Glenview

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Glenview – In der Gegenwart

Autor: Karl Kollar

Craig wurde es langsam zuviel. Nicht daß er für Fesselungen nichts über gehabt hätte, doch es erinnerte ihn alles an seine verstorbene Frau und so bat er Jennifer, eine Pause zu machen. Denn wenn sie noch weiter geredet hätte, dann wäre er vielleicht in Versuchung gekommen, seiner alten Leidenschaft nachzugeben, die er in den letzten Jahren so gut unter Kontrolle hatte.

Jennifer blickte ihn ziemlich verständnislos an, gern hätte sie noch erzählt, wie sie zu dem perfekten Knebel gekommen war und das sie lange Zeit in einem Keuschheitsgürtel eingeschlossen war. Doch jetzt schwieg sie lieber.

Craig bemühte sich sehr, wieder in die Gegenwart zu blicken. »Und Sie meinen, ich lasse Sie hier wohnen?« Eigentlich wollte er seine Ruhe haben.

Sie blickte ihn mit traurigen Augen an. »Bitte schicken Sie mich nicht weg. Ich mache Ihnen auch bestimmt keine Mühen. Ich weiß doch sonst nicht, wo ich hin soll.«

Doch so etwas wollte Craig nicht hören. Er wollte hier eigentlich keine Gesellschaft haben, vorallem keine so attraktive.

»Was haben sie denn gelernt?« Das die Frage ziemlich töricht war, merkte er erst bei ihrer Antwort.

»Wie bitte?« Jennifers Stimme klang richtig empört. »Es ist immer dasselbe, ihr wollt es wohl nicht verstehen.« Ihre Stimme wurde lauter. »Ich war hier die letzten acht Jahre gefangen gewesen. Ständig. Nix Ausbldung. Ich kann nur Fesseln tragen, mehr nicht.«

Wieder rollten Tränen über ihre Wangen. »Ich habe nichts gelernt und jetzt sagen alle, dass ich zu alt bin für eine Ausbildung." Erneut schluchtze sie.

Jetzt tat Craig die Frage leid, doch zurücknehmen konnte er sie nicht mehr. Doch dann kam ihm plötzlich eine Idee. »Sie könnten vielleicht für mich arbeiten.« Es war sein schlechtes Gewissen, was ihn das Angebot machen ließ.

Ungläubig und mit tränenverschmiertem Gesicht blickte sie ihn an. »Aber ich kann doch nichts.«

Seine spontane Idee gefiel ihm immer besser. »In einer Woche kommt meine Sammlung hier an und ich bräuchte Hilfe beim Einräumen und Katalogisieren. Sie könnten meine Assistentin werden.« Wenn sie ihn hier in seinem Reich so auf die Nerven ging, dann konnte sie sich auch nützlich machen.

Jennifer blickte ihn ungläubig an. »Und sie meinen, das könnte ich?« In ihrer Stimme klang Mißtrauen.

Es war Craigs schlechtes Gewissen, doch er machte ihr Mut. »Das werden sie auch so schaffen. Außerdem bin ich froh, wenn ich Hilfe habe.«

Sie wollte es immer noch nicht glauben. »Und ich dürfte hier auch wieder...« etwas zögerte sie, als suche sie nach dem richtigen Wort. »... ähm... wohnen.«

Craig zögerte auch etwas, doch dann gab er sein Einverständnis. »Sie dürfen hier so wohnen, wie sie wollen.« Genauer wollte er auf das drohende Thema Fesselungen nicht eingehen.

Am liebsten wäre Jennifer ihm um den Hals gefallen. Doch dann kam von ihr noch mal ein sorgenvoller Blick. »Seit ich hier befreit wurde,« ihre Stimme kam jetzt ziemlich leise, »fühle ich mich unwohl. Ich vermisse die Enge und den Zwang.«

Craig mußte schlucken. Er ahnte, was sie sagen wollte. Er blickte sie mit gespannter Erwartung an.

Jennifer wußte, das ihre Wünsche sehr außergewöhnlich waren. »Ich würde gern wieder die Sachen tragen, mit denen ich hier gefangen war«.

Craig war hin und her gerissen. Zwei Seelen kämpften in ihm. Zum Einen war da die wilde, verwegene Seite, die sich sehr auf die Frau in Fesseln freute und die er lange unterdrückt hatte. Dann war da aber auch noch die verantwortungsvolle Seite, der sofort klar war, das Jennifer nicht ihre Fesseln, sondern Hilfe brauchte. Außerdem hatte er das Thema Bondage mit seiner Frau sozusagen mitbegraben. Er wollte es auch nicht wieder neu erwecken.

Nur Jennifer wegschicken, das wollte er auf keinen Fall. Da war er sich sicher. Doch was dann? wie sollte es weiter gehen?

»Ich würde gern mal sehen, ob es meine Zelle noch gibt.« Jennifers Stimme riß aus seinen Gedanken.

Das Unbehagen wuchs in Craig, als sie sich auf den Weg zum Zellentrakt machten. Jetzt standen die dicken Stahltüren offen, früher waren sie sicher verschlossen und die Aufseher konnten sich nur mit den Schlüsseln im Gebäude bewegen. Sie gingen langsam an den offenen Zellen vorbei. Craig blickte nicht hinein.

»Das hier ist die Zelle von Beverly«, Jennifer zeigte auf eine der Zellen, die noch nicht leer geräumt waren. »und daneben, das ist meine Zelle.« Das sie in der Gegenwart sprach, fiel ihr gar nicht auf. Für sie war es anscheinend noch nicht Vergangenheit.

Sie trat langsam ein und blickte sie um. »Es ist ja noch alles da«, stellte sie erstaunt fest. »Alles.«

Erst jetzt merkte sie, das Craig noch auf dem Zellengang stand. »Kommen sie doch herein.«

Craig zögerte noch. Er wollte eigentlich gar nicht wissen, wie sein Schützling dort wohl gefangen gewesen war. Langsam trat er ein.

Das Zimmer sah seltsam skurill aus. Überall waren diese kleinen Tafeln mit Ziffern, wie sie von der Beweissicherung der Polizei benutzt worden. Sie hatten sie anscheinend nicht mitgenommen. Mit etwas Sarkasmus dachte Craig daran, das hier bloß noch ein Kreideumriß auf dem Boden fehlte.

Jennifer dagegen war fast begeistert. Sie entdeckte einen Gegenstand nach dem anderen und wurde mit jedem davon fröhlicher. Fast alles nahm sie in die Hand und probierte es entweder aus oder beschrieb, wie es an ihr benutzt wurde. Craig hörte ihr nicht zu.

Sie nahm alles in Augenschein. Die Ketten an der Wand, die Lederriemen auf dem Bett, auch die Inhalte des Schranks nahm sie in Augenschein. Sie war fasziniert. »Es fehlt so gut wie nichts, es ist noch alles da.«

Craig wurde es langsam unheimlich. Sie würde doch wohl nicht hier wieder einziehen wollen? Er ergriff die Flucht nach vorn. »Sie werden hier aber nicht mehr wohnen. Es gibt im Haus bestimmt das eine oder andere Gästezimmer.«

Fast enttäuscht blickte sie ihn an und ihr Blick wurde immer trauriger. Er bemühte sich zu erklären. »Diesen Trakt brauche ich als Lagerraum für meine Sammlungen. Ich würde hier gern alle Zellen leer machen.«

Auf einmal blitze etwas in ihren Augen. »Wir könnten doch eines der Gästezimmer so herrichten, das ich dort gefangen sein kann.« Sie merkte, was sie gerade gesagt hatte und verbesserte sich:, »ähm ich meine, wohnen kann.«

Wieder seufzte Craig. Er würde wohl nicht drum rum kommen. »Ja, das können wir machen.«