Die Kreuzfahrt – Der Landausflug (Teil 1)
Autor: Karl Kollar
Das Frühstück am nächsten Morgen verlief ereignislos, sieht man einmal davon ab, das Christine diesmal die besonderen Handschuhe nicht trug und auch genügend Armfreiheit hatte, um sich selber um ihren Knebel zu kümmern.
Dann hieß es sich umziehen für den Landausflug. Und wieder war David sprachlos, als er Christines Outfit zu Gesicht bekam. Auf den ersten Blick sah sie wie eine Reiterin aus. Eine schwarze Reitkappe, eine beige-farbene Reitjacke, eine weiße Hose und schwarze glänzende Reitstiefel. Aber das war nur Davids erste Wahrnehmung.
Sehr bald sah er den Monohandschuh, der ihre Arme auf dem Rücken recht unbeweglich hielt und aus dem selben Material war wie die Jacke. Deswegen fiel er nicht sofort auf.
Der Kragen der Jacke war hochgeklappt, so sah es zumindest aus. Doch später sollte David heraus finden, das der Kragen ein strenges Halskorsett bildete. Es war ihr nicht möglich, ihren Kopf frei zu bewegen. Es fiel ihm auf, daß sie immer ihren ganzen Oberkörper drehte, wenn sie sich umblickte.
Und als Christine auf ihn zu kam, sah er, das die Kappe, die tief ins Gesicht gezogen war, ihr Knebelgeschirr nur unzureichend verbarg. Der Ball in ihrem Mund war recht klein und hatte zudem noch einige Löcher.
David wunderte sich etwas, daß diesmal ihre Beine gar nicht eingeschränkt waren, sie schien eine ganz normale Reithose zu tragen. Auch die Stiefel waren ganz normale Reitstiefel, abgesehen mal von ihrem besonders glänzenden Leder.
Doch ihre tatsächliche Hilflosigkeit fiel David erst später auf. Sie konnte wegen ihrem so strengen Jackenkragen nicht vor sich auf den Boden blicken. David war sehr fasziniert über so eine subtiele Art von Hilflosigkeit.
* * *
So standen sie jetzt auf der kleinen Insel vor dem Schiff und warteten auf die Begleitung, die von der Mannschaft gestellt werden sollte. Doch es kam niemand.
Nach einiger Zeit kam der Kapitän und mußte dem Vater mitteilen, daß es mit der Begleitung nicht klappte. Sie müßten allein gehen. Die Begleitung kann nicht mitkommen. Der Vater war entsprechend sauer.
Er wandte sich darauf an seine Tochter und fragte sie, ob sie vielleicht zurück aufs Schiff wollte. Doch die überraschend heftige Reaktion von Christine zeigte deutlich, was sie von der Idee ihres Vaters hielt.
»Wie soll das denn gehen mit Deiner Jacke ?« fragte der Vater daraufhin seine Tochter.
Christine versuchte einen verschämten Blick auf David zu werfen, doch wegen der Jacke wurde es schon sehr deutlich. Sie mußte ihren ganzen Körper drehen, bis sie einen Blick auf David werfen konnte.
David mußte sich schon sehr beherrschen, als der Vater jetzt mit ihm sprach: "Würden Sie sich auf unserer Wanderung um meine Tochter kümmern ? Sie sieht nicht, wo sie hintritt und das ist am Berg doch recht wichtig."
David konnte nur etwas wie "Selbstverständlich" murmeln, mehr brachte er nicht heraus. Der Vater hatte ihm nicht erklärt, warum Christine so eingeschränkt war und er wagte nicht zu fragen.
"Legen Sie einen Arm um sie und dann sagen Sie ihr, wann Hindernisse kommen." schlug ihm der Vater vor, dann wandte er sich wieder an seine Tochter "und Du mußt unbedingt mit auf den Berg ? "
Dies brachte ihm einen sehr erbosten Blick seiner Tochter ein... und er beschloß, sie ihren Willen zu lassen.
David ging jetzt auf Christine zu und er hatte den Eindruck, das sie schon recht ungeduldig war, den sie kam auch auf ihn zu. Doch den Arm um sie legen, das traute er sich nicht.
Erst als der Vater jetzt auch etwas ungehalten wurde und fragte "Haben Sie nicht verstanden ?" und Christine sich an ihn schmiegte, als wolle sie ihn ermutigen, da faßte er sich ein Herz und legte seinen Arm um ihre Schulter.
David wußte nicht, warum die Familie unbedigt auf diesen Berg wollte, er schien ihnen wichtig zu sein.
Er war glücklich, denn so nah, wie er hier Christine kam, hatte er nicht zu träumen gewagt. Doch als der Berganstieg begann, mußte er seine komplette Aufmerksamkeit auf den Weg richten und Christine sicher den Berg rauf zu führen, war anstrengender, als er gedacht hätte.
Und Christine faßte immer mehr Vertrauen zu ihm, war sie doch am Anfang sehr langsam gegangen. Doch sie blieben trotzdem weit hinter den Eltern zurück.
Unterwegs war Christine sehr am Schnauben und er hatte richtig Mitleid mit ihr, weil sie ja zusätzlich zu der strengen Jacke auch noch den Knebel trug. Doch er wagte nicht, ihre Einschränkungen zu berühren, geschweige denn, sie zu beseitigen.
Auf dem Weg kam eine kleine Bank in Sicht und er stellte fest, das Christine ihn zu dieser Bank zog. Sie war schon sehr am Schnauben und es klang süß durch ihren Knebel. Doch auch David war etwas außer Atem und er war dankbar für die Pause. Als sie vor der Bank standen, hatte er erwartet, das er Christine hätte helfen müssen. Aber mit einer Sicherheit, die ihn sehr beeindruckte, setzte sie sich auf die Bank und stütze sich hinten auf ihre Hände ab.
"Ist es so schön auf dem Berg ?" fragte David ganz belanglos. Doch erst als er Frage ausgesprochen hatte, fiel ihm ein, das Christine gar nicht antworten konnte, denn sie trug den Ball im Mund. Doch sie reagierte anders, als er erwartet hatte, sie drehte sich mit ihrem ganzen Oberkörper zu ihm hin und zum ersten Mal blickte sie ihm direkt ins Gesicht.
Und wieder gelang es Christine, ihn zu überraschen. Es war ein sehr trauriger Blick, mit dem sie ihn jetzt anblickte. Und obwohl einen Knebelball im Mund hatte, war ihr allererster Satz recht gut zu verstehen: "Meine Schwester ist hier tödlich verunglückt."
Wie David in einer anderen Situation reagiert hätte, darüber mochte er nicht nachdenken. Für ihn gab es jetzt nur eines, er rückte jetzt näher an Cristine heran und nahm sie in ihre Arme. Er hatte erwartet, das sie ihn abweisen würde, doch sie nahm seine Geste dankbar an und lehnte sich an ihn. Er hörte sie leise schluchzen...
Zum ersten Mal war er allein mit dieser so hilflosen, aber sehr faszinierenden Frau, er hätte tausend Fragen stellen wollen, doch seine Sensibilität verbot ihm auch nur die kleinste Regung. Stattdessen hielt er ihren so völlig hilflosen Körper fest.
So hätte er stundenlang sitzen können, doch auf einmal spürte er eine Regung in Christine. Er entlies sie aus seiner tröstenden Umarmung und fragte, ob sie weiter gehen wollten. Zur Antwort stand Christine auf, drehte sich langsam zu ihm hin und blickte ihn bittend an.
* * *
Der weitere Spaziergang verlief in ruhigem Schnauben von beiden, wobei Christine immer mehr Vertrauen zu David fand und David selber wußte auch immer besser, wie er die hilflose Christine führen mußte.
* * *
Zum Glück wußte er jetzt, was ihn auf dem Gipfel erwartete und das half ihm, jetzt irgendwelchen Fettnäpchen auszuweichen.