Die Kreuzfahrt

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Die Kreuzfahrt – Begegnungen und Erkenntnisse

Autor: Karl Kollar

Sehr gern hätte David sich jetzt noch mal umgedreht und zu Christine hingesehen mit ihrem strengen Fesselrock und dem Monohandschuh, doch es wäre sehr unhöflich gewesen, denn gerade hatte Herr Reussener wieder eine Frage gestellt. Sein Partner hatte Davids Verwirrung wohl bemerkt und deswegen wiederholte er die Frage nach dem Inhalt der Doktorarbeit.

David begann das Thema zu erläutern und als er sich dabei auf seinen Vater berief, stellte sich schnell heraus, das sich Davids Vater und Herr Reussener gut kannten. Die beiden waren anscheinend für einige Zeit Kollegen gewesen und Herr Reussener war erfreut, jetzt auch den Sohn kennenzulernen.

Und während David weiter über seine Arbeit sprach, gingen die beiden auch in Richtung Heck des Schiffes, wo David Christine und ihre Mutter sehen konnte. Und es fiel ihm sehr sehr schwer, sich jetzt noch zu konzentrieren, wo er die kleinen fast hilflosen Schritte der Tochter sehen konnte.

Ab und zu wehte wieder der Wind und jedesmal war der Monohandschuh für eine kurze Zeit zu sehen. David fiel es noch schwerer sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, denn er wollte keinen Unsinn erzählten. Und Herr Reussener war ein sehr guter Zuhörer und er konnte David Argumentation aus der Arbeit sehr gut folgen.

Fast war David erleichtert, als sie an Christine und ihrer Mutter vorbei waren, denn jetzt war sie nicht mehr in seinem Blickfeld. Außerdem hatte er jetzt den Handschuh so oft gesehen, daß er auch nicht mehr an eine Sinnestäuschung glaubte.

***

Bald hatten sie das Heck erreicht und drehten um. Jetzt konnte David Christine von vorne betrachten, was ihn etwas ins Schwitzen brachte. Denn in ihrer Silhouette war sie eine sehr aufregende Erscheinung und als sie näher kamen, konnte David sie mehr oder weniger in aller Ruhe von vorn betrachten. Unauffällig blickte er in die Richtung, wo die beiden herkamen und sprach dabei weiter über seine Arbeit. Es kostete ihn ewig viel Kraft, sich nichts anmerken zu lassen.

Ganz deutlich waren die gekreuzten Riemen des Monohandschuhs über ihrer Brust zu sehen, genauso wie der Ball in ihrem Mund, der auch durch einen schwarzen Riemen gehalten wurde. Der Ball war nur so groß, das sie ihn locker hinter ihre Zähne bringen konnte und mit ihren Lippen hielt sie ihn fast ganz umschlossen. Ihre Augen waren fast geschlossen und sie blickte vor sich auf den Boden.

»Da seit ihr ja« war auf einmal die Stimme von Frau Reussener zu hören. »Es ist doch so langsam Zeit für Abendessen, meint ihr nicht auch ?«

Mit sehr viel Würde nahm Herr Reussener seine Uhr aus der Tasche und blickte langsam drauf. »Ja, laßt uns gehen.« war seine Antwort.

Und so kam es, das David jetzt neben dem Vater hinter Christine herging und sehr erfreut feststelle, das der Wind stärker geworden war. Das Stricktuch wurde nun viel höher gewirbelt als bisher und David konnte viel häufiger einen Blick auf den Handschuh riskieren. Er glaubte immer noch, das er träumte.

Es war nur eine schnelle Bewegung von Christine gewesen, fast nicht zu bemerken, doch nun hing das Stricktuch sehr viel lockerer um ihre Schultern und als jetzt die nächste Windbö kam, wurde es einfach weggeweht. Und die Bö war so stark, daß es gleich über Bord geweht wurde.

Zum Glück blickten die beiden Eltern dem Stricktuch hinterher, denn sonst hätten die beiden Davids Stielaugen bemerkt, denn zum ersten Mal konnte er den Monohandschuh aus nächster Nähe sehen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Doch er hatte den kurzen Zeitraum genutzt, um alle Details in sich aufzugesaugen.

Der Handschuh war sehr sorgfältig angelegt, und er war auch genau passend geschneidert, dies war David sofort klar. Denn überall spannte sich das schwarze Leder etwas und die Schnürung war vollkommen geschlossen. Im Handteil zeichneten sich sogar ihre Finger ab, die sie wohl Handfläche an Handfläche hielt. Ihre Ellenbogen wurden durch den Handschuh aneinandergepreßt und oben reichte das Leder fast bis an ihre Schultern.

»Macht nicht, wir kaufen Morgen beim Landausflug ein neues«, lies die Mutter hören. »Und jetzt laßt uns in die Kabinen gehen, wir müssen uns noch umziehen fürs Abendessen.«

David schwebte wie auf allen Wolken, als er jetzt hinter Christine hergehen konnte und dabei ab und zu auf ihre fast hilflose Gestalt blickte. Irgendwie genoß es David, daß der Spaziergang wegen Chrsitines Rock sehr lange dauerte. Und fast hätte er geseufzt, als sie bei der Treppe ankamen und Frau Reussener den Reißverschluß der Tochter wieder etwas öffnete.

Doch auch hier auf der Treppe gab es noch etwas an Christine zu bestaunen, denn mit ihrem Handschuh konnte sie sich in keiner Weise irgendwie festhalten oder abstützen, ja wegen dem Gürtel, der den Handschuh fest auf dem Rücken fixierte, konnte sie nicht einmal die Arme zum Balancieren benutzen. Und doch stieg sie mit einer so unglaublichen Sicherheit die Treppe herunter, daß David schon wieder sehr erstaunt war.

»Bis nachher« war die Stimme des Vaters noch zu hören, dann verschwanden die drei in ihrer Kabine.

***

Später in seiner Kabine dachte David nochmal über die Tochter nach und es kam ihm der Verdacht, das sie das Stricktuch absichtlich los werden wollte. Er sah jetzt wie in Zeitlupe noch mal die Bewegung der Tochter und dann das Wegwehen des Stricktruchs.