Sie blickte auf Juliane, die verlegen vor Karin und ihrer Tochter stand.

Karin blickte auf und sah, wie Juliane vor ihr stand und ihre Arme wieder an den Lederriemen hielt. »Ich habe nichts besseres gefunden. Und ich möchte mich nicht ausschließen.« Sie blickte auf die anderen drei Mädchen ihres Teams, die ihre wieder angelegten Fesseln sichtlich genossen.

Nur langsam schaffte Karin es, sich an die Lust der Mädchen auf das Gefesselt sein zu gewöhnen. Sie stand auf und schloss Juliane wie gewünscht die Lederriemen um ihre Handgelenke.



Nach einiger Zeit, die Mädchen hatten es sich alle gemütlich gemacht, trat Herzog von Kollstein wieder vor die Gruppe und und bat um Aufmerksamkeit. Sofort herrschte Ruhe. »Ich möchte Sie nochmals begrüßen zu unserem Lehrgang, der ein halbes Jahr andauern wird. Sie haben sich ein Ausbildungsziel ausgesucht oder werden dies noch tun. Wir werden alles tun, damit sie dieses Ziel auch erreichen.«

Er nahm eine Liste zur Hand. »Zunächst möchte ich Ihnen noch einmal ihre Betreuerinnen vorstellen.« Er bat die vier Damen bei der Nennung ihres Namens einmal aufzustehen. »Karin Michels, Daniela Bringel, Andrea Falk und Elke Helmar.«

Dann blickte er wieder auf seine Liste und fuhr fort. »Die Damen vom Gelben Team haben sie ja schon kennen gelernt.« Er lächelte in die Runde, dann nannte er die Namen der vier Mädchen. »Diese vier Damen sind für das Ausbildungsziel »Devot und gehorsam« angemeldet.« ’Mehrheitlich von ihren Eltern’, fügte er in Gedanken noch dazu.

»Das blaue Team besteht aus den drei Geschwistern Steinmüller sowie Jennifer Weber. Diese Vier wollen zu Ponymädchen ausgebildet werden.« Er blickte in vier leuchtende Augenpaar.

»Das dritte Ausbildungsziel ist die Bondagette, ein Mädchen, welches ihr ganzes Leben lang Fesseln trägt. Wir möchten Ihnen zeigen, wie sie trotz diverser Fesselungen und Einschränkungen ihren Alltag meistern können.« Er warf einen vorsichtigen Blick zu seiner Tochter. Tamara lächelte glücklich. Er lass die Teilnehmerinnen vor. »Birgit Solcher, Alexandra Zirbel, Tamara von Kollstein, Kirsten Michels und Petra Krannitz.« Wieder blickte er in erwartungsvolle Gesichter.

»Drei Damen haben sich noch nicht entschieden. Juliane Reger, Christine Buchser und Marianne Leisner.« Er suchte die drei Damen mit dem Blick. »Sie haben einen Monat Zeit, um sich für eines der drei Ziele zu entscheiden.«

Damit waren alle Mädchen vorgestellt und Herzog von Kollstein klappte seine Liste wieder zu. »Damit möchte ich an Frau von Taubach übergeben. Sie wird Ihnen über die Details zum Lehrgang Auskunft geben.«

Frau von Taubach trat neben den Herzog. Sie begrüßte die Damen ebenfalls noch einmal, dann gab sie einen Überblick über den Ablauf des Unterrichts. »Wir haben einen Stundenplan ausgearbeitet, der Ihren Tagesablauf regelt.« Sie hielt ein Blatt hoch und zeigte es. »Es wird am Vormittag jeweils zwei Theorie-Einheiten geben sowie am Nachmittag eine Einheit Praxis.«

Die Augen der zukünftigen Bondagetten leuchteten.

»Den ersten Monat wird der Unterricht für alle gleich sein, nur das gelbe Team bekommt Einzelunterricht. Danach beginnt dann die Spezialisierung.« Sie ließ den Stundenplan wieder sinken und zeigte einen anderen Plan. »Es werden auch regelmäßig Prüfungen stattfinden, sowohl schriftliche Arbeiten als auch praktische Prüfungen. Und natürlich wird das auch benotet.«

Ein leichtes Stöhnen war im Raum zu hören.

Frau von Taubach überhörte es. »Etwas ganz wichtiges wäre noch zu sagen. Drei mal kurz. Das ist das universelle Sicherheitswort. Wann immer irgendwie irgendwas nicht in Ordnung ist oder etwas zu anstrengend ist, scheuen Sie sich nicht, es zu benutzen.« Sie ahnte die Gedanken der Schülerinnen. »Ihr Ehrgeiz in allen Ehren, aber oberste Priorität hat ihre Gesundheit. Also seien Sie vor allem ehrlich zu sich selbst.«

Sie ging zur Wand und stellte sich dort neben den Ortsplan, der dort aufgehängt war. »Ich möchte Ihnen dann auch noch einmal die Besonderheiten unseres Ortes vorstellen. Wir unterscheiden grob zwischen drei Bereichen. Innerhalb der Klausur, also dem inneren Klosterbereich, können Sie sich ganz frei bewegen, egal ob sie gerade Fesseln tragen oder nicht.« Sie lächelte etwas über das Wortspiel.

»Innerhalb des ersten Mauerrings, also dem äußeren Klosterbereich kann ebenfalls jede Fesselung offen getragen werden, ausgenommen Sonntag Vormittag und Samstag Nachmittag, falls in der Kirche geheiratet wird. Ansonsten dürfen sie sich in dem Bereich ebenfalls frei bewegen.«

Sie zeigte auf der Karte die Mauerringe. »Außerhalb des Kloster sollten sie nur in Begleitung unterwegs sein. In den ersten zwei Monaten dürfen sie außerdem außerhalb des Klosterbereichs Fesseln nur mit Genehmigung tragen.«

Sie hängte eine Liste neben die Karte. »Ich habe Ihnen hier noch zusammengestellt, welche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung es gibt. Sie dürfen sich da frei entscheiden.«

Sie warf einen Blick in ihre Unterlagen. »Ach und noch etwas ist wichtig. Sie werden einen Monat Zeit haben, sich an das Tragen der Knebel zu gewöhnen. Dafür werden wir Ihnen genügend Gelegenheit bieten, das zu trainieren. Nach einem Monat wird das Tragen der Knebel fast ausnahmslos Pflicht sein. Nur zu den Mahlzeiten und in der Nacht sind sie von der Pflicht befreit.«

Ein Teil der Mädchen schaute sehr fasziniert, andere blickten wiederum sehr skeptisch.

»Wir werden einige Spezialprojekte veranstalten. Eines davon werden zum Beispiel die zwei Wochen als Ponymädchen sein. Wir werden Sie rechtzeitig darüber informieren.«

Sie blickte noch einmal in ihre Papiere. »Das sollte es erstmal von meiner Seite gewesen sein. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit hier im Kloster und hoffe, dass sie ihr Ausbildungsziel hier erreichen.«

Sie blickte auffordernd zu Herzog von Kollstein hinüber. Dieser stand auf und trat noch einmal vor die Mädchen. »Ich möchte Ihnen noch einmal für das spontane und sehr glaubwürdige Schauspielen danken.« Er ließ seinen Blick über die Damen wandern. »Und jetzt möchte ich zum Abendessen an das kalte Buffet bitten.«

* * *

Im großen Speisesaal war das Buffet an der Wand nach Süden hin aufgebaut. Karin hatte einen schnellen Blick darauf geworfen und sah, dass es fertig belegte kleine Brotscheiben und Häppchen bereitstellte. Sie hatte zwar auch Hunger, wollte sich aber gemäß ihrer Aufgabe zunächst um ihre vier Mädchen kümmern.

Tamara kam mit leuchtenden Augen auf sie zu und bat sie um einen Gefallen. »Ich würde gern in der Jacke bleiben. Könnten Sie mir bitte beim Buffet helfen?«

Karin war über den Wunsch der Herzogstochter zwar sehr erstaunt, aber sie half ihr gern. Sie nahm sich einen Teller und lud nach den Angaben von Tamara ein paar Sachen vom Buffet auf den Teller.

»Danke, das reicht schon.« Tamara streckte die Hand aus und Karin reichte ihr mit leichtem Zögern den Teller. Die Prinzessin spürte die nicht gestellte Frage. »Ich komme zurecht.«

Karin blieb skeptisch.

Tamara kam ihr etwas näher und sprach eine Spur leiser. »Ich esse so nicht zum ersten Mal.« Sie lächelte hintergründig. Dann ging sie zum Tisch.

Birgit und Alexandra standen auf einmal neben Karin. »Frau Michels, könnten Sie bitte etwas für uns ausknobeln?«

Karin blickte die beiden Monohandschuhträgerinnen etwas ratlos an. »Was soll ich?«

Birgit trat etwas näher an sie heran und sprach leiser. »Ich möchte gern mit Alex auslosen, wer von uns im Mono verbleiben darf.«

Jetzt hatte Karin verstanden. Sie nahm sich nach einem kurzen Blick über das Buffet einen der kleinen Steine von der Dekoration und kehrte dann den beiden Damen den Rücken zu. Sie tat den Stein in eine Hand und machte dann zwei Fäuste. Dann drehte sie sich zurück und hielt Birgit und Alexandra die beiden Hände hin.

Alexandra entschied sich für eine Hand, Birgit nahm die andere.

Karin öffnete langsam die beiden Hände. Birgit hatte gewonnen. Sie gab Alex einen Kuss. »Danke«

Alexandra seufzte ein kleines bisschen, dann wandte sie sich an Karin. »Bitte nehmen Sie mir den Handschuh ab?«

Karin kam der Bitte gern nach. Während sie dabei war, die Schulterriemen zu öffnen, trat Andrea auf Karin zu und wollte ihre Meinung hören. Kirsten hätte sie als Betreuerin gefragt, ob sie in der Jacke verbleiben könnte und ob sie ihr beim Essen helfen könne.

Karin half zunächst Alexandra aus dem Handschuh, dann warf sie einen Blick auf ihre Tochter, die ihre Zwangsjacke sichtlich genoss. Karin war verunsichert. Sie wollte jetzt nichts falsches tun. Doch dann wusste sie, was richtig war. Sie blickte Andrea an und bat sie, ihr zu folgen.

Sie ging zu ihrer Tochter und setzte sich neben ihr. Sie wusste schon, was sie machen wollte, sie suchte nur noch nach den richtigen Worten. Um etwas Zeit zu gewinnen, griff sie an den Riemen vorn am Bauch, in den ihre Tochter ihre Arme gesteckt hatte. Zu Kirstens Überraschung zog sie ihn ein Loch enger.

»Sie mag gern Käse«, Karin blickte Andrea an. »Wenn Sie es ihr klein schneiden und Sie dann füttern...«

Es war Kirsten deutlich anzusehen, wie sehr sie sich über die Worte ihrer Mutter freute.

Es fiel Karin sehr schwer, aber sie nahm ihre Tochter in den Arm und streichelte sie etwas.

Kirstens Arme zuckten in ihrem Gefängnis. Doch dann veränderte sich ihre Stimme. »Mama, Du wirst schon wieder gebraucht.«

Karin blickte verblüfft auf. Juliane stand vor ihr. Sie sah sehr verlegen aus. »Ich möchte auch etwas essen. Würden sie mir bitte die Arme frei machen?«

Karin stand langsam auf und trat auf Juliane zu. Sie öffnete ihr die Riemen, die ihre Arme an der Seite festhielten. Dann blickte sie sich noch einmal nach ihren Mädchen um.

Birgit und Alexandra hatten sich nebeneinander an den Tisch gesetzt. Vor ihnen stand ein gut gefüllter Teller. Birgits Augen leuchteten, als sie sich von ihrer Geliebten füttern ließ.

Neben ihnen saß die Herzogstochter. Auch sie strahlte einen gewissen Stolz aus, als sie trotz der strengen Jacke so nach und nach ihren Teller leerte. Sie spießte den jeweiligen Bissen mit einer Gabel auf und mit dieser Hilfe konnte sie ihren Mund erreichen. Karins Blick blieb ein paar Momente an ihr haften, denn obwohl die Jacke ihr eigentlich eine sehr demütigende Essweise zumutete, schaffte es Tamara, ihren verbliebenen Freiraum mit sehr viel Würde auszunutzen. Es war keinerlei Unsicherheit in ihren Handlungen zu sehen. Sie wusste genau wie viel Freiraum ihr die Jacke ließ und diesen nutze sie sehr gut aus.

Am Nebentisch saßen Kirsten und die anderen Mädchen ihres Team. Christine hatte sich auch befreien lassen. Sie sah mit sehr viel Leuchten in den Augen, wie Andrea zwischen Kirsten und Petra saß und beide fast wie selbstverständlich fütterte. Gelegentlich suchte Kirsten den Blick zu ihrer Mutter. Sie lächelten sich zu.

Marianne hatte sich nur wenig auf ihren Teller geladen. Es war ihrem Blick anzusehen, dass sie von den vielen freiwillig getragenen Fesseln sehr irritiert war. Sie selbst hatte Andrea gebeten, von den Fesseln befreit zu werden.

Karin selbst hatte nicht so viel Hunger. Sie nahm sich selbst nur ein paar Häppchen aus Höflichkeit und setzte sich dann an den Tisch, an dem ihre Mädchen saßen.

Karin steckte sich nur gelegentlich einen der wenigen Bissen in den Mund. Viel interessanter fand sie es, ihren Mädchen zuzusehen, die sich teilweise mit Leuchten in den Augen von ihren Fesseln oder ihrer Kleidung die Freiheit nehmen ließen und dies auch noch zu genießen schienen. Besonders Tamara beeindruckte sie. Ihre Jacke hielt ihre Oberarme zwar an ihrer Seite fest, aber gleichzeitig hatte sie mit dem Unterarm noch genügend Freiheit, um die Sachen von ihrem Teller mit der Gabel aufzuspießen und sie so in ihren Mund zu führen. Dabei machte sie aber keineswegs einen gedemütigten Eindruck, wie Karin eigentlich vermutet hatte, sondern sie war eher stolz auf ihr außergewöhnliches Können, mit den Einschränkungen, die ihre Jacke auferlegte, so elegant umzugehen.

Auch Birgit war faszinierend. Karin erinnerte sich an die kleine Knobelei vor hin und sie fragte sich schon, ob Birgit die Knobelei verloren oder gewonnen hatte. Sie war im Handschuh verblieben und genoss es sichtlich, von Alexandra gefüttert werden. Trinken konnte sie selbst, denn an jedem Gedeck lagen auch Strohhalme bereit.

Nur Juliane war keinen Einschränkungen unterworfen und Karin hatte den leisen Verdacht, dass sie etwas neidisch war. Allerdings ließ sie sich so nichts anmerken, sondern genoss die Häppchen vom Buffet.

Gelegentlich schaute Karin hinüber an den Tisch, an dem Kirsten saß. Sie sah, wie Andrea ihre Tochter im Arm hielt und ihr so ähnlich wie Alexandra die Bissen nach und nach in den Mund steckte. Kirstens Augen leuchteten voller Glück und Karin war sehr erleichtert, das Kirsten ihre Trauer so gut beiseite geschoben hatte.

So nach und nach waren die Mädchen fertig mit dem Essen und es setzen wieder mehr oder weniger leise Gespräche ein. Natürlich war das Schauspielern das Hauptthema, aber auch die Erwartungen an das Kommende wurden besprochen.

Nur Marianne saß fast apathisch vor ihrem spärlich gefüllten Teller. Sie hatte sich nur wenig aufgetan und selbst davon hatte sie noch nichts gegessen. Ihr Blick wechselte zwischen Traurigkeit, Ängstlichkeit sowie Unverständnis. Karin fragte sich, was sie wohl bewegte. Auf jeden Fall hatte sie mir der Begeisterung der anderen Mädchen für die Fesselungen und Einschränkungen so ihre Probleme.



»Kinder, ich freue mich auf die erste Nacht.« Alexandras Stimme strahlte sehr viel Begeisterung aus. Birgit äußerten ebenfalls ihre Vorfreude. Nur Karin und Juliane blickten etwas ratlos. Doch dann erinnerte Karin sich an die seltsamen Bettlaken mit den Manschetten zum Festschnallen. Sie traute sich nicht zu fragen, doch die drei Mädchen waren sensibel genug, um ihre Gedanken zu erkennen.

»Machen Sie sich keine Sorgen, wir sind das gewöhnt.« Alexandras Stimme strahlte. »Und die Nachtwache passt ja auf.«

Tamara deutete an, dass sie sich auch schon sehr auf die Nacht freute. Nur Julia blickte etwas ratlos. Sie wusste anscheinend nicht, was auf sie zukommen würde.

»Du wirst ruhig schlafen.« grinste Birgit.

Juliane nahm den Trost entgegen, der in den Worten enthalten war, aber trotzdem wusste sie nicht, was in der Nacht auf sie zukommen würde.

Auch Karin hatte mit dem Gedanken, in der Nacht fixiert zu sein, so ihre Probleme. Sie fühlte eine gewisse Verbundenheit mit Juliane, die in dieser Hinsicht einen sehr unerfahrenen Eindruck machte.

* * *

Nach dem Essen stand Frau von Taubach auf und bat um Gehör. Nachdem Stille eingekehrt war, gab sie die Details zum Abendprogramm bekannt. »Wer müde ist, kann gern sofort ins Bett gehen. Bitte beachten Sie aber, dass sie schon zu Lehrgangsbedingungen übernachten werden.«

Sie blickte in teilweise etwas ratlose Gesichter. »Damit ist gemeint, dass sie schon diese Nacht in ihrem Bett fixiert werden.« Sie ließ ihren Blick über die Mädchen schweifen. »Frau Bringel wird die Bandscheune für die Ponyausbildung inspizieren. Wer möchte, kann sich ihr anschließen.«

»Weiterhin besteht die Möglichkeit für einen Spaziergang im Klosterbereich oder sie können auch in Freizeitraum gehen. Dort stehen einigen Möglichkeiten zur Verfügung, den Abend ausklingen zu lassen. Bitte teilen Sie Ihrer Betreuerin ihre Wünsche mit.«

Sie nahm wieder Platz. Sofort setzte wieder die Unterhaltung zwischen den Mädchen ein.

Karin drehte sich zu ihren Mädchen und fragte nach ihren Wünschen. Sie wollten auf bleiben und mit in den Freizeitraum gehen. Nur Tamara wollte gleich ins Bett.

Die anderen Mädchen am Tisch waren verwundert. Besonders Alexandra war über ihre Cousine verwundert. »Was ist los, Du gehst doch sonst nie so früh ins Bett?«

Tamara lächelte hintergründig. »Ich habe letzte Nacht nur sehr wenig geschlafen.« Sie warf Karin einen Blick zu.

Karin lächelte wissend zurück.

* * *

Herzog von Kollstein war aufgestanden und bat die Mädchen noch einmal um Ruhe. »Ich möchte mich dann bis demnächst verabschieden. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit und eine spannende erste Nacht. Sie wissen doch: Das, was Sie in der ersten Nacht träumen, geht in Erfüllung.« Er verbeugte sich leicht und verließ dann den Raum. Frau von Taubach begleitete ihn.

Tamara stand auf und blickte Karin auffordernd an. Diese wusste im ersten Moment nicht, was gemeint war. Doch die Prinzessin war geduldig. »Sie müssen mich ins Bett bringen.«

Karin entschuldigte sich. »Für mich ist das noch neu. Ich muss erst lernen, was alles meine Aufgaben sind.« Dann stand sie ebenfalls auf.

»Für mich ist das ja auch ganz neu.« Tamara wollte ihr helfen. »Aber ich freue mich schon darauf, von jetzt ab nur noch so zu schlafen.«

Karin musste nur kurz überlegen, was mit ‚so’ gemeint war. Sie würde die Herzogstochter genauso wie vorhin ihre Tochter auf das Bett fesseln müssen. Innerlich seufzte sie.



Sie gingen schweigend durch die Gänge zum Treppenhaus und stiegen empor. Aus dem Zimmer des gelben Teams war jetzt kein Laut mehr zu hören. Die Damen waren vermutlich eingeschlafen.

Karin öffnete die Tür des Zimmers und ließ Tamara eintreten, dann folgte sie ihr in den Raum. Sie spürte ein wenig Unruhe und Zweifel. Würde sich die Herzogstochter, die sie bisher als sehr selbstbewusst kennen gelernt hatte, sich wirklich von ihr an Bett fesseln und damit ihrer Freiheit berauben lassen?

Doch Tamara blieb stehen und drehte sich zu Karin um. »Es ist schön, dass es jetzt endlich los geht. Ich habe mich schon so sehr darauf gefreut.« Sie blickte Karin erwartungsvoll an.

Doch Karin begriff nicht, was die Prinzessin jetzt von ihr erwartete. Sie schaute ihr Gegenüber fragend an.

Tamara lächelte. »Sie müssten mich jetzt wieder aus der Jacke heraus lassen.«

Karin erwiderte das Lächeln verlegen. Dann beugte sie sich leicht vor und öffnete den Reißverschluss der Jacke, die Tamara auf recht geheimnisvolle Weise ein Teil ihrer Freiheit genommen hatte. Tamara half mit, die Jacke nach unten zu ziehen, so dass sie ihre Arme aus den Ärmeln nehmen konnte. Dann reichte sie Karin die Jacke.

Karin nahm die Jacke entgegen und legte sie über ihren Arm. Sie wusste nicht, was sie als nächstes zu tun hatte und wartete auf ein Zeichen von Tamara.

Doch Tamara handelte selbstständig. Sie nahm sich ihren Kulturbeutel und ihr Nachthemd aus dem Schrank und verließ das Zimmer.

Karin blickte ihr verblüfft hinterher. Ob es richtig war, dass sie Tamara befreit hatte? Karin war sich über ihre Aufgaben immer noch sehr unsicher.

Sie blickte sich im Zimmer um und ging dann zielstrebig zum Bett der Prinzessin. Sie schlug die Bettdecke auf und nahm sich das Kissen zur Hand, um es noch etwas aufzuschütteln. Unbewusst versuchte sie sich zu beschäftigen, um nicht ins Grübeln zu kommen. Sie ließ ihren Blick über die Matratze gleiten. Da waren die fünf Stoffmanschetten, die Tamara sogleich ans Bett fixieren würden.

Karin zwang sich, dies als einen Teil ihrer neuen Aufgabe zu nehmen. Sie setzte sich auf das Bett und blickte nachdenklich auf die Stoffriemen. Ihre Hände befassten sich mit damit und eher unbewusst öffnete sie die Riemen.

Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten. Zwischen den beiden Fenstern hing an der Wand eine Zeichnung, die eine Ansicht von Klosterkirche zeigte.

Karin stand auf und ging zum Fenster. Dieses ging in den Innenhof und erlaubte einen sehr schönen Blick in den Kreuzgang. In Gedanken sah sie die Nonnen, wie sie wohl früher hier im Kreuzgang gebetet hatten. Sie kam ins Grübeln. Oder war es vielleicht ein Männerkloster gewesen. Sie wusste es nicht.



Tamara war leise ins Zimmer zurückgekehrt. Sie sah Karin am Fenster stehen und grübeln. Sie ging zu ihr und blickte ebenfalls aus dem Fenster. »Machen Sie sich wegen Kirsten nicht so viel Gedanken. Sie mag es sehr und der Schmerz wird vergehen. Lassen Sie Kirsten ihren Weg finden.«

Die sehr klug anmutenden Worte von Tamara ließen bei Karin alle Dämme brechen. Sie begann hemmungslos zu weinen. Es hatte sich so viel aufgestaut.

Tamara brachte sehr viel Verständnis für ihre Betreuerin auf. Sie nahm sie bei der Hand und zog sie zu ihrem Bett. Sie setzen sich nebeneinander.

»Ich hatte sie schon verloren geglaubt.« Karin beschrieb immer noch unter Tränen, wie ihre Tochter die wesentlich ältere Frau kennen lernte und wie sie ihr immer stärker hörig wurde.

Tröstend streichelte Tamara ihre Hand. »Das war keine Liebe.«

Karin schluchzte.

Tamara hielt ihre Hand und versuchte ihr Trost zu geben. Heute morgen hatte sie bei der Lehrerin ihr Herz über die Freundin ihres Vaters ausgeschüttet, dann war es nur gerecht, wenn sie ihr jetzt auch zuhörte. So konnten sie sich gegenseitig Trost und Kraft geben.

Tamara spürte, dass es Karin gut tat, als sie jetzt von den Sorgen um ihre Tochter erzählen konnte. Auf der anderen Seite konnte sie sie auch beruhigen, hier im Kloster würden Kirsten nichts mehr zustoßen können.

Das Wort ‚Kloster’ war es, welches Karin in die Gegenwart zurück rief. »Ich glaube, ich muss Sie dann noch ins Bett bringen.« Sie stand auf.

Tamara lächelte. »Ja, darauf freue ich mich schon die ganze Zeit.« Sie hob ihre Beine hoch und drehte ihren Körper auf das Bett. Ihre Augen leuchteten erwartungsvoll.

Karins Hand zitterte, als sich dem ersten der fünf Verschlüsse näherten.

Tamara war sensibel genug, dies wahr zu nehmen. Sie versuchte ihre Betreuerin zu beruhigen. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin es gewohnt, fixiert zu schlafen.« Sie lächelte geheimnisvoll. »Ich hatte bloß in der letzten Zeit wenig Gelegenheit dazu.«

Karin öffnete den Klettverschluss und Tamara legte ihr Bein zwischen die beiden Stoffriemen.

Karin schloss die beiden Riemen und blickte Tamara dabei fragend an.

Tamara ahnte die Frage. »Oh, bitte ruhig etwas fester zuziehen.«

Karin öffnete den Verschluss noch einmal und versuchte dem Wunsch der Prinzessin nachzukommen.

»Ja, so ist es gut.« Die Prinzessin hatte die Augen geschlossen und schien das neue Gefühl zu genießen.

Dermaßen ermutigt schloss Karin auch die zweite Klettverschluss, nachdem Tamara dort ihr zweites Bein hinein gelegt hatte.

Dann stütze sich die Prinzessin mit den Händen ab und hob ihren Bauch hoch.

Karin griff zu den sehr breiten Bauchriemen und schloss diese ebenfalls. Obwohl sie die Antwort eigentlich wusste, fragte sie. »Wird Kirsten auch so übernachten?«

Tamaras Stimme war etwas leiser. »Bis auf wenige Ausnahmen werden wir jede Nacht so schlafen.«

Karins besorgter Blick lies sie weiter sprechen. »Man gewöhnt sich schnell daran.« Sie streichelte noch einmal beruhigend über Karins Hand, dann legte sie ihre beiden Hände demonstrativ neben die beiden Klettriemen.

Kaum hatte Karin die Riemen geöffnet, als Tamara auch schon ihre Arme dazwischen legte und sich so von ihrer Betreuerin die letzte Freiheit nehmen ließ.

Obwohl Karin die Herzogstochter bis gestern noch überhaupt nicht kannte, fühlte sie jetzt doch eine große innere Verbundenheit zu ihr. So beugte sie sich zu ihr herunter und wünschte ihr eine ‚Gute Nacht’ und bedankte sich fürs Zuhören. Dann küsste sie Tamara auf ihre Wange.

Tamara ihrerseits hob ihren Kopf soweit an wie es ihr noch möglich war und küsste sie ihrerseits auf die Wange. »Es wird eine schöne Zeit.«

Karin freute sich sehr über das Vertrauen der Prinzessin. Sie stand auf und deckte sie sie mit der Decke zu, dann ging langsam zur Tür. Sie blickte noch einmal zum Bett und wünschte Tamara eine Gute Nacht.

Tamara ihrerseits bedankte sich und erwiderte den Gruß. Sie winkte mit der Hand, soweit die Fesselung u nd die Bettdecke dies zuließen.

Karin trat aus dem Zimmer und schloss die Tür.

* * *

Karin betrat den Freizeitraum und blickte sich um. Vier Mädchen waren im Zimmer und schauten sich einen Film an. Auf dem Sofa saßen Birgit und Alexandra und zwischen ihnen saß ihre Tochter. Sie trug immer noch die Zwangsjacke und machte einen im Moment sehr glücklichen Eindruck.

Birgit und Alexandra trugen beide wieder ihre Monohandschuhe, zumindest ließen die gekreuzten Riemen über der Brust dies vermuten. Juliane saß im Sessel und blickte ebenfalls zum Fernseher.

Die leuchtenden Augen der Vier zeigten Karin, dass sie mit dem Film mit fieberten und im Moment ihre Umwelt verdrängt hatten.

Es freute Karin, dass Kirsten zwischen dem Liebespaar sitzen durfte. Es gab Kirsten sichtlich Trost.

Karin setzte sich zu ihnen in den noch freien Sessel und blickte ebenfalls zum Fernseher. Es lief ein Film aus der »Mantel-und-Degen-Zeit«. Eine Frau hatte sich in Männerkleidern unter die Musketiere des Königs gemischt und musste jetzt verschiedene Abenteuer bestehen und um ihre Liebe zum Hauptmann kämpfen.



Nach einiger Zeit betrat Frau von Taubach den Raum und bat Karin auf den Flur zu einem kurzen Gespräch.

»Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, wie der Abend noch ablaufen wird.« Sie berichtete kurz, was die anderen Mädchen machten. Petra, Christine und Marianne hatten sich von Andrea ins Bett bringen lassen. Die vier Ponymädchen, so erfuhr Karin, zeigten Daniela die Bandscheune und die dort vorhandenen Möglichkeiten zur Ponyausbildung.

»Wenn Sie ihre drei Mädchen zu Bett gebracht haben, dann kommen sie bitte noch einmal in mein Büro, wir wollen noch eine kleine Nachbesprechung abhalten. Danach dürfen sie sich in ihr Zimmer zurück ziehen.«

Karin versprach es. Dann ging sie wieder in den Raum und setzte sich zu den anderen, um weiter mit der Heldin mitzufiebern. Nur gelegentlich warf sie einen Blick auf ihre Tochter, die sich von dem Film auch ablenken ließ. Die in der Zwangsjacke gefangenen Arme zuckten oft. Karin fragte sich, was wohl in ihr vorgehen mochte.

* * *

»Wir werden jeden Abend eine kurze Abschlussbesprechung abhalten.« begrüßte Frau von Taubach die vier Betreuerinnen in ihrem Büro. »Ich möchte, dass wir bei diesem Termin noch einmal kurz den Tag durchgehen und wichtige Ereignisse besprechen. Weiterhin möchte ich jeweils einen Ausblick auf den nächsten Tag geben.«

Sie nahm sich ein Blatt Papier zur Hand und warf einen Blick darauf. »Heute sind wir alle gut und fast problemlos zusammengekommen, so dass der Lehrgang so wie vom Herzog gewünscht beginnen konnte.« Sie hob ihren Kopf. »Gäbe es etwas zu erwähnen?« Sie blickte Karin an. »Ihre Tochter einmal ausgenommen.«

Karin dachte noch einmal über den Tag nach, doch ihr fiel nichts erwähnenswertes ein.

»Ich möchte Sie bitten, für jeden Abend eine kleine Zusammenfassung aus ihrer Sicht vorzutragen. Elke, fängst Du bitte an.«

Elke berichtete sehr routiniert von ihrem Tag, wie sie Jenni und Kirsten abgeholt hatten und wie sie sich danach um ihr Team gekümmert hatte.

»Wie ist denn unser kleines Theaterstück bei den Damen angekommen?« Die Direktorin sprach das Thema an, welches Karin trotz all ihrer Sorgen auch sehr interessierte.

Elke musste hintergründig lächeln. »Nun, die Zwillinge waren danach sehr sehr kleinlaut, ich glaube, die sind schon weich gekocht.«

»Was macht unsere »Kettensklavin« Sabrina?« fragte Frau von Taubach nach einem Blick auf ihre Liste.

Elke lachte. »Sie macht jetzt schon einen sehr unglücklichen Eindruck, beklagt sich aber nicht. Ob sie wirklich bis Mittwoch durchhalten wird, bezweifele ich.«

Frau von Taubach grinste. »Na, dann wirkt es ja wie gewünscht.« Sie fragte nach Sophie.

»Das Mädchen macht mir Sorgen.« Elkes Blick wurde nachdenklich. »Sie zeigt sich total unbeeindruckt und ist immer noch sehr rebellisch.«

Frau von Taubach nahm es zur Kenntnis. »Warten wir es ab.«

Sie blickte Karin an, die neben Elke saß.

Karin musste erst einmal schlucken, bevor sie sprechen konnte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles richtig gemacht habe. Ich musste ständig an Kirsten denken.«

Frau von Taubach konnte sie beruhigen. »Tamara passt schon auf, dass sie alles richtig machen. Sie haben das leichteste Team.«

Karin überlegte, was es zu erwähnen gäbe. »Tamara wollte früh ins Bett, sonst wüsste ich nichts wichtiges.«

Insgeheim war Karin über ihre vier Mädchen sehr froh, denn sie waren sehr geduldig und hilfsbereit, wenn sie als Betreuerin mit manchen der so seltsamen Fesselsachen nicht sofort zurecht kam.

Sie musste an das zu Bett bringen der drei Mädchen denken, welches sie eben hinter sich gebracht hatte. Birgit und Alexandra hatten sich nicht nur selber bis auf die Hände festgeschnallt, sie hatten ihr sogar vorher noch geholfen, Juliane an die Fesseln zu gewöhnen, in dem sie ihr beschrieben hatten, wie sie selbst schon oft in Fesseln geschlafen haben.

Karin war sehr erleichtert gewesen, denn vor diesem Augenblick hatte sie sich fast gefürchtet. Doch die beruhigenden Worte von dem Paar hatten es geschafft, dass Juliane sich zwar immer noch etwas skeptisch war, sich dann aber festschnallen ließ.

»Frau Michels?« Die Stimme ihrer Chefin riss Karin aus ihren Gedanken.

Karin musste sich entschuldigen. »Ich war gerade etwas in Gedanken.«

Frau von Taubach wiederholte ihre Anmerkung. »Ich möchte sie bitten, dienstliches und privates zu trennen. Deswegen möchte ich auch nicht, das Kirsten das Team wechselt. Tagsüber haben sie einen Job und den machen sie bitte. Was sie in den freien Stunden machen und mit wem, das ist ihre Sache.«

Karin war mit dieser Regelung sehr zufrieden. Sie wollte auf jeden Fall einen guten Job machen.

»Sie haben an Kirsten gedacht?« vermutete Andrea.

Karin lächelte etwas verschämt.

»Sie hat gefragt, ob sie noch einmal zu ihr ans Bett kommen könnten.«

Karin blickte ihre Chefin fragend an.

Diese blickte sie wohlwollend an. »Sie sollten hingehen.« Dann wandte sie sich an ihre Nachbarin.

Daniela durfte von ihrem Team berichten. »Die Mädchen sind sehr ungestüm. Am liebsten wären sie vorhin schon in die Ponysachen geschlüpft.« Sie berichtete von der Besichtigung der Scheune und dass sich diese sehr gut für die Ausbildung zu Ponys eignen würde.

Karin fragte sich, was »Ausbildung zu Ponys« genau bedeuten würde, doch sie traute sich nicht zu fragen.

Andrea berichtete von ihren Mädchen. Alle Mädchen hatten so ihre Probleme, aber erwähnenswert wäre nichts.

Frau von Taubach nahm eine weitere Liste zur Hand. »Ich möchte Ihnen dann noch einen Ausblick geben auf den morgigen Tag. Die Damen werden damit beginnen, sich einen Knebel selbst anzufertigen. Dann werden sie ihr Tageskleid schneidern.« Sie zeigte kurz eine Zeichnung, die ein wadenlanges und sichtlich enges Kleid zeigte. »Ab Mittwoch werden wir dann auch mit dem Theorieunterricht beginnen.«

Sie griff zu einem weiteren Papierstapel »Noch etwas zum Tagesablauf.« Sie gab jeder Betreuerin einen der Zettel. »Dies ist der von uns geplante Ablauf. Ich möchte Sie bitten, die eingeplanten Zeiten zu überprüfen, ob sie einigermaßen passen oder ob wir da noch etwas hin- und herschieben müssen.«

Karin nahm sich die Listen und warf einen Blick darauf. Sie war erstaunt, denn der ganze Tag war minutiös durchgeplant.

»Ich möchte sie auch bitten, alle Anordnungen zu hinterfragen und eventuell davon abzuweichen, wenn sie das für richtig halten.« Ihre Stimme hatte in diesem Moment etwas wichtiges. »Darüber werden wir dann hauptsächlich am Abend sprechen. Wir machen so etwas zum ersten Mal, deswegen ist es noch sehr unsicher, ob das alles so machbar ist, wie es ausgedacht wurde.«

* * *

Karin machte leise die Tür zum Schlafraum auf, in dem sie ihre Tochter wusste. Vorsichtig trat sie ein und blickte sich um. Die drei anderen Mädchen schliefen schon, nur Kirsten hatte ihren Kopf zur Tür gedreht. Sie lächelte.

Es tat Karin immer noch etwas weh, ihre Tochter jetzt auf dem Bett festgeschnallt zu wissen. Doch dann machte sie sich klar, dass das Festschnallen hier zum Programm gehörte, dem sich die Mädchen freiwillig unterordneten oder sich teilweise sogar nach den Fesseln sehnten.

Sie bemühte sich, ein freundliches Gesicht zu machen, als sie zum Bett ihrer Tochter schritt und sich neben sie setzte. Sie kannte diesen Blick ihrer Tochter, mit dem sie sie jetzt empfing. So sah sie immer aus, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte.

Karin strich ihr etwas die Haare aus dem Gesicht. Doch dabei fiel ihr Blick auf den metallenen Mundverschluss, den die Ärztin ihrer Tochter angetan hatte. Es gab ihr wieder einen großen Stich ins Herz.

Kirsten musste schlucken und sich räuspern. Dann kam ihre Stimme ganz leise. »Mama, du hattest Recht. Ich war so dumm.«

»Ich habe Dir schon lange verziehen.« Karin legte ihrer Tochter symbolisch einen Finger auf den Mund. »Aber was soll jetzt damit werden?« Es tat Karin in der Seele weh, aber sie musste sich jetzt Kirstens Mundverschluss stellen. Ihre Stimme ließ sehr viel Wehmut mitklingen.

Doch Kirstens Antwort machte ihr wenig Hoffnung auf Änderung. »Ich finde ich es ganz toll.« Ihre Stimme lies sehr viel Stolz mitklingen. »Andrea hat den Schlüssel.« Ihre Augen leuchteten dabei.

Karin seufzte innerlich. Ihre Tochter liebte es anscheinend sehr, die Kontrolle abzugeben zu können.

»Sie hat mir versprochen, dass sie mir morgen Nacht den Kiefer verschließt.« Bei diesen Worten strahlten ihre Augen. »Ich freue mich schon.«

Karin musste bei diesen Worten heftig schlucken. Es tat ihr immer noch in der Seele weh und sie konnte sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, dass ihr Tochter darauf gewartet hatte und sich jetzt über diese ihre ‚Folter’ freuen würde. Sie war zwar innerlich entsetzt über dieses große Maß an Unterwürfigkeit, aber so langsam begann sie damit, es zu akzeptieren.

Es kostete sie große Überwindung, doch sie hörte sich sagen, dass Kirsten ihr den Verschluss Morgen einmal vorführen sollte.

Kirsten machte in diesem Moment einen sehr glücklichen Eindruck. Die böse Ärztin und ihre Freundin waren zumindest für den Moment vergessen. »Weißt Du noch, früher, wo Du immer sagtest, ich könne meinen Mund nicht halten.« Sie strahlte. »Jetzt kann ich es.«

Karin zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, doch innerlich seufzte sie.


Hier ist noch ein Bild von Kirstens Mundverschluss