Glenview

1 2 3 4 5 6 7

Glenview – Unerwartete Eröffnung

Autor: Dominikus Curator

Eine Woche später strotze Glenview vor Sauberkeit. Alle Möbel waren an ihrem Platz und alles wartete nur noch auf die Ankunft von Craig McDermotts Bibliothek, seiner Unterlagen und seiner Sammlungen.

Diese trafen eine Woche später ein und Craig verbrachte die folgenden Wochen damit alles zu sortieren und einzuräumen.

Als er das letzte Buch einsortiert und das letzte antike Stück an seinen Platz gelegt hatte, beschloss er sich einen gemütlichen Abend zu gönnen. Er setzte sich in seinen Defender und fuhr in den Ort. Ein schöner rauchiger Pub und ein Bier vom Faß zogen ihn nach all den Wochen voller Arbeit magisch an.

Er parkte direkt vor dem Pub, ging hinein, bestellte ein Pint Bitter und setzte sich, weil er niemanden hier kannte, im kleinen Nebenraum an einen kleinen Tisch am brennenden Kamin. Der Herbst war schon ins Land gekommen und nachts wurde es schon empfindlich kalt. In der wohltuenden Wärme räkelte er sich in den Sessel und trank den ersten Schluck seines Bieres. Erst jetzt bemerkte er dass er in dem nur vom Kaninfeuer beleuchteten Raum nicht allein war. In der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers saß eine junge Frau. Er schätzte sie auf maximal 25 Jahre. Sie hatte ein hübsches sehr kindliches Gesicht, lange, glatte, dunkle Haare, und dunkle Augen. Sie trug einen Pullover der ihr offensichtlich zu groß war und Jeans. So konnte er von ihrer Figur nur wenig erahnen, sie wirkte aber eher zierlich. Ihre Größe schätze er auf ca. 160 cm. Zwei Dinge fielen ihm an ihr auf, erstens saß sie sehr steif und sehr aufrecht da, Rücken durchgestreckt, Kopf leicht erhoben, als ob eine unsichtbare Kraft sie in dieser Haltung fixiert hätte und zweitens hatte sie ihren Mund so geöffnet, als ob sie keine Kraft hätte, ihn zu schließen.

»Guten Abend Miss«, sagte er, »wirklich ein wundervoller Abend um vor dem Kamin zu sitzen und sich zu entspannen.«

»Guten Abend«, antwortete sie sehr leise und sehr schüchtern wirkend.

In diesem Moment kam die Wirtin ins Zimmer gepoltert, eine große derbe Frau von etwa 50 Jahren mit großem Busen und mindestens 100 Kilo Gewicht.

»Sie sind ja immer noch hier«, zischte sie.

»Nein, sie verwechseln da etwas, ich bin gerade erst gekommen«, antwortete Craig McDermott freundlich.

»Oh nein Sir, sie meine ich nicht, ich spreche mit dieser Streunerin hier. Vor zwei Stunden ist sie hier angekommen und hatte nur das Geld für eine Tasse Tee. Ich habe ihr gesagt, sie kann sich aufwärmen, muss dann aber verschwinden. Ich bin ja schließlich kein Obdachlosenasyl.«

Das Mädchen sank in seiner Ecke zusammen.

»Lassen sie es gut sein, Madam, ich habe heute meinen spendablen Tag. Setzen sie alles, was sie will, auf meine Rechnung und wenn sie will, auch ein Zimmer für die Nacht.«

»Oh, und sie sind ...?« fragte die Wirtin mit gereiztem Unterton.

Doch Craig ließ sich davon nicht beeindrucken und antwortet in seinem freundlichsten Ton, »Erlauben sie mir dass ich mich vorstelle, mein Name ist Craig McDermott, ich bin erst vor einigen Wochen hier in die Gegend gezogen.«

»Oh, der berühmte Schriftsteller,« die Wirtin zerfloss fast vor Demut, »Mr. Russell hat uns schon von ihnen erzählt – aber natürlich Sir alles was sie wünschen.« Sprach sie und schob ihre Massen rückwärts zur Tür hinaus.

»Danke Sir,« sagte leise das Mädchen, »aber das war nicht nötig, ich muss jetzt weiter.« Sie erhob sich aus dem Sessel nahm einen Rucksack auf, der neben ihr auf dem Boden gestanden hatte und ging in Richtung Tür.

»Kann ich sie irgendwohin mitnehmen,« fragte Craig, aber sie antwortete nur leise »Nein, danke Sir, es ist nicht weit«, und huschte durch die Tür.

Craig blieb noch lange im Pub sitzen und dachte über das seltsame Mädchen nach. Nach einer Weile kam die Wirtin wieder und bat ihn doch nach vorne an die Bar zu kommen, damit er die Menschen des Ortes besser kennen lernen solle. Er machte den Fehler und nahm das Angebot an. Er unterhielt sich mit Farmern, Geschäftsleuten und dem Bürgermeister, rauchte wie ein Schlot und trank mehr als im bekam.

Am nächsten morgen fand er sich in einem Gästezimmer des Pubs wieder. Er hatte einen furchtbaren Kater und wollte nur noch nach Hause.

Auf seinem Nachttisch fand er die Rechnung für die letzte Nacht. Er legte den geforderten Betrag samt Trinkgeld dazu und schlich sich aus dem Haus. Er trat an die kühle Morgenluft und diese wirkte wohltuend auf seinen Kopf. Er blickte auf seine Uhr, 05.30 Uhr. Er stieg in seinen Wagen und machte sich auf den Weg nach Hause. Das Tor zu seinem Grundstück stand offen, natürlich, er wollte ja gestern Abend noch zurückkommen. Er fuhr durch das Tor und schloss hinter sich ab – heute konnte er keine Besucher ertragen.

Er fuhr die Einfahrt hinauf und parkte vor dem Haus. Er stieg aus und knallte die Tür des Geländewagens hinter sich zu, da hörte er einen erstickten Schrei. Im Portal seines Hauses sah er eine Gestalt, die anscheinend durch den Knall der Türe aufgeschreckt worden war, anscheinend hatte sie hier genächtigt. Im nächsten Augenblick erkannte er das Mädchen aus dem Pub. Sie ergriff die Flucht und versuchte ihre Sachen an sich zu reißen. Sie rannte so schnell sie konnte Richtung Tor, wobei sie ihre Schlafdecke, die sie nur an sich gekrallt hatte, verlor.

Craig brüllte ihr nach: »Bleiben sie stehen, kommen sie zurück, das Tor ist zu – sie kommen hier nicht mehr raus.«

Als sie dies hörte blieb sie stehen, drehte sich um und kam langsam auf ihn zu. Sie hob ihre Decke vom Boden auf und umklammerte sie. Sie kam näher und blieb dann zwei Meter vor ihm stehen.

»Darf ich Sie zum Frühstück einladen«, fragte Craig.

Das hatte sie nicht erwartet, sie wusste nicht was sie sagen sollte. »Also kommen sie, gehen wir hinein.« Er nahm sie sanft am Arm und führte sie ins Haus.

Er öffnete die Tür, und führte sie durch die Halle in die Küche. Er setzte sie an den großen alten Gesindetisch, und machte ein Feuer im Ofen. Er bereitete Tee, röstete Toast, und schlug ein paar Eier in die Pfanne. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Als er fertig war brachte er alles an den Tisch und setzte sich ihr gegenüber auf die Bank.

Ohne ein Wort zu sprechen fing sie an zu essen und sie frühstückten wortlos gemeinsam. Nachdem sie geendet hatten räumte er ab und führte sie in die Bibliothek. Er setze sie in einen der großen Sessel am Kamin und zündete das Feuer an.

Dann setzte er sich zu ihr und sagte im freundlichsten Ton: »Falls sie es noch nicht mitbekommen haben sollten, mein Name ist Craig McDermott, ich bin der neue Besitzer von Glenview. Und wer sind sie?«

Leise kam die Antwort zwischen ihren Lippen hervor. »Mein Name ist Jennifer Adams, meinem Vater gehörte dieses Anwesen hier. Dieses Haus war zehn Jahre lang mein Heim und mein Gefängnis. Zehn Jahre war ich hier eingesperrt und erst durch den Skandal letztes Jahr kam ich mit den anderen frei.«

»Und was wollen sie hier?« fragte Craig verblüfft ob dieser Eröffnung.

»Ich will nicht mehr frei sein,« antwortete sie leise, den Blick dabei zu Boden gesenkt.