Maria

Maria – Die Nachhilfe

Autor: Karl Kollar

Das Telefon klingelte. Mrs. Potter stellte die Herdflamme kleiner und warf einen Blick zur Uhr. Das dürfte das Gymnasium sein, um diese Zeit riefen sie immer an. Es war bald Mittagszeit, und das Essen duftete schon recht lecker auf dem Herd. Sie legte den Kochlöffel aus der Hand, wischte sich kurz die Hände ab und ging mit resoluten Schritten über den Korridor in das Schreibzimmer. Dort trat sie an den großen Schreibtisch, nahm den Hörer ab und meldete sich.

Es war Herr Peters, der Mathematiklehrer von Maria. Mrs. Potter war wie immer sehr interessiert daran, wie sich Maria in der Schule machte, deswegen hatten sie diese täglichen Anrufe vereinbart. Doch heute war Mrs Potter besonders neugierig, wie sich der Kontakt zwischen Maria und Paul entwickelt hatte.

Auch Herr Peters war von Paul sehr angetan. »Paul hat einen sehr positiven Einfluss auf ihren Schützling.« Der Lehrer berichtet von den Ereignissen im Unterricht. Dann erwähnte er die ausgefallene Stunde und dass Paul mit Maria auf dem Schulgelände verblieben war. Sie lernten dort Mathe, fügte er hinzu.

Mrs. Potter wurde ungeduldig. »Was ist sonst noch passiert? Sollte ich noch etwas wissen?« Sie erinnerte ihn an die Abmachungen.

»Ja richtig, auf dem Schulhof haben sie sich geküsst.« Er berichtete von der Szene, bei der Paul Maria beigestanden hatte. »Das hat Maria anscheinend sehr beeindruckt.«

‘Na endlich’, dachte Mrs. Potter, ‘das Wichtigste kommt immer zum Schluss.’ Sie bedankte sich für den Bericht und verabschiedete sich. Dann legte sie auf und ging wieder in die Küche, um nach dem Essen zu sehen. Dabei überlegte sie, wie sie den Kontakt zwischen Paul und Maria verstärken konnte, denn Paul passte sehr gut in ihr Konzept. Sie warf einen Blick auf Marias Wochenplan, dann wusste sie, wie sie es angehen würde.

Nach einem Blick zur Uhr entschied sie sich, das sie sich so langsam auf den Weg machen könnte, um Maria abzuholen. Zwar wäre es nicht falsch, wenn sie noch etwas mit Paul zusammen sein konnte, doch für Maria war auch die Routine sehr wichtig.

* * *

Paul ging langsam neben Maria her und beide waren noch ziemlich gefangen von ihren neuen Gefühlen. Paul versuchte jede Sekunde von Marias Gegenwart in sich auf zu saugen. Maria schwieg neben ihm. Sie war genauso mit ihren Gedanken beschäftigt. Keiner konnte oder wollte etwas sagen.

So steuerten sie langsam auf den Ausgang zu. Diesmal fiel es gar nicht auf, dass Maria nur kleine Schritte machen konnte. Am Tor sah Paul eine große Frauengestalt stehen, die zu ihnen hinüber sah. Er war zu sehr von seinen Gefühlen eingenommen, sonst hätte er sicher bemerkt, das Maria mit jedem ihrer winzigen Schritte betrübter wurde. Etwas schien sie zu bedrücken.

Ohne das es Paul so richtig bewusst wurde, blieb er etwas hinter Maria zurück, die vor der Frau einen ziemlich altmodischen Knicks machte. Paul machte dies verlegen, ohne dass er recht wusste warum.

Zu ihrer beider Überraschung sprach die Frau Paul gleich an. »Du musst Paul sein, der neue Schüler?« Sie gab ihm die Hand, und Paul war überrascht ob ihres starken Händedrucks.

Paul war auf diese Frage gar nicht eingestellt, er konnte vor lauter verwirrenden Gefühlen nur nicken.

»Ich bin Mrs. Potter, die Erzieherin von Maria.« Sie stellte sich vor. Marias Blick wurde immer ängstlicher.

Mrs. Potter ließ sich davon nicht beirren, und Paul war von der Ausstrahlung und Strenge der Erzieherin sehr in den Bann gezogen. Ihre große und kräftige Gestalt wirkte auch auf ihn ziemlich einschüchternd. Er war froh, dass seine Großmutter viel kleiner und zierlicher war.

»Ich habe gehört, du hilfst Maria bei Mathematik?«

So langsam wachte Paul auf, doch er hatte ein sehr schlechtes Gewissen, weil er Maria geküsst hatte. Und er wusste, dieser Frau würde er keine Sekunde mit einer Lüge standhalten. Mrs. Potter hatte eine so starke Ausstrahlung, dass er einfach nicht anders konnte. Schon jetzt begann er zu verstehen, dass Maria einen solchen Respekt vor ihrer Erzieherin hatte.

Zu einer vernünftigen Antwort war Paul nicht in der Lage, er stammelte irgendwie »Ja... Wir ... Haben geübt. Zusammen.«

Mrs. Potter schien das schlechte Gewissen zu spüren, doch sie übersah es und blickte ihn wohlwollend an. »Das ist schön.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Maria tut sich recht schwer in Mathematik.«

Unwillkürlich warf Paul einen Blick auf Maria. Sie stand neben ihrer Erzieherin, und obwohl sie ihren Kopf aufrecht hielt, war ihr Blick doch auf den Boden gerichtet. Es fiel Paul auf, das sie eine sehr gerade Haltung hatte.

Mrs. Potter war bemüht, ihre Stimme möglichst ruhig klingen zu lassen. »Wärst Du bereit, Maria Nachhilfe in Mathematik zu geben?« Sie hoffte dass ihr kurzfristig gefasster Plan aufgehen würde. »Du bekommst es auch gut bezahlt.«

Auch Paul musste sich Mühe geben, um sich unter Kontrolle zu halten. Das wäre die Gelegenheit, um weitere Zeit in Marias Nähe zu verbringen. »Ja gern.«

Er schaute Maria total verliebt an, doch es fiel ihm nicht auf, das Marias Blick sich verändert hatte. Sie blickte jetzt eher etwas ängstlich zwischen Paul und ihrer Erzieherin hin und her.

Früher hatte Paul mit der Nachhilfe sein kärgliches Taschengeld aufgebessert. Diesmal würde es allerdings eine andere Motivation sein. Er traute sich allerdings nicht einmal innerlich zu grinsen.

Mrs. Potter setzte nach. »Dann kommst Du heute um drei zu uns.« Paul fiel auf, dass Maria bei der Nennung der Uhrzeit zusammenzuckte und sich ihr Mund etwas öffnete. Ihre Erzieherin schien dies auch bemerkt zu haben und griff gleich ein. »Maria, wolltet Ihr etwas sagen?«

Maria war sehr verunsichert, das war ihr deutlich anzusehen. »Aber bis um vier Uhr habe ich mein Training.«

Dies schien Mrs. Potter nicht gelten zu lassen. »Du kannst auch mit dem Ding lernen, das geht schon.«

Paul sah deutlich, das Maria widersprechen wollte, doch nach einem strengen Blick von Mrs. Potter machte sie ihren Mund wieder zu und blickte vor sich auf den Boden.

Damit schien für Mrs. Potter das Thema erledigt zu sein. »Weißt Du, wo wir wohnen?«

Paul sagte, dass er es nicht wisse.

»Wir wohnen in dieser Straße, dahinten das Haus.« Mrs. Potter zeigte auf ein Grundstück und nannte die Hausnummer.

Paul stellte fest, dass er in Zukunft jeden Tag an Marias Haus vorbei gehen würde, denn es lag auf seinem Weg. »Ich wohne zwei Straßen weiter, wir haben den selben Weg.« Etwas anderes fiel ihm nicht ein.

Den Rest des Weges gingen sie schweigend, bis sie vor dem Haus der beiden standen. Paul war recht unsicher, wie er sich jetzt von Mrs. Potter und Maria verabschieden sollte. Doch diesmal kam ihm Marias Erzieherin zur Hilfe, in dem sie ihm die Hand reichte. »Dann bis nachher.«

Paul hatte sich vielleicht noch eine Abschiedsgeste von Maria erwartet, doch diese schien sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Doch als Paul auch ihr die Hand reichen wollte, griff Mrs. Potter ein. »Maria freut sich auch auf nachher.« Paul spürte, das er ohne weiteren Gruß gehen musste.

»Und nun lasst uns gehen.« Sie legte ihren Arm um Maria und schob sie leicht vorwärts.

Paul blieb noch ein wenig stehen und blickte Maria und ihrer Erzieherin hinterher. Natürlich freute er sich auf die Nachhilfestunde mit Maria, doch gleichermaßen hatte er schon jetzt großen Respekt vor Mrs. Potter.

* * *

»Na, Du strahlst ja. Hast Du eine gute Note bekommen?«

Paul schüttelte den Kopf, »Nein, heute nicht.«

Seine Großmutter Selma warf noch mal einen prüfenden Blick auf ihren Enkel und hakte nach. »So wie Du strahlst, muss es aber etwas sehr schönes sein.«

Paul konnte nur leicht nicken. Er schluckte. Dann sagte er nur ein Wort: »Maria«.

Selma musste lächeln, als sie Pauls Miene dabei sah. »Na, dich hat es aber schwer erwischt. Habt ihr schon...?«

Paul wurde verlegen. »Wir haben uns heute geküsst.« Dann wurde er ernst. »Aber es ist so seltsam. Sie hat eine sehr strenge Erzieherin und trägt so seltsame Sachen.« Er erzählte von Marias Kleidung, diesem seltsamen Cape und den seltsamen Ereignissen beim Abholen.

Seine Großmutter lächelte nur. »Es ist schön, dass diese Erziehung heute noch praktiziert wird.«

Paul blickte auf. »Du kennst das?« Er sah ganz ungläubig aus.

»Ich habe Dir doch mal erzählt, dass ich früher bei Baron Grünberg gekocht habe.« Paul erinnerte sich an die vielen Geschichten aus der berühmten Küche.

»Die drei Töchter wurden vermutlich auch so erzogen wie Deine Maria.« Selma beschrieb kurz, wie sie die drei Töchter früher erlebt hatte.

Er druckste etwas herum. »Ich bin heute Nachmittag bei ihnen eingeladen, ich soll Maria Nachhilfe geben.« Er machte eine Pause. »Aber ich habe Angst vor Mrs. Potter.«

Selma spürte seine Unsicherheit. »Mach Dir keine Sorgen und benimm Dich einfach so, wie Du es bei mir gelernt hast, dann kann Dir nichts passieren.«

Paul half dies zwar nicht wirklich weiter, doch er nahm sich die Worte seiner Großmutter zu Herzen.

* * *

Maria war schon sehr aufgeregt, bald würde Paul vorbei kommen. Ihr Herz klopfte laut. Sie ging noch einmal in ihr Arbeitszimmer, um nach zu sehen, ob alles bereit war. Der Schreibtisch war in Steh-Position und es standen Getränke bereit. Für Maria steckte ein Strohhalm im Glas. Es war alles okay, Paul könnte kommen. Nur eine Sache stand noch aus.

Sie drehte sich um und ging in die Küche, wo ihre Erzieherin sich mit dem Abwasch beschäftigte. Sie stellte sich vor sie hin und wartete darauf, dass sie von Mrs. Potter angesprochen wurde. Sie hatte gelernt, dass sie selbst eine ältere Person nicht einfach ansprechen durfte, sondern warten musste, bis diese sie ansprach. Nur für die Schule waren die Regeln etwas gelockert. Und Mrs. Potter legte darauf sehr großen Wert.

Mrs. Potter blickte sie an, und nach einiger Zeit erst fragte sie. »Maria, was möchtest Du?«

Maria hob erleichtert den Kopf und blickte ihre Erzieherin an. Ihre Stimme klang schon fast etwas aufgeregt. »Bald kommt doch Paul. Ich würde deswegen gern das Haltungstraining beenden.« Sie bemühte sich, einen recht formalen Eindruck zu machen. »Würden Sie mich bitte aus dem Handschuh raus lassen. Wir wollen doch dann Mathematik machen.«

Doch ihre Erzieherin ließ sich davon nicht beeindrucken. Ihr Blick verengte sich etwas. Sie blickte noch einmal prüfend auf den weißen Monohandschuh, der Marias Arme auf dem Rücken hielt und wandte sich dann wieder ihrem Abwasch zu. Ihre Stimme klang ziemlich verärgert. »Das hatten wir doch schon geklärt oder? Der Handschuh bleibt! Euer Haltungstraining ist wichtiger. Ihr könnt dann ja im Kopf rechnen.« Natürlich war sie alles andere als verärgert, aber in diesem Moment musste sie eine gewisse Rolle vorspielen. Dabei war beiden klar, warum Maria wirklich aus dem Handschuh heraus wollte.

Marias Miene fror ein. »Aber ich mache bald Abitur, da ich kann doch nichts mehr im Kopf rechnen. Ich muß meinen Taschenrechner bedienen. Bitte lassen Sie mich da raus.« Sie versuchte etwas mit ihren Armen an dem Handschuh zu zerren, aber sie wusste schon länger, wie sicher ihre Arme so gefangen waren.

Mrs. Potter machte mit ihrer Arbeit weiter, ein paar Sekunden lang, dann legte sie den Teller, den sie gerade spülte zum Abtropfen auf die Seite und wandte sich erneut ihrem Schützling zu. Sie wusste, was Maria wirklich wollte, doch das konnte sie nicht erlauben. Sie gab ihrer Stimme einen etwas ernsteren Ton. »Ihr werdet mir gehorchen und den Handschuh anbehalten! Mathematik könnt Ihr so auch lernen.«

Maria wollte noch einmal ansetzen. »Aber er weiß doch gar nicht...« Weiter kam sie nicht, denn sie sah das entschlossene Gesicht ihrer Erzieherin und wusste, das sie jetzt besser schweigen sollte. Es liefen ihr ein paar Tränen die Wange hinunter.

Jetzt zeigte Mrs. Potter doch eine Reaktion. Sie nahm Maria in den Arm, wischte ihr mit einem Tuch die Tränen weg und streichelte ihr liebevoll über die in dem ledernen Monohandschuh verpackten Arme. »Du wirst das schon schaffen. Zeige ihm, das Du etwas ganz besonderes bist.«

Maria sah sie erstaunt an. »Meinen Sie das ernst?«

»Genug jetzt. Geht auf Euer Zimmer, er wird gleich kommen.«

Maria seufzte noch einmal leise, dann tat sie, was ihre Erzieherin ihr aufgetragen hatte.

* * *

Paul fragte sich, ob andere wohl sein Herz hören könnten. Es kam ihm vor, als würde es jetzt besonders laut schlagen. Er war sehr aufgeregt, als er jetzt auf dem Weg zu Marias Haus war.

Er freute sich sehr auf seine Nachhilfeschülerin, und zugleich hatte er ehrlich Angst vor ihrer so strengen Erzieherin. Wie würde es wohl sein bei der Nachhilfe? Maria schien ziemlich besorgt wegen eines Trainings, welches sie zu der Zeit machen würde. Er konnte sich jedoch darunter überhaupt nichts vorstellen.

Natürlich hatte sich Paul auch auf die Nachhilfe vorbereitet. Es war natürlich nicht seine erste Nachhilfe, doch aber die, vor der er am meisten Herzklopfen hatte.

Paul war so sehr in Gedanken, dass er fast an Marias Haus vorbeigegangen wäre. Das Grundstück war ihm schon aufgefallen, weil hier das Haus etwas nach hinten zurückgesetzt war. Vor dem Haus standen ein paar uralte große Bäume und gaben dem Ganzen eine parkähnliche Stimmung. Das Haus selber war eine große Jugendstil-Villa mit einem sehr schönen Fachwerkgiebel. Er fragte sich, wo wohl Marias Zimmer sein würde.

Er klingelte vorn an dem großen Tor und wunderte sich etwas, dass ihm gleich aufgemacht wurde. Der Türöffner summte und aus einem Lautsprecher hörte er Mrs. Potters Stimme, die ihn willkommen hieß. »Hallo Paul, schön dass Du da bist. Komm herein.«

Paul drückte gegen das Tor und trat auf das Grundstück. Er blickte zum Haus und sah, wie die Haustür auf ging und Mrs. Potter heraus kam. Sie blickte streng auf Paul, der immer unsicherer wurde. Er ging die wenigen Stufen zum Portal hoch und gab Marias Erzieherin die Hand. Wieder spürte er den sehr festen Händedruck und war noch eingeschüchterter.

Mrs. Potter bat ihn herein. »Maria trägt noch ihre Trainingsausrüstung, du wirst ihr etwas mehr helfen müssen.« Es schien ihr wichtig zu sein.

Paul ging hinter Mrs. Potter her und schaute etwas ungläubig.

»Sie macht ihr tägliches Haltungstraining«, erklärte sie, allerdings in einem Tonfall, der keine Nachfragen erlaubte.

Paul nahm es kommentarlos zur Kenntnis, innerlich brannte er lichterloh. Was würde Maria wohl tragen? Und für was würde Maria denn trainieren? Er ahnte, dass er sobald auf diese Fragen noch keine Antwort bekommen sollte.

Mrs. Potter ging voran und Paul folgte mit respektvollem Abstand.

* * *

Maria hatte die Klingel gehört und war sehr nervös, denn sie wusste, Mrs. Potter würde Paul herein lassen und zu ihr bringen. Sie war sehr unsicher, was Paul wohl von ihrem Handschuh halten würde. Gewiss, es half ihr, die richtige Haltung für Korsett und High-Heels zu trainieren, aber ob Paul dafür Verständnis haben würde?

Überhaupt, sie wollten Mathematik lernen und da würde sie doch ihre Arme brauchen. Seit längerer Zeit war Maria mal wieder etwas verärgert über die Strenge und Konsequenz ihrer Erzieherin. Doch insgeheim wusste sie ja, dass es einer höheren Sache diente und deswegen wäre es gut, wenn Paul den Handschuh akzeptieren würde. Sie war stolz darauf, dass sie den Monohandschuh schon so lange tragen konnte. Und außerdem, das musste sie sich eingestehen, war der Handschuh ja nur der Anfang.

Marias Nervosität stieg ins Unermessliche, als sie die Schritte von Mrs. Potter auf der Treppe hörte. Ihre Erzieherin schien Paul etwas zu erklären. Maria hätte sich jetzt gern noch einmal kurz durch ihr Haar gefasst oder ihr Makeup kontrolliert. Doch da war nichts zu machen, ihre Arme wurden von der weißen Lederhülle auf dem Rücken zusammen gezogen, so das ihre Arme völlig unbeweglich waren. Ihr Körper wurde damit an die richtige damenhafte Haltung gewöhnt. Maria hatte sich ja auch schon ziemlich damit abgefunden. Solange sie den Handschuh hier im Haus trug und es sonst keiner sehen konnte, hatte sie keine Probleme.

Doch jetzt kam Paul, und dass er sie mit diesem Trainingsgerät sehen sollte, das passte Maria überhaupt nicht.

* * *

Im Treppenhaus hörte Paul zu, wie Mrs. Potter auf dem Weg zu Maria über die Nachhilfe sprach. Sie erwähnte noch einmal, dass Maria trainierte und dass deswegen die Nachhilfe etwas schwieriger sein würde. »Ihr werden etwas improvisieren müssen. Und ihr werdet im Stehen arbeiten müssen, das geht doch wohl, oder?«

Sie hatte es zwar als Frage formuliert, aber Paul fühlte, das es eher ein Befehl war. Er schaffte nur ein schwaches »Ja« als Antwort.

Paul trat hinter Mrs. Potter in das Zimmer und sofort fiel sein Blick auf Maria, die vor dem Schreibtisch stand und ihn anstrahlte. Ihre Nervosität bemerkte Paul nicht, was wohl daran lag, dass er genauso nervös war. Auf den ersten Blick sah es für Paul so aus, als würde seine Schulkameradin noch die Kleidung aus der Schule tragen. Die gekreuzten weißen Lederriemen über ihrer Brust bemerkte er nicht.

Er begrüßte sie mit einem schüchternen »Hallo Maria«.

Marias Herz schlug ziemlich laut. Sie erwiderte ein leises »Hallo Paul«.

Obwohl sie wußte, das es eigentlich albern war und dass er es bald sehen würde, war sie doch bemüht, ihm nicht ihren Rücken zu zeigen. Sonst würde er den Handschuh sehen und den wollte sie so lange wie möglich vor ihm verbergen. Auch wenn sie natürlich wusste, dass es unsinnig war.

Pauls Herz klopfte auch immer lauter, je näher er Maria kam.

»Schön, das Du gekommen bist.« Maria war sehr verlegen. »Setze Dich doch.«

Er blickte Maria jetzt etwas verwundert an. Maria bemerkte ihren Irrtum. »Ach ja, wir wollen ja im Stehen lernen.«

Paul war noch sehr von Marias Anblick und Haltung fasziniert. »Du machst ein Training«, Paul fragte ehrlich interessiert.

»Ja, ich muss meine Haltung verbessern.« Maria war immer noch ziemlich verlegen.

»Lasst Euch nicht stören«, war die Stimme von Mrs. Potter zu hören. Paul warf kurz einen Blick durch den Raum und sah, dass sie mit einem Tuch bewaffnet begann, ein Regal abzustauben. Maria wusste, dass sie das bisher bei jedem Nachhilfelehrer gemacht hatte. So sauber wie dieses Regal war sonst nichts im Haus.

Paul war sehr nervös, weil er sich jetzt auch noch von Mrs. Potter beobachtet fühlte, und Marias Nähe verwirrte ihn. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, wo noch das Marias Lateinbuch lag. Grammatik war aufgeschlagen. Darin bewunderte er Maria, weil ihr das so leicht fiel und er hingegen hatte so viel Mühe damit.

Schließlich traute Paul sich, mit dem Stoff anzufangen. »Bist Du heute mitgekommen?« Er stellte eine wie er meinte einfache Fachfrage, die Maria jedoch nicht beantworten konnte, sie zuckte mit den Schultern. Paul wunderte sich, weil er nichts von ihren Armen sah, doch er ließ sich deswegen nichts anmerken.

Er hatte schon viel Nachhilfe gegeben und deswegen wusste er, dass es gut war, die Sachen aus der Stunde einfach noch mal durch zu sprechen. Deswegen fragte er Maria nach der Aufgabe, die sie heute in der Stunde rechnen durften.

Maria blickte verschämt. »Ich habe das erst überhaupt nicht raus bekommen.« Sie machte eine Pause. »Ich wusste ja nicht mal, wie ich anfangen sollte. Ohne den Herrn Peters wäre das nicht gegangen.« Aus ihrer Stimme klang fast etwas wie Verzweiflung.

»Wir sprechen die Aufgabe einfach noch mal durch.« Paul blickte auf ihrem Schreibtisch umher. »Wo ist denn Dein Mathebuch?«

Maria wurde rot. »In meiner Tasche« Es war ihr klar, das Paul spätestens jetzt den Handschuh zu sehen bekommen würde. Sie wollte am liebsten im Boden versinken. So toll der Handschuh auch sonst war, wenn sie während des Trainings etwas greifen oder sonst etwas mit den Händen machen wollte, störte er gewaltig. Und jetzt stand Paul neben ihr, während sie trainierte. Doch da ihre Erzieherin noch im Raum war, traute sie sich auch nicht, sich eine Blöße zu geben oder aus ihrer Rolle zu fallen.

Mrs. Potter blickte ab und zu heimlich auf das Liebespaar. Sie war sehr gespannt, wie Maria sich mit dem Monohandschuh machen würde und mindestens genauso fragte sie sich, wie Paul darauf reagieren würde. Sie putzte die Sachen aus dem Regal diesmal besonders langsam.

Paul blickte Maria erwartungsvoll an und wartete, das sie das Mathematikbuch suchen würde, doch Maria schien sich nicht zu bewegen.

Maria sah Paul an und sie wusste, das er jetzt das Mathebuch haben wollte. ‘So ein Mist’ dachte sie bei sich. Das hätte sie auch heraus legen können, bevor Mrs. Potter sie in den Handschuh eingeschnürt hatte. Sie wollte ihm das Ding nicht zeigen, doch so konnte sie ihm das Mathebuch aber auch nicht geben. Sie blickte ihn ziemlich hilflos an und wartete.

Paul fiel ein, das er seines ja auch dabei hatte. Er nahm es aus seiner Tasche und legte es auf den Schreibtisch.

Doch Mrs. Potter war damit überhaupt nicht einverstanden. Natürlich wußte sie, warum Maria so zögerte. Es war ihr aber nicht recht, das Maria versuchte, den Handschuh vor Paul zu verbergen. Sie erwog kurz ihre Möglichkeiten, dann drehte sie sich direkt zu Maria und sprach sie direkt an.

«Maria, warum nehmt ihr nicht euer eigenes Buch?« Maria hörte zu ihrem Entsetzen die Stimme ihrer Erzieherin, und dass sie ihr eine Frage gestellt hatte. In Gegenwart anderer musste Maria unter allen Umständen das Protokoll einhalten, doch dazu müsste sie Paul den Rücken zudrehen und er würde ihren Handschuh sehen können.

Maria schluckte und wusste nicht, was sie Mrs. Potter antworten sollte. Sie zögerte. Doch gerade heute war Mrs. Potter besonders penibel. »Warum antwortet ihr nicht, wenn ihr gefragt werdet?«

Maria musste reagieren und irgendwie war der Respekt vor Mrs. Potter größer als die Sorge um ihr Ansehen bei Paul. Sie drehte sich so um, das sie Mrs. Potter anblicken konnte und antwortete wahrheitsgemäß. Paul war erst ihrem Blick gefolgt und hatte ebenfalls Mrs. Potter angesehen. »Weil es noch in meiner Schultasche ist.« Marias Stimme zitterte.

Pauls Blick suchte im Raum die Schultasche, dabei fiel sein Blick auch auf Marias Rücken und er war sehr erstaunt, als er dort etwas seltsames sah. Es brauchte zwei Blicke von ihm, um zu erkennen, was dort zu sehen war. Marias Arme wurden von etwas Weißem auf dem Rücken zusammen gehalten. Etwas Längliches in Weiß, welches auch noch wie ein Korsett geschnürt war. Es sah mehr als seltsam aus.

Mrs. Potter war gleichermaßen bemüht Maria Mut zu machen und ihr die Scheu vor Paul zu nehmen. Sie blickte sie scheinbar ernst an und so, als ob es das Selbstverständlichste wäre sagte sie: »Dann bittet doch Paul es heraus zu nehmen.«

Maria drehte sich langsam zu Paul hin und mit sehr leiser Stimme bat sie ihn, das Buch aus ihrem Ranzen zu holen. Allerdings fiel es ihr jetzt etwas leichter, denn jetzt hatte er den Handschuh gesehen. Und Paul war noch da.

Paul kam das alles ziemlich seltsam vor, auch der seltsame Ton, den Maria mit ihrer Erzieherin pflegte. Doch da er sich, ohne das er es sich selbst eingestehen wollte, schon in Maria verliebt hatte, nahm er es hin und genoss es, in ihrer Nähe zu sein.

Maria zeigte mit ihren verpackten Armen auf den Ranzen. Paul sah dies und warf noch einmal einen Blick auf dieses sehr seltsame Ding. Dann ging er zu Marias Schultasche, machte sie auf und blickte hinein. Er sah das dicke blaue Mathebuch, nahm es heraus und legte es auf den Schreibtisch. Während Maria sich langsam neben ihn stellte, schlug er die richtige Seite auf.

Paul wollte jetzt mit der Nachhilfe beginnen und bat Maria, sie sollte noch einmal die Zeichnung aus der Stunde nachzeichnen.

Mit einer Mischung aus Stolz und Unsicherheit blickte Maria zu Paul und sagte, dass sie das nicht machen könne. Dabei zeigte sie Paul mit einer Drehung des Oberkörpers ihre verpackten Arme.

Jetzt erst hatte Paul die volle Wirkung dieser seltsamen Vorrichtung verstanden und erkannte, das Maria so ihre Arme nicht benutzen konnte. Er dachte natürlich an das Naheliegende: »Soll ich Dir da raus helfen?« er kam Maria noch etwas näher.

Diese drehte sich erschrocken von ihm weg und widersprach: »Nein, ich muss den tragen. Bitte nicht.« Ihre Stimme klang fast weinerlich bittend. Sie wusste, dass es Paul sehr seltsam vorkommen musste, doch sie konnte es ihm jetzt auch nicht erklären. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.

Mrs. Potter hatte das Gefühl, eingreifen zu müssen. Sie stellte den Gegenstand, den sie schon seit einiger Zeit putzte ins Regal und kam zu Maria. Sie gab sich Mühe, ihre Stimme ernst klingen zu lassen, obwohl sie doch mit dem bisherigen Verlauf schon sehr zufrieden war. »Lasst es Euch nicht einfallen, Euch den Handschuh ausziehen zu lassen! Ihr müsst Euer Training weiter machen.« Dann ging sie scheinbar auf die Beiden ein. »Was ist denn das Problem?«

Paul wollte eigentlich gegen Marias seltsames Armgefängnis protestieren. Er wollte sagen, dass die Nachhilfe so keinen Sinn mache und Maria unbedingt ihre Arme benutzen müsse. Doch als er Mrs. Potter mit ihrer großen und respekteinflößenden Gestalt gegenüber stand, konnte er nur schlucken. Mrs. Potter hakte nach: »Nun?«

Paul wurde innerlich kleiner. Er brachte einfach nicht den Mut auf, sich hier für Maria gegenüber Mrs. Potter aufzulehnen. Er dachte nach und es fiel ihm ein, dass er ja für Maria zeichnen könnte. Er war, ohne das er es selber erkannte, sehr eingeschüchtert. »Nein, es ist alles in Ordnung. Ich werde Maria zeigen, wie sie zeichnen müsste.«

Mrs. Potter hatte erreicht, was sie wollte. Paul war jetzt willens und in der Lage, Marias Handschuh zu akzeptieren und sich damit auch zu arrangieren.

Sie wünschte den beiden viel Erfolg und verließ den Raum. Die Tür ließ sie offen. Paul hörte, wie sie sich auf dem Korridor zu schaffen machte. Sie war also noch in Hörweite.

* * *

Paul warf noch einmal einen recht deutlichen Blick auf Marias Handschuh. »Wenn Du so etwas tragen musst.« In Pauls Stimme mischten sich die Bewunderung für Maria mit der Verwunderung über dieses seltsame Trainingsgerät.

»Gefällt er Dir?« Pauls Meinung war ihr anscheinend wichtig.

»Ich habe so etwas noch nie gesehen. Er sieht schon toll aus.« Paul war ehrlich. »Aber es wäre leichter mit der Nachhilfe, wenn Du Deine Arme benutzen könntest.«

Maria blickte ihn an und seufzte leicht. »Das ist sicher richtig.« Sie versuchte zu zeigen, wie viel Freiraum sie noch hatte. »Aber ein wenig kann ich meine Arme ja bewegen.« Sie konnte ihre Arme auf dem Rücken pendeln lassen. Und sie schaffte es, sie etwas an ihrem Körper vorbei nach vorn zu bewegen.

Paul schaute fasziniert zu. Er war verwundert und erfreut zugleich, wieder diese geheimnisvolle Spannung vom Schulhof zu spüren. »Er ist wunderschön«, er wusste nichts anderes zu sagen. Und außerdem war es grundehrlich gemeint. »Aber warum trägst Du so etwas?«

Maria antwortete etwas leiser, aber mit viel Begeisterung in der Stimme. »Er hält meine Arme auf dem Rücken zusammen.« Paul hielt fast den Atem an. Maria blickte an sich herunter. »Und diese Riemen halten ihn fest, damit er nicht herunter rutscht.«

Paul folgte ihrem Blick, und jetzt fielen auch ihm die Riemen auf, die sich über Marias Brust kreuzten. Er sprach auch etwas leiser. »Darf ich ihn mal anfassen?«

»Gern, darfst Du«, Maria flüsterte ebenfalls. ‘Ich könnte Dich ohnehin nicht daran hindern’, dachte sie sich, ohne es auszusprechen. Paul streichelte ihr sehr zärtlich über die hilflosen Arme. Er spürte, das Maria etwas zitterte. Doch der Handschuh verbarg dieses, da er die Arme sicher festhielt.

Paul bekam eine Gänsehaut. Er wollte nachhaken. »Und warum machst Du das Training?«

Er bekam eine Antwort, die zwar ehrlich war, die ihm aber trotzdem nicht wirklich weiter half, Marias Training zu verstehen. »Für meine Mutter.« Er spürte durch ihrem Tonfall, dass er jetzt besser nicht nachfragen sollte. Er warf einen Blick auf das Mathematikbuch.

Maria folgte dem Blick und beide trafen sich bei der Aufgabe aus der Schule. »Ich habe nicht verstanden, warum ich bei diesem Winkel den Sinus brauche?« Sie war jetzt ernsthaft bemüht, sich auf Mathematik zu konzentrieren.

Paul fragte, welchen Winkel sie meinte.

Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, beugte Maria sich vor zu dem Gefäß mit Bleistiften, nahm einen davon in den Mund und zeigte Paul mit der Spitze des Bleistifts, welche der aufgeschlagenen Aufgaben sie meinte.

Paul war zu verwirrt, um es richtig zu realisieren, aber sie schien den Umgang mit den Bleistiften auf diese Art und Weise gewohnt zu sein. Der Bleistift zitterte nicht.

So langsam fand Paul auch den Weg zurück zu Mathe. Er griff das Thema auf und war bemüht, ihr die Zusammenhänge zu erklären.

* * *

Mrs. Potter blickte ab und zu durch die Tür auf den Schreibtisch, vor dem Paul und Maria standen und wirklich ernsthaft Mathematik machten. Sie war sehr erleichtert, denn Paul schien ein echter Glücksgriff zu sein. Er half Maria mit dem Unterrichtsstoff, er saß in der Klasse neben ihr und es schien, als hätten sie sich auch noch in einander verliebt. Genauso, wie es sein sollte.

Sie schaute auf die Uhr, es war bald 16 Uhr und für Maria würde es Zeit werden, sich für ihr Sportprogramm vorzubereiten. Sie ging auf das Zimmer zu und klopfte vorsichtig am Türrahmen.

Paul und Maria blickten auf und es fiel Paul schon auf, das Maria sich sofort komplett zu ihrer Erzieherin hin umdrehte. Sie schien wirklich streng erzogen worden zu sein.

»Ich wollte bloß wissen, ob ihr bald fertig seid.« fragte sie.

»Diese Aufgabe noch.« Aus Marias Augen strahlten Eifer und Verliebtheit um die Wette.

Ihre Erzieherin erinnerte sie daran, dass sie sich dann für den Sport umziehen müsste. Dann ließ sie die beiden weiter machen. Paul kam es schon ziemlich seltsam vor, dass sie in der Schule vom Sport befreit war und hier welchen machen musste.

Sie kamen mit der Aufgabe dann bald zum Schluss, und eigentlich wollte Paul sich schon verabschieden, als er spürte, das Maria noch etwas von ihm wollte.

Sie kam etwas näher und ihre Stimme wurde leiser. »Ich wollte mich noch mal dafür bedanken, dass Du mir auf dem Schulhof geholfen hast.« Paul kam auch einen Schritt näher. »Die anderen Mädchen sind immer so grausam,« sprach Maria, und dabei bekam sie einen recht traurigen Blick. »Sonst hält keiner zu mir, die denken alle, ich würde spinnen.«

Paul wollte Maria ehrlich trösten, deswegen legte er seine Arme um ihren Körper und zog sie an sich heran. Allerdings kamen seine Hände mit Marias Armen in Kollision, da diese auf ihrem Rücken gehalten wurden. Ohne dass Paul richtig wusste, was er tat, umfasste er mit einen Händen Marias Arme und hielt sie mit fest.

Maria blickte ihn mit großen Augen an, er war so nah. Ihre Lippen näherten sich und sie versanken in der Süße ihres zweiten Kusses.

* * *

Mrs. Potter blickte durch die Tür und lächelte, als sie sah, das die beiden sich küssten. Sie ließ ihnen Zeit, ihre Gefühle zu gießen. Erst nach einiger Zeit kam sie in das Zimmer und klopfte dabei leise an den Türrahmen.

Maria war sehr erleichtert, als sie nicht schimpfte, sondern sie nur an die Uhrzeit erinnerte. Diesmal hatte Maria auch das Protokoll vergessen, denn dazu hätte Paul sie loslassen müssen und das wollte in dem Augenblick keiner von beiden.

Dann war es aber doch Paul, der die Umarmung von sich aus löste, denn er spürte schon ein leichtes schlechtes Gewissen. Aber immerhin hatten sie ja auch eifrig Mathe gelernt. Beide blickten sich sehr verliebt in die Augen und Maria war es am ganzen Körper anzusehen, wie gern sie Paul auch umarmt hätte. Doch der Handschuh unterband dies zuverlässig.

»Ich muss dann Sport machen.« Marias Stimme klang etwas zitternd und es schien ihr gar nicht recht zu sein, dass sie jetzt getrennt wurden. Doch da war die Nähe von Mrs. Potter, die in der Tür stand.

Paul spürte, das der zärtliche Moment mit Maria vorbei war. Er hatte ihn sehr genossen. Jetzt schien Maria wieder in ihre alte Rolle zurück zu fallen. Ihr Blick wurde wieder etwas ruhiger.

»Ihr macht am besten Morgen gleich nach der Schule weiter« Mrs. Potter war ernsthaft bemüht, ihnen die Trennung leichter zu machen. Doch als Paul in Marias auf einmal sehr erschrockenes Gesicht blickte, war er etwas erstaunt.

Maria schien den Vorschlag ihrer Erzieherin nicht gut zu finden. Es war für ihn gut zu sehen, dass Maria einen Kampf mit sich selber führte. Es schien, als traute sie sich nicht, ihrer Erzieherin entgegen zu treten.

Mrs. Potter wusste natürlich genau, worum es Maria ging, doch da musste ihr Schützling durch, das musste sie lernen zu ertragen. Sie wandte sich noch mal an Paul. »Wenn Du Morgen Lust und Zeit hast, dann könntest Du uns auf einem Spaziergang begleiten.«

Paul war sehr davon angetan, ihn freute der Gedanke, auch einmal ohne Mathematik mit Maria zusammen zu sein. Er schaute zu Mrs. Potter herüber und bedankte sich für die Einladung.

Maria schien es nicht mehr auszuhalten. »Nein, das will ich nicht. Nicht wenn ich meine Stiefel trage.«

Mrs. Potter und Paul drehten sich beide erstaunt zu Maria hin. Ihre Erzieherin blickte sie sehr streng an und fragte süffisant: »Liebe Maria, wolltet ihr etwas sagen?«

Maria hatte schon ihren Mund aufgemacht und wollte loslegen, da sah sie in das auf einmal sehr strenge Gesicht ihrer Erzieherin und sofort wusste sie, dass es sehr unklug wäre, wenn sie jetzt etwas sagen würde. Diesen Blick kannte sie mehr als genug, und meistens bedeutete er ein paar Extra-Runden in ihrer »Folter-Kammer«. Doch das wollte Maria sich heute auf keinen Fall einhandeln.

Paul sah, wie bei Maria eine Träne die Wange hinunter lief. Er hätte sie gern getröstet, doch Mrs. Potter griff ein. »Jetzt solltest Du Dich von Paul verabschieden, er möchte gehen.«

Wieder war zu sehen, dass Maria mit ihren gefangenen Armen zuckte. Es schien sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Wieder musste ihre Erzieherin ihr helfen. »Du möchtest ihm vielleicht einen Abschiedskuss geben.« Sie drehte sich extra auffällig weg.

Paul stand auf seinem Platz wie festgeschraubt, so seltsam kam ihm das Ganze vor und ehe er sich versah, stand Maria vor ihm und blickte ihm in die Augen.

Ohne dass er wirklich wusste, was er tat, legte er wieder seine Arme um Maria und zog sie an sich heran. Maria schaute ihn verliebt an und flüsterte leise. »Dann bis Morgen.«

Paul sagte ebenfalls etwas und gleich darauf versanken sie in einem kurzen, aber sehr intensiven Kuss.

Mrs. Potter blickte heimlich ab und zu zu ihnen hinüber und als sie der Meinung war, sie hätte ihnen genug Zeit gelassen, räusperte sie sich. »Paul möchte dann gehen.«

Das war natürlich ein charmant ausgesprochener Befehl und Paul spürte dies auch deutlich. Er ließ Maria los und noch einmal tauschten sie intensive Blicke aus.

Mrs. Potter kam auf Paul zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er drehte sich um und ging in Richtung Tür, nicht ohne noch einmal zu Maria zu blicken und ihr zu zuwinken. Maria hätte auch gern gewunken. Ihre Arme zuckten auf ihrem Rücken, festgehalten von dem weißen Leder. So schenkte sie ihm noch einmal ein wunderschön verliebtes Lächeln.

* * *

»Na wie war die Nachhilfe?« Seine Oma war sichtlich neugierig.

Paul bemühte sich ruhig zu werden. Er war noch sichtlich bewegt von dieser so seltsamen Nachhilfestunde. »Maria ...« begann Paul. Da fiel ihm erst auf, dass er gar nicht wusste, was er zuerst sagen sollte.

Seine Großmutter wusste, welche Fragen sie stellen musste. »Ihr habt Euch wieder geküsst?«

Paul wollte sich rechtfertigen. »Nach der Nachhilfe.« Er wurde aber trotzdem rot dabei.

Selma war sensibel genug, um zu spüren, dass ihn noch etwas bewegte. »Du möchtest mir noch etwas erzählen?«

Ihr Enkel war dankbar für diese Frage. »Ja, das war alles so seltsam. Maria konnte ihre Arme nicht benutzen.« Er beschrieb die merkwürdige weiße Lederhülle.

Selma hörte sich den Bericht an, dann nickte sie verständig. »Maria hat einen Monohandschuh getragen.« Sie schien kurz nachzudenken. »Die drei Töchter mussten so etwas auch tragen. Gab es bei Maria auch über der Brust gekreuzte Riemen?«

Vor Erstaunen stand Paul der Mund auf. »Woher weißt Du das?«

«Das gehört zu dem Monohandschuh dazu«, erklärte sie ihm. »Die Riemen sorgen dafür, das der Handschuh nicht die Arme herunter rutschen kann.«

Paul erinnerte sich daran, das Maria so etwas ähnliches gesagt hatte. Er wollte es genauer wissen. »Maria hat gesagt, sie müsse etwas trainieren. Weißt Du, was sie da gemacht hat?.«

Statt einer Antwort stellte seine Großmutter wieder eine Frage: »Du hast Maria doch in den Armen gehalten. Hast Du da so etwas wie ein Korsett gespürt?«

Obwohl Paul jede Sekunde mit Maria genossen hatte, war ihm so etwas nicht aufgefallen. »Darauf habe ich nicht geachtet.«

»Trug Maria hohe Absätze?«

In seinen Gedanken ging Paul noch einmal das Bild durch, welches er sich von Maria mitgenommen hatte. Ihm fiel ein, das sie ja noch die Stiefel aus der Schule trug, und die hatten Absätze. Er beschrieb sie seiner Oma.

Diese nickte wissend. »Ich würde mal vermuten, das Maria ein Korsett-Training macht. Der Monohandschuh ist dann nur ein Hilfsmittel dafür.«

Paul war sichtlich interessiert. Bisher wusste er über Korsetts so gut wie gar nichts. Er blickte seine Oma neugierig an, aber er wusste nicht, welche Fragen er stellen sollte.

Selma beschrieb ihm die Wirkung der einzelnen Bestandteile des Trainings. »Der Monohandschuh hilft vor allem, den Brustkorb zu weiten, weil mit dem Korsett eine Bauchatmung nicht mehr möglich ist.« Sie machte eine Pause, weil sie Paul Zeit zum Nachdenken geben wollte.

»Das Atmen geht auch leichter, wenn Maria ganz gerade steht. Dabei helfen hohe Absätze, denn dann streckt sich der Körper, und der Bauch wird kleiner.« In Gedanken sah Paul die zierliche Figur von Maria vor sich. »Die Schultern werden zurückgenommen und geben der Brust mehr Raum.«

Paul schaute seine Oma total erstaunt an. Doch sie war noch nicht fertig: »Und das Korsett hebt auch die Brüste und bewirkt auch ein schönes Dekolleté, welches die Männer sehr gern mögen.« Paul wurde rot.

* * *

Kalt strahlte des Neonlicht von der Decke. Aus dem kleinen Kellerfenster drang nur wenig zusätzliches Tageslicht in den Raum. Ein starker Hauch von Schweiß und Anstrengung lag in der Luft.

In dem Raum standen verschiedene Sportgeräte. Eine Laufband, ein Trimm-Fahrrad, diverse Maschinen zum Gewicht-Heben, ja sogar eine Kniebeuge-Maschine - alle standen in dem kleinen Raum. Auffällig waren bei fast allen Maschinen die Erweiterungen, die man auf den zweiten Blick entdecken konnte. Bei jeder Maschine stand eine Art Zählmaschine dabei und fast überall dort, wo man normalerweise die Geräte anfaßt, waren kleine Lederriemen angebracht, teilweise verliefen unauffällig Drähte von den Zählern zu den Riemen.

Auch eine Rudermaschine stand in dem Raum, und von dort kamen die einzigen Geräusche, die in dem Raum zu hören waren. Am Lautesten war die Maschine selbst, wenn die Ruder bewegt wurden. Ein rhythmisches Knistern von Plastik war etwas leiser zu hören.

Dazu kam Marias Stöhnen, welches mit jedem Ruderschlag lauter wurde. Der Schweiß lief ihr in Strömen durch das Gesicht. Sie hätte gern gewusst, wie weit sie schon war, doch sie konnte die Zähler vor lauter Schweiß nicht mehr ablesen. Sie konnte sich die Augen auch nicht auswischen, denn ihre Hände wurden mit den Riemen an den Rudern festgehalten. Immer heftiger waren ihre Bewegungen. Fast konnte man meinen, sie würde vor einem Seemonster davon rudern wollen.

Endlich machte es »Klick« und die Riemen an den Händen sprangen auf. Maria merkte dies in ihrem Schwung erst gar nicht. Erst als die Rudermaschine gebremst wurde, nahm sie ihre Hände von den Stangen und konnte sich endlich die Augen frei wischen.

Maria blickte sofort auf die kleine Uhr an der Wand und dachte zuerst an einen Fehler, denn so schnell war sie noch nie fertig gewesen. Sie nahm sich das bereitliegende Handtuch und trocknete sich ihren Kopf etwas ab. Dann stand sie auf. Überall an ihrem Körper klebte das Plastik ihres Schwitzanzuges, und sie freute sich schon sehr auf ihre Dusche. Auch ihr Sportkorsett saß diesmal besonders locker. Sie fühlte kaum etwas von den Korsettstangen, und um ihre Taille spürte sie nur das Plastik ihres Trainingsanzugs.

Mit sehr glücklichem Gesicht ging sie in das Nachbarzimmer, wo Mrs. Potter schon wartete. Auch sie schaute sofort auf die Uhr, als sie ihren Schützling verschwitzt auf sich zu kommen sah. »Oh, Du bist heute aber früh fertig.«

Maria lächelte erschöpft, aber glücklich. Sie war noch sichtlich außer Atem. »Ja, ich habe mich heute extra in die Riemen gelegt.« Sie grinsten beide über das gelungene Wortspiel.

In diesem Moment war es nur ein Ritual, doch auch hier ließen sich beide in das Protokoll fallen. Maria stellte sich gerade vor ihre Erzieherin hin und wartete immer noch leicht keuchend. Mrs. Potter nahm diese Geste zur Kenntnis, aber wartete noch einige Zeit, bis sich der Atem der Sportlerin weiter beruhigt hatte. Dann kam der übliche Satz: »Nun Maria, was wünscht ihr?«

Marias Augen funkelten heute besonders als sie jetzt ihren Kopf hob und ihre Erzieherin ansah. »Würden Sie mich bitte aus meinem Korsett heraus lassen, ich möchte gern duschen.«

Auf dem kleinen Tisch lag das große Schlüsselbund, welches Mrs. Potter jetzt langsam zur Hand nahm. Während sie nach dem richtig Schlüssel suchte, überlegte Maria total fasziniert, dass alle dieser Schlüssel zu ihr gehörten. Sie selbst hätte nicht gewusst, welcher der vielen Schlüssel für welches Schloss war. Diesen Überblick hatte nur ihre Erzieherin.

Sie wartete geduldig, bis Mrs. Potter ihr das Sport-Korsett geöffnet hatte, dann bedankte sie sich und ging ruhigen Schrittes nach oben in Richtung Bad. Nur noch das Plastik ihres Anzugs knisterte etwas.

Mrs. Potter nahm indessen ein kleines Buch zur Hand und ging dann zu einzelnen Sportmaschinen. Bei jeder der Maschinen blieb sie stehen und notierte den Zählerstand. Sie öffnete das Fenster, dann machte sie das Licht aus und ging ebenfalls nach oben.

* * *

Sie hatte sich ein Handtuch um den Körper geschlungen, ein weiteres trug sie wie ein Turban auf dem Kopf. Maria betrat ihr Ankleidezimmer und öffnete den begehbaren Schrank. Sie ging zu den Fächern mit der Freizeitkleidung und nahm sich ihre Abendjacke und einen dazu passenden Rock heraus.

Sie legte sich die Sachen über den Arm und wollte gerade in ihr Fernsehzimmer gehen, als ihr ihre Erzieherin über den Weg lief. Mrs. Potter erkannte sofort, was Maria sich aus dem Schrank herausgenommen hatte, deswegen musste sie die Pläne ihres Schützlings ändern.

»Heute ist Euer Nacht-Korsett aus der Reinigung gekommen und das müssen wir ganz neu schnüren. Das wird lange dauern.« Sie sprach nicht aus, dass Maria heute keinen Fernseh-Abend bekommen würde, das verstand sich auch so.

Maria freute sich, denn obwohl es sehr streng war, trug sie dieses Korsett gern. Sie verließ den Raum und brachte ihre Abendkleidung wieder zurück in den Schrank.

Dann ging sie durch die kleine Tür in ihr Schlafzimmer, wo Mrs. Potter schon dabei war, den großen Karton mit dem Korsett auf zumachen und es auszupacken.

Zu anderen Gelegenheiten musste Maria sich immer bitten lassen, doch heute schien sie glänzende Laune zu haben. Sie nahm die Hängefesseln aus der kleinen Kommode und brachte sie an dem Trapez an. Sie probierte den Sitz der Lederriemen aus und als sie damit zufrieden war, stellte sie das Trapez auf die richtige Höhe ein.

Mrs. Potter war damit beschäftigt, die vielen Korsettschnüre zu sortieren und blickte nur nebenbei auf die Aktivitäten ihres Schützlings. Diesmal schien Maria wirklich alles selber machen zu wollen.

Maria hatte sich die kleine Fußbank unter das Trapez gestellt und probierte noch einmal die Höhe aus. Sie stellte das Trapez etwas höher und war dann mit ihren Vorbereitungen zufrieden. Sie stellte sich auf die kleine Fußbank und überlegte noch einmal kurz, ob sie an alles gedacht hätte. Sie würde sich in die Hängefesseln hinein hängen, dann ihren Körper etwas hochziehen und mit den Füßen die kleine Bank, auf der sie bisher stand, wegstoßen. Der Effekt würde dann sein, dass sie nur noch von ihren Handgelenken gehalten wurde und somit ergab sich, dass sie sich selbst aus dieser Stellung nicht mehr befreien konnte.

Diese Haltung war wichtig, damit Mrs. Potter das Korsett richtig zuschnüren konnte. Maria holte noch einmal tief Luft, dann spannte sie ihre Arme an, damit ihre Beine entlastet wurden. Sie schaute nach unten und stieß mit dem Fuß die kleine Bank weg. So hing sie bereit für das Korsett.

Mrs. Potter wartete noch einen Moment, bis sich der Atmen von Maria wieder beruhigt hatte, dann nahm sie die große schwere Lederhülle und trat auf Maria zu. Sie hielt ihr als erstes das Beinteil hin und Maria blickte nach unten, als sie ihre Füße in das Beinteil steckte. Sie musste ihre Füße wie bei ihren Ballett-Stunden strecken und konnte sie dann in das gepolsterte Fußteil des Korsetts stecken. Es war wie ein Ballett-Stiefel gearbeitet und es wäre Maria sogar möglich gewesen, damit zu stehen. Doch dieses Korsett hatte sie bis auf die Anproben bisher immer nur in der Nacht im Liegen getragen.

Mrs. Potter legte ihr als nächstes den oberen Teil um ihre Schulter und sicherte es mit zwei zusätzlichen Riemen über die Schultern, die das Korsett solange festhalten würden, bis es komplett geschnürt war.

Um die Zeit zu überbrücken, die sie erfahrungsgemäß mit dem Schnüren verbringen mussten, begann Mrs. Potter, Maria nach ihrem Tag zu fragen.

Maria nutze diese Zeit auch gern, um von den Tageserlebnissen zu erzählen. Oft genug hatte wieder von den anderen Mädchen zu erzählen, die sie auf dem Schulhof mal wieder geärgert hatten, doch diesmal gab es nur ein Thema: Paul. Wie einer besten Freundin erzählte Maria von den ersten gemeinsamen Erlebnissen und den schönen Küssen. Gleichzeitig spürte sie, wie Mrs. Potter es immer strenger zusammenschnürte.

»Ich glaube, ihr braucht bald ein neues Korsett.« Die Stimme ihrer Erzieherin klang fast etwas verwundert. »Ich glaube, ich könnte Euch heute die Schnürung komplett schließen. Seit ihr bereit dazu?«

Maria fand es in Ordnung, dass sie gefragt wurde, auch wenn ihr klar war, dass ihre Antwort nur ‘Ja’ lauten konnte. Immerhin erfüllte es sie mit Stolz, dass sie jetzt endlich komplett in dieses so superstrenge Korsett geschnürt werden konnte. Wenn die Schnürung geschlossen sein würde, dann war es Maria nicht mehr möglich, auch nur irgendetwas außer ihrer Arme und ihres Kopfes zu bewegen. Der restliche Körper war in dieses Monsterkorsett eingesperrt.

Immer weiter kam Mrs. Potter mit der Schnürung und Maria spürte mit Wohlwollen, wie es diesmal besonders streng geschnürt wurde. Sie begann neben ihren Erzählungen vom Tag leise zu stöhnen.

Als jedoch das Stöhnen überhand nahm, kam von Mrs. Potter doch die recht ernst gemeinte Frage, ob Maria einen Knebel haben wollte. Dies erinnerte Maria erst einmal daran, sie nicht so gehen zu lassen. Wenn sie sich sonst auch an die Knebel gewöhnt hatte, beim Korsettschnüren wären die einfach nur lästig. Außerdem erzählte sie viel lieber von Paul.

»So, fertig.« Mrs. Potter legte die Lederabdeckungen über die Schnürungen und ließ das kleine Schloss in Marias Nacken einrasten, dann trat sie zu der Kurbel des Trapezes und begann Maria herunter zu lassen.

Nur weil das Trapez gleich neben dem Bett angebracht war, war es für Maria trotz ihren jetzt sehr hilflosen Körpers leicht, ins Bett zu kommen.

Allerdings war selbst das alleine völlig unmöglich, denn jetzt steckte ihr ganzer Körper vom Hals bis zu den Zehenspitzen in dem Korsettmonster und wurde von dem Leder und den langen Korsettstangen unnachgiebig festgehalten.

Mrs. Potter ließ Maria noch einige Zeit neben dem Bett stehen. Maria konnte sich an dem großen Kopfende festhalten und gewöhnte sich etwas an die neuen Gefühle.

Derweil holte Mrs. Potter die Haube aus der Nachttischschublade. Maria stöhnte leise, als sie sah, dass es die ganz strenge Ausführung war. ‘Ist das Korsett denn nicht schon streng genug?’ dachte sie, doch sie wusste ja, dass sie gestern eine Freinacht hatte und dass sie den gestrigen Tag nachzuholen hatte.

Mrs. Potter hatte auch den Mundschutz heraus gelegt. Maria schluckte. Wenn sie schon die Haube nicht mochte, dieses Ding hasste sie. Dabei war es noch einer ihrer bequemsten Gegenstände aus dem Schönheitsprogramm, denn sie konnte den Schutz einfach zwischen die Zähne nehmen und musste dabei nur aufpassen, dass ihre Zunge auch Platz fand in dem Hohlraum, welches des Plastikteil frei ließ. So konnte sie ihren Mund fast ganz schließen und war so recht bequem für die Nacht versorgt. Natürlich hätte sie den Mund öffnen können, um den Mundschutz wieder heraus zu nehmen, wenn da nicht gleich danach ihre Haube um den Kopf geschnürt werden würde.

Maria besaß mehrere solcher Masken, einige davon ließen Augen und Nase frei. Bei manchen waren nur noch die Nasenlöcher frei. Heute hatte Mrs. Potter die ganz strenge Maske herausgelegt. Den Mund öffnen konnte sie damit natürlich auch nicht mehr.

Obwohl Maria eigentlich schon total hilflos war, nahm Mrs. Potter sie noch in die Pflicht, was das Anlegen ihrer Nachtgegenstände betraf. Sie reichte ihr diesen vermaledeiten Mundschutz, den Maria nun wirklich nicht mochte.

Maria seufzte. Sie hatte schon gelernt, dass es wenig Sinn hatte, sich dagegen aufzulehnen. So würde sie eben gleich stumm wie ein Fisch sein. Sie schloss ihre Augen und mit Todesverachtung öffnete sie ihren Mund, schob sich langsam den Mundschutz hinein, und nachdem ihre Zunge den für sie vorgesehenen Platz gefunden hatte, schloss Maria langsam ihren Mund. Sie machte die Augen auf und blickte Mrs. Potter wortlos an.

Mrs. Potter fragte noch einmal ob alles in Ordnung war, und Maria nickte noch einmal leicht. Dabei lief ihr eine Träne die Wange hinunter. Dies ignorierte Mrs. Potter und zog ihr die strenge Haube über den Kopf. Dann begann sie die Schnürung am Hinterkopf zu schließen, und immer enger legte sich die Maske um Marias Kopf.

Maria musste ja zugeben, dass diese Haube sehr bequem war. Wenn sie richtig geschlossen war, dann fühlte es sich an wie ihre zweite Haut. Doch von ihren Sinnen konnte Maria danach nicht mehr viele benutzen. Die Augen waren durch die Maske verschlossen, über den Ohren waren noch einmal extra Polster, die sämtliche Geräusche abdämpften. Reden konnte sie nicht mehr, weil die Maske das Öffnen des Mundes verhinderte. Und natürlich hätte sie den Mundschutz nicht mehr herausnehmen können. Lediglich Fühlen mit den Händen und Riechen waren Maria geblieben und sie dachte mit Schaudern an die Samstag Nacht, wenn es noch viel strenger sein würde. Mit einem kleinen Schauer spürte sie, wie Mrs. Potter die Abdeckung über die Schnürung legte, und wie auch hier das kleine Schloss mit einem fühlbaren Klicken einrastete. Nun war sie wieder vollständig gefangen.

Nur sehr gedämpft hörte Maria die Stimme ihrer Erzieherin, die ihr jetzt erklärte, dass sie sie auf das Bett legen würde. Nur schwach spürte Maria die Berührungen und wieder erschauerte Maria, weil ihr hier wieder einmal bewusst wurde, wie streng ihr Nachtkorsett doch war.

Dass sie von Mrs. Potter noch zugedeckt wurde, spürte Maria nur, weil sie mit ihren Händen noch tasten konnte. Samstag Nacht würde das auch nicht mehr möglich sein.

»Gute Nacht mein Schatz.«, Maria hörte die Stimme ihrer Erzieherin nur ganz leise und nur ganz schwach spürte sie den Gutenachtkuß auf ihrer Stirn.

Maria wollte ebenfalls ein »Gute Nacht.« sagen, aber zu hören war davon nur ein Brummen.

Mrs. Potter blickte noch einmal liebevoll auf Marias Bett, machte dann das Licht aus und verließ das Zimmer.

Maria freute sich auf die kommenden Tage. Sie dachte an Paul und seine zärtlichen Küsse sowie an die Samstag Nacht, wenn es für sie so richtig streng werden sollte.