Maria

Maria – Der neue Schüler

Autor: Paul VoF

»Guten Morgen.«

»Guten Morgen«, kam es deutlich leiser aus der Klasse zurück.

Herr Peters nickte kurz, er schien die einstimmige, aber sehr müde klingende Begrüßung als völlig normal zu empfinden.

»So, ich möchte euch einen neuen Mitschüler vorstellen. Das ist Paul, und er wird ab sofort am Unterricht der Klasse teilnehmen.«

'Viele Augen, voller Neugier. Ja, ein Neuer, seht mal alle her. Neugier, Argwohn, was noch alles war zu erkennen?’

Ich bemühte mich ruhig zu bleiben, hoffte, das mein Gesicht nicht zeigte, wie unsicher ich doch war. Zaghaft nickte ich mit dem Kopf, versuchte freundlich zu wirken.

Seit einigen Tagen wohnte ich in der Stadt, meine Großmutter hatte mir ein Zimmer in ihrem Haus angeboten. Ich hatte ihr Angebot schnell angenommen, bot es mir doch die Möglichkeit, dem Alltagsgrau einer Kleinstadt zu entkommen. Meiner Mutter war es Recht, unser Verhältnis in den letzten Monaten hatte sich immer weiter verschlechtert. Wir verstanden uns einfach nicht mehr so gut. Ihre Probleme interessierten mich nicht, handelten sie nur zu oft vom Arbeitsalltag im Büro ihrer Firma. Meine Sorgen und Bedürfnisse schien sie oft gar nicht wahrzunehmen, so beschäftigt war sie immerzu. Solange meine Schulnoten sich nicht verschlechterten, war für sie die Welt in Ordnung.

Meine Großmutter hingegen war froh, das ich mich bei ihr eingerichtet hatte. Sie mochte es, wenn es im Haus lebhaft zuging. Trotz ihres hohen Alters hatte sie all die Jahre darauf bestanden, das ich die Sommerferien bei ihr verbrachte. Immer hatte sie ein offenes Ohr für mich, hatte Spaß daran, sich mit jungen Leuten zu unterhalten.

Die Stimme von Herrn Peters riss mich aus meinen Gedanken.

»Einen Platz haben wir noch frei, Paul. Setz dich bitte in die zweite Reihe neben Maria«, sagte er, während er mit dem Finger auf den angewiesenen Stuhl zeigte.

Ich nickte wortlos, packte meine Schultasche und nahm neben dem Mädchen Platz.

»Hallo«, sagte ich leise, während ich mich auf den Stuhl setzte.

»Hallo«, flüsterte sie leise zurück, mir einen schnellen, schüchternen Blick zuwerfend. Herr Peters begann unverzüglich mit dem Unterricht. Mathematik war das Thema, dem er sich mit großer Energie widmete.

Nachdem die Hausaufgaben zügig durchgesprochen waren, begann er, einige geometrische Figuren auf die Wandtafel zu zeichnen. Minutenlang erklärte er verschiedene Formeln, zeigte Berechnungsmöglichkeiten für Winkel, Flächeninhalte usw. auf.

Auf die Frage, ob noch Fragen offen waren, erhielt er aus der Klasse keine Rückmeldungen.

»Ja, wenn alles verstanden worden ist, dann wollen wir das Thema noch etwas vertiefen.«

Neue Zeichnungen entstanden an der Tafel, ergänzt durch Zahlen- und Winkelangaben.

»Möchte jemand freiwillig diese Aufgabe lösen ?«

Eine Hand hob sich in die Höhe, worauf Herr Peters nur lächelte.

»Nein Christian, bei dir bin ich mir sicher, das du es richtig lösen wirst. Aber wie wäre es mit dir, Maria ? Komm doch mal bitte an die Tafel.«

Das Mädchen neben mir erhob sich langsam, um dann nach vorne zu gehen. Dort nahm sie die Kreide entgegen, und begann langsam, einige Werte zu errechnen. Alles was sie aufschrieb, erklärte sie mit ihrer leisen, aber festen Stimme.

Hatte ich sie vorher nur ganz kurz und verstohlen mustern können, so hatte ich jetzt die Gelegenheit, sie eingehender zu betrachten.

Maria hatte eine recht helle Haut, ja man konnte ihr Gesicht fast als blass bezeichnen. Ihre Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet, was sie aber nur noch hübscher machte. Sanfte Gesichtszüge schmückten ihr Gesicht, gaben ihr ein sehr freundliches Aussehen. Die langen blonden Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der auf ihrem Rücken bis zu den Schulterblättern reichte.

'Sie ist hübsch, nein sie ist schön. Nein, der falsche Ausdruck. Sie ist irgendwie ganz anders, sie unterscheidet sich.’

Eine weite Bluse aus hellblauem Stoff bedeckte ihren Oberkörper vollständig. Trotz des warmen Sommerwetters trug sie lange Ärmel mit breiten Manschetten. Noch auffälliger aber war der hohe, vollständig zugeknöpfte Stehkragen, der bis unter ihr Kinn zu reichen schien.

Passend zur Bluse war auch der Rock. Ein dunkelblauer Baumwollrock, der leicht schimmerte und in weiten, schweren Falten bis über Marias Knie herabfiel. Unter dem Saum sah ich Stiefel aus dunkelbraunem Leder, mit einem nicht zu hohen Absatz.

Ihre gesamte Kleidung schien sorgfältig aufeinander abgestimmt zu sein. Alles passte perfekt zueinander, die Kleidung schien wie aus einem Guss gemacht zu sein.

'Es sieht streng aus, ja ihre Kleidung wirkt streng. Oder mehr züchtig ? Ihr muss doch warm sein, in dieser Bluse, mit dem engen Kragen. Ein langer Rock, dazu Stiefel im Hochsommer ?'

Inzwischen war Maria mit ihren Lösungswegen an der Tafel ins Stocken geraten. Sie hatte gut angefangen, aber jetzt schien sie nicht genau zu wissen, wie sie weitermachen musste. Herr Peters gab ihr einige Hinweise und mit seiner Hilfe konnte sie nach einiger Zeit tatsächlich ihre Aufgabe erfüllen. Es schien ihr schwer zu fallen, Mathematik war sicherlich nicht Marias Lieblingsfach. Zu ihrer großen Erleichterung konnte sie sich bald hinsetzen und Herr Peters begann wieder, die Wandtafel mit neuen Aufgaben zu füllen.

»Wir wollen doch mal sehen, wie gut sich unser Neuzugang auf Geometrie versteht. Paul, meinst du, das du diese Aufgabe lösen kannst ?«

'Oh, die Feuertaufe. So schnell ?'

Ich nickte und begab mich nach vorne. Nachdem ich kurz nachgedacht hatte, begann ich die geforderten Werte zu errechnen. Es war gar nicht schwer, und so hatte ich die Aufgabe im Handumdrehen gelöst.

Herr Peters nickte anerkennend.

»Das ging ja wirklich schnell. Da es wohl ein wenig zu leicht war, wollen mal einige Werte verändern.«

Er wischte einige Teile der Zeichnung weg, ersetzte sie durch neue Striche und Zahlenangaben.

Auch hier hatte ich zum Glück keine Schwierigkeiten. Ausführlich erklärte ich den Lösungsweg und schrieb alles sorgfältig auf.

»Danke Paul, das reicht mir. Viel besser hätte ich das auch nicht erklären können.«

Ich nickte und setzte mich wieder hin. Auf dem Weg zu meinem Platz spürte ich deutlich die Blicke meiner Mitschüler, ihre Neugier schien noch mehr zugenommen zu haben.

Irgendwann klingelte es schließlich zur Pause. Alle atmeten erleichtert auf, jeder räumte seine Sachen zusammen, um dann auf den Schulhof zu gehen.

Draußen auf dem Hof gesellten sich einige meiner neuen Mitschüler zu mir. Sie fragten mich ein wenig aus, machten einige Sprüche. Ich beantwortete all ihre Fragen, jedoch wurden meine Antworten immer knapper.

Denn auf der anderen Seite des Schulhofes hatte ich Maria entdeckt. Sie stand im Schatten eines großen Baumes und schien das rege Treiben auf dem Platz zu beobachten.

Überall liefen junge Schüler und Schülerinnen wild durcheinander, vergnügten sich in Spielen. Einige standen in Gruppen zusammen, man erzählte sich etwas, oft war ein Lachen zu hören.

Nur Maria stand ganz alleine unter ihrem Baum, der ihr Schatten spendete. Und sie sah wie ein Wesen aus einer anderen Welt aus.

Die meisten Schüler auf dem Schulhof trugen knappe T-Shirts oder leichte Hemden. Viele der Mädchen zeigten sich im kurzem, knappen Minirock, auch einige der Jungs hatte kurze Hose an. Seit Wochen hatte der Sommer Einzug gehalten und natürlich hatten sich alle mit ihrer Kleidung an das warme Sommerwetter angepasst.

'Sie trägt einen Umhang, es ist ein langes Cape. Bei diesem Wetter trägt sie ein Cape, kaum zu glauben. Und einen Hut dazu. Sie sieht beinahe aus wie eine Statue, wie da so fast bewegungslos steht. Ihr schmales Gesicht ist zu sehen, ein wenig nur. Die Hände, alles verbirgt sie unter dem Cape. Warum steht sie nur so weit entfernt ?'

Das Bild übte eine für mich ungewohnte Faszination aus, ja es zog mich richtig in seinen Bann. Das weite Cape umspielte Marias Körper bei jeder Bewegung, die Falten des Stoffes bewegten sich im Takt ihrer langsamen Schritte. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt glitt sie dann über den Hof. Ihre Bewegungen waren langsam, doch strahlte die zarte Gestalt in ihrem Cape eine ungeheure Anmut aus.

»He Paul, hörst du mir noch zu?«, hörte ich eine Stimme neben mir.

»Ja, natürlich...«, stammelte ich, ein wenig verlegen. Ich versuchte, mich wieder auf das Gespräch mit meinen neuen Klassenkameraden zu konzentrieren, was mir mit einiger Anstrengung auch gelang.

Nach dem Ertönen der Schulglocke ging ich schweigend, ganz in Gedanken versunken, in den Klassenraum. Ich war verwirrt, wie sehr mich Marias Aussehen auf dem Schulhof beeindruckt hatte. Warum war ich so fasziniert von ihrer Erscheinung ? Ja, es war mehr für mich als Faszination, es war... Noch konnte ich dieses neue Gefühl nicht einordnen.

Langsam füllte sich das Klassenzimmer, jeder nahm seinen Platz ein. Nur Maria kam noch nicht. Sie erschien erst gemeinsam mit der Lehrerin, die uns in den nächsten beiden Unterrichtsstunden die Feinheiten der Weltgeschichte näher bringen sollte.

Maria trug ihr Cape sorgfältig gefaltet über dem Arm, und als sie neben mir Platz nahm, hängte sie es ordentlich über die Stuhllehne.

Dem Unterricht verfolgte ich etwas halbherzig. Immer wieder lehnte ich mich zurück, um Maria beobachten zu können. Erst jetzt fiel mir auf, wie gerade und nahezu unbeweglich sie auf ihrem Stuhl saß. Nicht ein einziges Mal lehnte sie sich an, so als wollte sie das über die Lehne gehängte Cape nicht verknittern. Es war mir ein Rätsel, wie sie so lange in dieser kerzengeraden Haltung sitzen konnte.

Auch schien sie dem Unterricht ihre volle Konzentration zu widmen, denn immer wenn sie etwas gefragt wurde, hatte sie prompt die richtige Antwort parat. Andauernd machte sie sich Notizen, markierte für sie wichtige Stellen im Buch. Ich war mir inzwischen ganz sicher, das sie eine sehr gute Schülerin war.

Irgendwann endete auch diese Unterrichtsstunde. Alle standen auf, strömten wieder nach draußen.

»Wir haben jetzt Sportunterricht, drüben auf dem Sportplatz«, steckte mir einer der Jungs, während wir den Klassenraum verließen.

Ich zuckte mit den Schultern. Natürlich hatte ich noch keine Sportsachen dabei, also würde ich wohl zuschauen müssen.

In der Pause entdeckte ich einen kleinen Kiosk. Ich erstand eine kalte Flasche Limonade und machte mich langsam auf den Weg zum Sportplatz. Während meine Klassenkameraden sich in die Umkleidekabinen begaben, sprach ich den eintreffenden Sportlehrer an. Ich stellte mich kurz vor, und erklärte ihm, das ich nicht vorbereitet auf Sportunterricht war und deswegen keine passende Kleidung dabei hatte.

»Kein Problem. Du kannst dir ja heute von der Bank aus anschauen, was wir gerade üben. Und ab der nächsten Woche bist du dann mit dabei«, meinte er freundlich.

Ich nickte, nahm meine Schultasche und machte mich auf den Weg. Am Rande der Laufbahn entdeckte einige Bänke, die natürlich leer waren.

Aber nicht ganz. Eine Person saß dort völlig alleine, und schaute auf den Sportplatz. Sie sah aus, als ob sie träumte. Es war Maria.

Mir stockte der Atem, als ich sie so auf der Bank sitzen sah. Wieder trug sie ihr langes Cape, dazu den Hut. Zum ersten Mal sah ich sie aus der Nähe, und schon wieder bemerkte ich, wie sehr mich ihr Anblick in Aufregung versetzte. Ich beschloss, mich direkt neben sie zu setzen. Als ich näher kam, sah ich, das sie ihr Haar unter einem Tuch verborgen hielt. Zusätzlich hatte sie den Hut auf und so war eigentlich nur ihr Gesicht zu sehen.

Sie schien mich gar nicht bemerken, erst als ich neben ihr Platz nahm, schaute sie auf. Zum ersten Mal sah sie mich direkt an. Zum ersten Mal sah ich ihre Augen. Strahlend blaue Augen, so klar und tief, wie ich es noch nie gesehen hatte.

»Hallo!«, begrüßte sie mich, und ein Hauch von Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Hallo Maria«, grüßte ich zurück.

»Machst du den Sportunterricht nicht mit?«

»Nein, heute nicht. Hab keine passenden Sachen dabei.«

Maria lächelte kurz.

»Ja, wie solltest du auch wissen, das gerade heute Sport ist.«

»Genau. Und du ? Auch keine Sachen dabei ?«

Für einen Moment verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht und ich glaubte fast, sie ein wenig verlegen gemacht zu haben.

»Nein, das ist es nicht. Ich habe ein Attest vom Arzt, er meint wegen meines Kreislaufs sollte ich lieber nicht teilnehmen«, antwortete sie schließlich.

»Ach so, na da kann man wohl nichts machen.«

Eine Weile schwiegen wir, beobachten unsere Mitschüler, wie sie mit dem Unterricht begannen. Alle wurden für eine Aufwärmrunde auf die Aschenbahn geschickt und schon nach wenigen Minuten begannen sie, natürlich auch durch die sengende Sonne, mächtig zu schwitzen.

Ich war froh, im Schatten sitzen zu können. Trotzdem wurde auch mir langsam warm und so nahm ich meine Schultasche und zog die Flasche mit der noch kalten Limonade hervor.

»Ganz schön warm heute«, bemerkte ich. »Möchtest du vielleicht auch einen Schluck?«, bot ich Maria die Flasche an.

Sie warf mir einen unsicheren Blick zu, dann schien sie sich einen Ruck zu geben.

»Ja, gerne, ist wirklich sehr warm heute.« Geschickt schob sie ihre Hände aus den Durchgriffen ihres Capes hervor und nahm die angebotene Flasche entgegen. Schnell schraubte sie den Deckel ab und nahm einen tiefen Zug.

»Danke. Das hat wirklich gut getan.« Sie hatte ihr Lächeln wiedergefunden, als sie mir die Flasche zurückgab.

»Gern geschehen.« Mehr konnte ich nicht antworten. Mein Hals war trocken und so nahm ich schnell einen Schluck Limonade.

Wieder hatte Maria mich in Erstaunen versetzt. Sie trug Handschuhe! Es schienen dünne Lederhandschuhe zu sein, im gleichen Farbton wie ihr Cape, so eng, das sie ihre zarten Hände wie eine zweite Haut umschlossen.

Verstohlen schaute ich noch einmal zu Maria hinüber. Aber sie hatte ihre Hände schon wieder unter dem Cape zurückgezogen.

Wie verwirrt ich war! Tausend Fragen kreisten mir im Kopf. Warum war dieses Mädchen so angezogen? Sie trug Kleidung, die sie vollständig verhüllte, eine Kleidung, die gerade mal eben das Gesicht herausschauen ließ. Und es waren Kleidungstücke, die alles Andere als der Mode letzter Schrei waren. Alles war untypisch, so völlig anders. Alle Mädchen, die ich bisher kennen gelernt hatte, trugen möglichst knappe, ja oft aufreizende Kleidung. Maria schien das genaue Gegenteil zu sein. Sie schien sich durch ihre Kleidung verhüllen, ja fast zu verstecken zu wollen.

'Warum? Warum versetzt mich ihr Aussehen derart in Aufregung? Warum muss ich sie immerzu anschauen ? Es ist fast wie ein Zwang. Ich möchte meine Blicke an ihr wandern lassen, aber nur so, das sie es nicht bemerkt.'

»Denkst du nach oder träumst du?«, hörte ich Marias Stimme.

»Ich... Ja, ich denke nach. Ja, es ist alles ganz neu für mich hier. Der erste Tag, nur neue Gesichter, daran muss ich mich erst gewöhnen.«

Sie hatte mich förmlich aus meinen Gedanken gerissen. Durch ihre Frage wurde mir noch einmal bewusst, wie sehr ich mit mir selber beschäftigt war. So kannte ich mich eigentlich gar nicht.

»Aber gut eingeführt hast du dich heute morgen. Besonders in Mathe.«

»Meinst du?«, fragte ich zurück.

»Ja, sicher. Wie du die Aufgaben an der Tafel gelöst hast, das war richtig gut. Ich wünschte, ich hätte es so gekonnt.«

»Aber du warst doch auch gar nicht schlecht. Ich meine, schließlich hast du die Aufgabe an der Tafel doch gelöst, oder ?«

»Ja, aber nur mir viel Hilfe. Alleine hätte ich es wieder nicht geschafft. Mathe liegt mir einfach nicht. Da hatte ich schon immer Probleme, irgendwie komme ich auf keinen grünen Zweig.«

Marias Seufzen war eindeutig.

»Und wenn ich dir helfen würde? Ich meine, ich könnte versuchen, es dir zu erklären.«

Maria schaute mich jetzt an, und ich sah, wie ein Leuchten über ihr Gesicht huschte.

»Ja, ich würde es schon gerne versuchen, aber mach dir keine großen Hoffnungen. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Alle meine Nachhilfelehrer haben das bisher gesagt.«

»Es kommt auf einen Versuch an, okay ? Komm, wir fangen gleich an.«

Ich nahm das Mathebuch aus meiner Schultasche und begann, darin zu blättern.

Die folgende Stunde verging wie im Fluge. Ich merkte nicht, wie heiß es war, ich schien meine Umgebung völlig vergessen zu haben. Maria und ich redeten die ganze Zeit über Formeln, über Berechnungen, eben alles, was zur Mathematik gehörte.

Ja, sie hatte tatsächlich Wissenslücken, das stellte ich recht bald fest. Aber sie gab sich wirklich Mühe und sie verstand das Erklärte eigentlich recht schnell. Ich empfand Spaß dabei, ihr den trockenen Stoff zu erläutern.

Als die Stunde zu Ende ging, verabschiedete ich mich von ihr, nicht ohne ihr aber zu versprechen, das wir schon am nächsten Tag weitermachen würden. Sie schien sich darüber sehr zu freuen, sie strahlte über das ganze Gesicht.

Als ich mit dem Rad zu meiner Großmutter heimfuhr, freute ich mich bereits auf den nächsten Schultag. Was hatte es das zuletzt gegeben?

Natürlich musste ich meiner Großmutter vom ersten Tag in der neuen Schule berichten. Bereitwillig schilderte ich meinen Vormittag, erzählte ihr auch von Maria und wie wir begonnen hatten, gemeinsam Mathematik zu üben. Nur die Beschreibung von Marias Kleidung ließ ich aus.

Großmutter hörte sich alles lächelnd an und als ich mit meinen Erzählungen fertig war, fragte sie:

»Sie scheint ja sehr nett zu sein, diese Maria. Hab ich Recht ?«

»Ja, das ist sie wohl.« Entgegnete ich nur kurz, denn ich war wieder nachdenklich geworden.

Großmutter hatte gleich gemerkt, wie ich über Maria gesprochen hatte. Sie hatte feine Antennen, und so konnte sie leicht meine Begeisterung heraushören.

Ja, schon jetzt fühlte ich, wie sehr mich dieses Mädchen faszinierte. Sie war so hübsch, so nett. Wenn sie mich ansah, fühlte ich, wie mir die Knie weich wurden. Sie hatte eine wunderbare offene, so eine natürliche Art an sich, etwas, das mein Herz zu öffnen schien.

Auch etwas Geheimnisvolles schien sie zu umgeben, die Art, wie sie sich kleidete, das war für mich ein Rätsel. Warum gab sie sich äußerlich so zugeknöpft, so verschlossen? Welchen Grund konnte es dafür geben, das sie so außergewöhnliche Kleidung trug?

Immer wieder beschäftigte mich dieser Gedanke, aber eine Lösung fand ich natürlich nicht. Noch nicht.