Die Kreuzfahrt

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Die Kreuzfahrt – Im Speisesaal

Autor: Karl Kollar

Er saß schon an seinem Platz und wartete auf seine Tischnachbarn. Er war sehr gespannt, ob er der Frau von vorhin wohl begegnen würde, denn so auf den ersten Blick hatte sie echt toll ausgesehen.

»Hier ist ihr Tisch«, Er hörte die sanfte Stimme des Stewards und seine gute Erziehung erinnerte ihn daran, aufzustehen. Der Steward stellte sie einander vor, »Eherpaar Reussener mit Tochter, Dr. Brückner«

Er mußte sich sehr zusammenreißen, als er jetzt seine Tischnachbarn kennen lernte. Denn nicht nur, dass es seine Bekannten von vorhin waren, nein, die Tochter trug wirklich einen Ballknebel im Mund. Ein einfacher roter Ball in der richtigen Größe, dachte er mit Kennerblick, mit einem schwarzen Riemen. Und das erstaunte ihn schon sehr.

Doch es sollte eine angenehme Tischgesellschaft werden. Die Leute waren zu seiner Erleichterung sehr nett und nicht besonders auf die Etikette fixiert. Nur die Tochter schwieg gezwungenermaßen. Es war ihm ein Rätsel, warum sie den Ball im Mund hatte, doch da sich keiner weiter daran störte, nahm er es auch als normal hin. Vermutlich brachte nur er das mit Fesselspielen in Verbindung und dafür schämte er sich jetzt fast. Wer weiß, warum die Tochter das wohl mitmachte. Und sie war eindeutig volljährig.

Doch die Überraschungen sollte für David noch lange nicht aufhören. Als die Suppe serviert wurde, sprach die Mutter ein kurzes Tischgebet, er hatte aus Höflichkeit die Hände auch mit gefaltet, dann bekam er mit, wie die Tochter ihren Vater kurz fragend anblickte. Es war übrigens ihre erste Regung, seit sie Platz genommen hatten. Als der Vater nickte, nahm sie ihre Hände hinter den Kopf und David ahnte, daß sie sich die Schnalle des Knebels aufmachte. Und richtig, kurz darauf nahm sie ihren Knebel aus dem Mund, trocknete ihn kurz mit ihrer Servierte ab und legte ihn dann neben ihren Teller. Dann nahm sie ihren Löffel und aß die Suppe, als wäre nichts gewesen.

Das weitere Essen verlief in höflichen Schweigen... und nur ab und zu blickte David verstohlen auf den Knebel, der dort auf dem Tisch lag.

Direkt nach dem Nachtisch nahm die Tochter den Ball wieder in die Hand und spielte ein wenig damit herum. Ihr Vater räusperte sich etwas und sie zuckte dabei fast zusammen. Sie faste die Riemen nahe am Ball und drückte so den Ball wieder in ihren Mund. Sie schob ihre Haare bei Seite und schloß wohl den Riemen hinter ihrem Kopf. Ein kritischer Blick von ihrem Vater und ein weiteres Räuspern bewirkte, daß sie den Riemen noch etwas fester zog, so das ihr Ball wirklich bis hinter ihre Zähne rutschte.

Sie blickte nach unten und wartete auf das Ende des Essen. In dem nachfolgenden Smalltalk mußte David etwas über sein Studium erzählen... und er hütete sich, eine Frage in Richtung der Tochter zu stellen.

Seine drei Nachbarn verließen den Tisch als erstes und ließen einen total verwirrten David zurück...