Maria – Neue Freiheiten
Autor: Karl Kollar
Ein großes Dankeschön an meine beiden Co-Autorinnen Lia und Redcat
Mit zitternden Händen wählte die Reporterin Andrea Baseling die Nummer von Maria und ihrer Erzieherin. Es war aber weniger die Angst vor dem schwierigen Termin, die sie so zittern ließ. Es war mehr die Frage, ob sie den Mut aufbringen würde, zu fragen. Zu gern würde sie sich einmal in solch einen Monohandschuh einschnüren lassen, wie Maria ihn so anmutig tragen konnte.
Doch zunächst musste sie überhaupt erst einmal einen Termin bekommen. Andrea wusste, dass Maria aus diversen Gründen einen sehr vollstopften Terminkalender hatte und sie hoffte nicht nur aus beruflichen Gründen, dass sie Zeit für einen Termin finden würden. Denn da war etwas an diesem Mädchen, was sie besonders faszinierte.
Mrs Potter meldete sich.
Andrea nannte ihren Namen und trug ihr Anliegen vor. Zu ihrem Erstaunen schien die Erzieherin Marias Termine sehr genau im Kopf zu haben. Sie bot ihr an, am Freitag Nachmittag vorbei zu kommen, da hätte Maria zwei Stunden frei. Sie müsse dabei allerdings trainieren.
Die Reporterin war erleichtert und aufgeregt zugleich. Sie sagte den Termin zu, dann ließ sie noch Grüße an Maria ausrichten und verabschiedete sich.
Andrea freute sich, denn sie wußte, was Maria trainierte. Sie würde dann sicher wieder den Handschuh tragen, den die Reporterin so unheimlich faszinierend fand.
Dennoch ärgerte sie sich. Zum einen, weil sie nicht den Mut zum Fragen gefunden hatte. Zum anderen aber auch, weil ihr Chef diese Reportage in der Bedeutung heruntergestuft hatte. Seit die Baroness diese Rolle sozusagen verloren hatte, war die Begleitung der Katerinadarstellerin unwichtig geworden. Ein einfaches Mädchen aus dem Volk sei bei weitem nicht so nicht öffentlichkeitswirksam, hatte ihr Chef ihr erklärt.
Sie war da ganz anderer Meinung. Sie fand es sehr faszinierend, wie anmutig und auch stolz Maria diesen so strengen Monohandschuh tragen konnte.
* * *
Andrea hatte die Tage bis Freitag kaum abwarten können. Jetzt hatte sie sich auf eigene Kosten ein Taxi genommen und war auf dem Weg zu ihrem zweiten Interview mit dieser so faszinierenden jungen Frau. Ein Woche war vergangen, in der Maria sicher einiges im Rahmen der Ausbildung für die Katerina hatte machen müssen und Andrea fragte sich, was es wohl so alles zu erfahren gäbe.
Wieder ging sie in Gedanken die Ereignisse durch, die dazu geführt hatten, dass Maria mit dieser Rolle betraut wurde. Die Comtesse hatten einen schweren Unfall gehabt und war für das nächste halbe Jahr wegen den schweren Verletzungen nicht eimmal in der Lage zu gehen, geschweige denn die Rolle auf dem Fest zu spielen.
Es war allgemein bekannt, dass die Comtesse oft ohne sich anzuschnallen Auto fuhr. Trotzdem war die Reporterin über die Schwere der Verletzungen sehr erstaunt, zumal es nicht bekannt war, wie kaputt das Auto war. Es wurde bloß in den Zeitungen berichtet, die Baroness wäre gegen einen Baum gefahren. Es gab aber auf der betreffenden Straße, wo sich der Unfall ereignet haben sollte, nur drei Bäume und keiner davon zeigte eine größere Beschädigung.
Es war außerdem sehr erstaunlich, wie schnell der Baron einen Ersatz gefunden hatte. Ein Verdacht keimte in ihr hoch. Doch dann schalt sie sich eine Närrin. Warum sollte der Baron seine Tochter aus dem Weg räumen wollen, das ergab überhaupt keinen Sinn. Andrea schob ihr berufliches Mißtrauen zur Seite.
Ob sie es diesmal schaffen sollte? Sie würde den Handschuh gern einmal probieren, aber sie wußte nach wie vor nicht, wie sie danach fragen sollte.
* * *
Es kam Andrea vor, als freue sich die Erzieherin von Maria über ihre Ankunft. Das war bei weitem nicht selbstverständlich. Im Gegenteil, oftmals war die Presse überhaupt nicht gern gesehen. Andrea war über diese Aufnahme sehr erleichtert. Sie legte ihre Jacke ab und folgte Mrs. Potter in das Wohnzimmer.
Sofort fiel ihr Blick auf Paul und Maria und sie sah, daß er gerade die abschließende Schleife in der Schnürung von Marias Handschuh band. Sie blickte neugierig auf Maria und ihren Handschuh. Sie war sowohl fasziniert von der Anmut Marias auch von ihrer Hilflosigkeit in diesem so seltsamen Gegenstand.
Ein klein wenig wunderte sie sich, denn sowohl Paul als auch Maria waren sehr förmlich gekleidet. Paul trug zur schwarzen Stoffhose ein weißes Hemd und Maria hatte einen schwarzen fast wadenlangen Rock zu weißen Bluse an. Dazu schwarze sehr schicke Stiefel und eben den Monohandschuh in ebenso schönem wie unschuldigem Weiß. Mrs. Potter erwähnte den Termin bei der Sparkasse, der sich gleich an das Interview anschließen würde.
Sie trat auf die beiden zu und reichte Paul die Hand. Er erwiderte den Gruß.
Sie blickte auf Maria und war sehr erstaunt, als diese ihre in der Lederhülle verpackten Armen rechts an ihrem Körper vorbei nach vorne schob und Andrea auffordernd und mit einem verschmitzten Lächeln anblickte.
Die Reporterin brauchte einen Moment, bis sie erkannte, was diese Geste bedeutete. Maria wollte ihr ebenfalls die Hand reichen. Andreas Hand zitterte fast etwas, als sie Marias verhüllte Hände ergriff und ihr so ebenfalls andeutungsweise die Hand schütteln konnte.
Mrs Potter kam in das Wohnzimmer und trug einen Kuchen vor sich her. »Jetzt gibt es erst mal Kaffe und Kuchen.«
Unbewußt blickte Andrea auf Marias verpackte Arme. Doch Maria hatte diesen Blick entdeckt und spürte die Verwunderung der Reporterin. Sie drehte sich halb zu Paul hin und strich ihm mit ihren Armen zärtlich den Rücken entlang. »Er wird mir helfen,« antwortete sie auf die nicht gestellte Frage.
Andrea mußte schlucken, so sehr war sie von Maria fasziniert.
Mrs Potter unterbrach sie. »Jetzt nehmt doch erst mal Platz.«
Die Reporterin war von der familiären Wärme, mit der sie empfangen wurde, verunsictert, deswegen ließ sie Paul und Maria den Vortritt. Sie setzte sich dann auf den verbliebenen Platz. Sie blickte verstohlen auf Marias Platz und sah, daß in ihrer Tasse ein Strohhalm steckte.
Die Erzieherin schenkte den Kaffee ein. Paul versorgte sich und seine Freundin mit Milch und Zucker, während Andrea ihren Kaffee am liebsten schwarz trank.
Maria beugte sich vor und mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit nahm sie den Strohhalm in den Mund und nahm einen vorsichtigen ersten Schluck Kaffee.
Paul legte sich zwei Stück Kuchen auf den Teller, dann nahm er seine Gabel zur Hand und trennte ein kleines Stück ab. Er spießte es auf und vorsichtig näherte er sich damit Marias Mund. Sie lächelte ihn dankbar an, dann öffnete sie ihre Lippen und nahm das Stück von der Gabel.
Andrea war so fasziniert, dass sie selbst ihren Kaffee total vergaß. Es machte so einen selbstverständlichen Eindruck, wie Maria hier gefüttert wurde. Eigentlich wäre es doch total demütigend, so essen zu müssen, doch zwischen Paul und Maria war es etwas ganz anderes. So unheimlich liebevoll sorgte Paul für seine hilflose Freundin, während Maria die Behinderung durch den Handschuh überhaupt nichts ausmachte. Im Gegenteil. Ihr Blick zeigte sehr viel Stolz und Glück. Auf einmal wußte Andrea, was es war.
Es war Liebe!
* * *
Mrs. Potter unterbrach Andreas Gedanken, in dem sie sie an den Zweck ihres Besuchs erinnerte. Doch Andrea war noch zu sehr verzaubert von der Ausstrahlung von Maria, um sofort darauf zu reagieren. So bat die Erzieherin Maria, von ihren Erlebnissen in der Woche zu erzählen.
Andrea versuchte sich innerlich wach zu rütteln, dann griff zu ihrer Tasche und nahm ihr Diktiergerät heraus. Sie schaltete es an und legte es dann zwischen sich und Maria auf den Tisch.
Maria war noch etwas mit Kauen beschäftigt, als sie der auffordernde Blick der Reporterin erreichte. Sie schluckte hinunter und blickte kurz noch einmal zu ihrer Erzieherin. Diese warf ihr einen ermutigenden Blick zu, so als hätte Maria um Erlaubnis gefragt.
Maria war mit einigen Erwartungen zu dem Geschichtsunterricht für die Hauptdarstellerin gegangen, so erzählte sie, doch im Nachhinein betrachtet war es für sie nur eine einzige Enttäuschung. »Eigentlich hätte ich mir das sparen können.« Sie blickte liebevoll zu Paul. »Deine Oma hat das wesentlich schöner erzählt.«
Sie beugte sich leicht zu ihm hin und schaffte es, ihn mit ihren in der Lederhüllen gefangenen Armen zu streicheln. Dabei stellte sie einige Vergleiche an. »Bei Deiner Oma konnte man richtig träumen. Am Montag hingegen war es einfach nur nüchtern. Fast nur Jahreszahlen.«
Deutlich spürte die Reporterin, das Maria von dem Termin ziemlich enttäuscht war.
Andrea fragte nach den Hintergründen des Festes. Sie hatte sich natürlich informiert, aber es war sicher auch interessant zu erfahren, wie die Hauptdarstellerin ihre Rolle sah.
Maria berichtete von den historischen Begebenheiten, sehr ausführlich und nur selten fand Paul noch etwas zu ergänzen. Beim Happy-End hatte Maria einen gewissen Glanz in den Augen und blickte Paul verträumt an.
Andrea hoffte, diesen Blick in ihrem Bericht einfangen zu können. Sie war beeindruckt, wie gut Maria ihre Rolle kannte.
»Danach mußte ich gleich zum Sport,« Marias Stimme klang beeindruckt. »Der Festausschuß hat mich da hingeschickt.«
Andrea verstand nicht ganz, warum dem Festausschuß der Sport so wichtig war. Sie fragte nach.
Maria nahm einen Schluck mit dem Strohhalm, dann erklärte sie. »Ich war bei den Kampfsportlern. Sie haben mir beigebracht, wie ich mich ohne Arme dennoch verteidigen kann.«
Andrea war sichtlich interessiert.
»Wichtig ist vor allem, beherzt aufzutreten. Und sich nicht einschüchtern zu lassen.« Sie blickte in Richtung ihrer Beine. »Und die Beine richtig einsetzen. Sie haben mir sogar gezeigt, wie ich die Ketten für mich einsetzen kann.«
Mrs Potter war an den Aufgaben ihres Schützlings ebenfalls interessiert. »Natürlich wird die hilflose Darstellerin auf dem Fest rund um die Uhr bewacht,« fügte sie hinzu, »trotzdem verleiht es der Rolle mehr Ausdruck, wenn die Darstellerin weiß, welche Verteidigungsmöglichkeiten ihr verbleiben.«
Auch Paul war von Marias Engagement sehr beeindruckt. Er streichelte Marias Schulter und blickte sie mit einem gespielten Vorwurf an. »Ich muß versichtig sein.«
Maria wußte, auf was er anspielte. Sie lächelte entschuldigend. »Das mit dem Schienbein war ein Versehen.« Sie streichelte ihn mit ihrem Handschuh, blickte ihn liebevoll an und tröstete ihn. »Das wird nicht wieder vorkommen.«
Paul blickte sie sowohl verliebt als auch besorgt an.
»Am Dienstag wart ihr beim Sportverein zum Tanzen?« Andrea sagte, dass sie früher gelegentlich auch dort getanzt hatte.
Marias Blick betrübte sich etwas. »Der Prinz war wieder nicht da.« Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie etwas bedrückte. »Doch das Tanzen war schön.« Doch dann blickte sie mit einem erneuten Lächeln zu Paul. »Du machst das wirklich gut.«
Er wiegelte bescheiden ab.
Maria stupste ihn mit den Armen in die Seite. »Jetzt sei nicht so bescheiden, du machst das gut.«
Paul mußte lächeln.
Andrea blickte verwundert zu Paul.
»Ich bin für den Neffen des Barons eingesprungen.« Paul merkte an, daß er dafür die Schritte könne. »Aber ich werde das ja nicht brauchen. Der Baron hat versprochen dafür zu sorgen, dass der Prinz beim nächsten Termin erscheinen wird.« Irgendwie war bei ihm Erleichterung zu spüren.
Andrea zog nur kurz die Augenbrauen hoch.
Maria fiel ein, dass sie vorher ja noch beim Orthopäden war. »Er hatte nichts auszusetzen.«
Paul erinnerte an die Lockerungsübungen.
Sie lachte. »Ja, ich soll gelegentlich auf die Lockerheit meiner Arme achten.« Sie machte eine Pause und schien zu träumen. »Aber das muss ich ja sowieso machen.«
Ihr fiel ein, dass sie die Dienstagsprobe bei ihrer Musikgruppe ausfallen lassen mußte. Es klang ein wenig Traurigkeit in ihrer Stimme mit.
Paul wollte sie trösten. »Aber dafür hast Du es ja jetzt schriftlich, dass Du den Handschuh tragen darfst.«
Maria lächelte ihn an. »Ja, Du hast recht. Ich konnte ihn am Mittwoch auch gleich vorzeigen.«
Andrea blickte ein wenig verwirrt.
»Am Mittwoch hat uns Herr Weiterer besucht.« Maria erklärte, dass dieser Herr jeder Katerina-Darstellerin das Tragen des Monohandschuhs beigebracht hatte.
Andrea lächelte, denn sie wußte, dass Maria diesen Unterricht nun wirklich nicht mehr brauchte.
Paul beschrieb, wie der Lehrer sie die ganze Zeit mit Sophie verwechselt hätte und nur geschimpft hatte. »Als er dann erfahren hat, dass Maria noch nicht beim Orthopäden war, ist er ganz ungehalten geworden.«
»Aber vorgestern war er ganz anders.« Es war Maria anzuhören, dass sie noch bewegt war von dem Besuch. »Er hatte einen Blumenstrauß dabei und entschuldigte sich. Er hätte mich mit der Baroness verwechselt und es täte ihm sehr leid, dass er so geschimpft hatte.«
In Marias Stimme war deutlich zu hören, wie gern sie diese Entschuldigung angenommen hatte. »Ich konnte ihm dann aber trotzdem den Bericht vom Orthopäden zeigen.«
Paul erwähnte noch, wie sehr er Maria dann noch für ihre Gelenkigkeit gelobt hatte.
»Dann kam auch schon Frau Bayer und hat uns abgeholt. Es stand auf dem Plan, dass die zukünftige Katerina sich einmal das Museum des Festes in aller Ruhe ansehen durfte.«
Maria sprach es das erste Mal aus. »Es ist schon sehr aufregend, dass ich den Handschuh jetzt überall tragen darf.«
Andrea blickte sie mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid an. Doch dann stutzte sie. »Du hast Den Handschuh auch im Museum angehabt.« Nur nebenbei fiel ihr auf, dass sie über den Handschuh wie über ein normales Kleidungsstück sprach.
Paul platzte fast vor Stolz auf seine so seltsam talentierte Freundin. »Wir wurden sogar vom Bürgermeister empfangen.«
Andreas Blick wurde immer verwunderter.
»Das Museum ist in dem Zimmer neben dem Bürgermeister untergebracht,« erklärte Paul. »Es wird aber nur in den Jahren um das Fest herum geöffnet und auch nur am Sonntag Nachmittag.« Er blickte stolz auf seine Freundin. »Für Maria gab es eine Ausnahme.«
»Bei dem Termin hätte auch der Darsteller des Prinzen anwesend sein sollen, aber der hatte mal wieder was besseres zu tun.« Es war deutlich in Marias Stimme zu hören, was sie von dem Neffen des Barons hielt.
Paul erwähnte, dass er aufgrund von Renates Anregung hin mitgekommen sei.
»Der Bürgermeister hat mit dem Handschuh so seine Probleme gehabt,« erinnerte sich Maria mit einem deutliche Lächeln in der Stimme. Er hatte ihr erst die Hand schütteln wollen und bot ihr etwas zu trinken an. Dann erst war sein Blick wieder auf den Handschuh gefallen und ihm fiel sein Fehler auf. Er hatte sich entschuldigt und gab an, dass dies sein erstes Fest sei und dass er mit den Besonderheiten des Festes noch so seine Schwierigkeiten hätte.
Maria hatte ihn nur angeblickt und gelächelt. »Das ist kein Problem, für mich ist es ja auch noch sehr ungewohnt.« Im Nachhinein dachte sie darüber nach, dass es vielleicht ein wenig anders gemeint war, als es als Botschaft angekommen war. Aber das sollte ihr Geheimnis bleiben.
Er hatte sie persönlich zum Museum geführt und dann aber an Frau Bayer übergeben. »Sie können das bestimmt besser erklären als ich.« Er entschuldigte sich und verwies auf seine anderen Termine.
Renate war in das Museum vorangegangen. Sie wartete, bis Maria und Paul ebenfalls eingetreten waren, dann ging sie zur ersten Vitrine und zeigte auf das ausgestellte Kleid. »Dieses Kleid wurde entsprechend den historischen Angaben nachgeschneidert. Es entspricht dem was wir als allererste Aufzeichnungen besitzen.«
Maria warf einen Blick auf das Kleid und war sehr beeindruckt, denn schon auf den ersten Blick war die sehr schmale Taille des Kleides sichtbar. Die Trägerin dieses Kleides trug darunter sicher ein strenges Korsett. Unbewußt strich Maria sich mit den Armen so gut es ging an ihrer Seite entlang, um ihr eigenes Korsett spüren zu können.
Renate verwies auf den locker über den Schultern zu tragenden Umhang, der einen Teil des Handschuhs verbarg, den die Trägerin dazu ja tragen mußte.
Maria war fasziniert.
Renate ließ ihr Zeit, das Kleid zu bestaunen, dann ging sie zur nächsten Vitrine. »Dieses Kleid ist ebenfalls eine Besonderheit. Es wurde Anfang des Jahrhunderts getragen und die Darstellerin hat es damals der Stadt gespendet, denn es war nur zum Fest zu tragen.«
Maria war an die nächste Vitrine getreten und sie sah sofort den Grund dafür. Deutlich war zu sehen, dass bei diesem Kleid der Handschuh unter dem Kleid zu tragen war. Die Rückenpartie des Kleides war entsprechend größer gearbeitet, dafür hatte das Kleid weder Ärmel noch Armansätze. Aber auch bei diesem Kleid war Maria durch die deutliche schmale Taille beeindruckt. Sie fragte sich, wie wohl ihr eigenes Kleid ausfallen würde.
In der nächsten etwas kleinere Vitrine wurde es sehr martiialisch, denn hier waren die Ketten ausgestellt, die die Katerina während der Heimkehr von der Schlacht tragen mußte. Maria erschrak, als sie das erste Kettengeschirr erblickte. Es war weniger die Menge an Eisen, die sie so erschrecken ließ als viel mehr ihr Zustand. Sie sahen wirklich alt und rostig aus. An einigen Stellen glaubte sie sogar so etwas wie Blut zu entdecken.
»Früher gab es nur diesen einen Satz von Ketten, den dann jede Katerina tragen mußte, das war früher gewiss nicht einfach.« Renates Stimme ließ ihre Gefühle deutlich werden.
Maria blickte auf die Ketten und eine Gänsehaut kroch ihr langsam über die Arme. Sie zählte vier kleine Metallringe, einen mittleren und einen noch etwas größeren. Gerade als sie sich fragte, wie diese Ketten wohl zu tragen seien, lenkte Renate ihren Blick auf die nächste wieder größere Vitrine, in der eine Schaufensterpuppe das Tragen der Ketten zeigte.
»Diese Ketten hat einer der jüngeren Katerinen dem Museum gespendet«, erklärte Renate. »In der jüngeren Zeit werden die Ketten jedesmal neu angefertigt und die Darstellerinnen dürfen sie als Erinnerung behalten.«
Maria war einigermaßen gefaßt, als sie auf die Figur blickte. Die Puppe trug keine weiteren Kleider, so dass die Ketten voll zur Geltung kamen. Um die Hand- und Fußgelenke trug die Puppe je einen schweren Eisenring. Eine kurze Kette verband jeweils die Arme und Beine miteinander. Von der Verbindungskette zwischen den Händen verlief noch eine Kette zu dem ebenfalls recht dicken Eisenring, den die Puppe um den Hals trug.
»In früheren Jahrhunderten«, so erklärte Renate, »trug die Darstellerin auch noch einen Ring um die Taille, der mit den Händen verbunden war. Aber das wird heute nicht mehr gemacht.«
Maria schmiegte sich fest an Paul an, der hinter sie getreten war und seine Arme um sie geschlungen hatte. Auch er empfand großen Respekt vor dem Anblick der Ketten.
»Morgen«, Marias Stimme stockte etwas, »Morgen habe ich einen Termin beim Schmied.« Ihre Stimme hatte in dem Moment fast etwas weinerliches.
Renate waren diese Gefühle nicht unbekannt. »Du brauchst keine Angst zu haben. Der Kunstschmied Herr Schwerterle ist sehr begabt und geschickt. Die Ketten lassen sich sehr bequem tragen und wirken nur so martialisch. Du kannst uns vertrauen.«
Maria blieb erst einmal sehr skeptisch.
Renate wußte, dass sie Maria jetzt ablenken mußte. Sie bat sie, doch zu der gegenüberliegenden Vitrine zu kommen.
Maria fiel es fast etwas schwer, sich vom Anblick dieser so streng aussehenden Ketten loszureißen.
»Hier siehst Du Fotos aus von den vergangenen Jahren sowie eine Übersicht über die vergangenen Darstellerinnen.«
Maria blickte auf die Fotos und war über die Ablenkung recht dankbar. Sie schaute auf die einzelnen Fotographien und zu ihrer deutlichen Erleichterung blickte sie überall in das eher strahlende Gesicht der jeweiligen Katerina.
Auf einem Bild erkannte sie Kerstin wieder und als Renate auf ein anderes Bild zeigte, erkannte Maria, dass Renate selbst auch einmal die Katerina gespielt hatte. »Du siehst, ich weiß, wovon ich rede«, sagte sie, um Maria etwas zu beruhigen.
Dann zeigte sie ihr noch die kleine Sammlung von Plakaten, die ebenfalls von der Stadt stolz präsentiert wurden.
Der Höhepunkt der Ausstellung war allerdings die letzt Vitrine, denn hier wurden die Handschuhe der Katerinen ausgestellt. Maria suchte mit ihren verpackten Händen die Hände ihres Freundes und ließ sich von ihm zärtlich festhalten. Erst dann wagte sie einen genaueren Blick auf die Vitrine.
Renate ließ Maria einen Moment Zeit, um sich mit dem Anblick vertraut zu machen. Dann wurde sie fast etwas übertrieben sachlich. »Dies sind verschiedene Handschuhe, die von den jeweiligen Katerinen wirklich getragen wurden.« Es war deutlich, daß auch sie von den Handschuhen auch sehr bewegt war. »Man sieht sehr gut, wie der jeweilige Modegeschmack zu der jeweiligen Zeit war.«
Maria suchte mit ihren Händen Halt bei Paul, während sie staunend die einzelnen Handschuhe begutachtete. Zum einen waren die Formen interessant, es gab sehr weite Handschuhe, aber auch Handschuhe, die fast genauso streng waren wie Marias jetziger Handschuh. Genauso war sie aber auch von dem Aussehen der Handschuhe fasziniert, denn es gab sowohl schlichte als auch sehr reich und verspielt verzierte Handschuhe.
Gemeinsam war ihnen allerdings, dass sie stets die Aufgabe hatten, die Arme der mehr oder weniger gelenkigen Trägerin erbarmungslos auf dem Rücken festzuhalten und ihr damit jegliche Armfreiheit zu nehmen.
Sowohl Maria als auch Paul standen in Ehrfurcht vor der Vitrine. Fast unbewußt schmiegte sich Maria an Pauls Körper und genauso ohne ihren Willen streichelte sie seinen Körper, was Paul erwiderte.
Sie blickten sich an und sehr sehr zärtlich näherten sich ihre Lippen.
* * *
Maria beugte sich vor zu ihrem Strohhalm und nahm einen Schluck Kaffee. Dann blickte sie Paul sehr verliebt an und wiederholte diesen Kuß kurz. Andrea sah höflich weg.
* * *
»Mit großen Herzklopfen sind wir dann am nächsten Tag zum Schmied gegangen,« es war Maria noch anzumerken, wie viel Unbehagen sie da gehabt hatte. »Doch dann war es ganz harmlos.« Sie lächelte. »Es war nur die Tochter da, die mir erklärt hat, was sie tun muß.«
Maria beschrieb, was Doris ihr erklärt hatte. »Sie hat mir die Bereiche um meine Hand- und Fußgelenke mit mehreren Lagen Gips umwickelt, der dann nur aushärten mußte. Das war alles.« In der Stimme war die Erleichterung deutlich zu hören.
Andrea wunderte sich etwas.
»Aus den Gipsformen werden dann Abgüssen gemacht, mit denen der Vater von Doris dann die Eisen umschmieden kann. Sie sagte, sie würden das immer so machen.«
Andrea horchte bei diesem Satz auf. Sie fragte sich insgeheim, wer sich wohl sonst noch so in Ketten legen ließ.
»Nächsten Donnerstag soll ich dann zur Anprobe kommen.«
Paul erinnerte sich. »Doris hat uns noch ihre Ketten gezeigt, die der Vater mal für sie angefertigt hatte. Innen sind sie weich gepolstert und haben auch keine scharfen Kanten, an denen die Trägerin sich verletzten könnte.«
Maria erinnerte sich daran, dass das Geschirr von Doris auch einen Ring um die Taille besaß, so wie es früher üblich gewesen war. Sie fragte sich, wie ein Ring um ihre Taille aussehen würde. Ob sich das Geschirr wohl noch ändern ließ?
Andrea beschloß nebenbei, sich einmal genauer bei dem Schmied und seiner Kundschaft umzusehen.
* * *
Paul erinnerte an den Sprachunterricht. Er griff in seine Hosentasche und nahm einen Korken heraus. Er wischte ihn noch einmal mit der Serviette ab, dann näherte er sich damit Marias Mund.
Andrea blickte verwundert auf seine Hände.
Maria blickte ihn verlegen. »Stimmt, das war ja Mittwoch auch noch. Ich mußte mir so einen doofen Korken in den Mund stecken und dann blöde Sätze aufsagen.« Dann blickte sie belustigt auf den Korken und öffnete ihren Mund. Langsam und zärtlich schob Paul den Korken zwischen Marias Zähne. Sie schloß ihren Mund, bis die Zähne den Korken festhielten.
»Barbara saß nah am Abhang, sprach gar sangbar - zaghaft langsam; Mannhaft kam alsdann am Waldrand Abraham a Sancta Clara.«
Sie mußten lachen und Maria fiel der Korken aus dem Mund.
Paul war sehr aufmerksam und fing ihn auf noch bevor er zu Boden fallen konnte. Er steckte ihn wieder in die Hosentasche und küßte Maria kurz.
»Blöd ist bloß, wenn der Korken rausfällt.« Maria blickte Paul dankbar an. »Dann brauche ich Hilfe.« Sie zuckte süß mit ihren gefangenen Armen.
* * *
»Am Donnerstag war dann wieder eine Tanzprobe.«
Obwohl Andrea es schon an Marias Tonfall erkannte, fragte sie nach. »Ist der Prinz gekommen.«
Marias Blick wurde etwas betrübt. »Nein, Paul mußte wieder einspringen.« Sie blickte ihn dankbar an und versuchte ihn wieder etwas mit ihren Armen zu streicheln.
Andrea versuchte sich zu erinnern. »Und wie kommst Du klar, wenn Du ohne Arme tanzen mußt?«
Marias Augen leuchteten. »Das geht ganz gut, ich denke, die wichtigen Tänze kann ich schon gut.« Auf einmal sprühte der Ehrgeiz aus ihr heraus. »Aber ich will alles mittanzen.«
Paul bekam in diesem Moment fast so etwas wie Angst, als er daran dachte, was Maria sich da so alles vorgenommen hatte. Sie wollte ja auch die Originalhaltung tragen und dann auch noch alles mittanzen? Spätestens jetzt erkannte er, dass er auf dem Fest für Maria wohl rund um die Uhr da sein müßte.
* * *
»Vorher waren wir noch bei der Schneiderin.« Marias Stimme zeigte Begeisterung.
Paul blickte sie warnend an und gab ihr einen leichten Stups in die Seite.
Maria sah ihn dankbar an und berichtete mit scheinbar ruhiger Stimme vom Maßnehmen für das Kleid für die Katerina, welches die Schneiderin anfertigen sollte. Sie war für Pauls Warnung dankbar, denn was sich genau ereignet hatte, durfte keiner erfahren.
Dass Maria auf dem Fest die Originalhaltung »Das Gebet auf dem Rücken« tragen würde, sollte so lange es irgendwie ging geheimgehalten werden. Nur die Schneiderin war eingeweiht, denn sie mußte das Kleid für diese Haltung anfertigen.
Das Maßnehmen war für Maria sehr aufregend, denn sie mußte dafür die Arme zum ersten Mal wirklich in dieser Haltung für ein paar Minuten tragen.
Es war alles gut vorbereitet und Paul und die Schneiderin hatten sich gut abgesprochen, so dass Maria die Arme nicht länger als unbedingt nötig in dieser für sie noch sehr schmerzhaften Haltung tragen mußte.
Obwohl alles so wie vorbereitet klappte, zeigte es Maria dennoch, dass sie noch sehr viel trainieren mußte, um diese Haltung über viele Stunden ertragen zu können.
* * *
Es klingelte. Mrs Potter stand auf und ging langsam zur Tür. Sie blickte dabei auffordernd auf Maria und Paul. »Das wird der Direktor sein. Seid ihr fertig?«
Andrea blickte fast etwas erschrocken zur Uhr. »Oh, es ist schon so spät? Dann muß ich mich verabschieden.«
Mit einem Bedauern in ihrem Blick machte sie das Diktiergerät aus und steckte es in ihre Tasche. Dann stand sie auf und verabschiedete sich mit einem Händedruck von Paul. Wieder streckte Maria ihre Hände nach vorn und Andrea ließ es sich nicht nehmen, auch ihr die Hände zu drücken, dann ging sie zur Tür.
Mrs Potter führte gleich danach den Direktor der Sparkasse herein. Es war ein älterer Herr, der irgendwie sehr viel Würde und zugleich auch Ruhe ausstrahlte. Sie stellte ihn als Rudolf Steinhagen vor.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Er war gleich auf Maria zu gegangen und reichte ihr die Hand.
Als Maria sich leicht umdrehte, um ihre verpackten Arme zu zeigen, wurde der Direktor verlegen und entschuldigte sich. Statt dem Händedruck machte er eine Verbeugung. Jetzt war es an Maria, verlegen zu werden.
»Ich muß sagen, dass meine Mitarbeiter noch untertrieben haben.« Seine Stimme klang beeindruckt und ehrlich zugleich. »Sie werden eine tolle Katerina sein.«
Maria wurde rot.
»Kein Grund zur Bescheidenheit.« Er blickte kurz zu Mrs Potter und dann wieder auf Maria. »Ich hatte es schon am Telefon gesagt, ich bin sehr froh, dass sie die Rolle spielen werden und nicht die Comtesse.«
Mrs Potter fing den Blick auf und schien sich ebenfalls an das Telefonat zu erinnern. »Haben sie sich jetzt überzeugt, dass Maria der Rolle gewachsen ist?«
Der Direktor konnte seinen Blick kaum von Marias Armen ablassen. Es war deutlich sichtbar, wie sehr er von Marias Fähigkeiten und ihrer Anmut fasziniert war.
»Darf ich den Handschuh einmal anfassen?« Seine Stimme war etwas heiser. Er räusperte sich.
Maria empfand irgendwie sehr viel Achtung vor dem alten Herrn. Sie trat einen Schritt näher, drehte sich leicht und bot ihm ihre verpackten Arme an.
Fast etwas verträumt strich er vorsichtig über Marias Arme. »Meine Tochter hätte es auch gern spielen wollen, aber das ging leider nicht. Ihre Rückenprobleme habe das nicht zugelassen.« Das Bedauern war in seiner Stimme deutlich zu hören.
»Um so mehr bin ich froh, dass Sie die Rolle spielen werden.« Er blickte noch einmal zu Marias Erzieherin. »Ich war von Anfang an gegen die Comtesse, aber ich wurde überstimmt.«
Er erzählte ein wenig von den Sitzungen, auf denen oft und lange über dieses für den kleinen Ort doch so wichtige Thema verhandelt und gestritten wurde. »Meine Tochter war auch einmal bei den Bewerberinnen für die Rolle, doch sie hat die Erlaubnis des Arztes nicht bekommen.«
Paul und Maria hörten höflich zu.
Mrs Potter erinnerte an die Uhrzeit.
Herr Steinhagen blickte auf die Uhr, dann lächelte er. »Sie haben Recht, wir sollten dann langsam losfahren.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Aber ohne mich fangen die nicht an.«
Alle vier mußten schmunzeln.
* * *
Vor dem Haus wartete eine große schwarze Limousine, neben der ein Chauffeur in schwarzer Uniform stand. Als er den Direktor aus dem Haus kommen sah, ging er zur hinteren Tür und öffnete diese.
Doch zu seinem Erstaunen ging der Direktor selbst zu der Tür und bat Maria einzusteigen. Dann warf er einen Blick auf Paul. »Können Sie ihr beim Anschnallen helfen?«
Paul kam der Bitte liebend gern nach. Er stieg ein und legte seiner Freundin und dann sich selbst den Sicherheitsgurt an. Der Direktor selbst setzte sich vorn neben den Fahrer. Dieser warf einen sehr erstaunten Blick auf seinen Chef, dann fuhr er los.
* * *
»Und wie kommen Sie mit dem Freiherrn von Schleihtal zurecht?« Der Direktor hatte sich zu ihr umgedreht.
Maria mußte erst einen Moment überlegen, bis ihr einfiel das dies ja der Name des Prinzendarstellers war.
»Ich habe ihn erst einmal erlebt.« konnte sie wahrheitsgemäß berichten. Sie erzählte, wie sich der Neffe beim ersten Tanzen aufgeführt hatte.
Herr Steinhagen war erstaunt. »Aber sie sollen doch das Fest zusammen spielen. Haben sie denn bisher nicht dafür üben müssen?«
Maria seufzte leicht. Sie hatte sich zwar vorgenommen, sich nicht über den Neffen zu beschweren, aber der Direktor hatte bei ihr einen Nerv getroffen. Sie erzählte, wie der Neffe sie bei jedem Termin mit irgendwelchen scheinheiligen Ausreden abgespeist hatte.
»Und wie haben Sie dann geübt?« Es war schon einige Empörung in seiner Stimme zu hören.
Maria blickte dankbar auf Paul, dann blickte sie wieder zum Direktor, der die Antwort nach diesem Blick schon kannte. »Paul ist immer eingesprungen.« Sie versuchte, ihn mit ihren Monohandschuh-Armen zu erreichen, aber dazu saßen sie zu weit auseinander.
Paul bemerkte diese Geste. Er streckte seinerseits den Arm aus und ergriff die Hände seiner Freundin.
Mit einer sehr sonoren Stimme sprach der Direktor aus, was Maria sich insgeheim schon lange wünschte: »Sie hätten es lieber, wenn Paul den Prinzen spielen würde?«
Maria fühlte sich in ihren Gedanken ertappt, doch sie versuchte ihre Stimme entschlossen klingen zu lassen. »Ich spiele das Fest mit seinem Neffen, so wurde es vom Baron festgelegt.« Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden.
Der Direktor blickte sie bewundernd an. »Ihr seid tapfer.«
Maria wurde rot.
* * *
Renate Bayer stand vor der Sparkasse bereit, um Maria zu empfangen. Ihre Miene zeigte große Enttäuschung und Frustration und Maria brauchte nicht lange zu überlegen, was es bedeutete.
Paul sprach es aus. »Er kommt nicht?«
Renates Stimme klang bedauernd und verärgert zugleich. »Er hätte einen wichtigen Termin an der Uni, so hat er sich entschuldigen lassen.«
Paul zuckte etwas zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Der Direktor blickte ihn aufmunternd an. »Ich zähle auf Sie.« Dann ging er voran durch die Tür in die Sparkasse. »Bitte treten sie ein,« sagte er auffordernd.
Es waren einige Reporter und Fotografen anwesend und zum ersten Mal wurde Maria von einem Blitzlichtgewitter empfangen. Sie blickte verunsichert auf Renate. Diese antwortete ihr mit einem ruhigen aber ermutigenden Blick.
Es war ein kleiner Sektempfang vorbereitet, zu dem der Direktor einlud. Doch dann fiel sein Blick auf Maria und er wurde ein wenig verlegen. »Wie machen wir das denn jetzt mit dem Sekt?« Seine Stimme klang deutlich verunsichert.
Doch seit dem Empfang beim Bürgermeister waren Maria und Paul auf diese Probleme vorbereitet und mit sehr viel Würde konnte Maria dem Direktor seine Sorgen nehmen. »Paul wird mir dabei helfen.«
* * *
»Und was mußtet ihr dann alles machen in der Sparkasse?« Oma Selma hatte das Geschirr vom Mittagessen in die Spülmaschine geräumt und setzte sich zusammen mit ihrem Enkel wieder zu Maria an den Tisch.
Paul erzählte von den weiteren gestrigen Ereignissen. Zuerst hatte der Sparkassendirektor eine Rede gehalten, in der er mehrmals betonte, was für eine außergewöhnliche Erscheinung Maria mit dem Katerinenhandschuh doch sei und dass er sich sehr freue, dass sie als Sponsoren das Fest unterstützen dürften. Er bedauerte es öffentlich, dass der Darsteller des Prinzen so völlig unzuverlässig sei und dass er noch einmal mit dem Vorsitzenden des Festes reden werde.
Maria merkte an, dass er dabei sehr deutlich zu Paul hinüber geschaut hatte.
Oma Selma hatte sofort verstanden, was der Chef der Sparkasse vorhatte. Dennoch war sie skeptisch. »Sicher, dass wäre schön für Euch. Aber ob der Baron dass einfach so zuläßt? Immerhin geht es um seinen Neffen.«
Paul mochte diese Diskussion nicht. Er berichtete von den verschiedenen Fotos, die von Maria gemacht wurden. Wieder stupste Maria ihn an. »Du sollst nicht so bescheiden sein. Du durftest auch mit aufs Foto.« Sie beschrieb, wie der Direktor Paul mit auf das Foto holte. Sie dachte laut und ihre Augen leuchteten dabei. »Wenn es nach ihm gehen würde...« Sie sprach nicht weiter, sondern blickte Paul verträumt an.
»Die Fotos waren schon lustig.« Unbewußt lenkte Paul ab. »Maria mit dem Handschuh hinter dem Bankschalter... Und am Schreibtisch sitzend.«
Maria lächelte, dann bekam ihr Blick etwas Verklärtes. »Wir mußten dann noch in eine Vorstandssitzung, die extra wegen uns einberufen worden war. Es ging um die Termine, die ich dann wahrnehmen soll.« Es fiel Maria noch sichtlich schwer, mit ihrer Popularität umzugehen, und dabei lag das Fest noch in weiter Ferne.
Auch Pauls Stimme klang beeindruckt. »Der Direktor hat ein paar sehr harte Worte gesprochen. Er scheint seinen Kollegen so richtig den Kopf gewaschen zu haben.«
»Er hat dann die einzelnen Auftritte erläutert.« Maria zählte sie auf und erwähnte dabei, dass wegen des Aufenthaltes in Amerika einer der Termine sogar verschoben wurde. »Ich bin sogar als Ehrengast auf dem Sparkassenball geladen.« Marias Stimme klang hörbar verwundert. »Aber ich muß dazu das Kleid vom Fest tragen.«
Alle drei am Tisch wußten, was dies wirklich bedeutete.
* * *
Maria blickte auf die Uhr. »Ich muß noch trainieren.« Dabei blickte sie Paul auffordernd an.
Paul wußte, was seine Freundin von ihm erwartete. Er stand auf, nahm sich den Handschuh, der in der letzten Zeit immer in Reichweite war und legte ihn seiner Freundin mit routinierter Geschicklichkeit an.
Oma Selma war insgeheim Stolz auf ihren Enkel, wie gut er sich mit Marias besonderen Anforderungen abgefunden hatte.
Er griff in seine Hosentasche und blickte Maria strahlend an. »Ich habe etwas für Dich und das Sprachtraining gebastelt.«
Er zog einen Korken heraus, durch den eine Schnur gezogen war. Er griff die Schnur links und rechts vom Korken und trat auf seine Freundin zu. »Bitte den Mund aufmachen«, sagte er mit belustigter Strenge.
Maria blickte ihn verblüfft an, dann lächelte sie und kam der Bitte nach.
Oma Selma beobachtete das Schauspiel und auf einmal wußte sie, wie sie ‚es’ machen würde. Sie hatte schon lange nach einer guten Gelegenheit gesucht, jetzt bot ihr Enkel ihr ohne sein Wissen eine Steilvorlage. Sie räusperte sich, dann blickte sie ihren Paul belustigt an. »Wofür soll das sein?« Die Frage stellte sie, obwohl sie die Antwort schon wußte.
Paul blickte sie mit stolz im Blick an. »Das ist für Marias Sprachtraining.«
Maria blickte ebenfalls zu Pauls Oma und sagte einen ihrer Übungssätze auf. »Wir Wiener Waschweiber würden weiße Wäsche waschen, wenn wir wüssten, wo warmes Wasser wäre.« Sie mußte lachen und zu ihrer Erleichterung blieb der Korken an seiner Stelle.
Doch Pauls Oma nahm ihnen etwas von der Begeisterung. »Das ist süß, aber ich habe da noch irgendwo etwas viel besseres für diesen Zweck.« Sie ahnte, dass sie damit ihren Enkel ein klein wenig enttäuschen würde, aber diesen Preis würde er später gern zahlen, das wußte sie.
Maria war neugierig geworden. Bisher waren alle Sachen von Pauls Oma für sie sehr spannend und aufregend gewesen und so fragte sie sich, was sie wohl noch für sie hätte.
Oma blickte mit große Geste auf die Uhr und dann auf den Kalender an der Wand. »Wir könnten morgen Nachmittag mal auf den Speicher gehen, dort stehen vier Kisten. In einer davon habe ich etwas, was euch sehr helfen könnte.«
Paul war etwas verwundert. Von diesen Kisten wußte er nichts. Aber er mußte sich auch eingestehen, dass er bisher selten auf dem Dachboden gewesen war.
* * *
Herr Weiterer saß auf der Bank vor seinem Haus, als Maria und Paul zum Termin für das Handschuh-Training kamen. Maria hatte sich von Paul ein Tuch über die Schultern legen lassen, um den Handschuh etwas zu verdecken, den er ihr ebenfalls schon angelegt hatte. Mit einer theatralischen Geste zog Paul jetzt das Tuch von Marias Schultern.
»Ihr macht mir eine große Freude.« Der Lehrer war über die Geste sehr gerührt. »Aber warum seid ihr denn gekommen, ihr braucht meinen Unterricht doch wirklich nicht mehr.«
Maria konnte es auch nicht so genau sagen, sie wußte nur, dass sie den alten Herrn nicht enttäuschen wollte. »Ich wollte meine Pflicht tun.«
Herr Weiterer bat Maria, etwas näher zu kommen und sich einmal umzudrehen. »Ich möchte gern einmal einen Blick auf den Handschuh werfen.«
Maria kam dieser Bitte gern nach. Paul war froh, dass er diesmal den Handschuh mit besonders viel Sorgfalt angelegt hatte.
Der alte Herr sah sich den gut sitzenden Handschuh genau an. Ein paar Tränen flossen über seine Wange. Es waren Tränen der Rührung, aber auch der Erleichterung, das sollten die beiden gleich erfahren. Er bat sie, sich auf die Bank neben ihm zu setzen. »Ich hatte große Sorgen, als ich erfuhr, dass ich auch die Comtesse ausbilden sollte.« Doch dann schien er die Gedanken an das Party-Girl wegzuwischen. Er erzählte von früher, wie nervös die Mädchen jedesmal zu ihm gekommen waren und wie stolz sie dann auf dem Fest ihr Können vorgeführt hatten.
Wieder blickte er mit viel Faszination auf Marias Handschuh und stellte auf einmal eine für Maria sehr heikle Frage. »Wie lange trainiert ihr das schon?«
Irgendwie wußte Maria, dass sie diesen Herrn nicht anlügen durfte. »Seit ungefähr zwei Jahren.« Ihre Stimme war leise.
Doch der Herr wollte gar nicht weiter bohren. »Ja, so etwas dachte ich mir schon.« Er lächelte wissend. »So ein Können bedarf eines langen Trainings.«
Er blickte Maria an, dann fragte er, ob er den Handschuh einmal anfassen dürfe. Maria war nicht in der Lage, zu antworten. Sie blickte zu ihm und nickte leicht.
Sehr zärtlich strich Herr Weiterer über Marias so streng verpackte Arme. Maria drehte ihren Oberkörper so vom ihm weg, dass sie ihm ihre Arme hinzeigte. Herr Weiterer lobte auch die sehr schön ausgeführte Schürung. Sie sei sehr schön anzusehen.
Nur leise konnte Maria antworten. »Das hat Paul gemacht.«
Paul bekam von Herrn Weiterer einen lobenden Blick. »Du machst das sehr gut, mein Junge.«
Auf einmal wurde die Stimme des alten Herrn nachdenklich. »Ich habe lange darüber nachgedacht, und jetzt bin ich sicher, dass es richtig ist.«
Das Paar war etwas ratlos, denn sie wußten nicht, was Herr Weiterer meinte.
Mit viel Mühe stand er auf und ging mit langsamen Schritten ins Haus.
Paul und Maria blickten sich kurz an. Sie waren beide von diesem Augeblick gefangen. Sie schwiegen.
Der Herr kam zurück und hielt ein Lederbündel in den Händen. Er setzte sich wieder neben Maria und breitete das Lederbündel auf seinen Knien aus. »Das ist der Handschuh meiner Tochter. Ich möchte ihn euch schenken.«
Maria war sprachlos. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
»Sie hat ihn damals zu Weihnachten bekommen, hat ihn aber leider nie tragen können.« Es war viel Wehmut in seiner Stimme. »Es gab sehr viel Probleme mit ihrem Rücken.«
Er legte den Handschuh demonstrativ auf Marias Schoß. »Bei euch weiß ich ihn in guten Händen. Ihr wisst ihn zu würdigen.« Er wischte sich seine Tränen weg, dann blickte er zu Paul. »Du kannst sehr stolz sein auf deine Frau.«
Paul brachte nicht den Mut auf, ihm zu widersprechen. Zu groß war die Achtung vor diesem Mann und dem besonderen Moment.
In der Ferne schlug eine Kirchenglocke. »Ihr habt heute bestimmt noch einen Termin. Ich möchte euch nicht länger aufhalten.«
Beiden nahmen dies als Signal, um aufzustehen. Paul reichte dem Herrn die Hand zum Abschied, während Maria einen feierlichen Knicks probierte.
Herr Weiterer blickte sie anerkennend an. »Ihr wisst, wie es sich gehört. Ich bin stolz, Euch geholfen zu haben.«
Paul legte seinen Arm um Marias Schulter und zog sie an sich heran. Dann gingen sie langsam zum kleinen Gartentor. Maria schob ihren verpackten Armen so weit zur Seite, dass sie Pauls Rücken berühren konnte. Schweigend gingen sie zurück.
Erst später fiel ihm ein, dass er eigentlich Marias Handschuh hatte zudecken wollen, aber in diesem Moment war ihnen beiden nicht wichtig, dass jeder Marias Handschuh so offen sehen konnte. Zu sehr waren beide noch von der Ausstrahlung des alten Herrn beeindruckt.
* * *
Mrs. Potter stand wie üblich schon an der Haustür, als das Paar langsam den Kiesweg entlang schritt. Die Erzieherin kannte Maria lange genug, um sofort zu erkennen, dass sie der Besuch bei dem Monohandschuh-Lehrer wohl sehr beeindruckt hatte. Sie bat die beiden wortlos ins Haus, dann wandte sie sich an Paul. »Deine Oma hat ein paar Sachen für Dich vorbei gebracht.« Sie zeigte auf die kleine Sporttasche.
Paul war etwas verwirrt.
»Maria hat bestimmt nichts dagegen, wenn Du ihr noch einmal bei ihrer »schönen« Nacht hilfst.« Sie lächelte ermutigend, trotzdem zuckte Paul bei Erwähnen dieses Wortes leicht zusammen.
Maria blickte ihn verliebt an. »Oh ja, bitte bleib da.«
Paul sah Marias Blick und wußte, dass er alles für sie tun würde. Er nickte leicht.
Es war selbst für Marias Verhältnisse noch viel zu früh, um schon ins Bett zu gehen, dennoch bestand die Erzieherin darauf, in Marias Zimmer zu gehen.
Paul war erstaunt, denn der Tisch mit den Sachen für die schöne Nacht war noch leer und er erkannte, dass es Maria genauso ging.
Mrs. Potter löste ihr kleines Rätsel auf. »Die Prinzessin darf sich heute einmal selbst aussuchen, wie sie die Nacht verbringen möchte und der Prinz«, sie blickte Paul ermutigend an, »wird ihr dabei helfen.«
Paul war im ersten Moment ziemlich verwirrt, doch dann erinnerte er sich an das Prinzessinnenspiel. Er blickte zu Mrs. Potter und sah, dass diese auffordernd zwischen ihm und Marias Handschuh hin und her blickte. Er mußte sich erst räuspern, dann konnte er seine Frage formulieren. »Die Prinzessin möchte jetzt sicher ihren Handschuh ausziehen?«
Maria blickte ihn sowohl verblüfft als auch sehr erfreut an. »Oh ja, mein Prinz, das wäre jetzt mein Wunsch.«
Übertrieben theatralisch begann Paul die Riemen des Handschuhs zu lösen, dann öffnete er die Schürung des Handschuhs und zog ihn langsam an Marias Armen herunter.
Maria schien die Aussicht, einmal selbst über ihre Nacht bestimmen zu können, sehr zu freuen, denn sie trat sofort an den Kleiderschrank und öffnete ihn. Sehr zielstrebig griff sie hinein und zog etwas heraus. Sie zeigte es Paul und ihrer Erzieherin. Diese warf einen kurzen Blick darauf und nickte wohlwollend. »Das leichte Nachtkorsett.«
Maria legte es auf den Tisch und strich zärtlich darüber. »Das habe ich schon lange nicht mehr getragen.«
Paul war ebenfalls an den Schrank getreten und hatte sich fast unbewußt eines der Halskorsetts gegriffen. Dass er eines der strengeren Sorte erwischt hatte, wußte er nicht.
Maria sah, was er in der Hand hatte und ihre Augen begannen zu leuchten. »Das habt ihr für Eure Prinzessin ausgewählt, mein Prinz?« Sie blickte ihn sehr verliebt an.
Paul reagierte blitzschnell und sehr mutig. »Ich dachte, dass der Prinzessin eine ruhige Nacht sehr gut tun wird.«
»Aber ob meine Hofdame damit einverstanden ist?« An dieser Stelle schimmerte Marias doch ziemlich strenge Erziehung durch.
Paul fragte sich, ob Mrs. Potter überhaupt bereit war, ihn in diesem doch sehr intimen Spiel zu tolerieren. Doch zu seiner Erleichterung ging sie bereitwillig darauf ein. »Der Prinz hat Geschmack, meine Prinzessin.«
Fast wäre Paul der Blick entgangen, doch er sah, wie die Erzieherin ihren Blick kurz zwischen Maria und ihrem Nachtschränkchen wechseln ließ. Er erkannte erst an Marias Reaktion, dass dieser Blick in Wirklichkeit eine Aufforderung oder zumindest eine Ermunterung war.
Maria schluckte erst, doch dann bekam ihr Blick auf einmal etwas Verträumtes, denn als nächstes fiel der Blick der Erzieherin auf Paul.
Maria schien die Botschaft verstanden zu haben. Sie ging zu ihrem Nachtschrank, zog die Schublade auf und nahm ein kleines Kästchen heraus. Paul erkannte es. Er wußte, dass Maria darin ihren Mundschutz aufbewahrte, der sie gleichzeitig zum Schweigen zwingen würde. Sie stellte das Kästchen ebenfalls auf Tisch.
Jetzt war Mrs Potter zum Schrank gegangen und hatte ein großes Bündel herausgenommen. Auch sie hatte ein Interesse daran, dass die Nacht heute nicht ganz so streng ausfiel wie sonst. »Dazu würde doch gut der schwarze Schlafsack passen?« Sie blickte auf Maria und als diese interessiert nickte, legte die Erzieherin den Schlafsack auf das Bett. Doch dann blickte sie auf die Uhr.
»Doch nun laßt uns erst einmal zu Abend essen.« Mrs Potter bat mit einer theatralischen Geste ins Speisezimmer, wo sie schon alles vorbereitet hatte.
Während des Essens erzählten Maria und Paul von dem sehr bewegenden Besuch bei Herrn Weiterer und dem Handschuh seiner Tochter, den Paul den Weg zurück in seiner Hand gehalten hatte.
Irgendwie macht auch Mrs Potter einen ziemlich erleichterten Eindruck, als die Sprache auf den Ausfall von der Comtesse kam.
Es war fast eine Stunde vergangen, als Marias Erzieherin an die schöne Nacht erinnerte und Maria zum Umziehen schickte.
Maria stand auf und verließ das Zimmer.
Mrs Potter blieb sitzen und blickte mit einem fast sorgenvollen Blick auf Paul.
Paul entdeckte diesen auf sich gerichteten Blick und wurde etwas unsicher.
»Paul, ich weiß, dass Du Maria liebst und alles für sie tun würdest.« Ihre Stimme klang bedeutungsvoll. »Doch bei allem, was das Fest betrifft, habe bitte ein Gefühl dafür, wann Maria sich zuviel vornimmt. Du mußt sie dann bremsen und sie gegebenenfalls in die Schranken weisen.«
Paul mußte schlucken.
»Es ist wichtig für Marias Gesundheit. Ich kenne ihren Ehrgeiz, aber es gibt Punkte, wo sie ein deutliches Nein braucht, auch wenn es von Dir kommt.«
Pauls Gedanken überschlugen sich. Doch zu einer Antwort war er nicht fähig.
»Ich weiß, es wird nicht einfach für Dich werden, aber bitte bitte habe immer Marias Gesundheit im Auge.
Paul brachte immerhin ein Nicken zustande.
»Du wirst auf dem Fest die ganze Zeit an ihrer Seite sein. Sei mutig genug, sie zu bremsen, wenn Du das Gefühl hast, dass es für sie zuviel wird.«
'Maria braucht eine starke führende Hand' dachte sie noch dazu, aber das wagte sie nicht auszusprechen. Aber es würde sicher die Zeit kommen, an dem Paul diese Worte nicht nur hören und verstehen, sondern auch umsetzen würde.
»Die Prinzessin wird gleich fertig sein.« Sie blickte ihn verschmitzt an. »Der Prinz könnte schon einmal den Schlafsack vorbereiten.« Sie stand auf und blickte durch die Tür zu Marias Zimmer.
Paul brauchte erst einen Moment, bis er erkannte, dass er gemeint war. Dann stand er ebenfalls auf und ging mit etwas Kribbeln im Bauch zu Marias Zimmer. Die Erzieherin folgte ihm.
Maria war noch nicht im Zimmer, stattdessen lag auf dem Bett ein schwarzes Bündel.
Paul öffnete die beiden darum geschlungenen Riemen und rollte es auseinander. Auf den zweiten Blick sah er, dass der Schlafsack falsch herum lag. Er drehte ihn so, dass der Kopfteil auch auf Marias Kopfkissen zu liegen kam.
»Du kannst ihn schon einmal aufmachen, dann geht es nachher schneller.« Die Stimme der Erzieherin war ungewöhnlich leise.
Der Reißverschluß ließ sich ganz bis zum Fußende öffnen. Paul schlug den Schlafsackauf und sah, dass er innen anscheinend gut ausgepolstert war. Er faste auf das sehr weich aussehende Innenfutter und er fand seine Vermutung bestätigt, der Sack war von innen sehr weich und bestimmt sehr bequem.
Nur eine Stelle längs am Körper entlang irritierte ihn, denn diese war fast doppelt so dick wie an den anderen Stellen. Paul versuchte sich vorzustellen, wie Maria darin liegen würde und er kam zu dem Schluß, dass sie an dieser Stelle ihre Arme längs am Körper haben würde. Er fragte sich, ob das Ärmel wären und blickte unbewußt Mrs Potter fragend an.
Diese trat auf ihn zu und zeigte ihm stumm die Öffnungen der Ärmel. In diesem Moment verstanden sie sich ohne Worte. Hier würde Maria ihre Arme hinein stecken. Paul konnte nur ahnen, wie wenig Freiraum ihr dann noch bleiben würde. Er war von der baldigen Hilflosigkeit seiner Freundin sehr fasziniert. Die inneren Ärmel waren jetzt deutlich zu sehen und Paul überkam eine Gänseheaut bei dem Gedanken, das seine Freundin gleich ihre Arme darin gefangen nehmen lassen würde.
Er fasste sie kurz ran und vergewisserte sich, die Ärmel waren auf der ganzen Länge längs an der Seite befestigt. Maria würde ihre Arme nicht mehr bewegen können, wenn er einmal den Schlafsack geschlossen hatte. Nachdenklich strich er über das weiche und doch so unerbittliche Leder.
Er war so sehr in Gedanken, dass er gar nicht mitbekam, wie Maria in den Raum kam. Erst durch ein »Die Prinzessn ist bereit« wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er erhob sich langsam vom Bett und drehte sich zu Maria hin, die sich schon von Mrs. Potter langsam das Nachtkorsett anlegen ließ.
Als er sah, das Maria ein wenig wankte, trat er auf sie zu und hielt sie an der Schulter fest, während die Erzieherin schon damit beschäftigt war, die Schnürung zu schließen.
Pauls zweite Hand strich neugierig über den von Leder bedeckten Körper seiner Freundin und er erschauderte, als er spürte, wie unnachgiebig das Leder doch war. In Gedanken fragte er sich, wie wohl erst das strenge Nachtkorsett aussehen würde, wenn diese nur das leichte sei. Doch dann erinnerte er sich an die letzten Wochen und er wußte es. Und das mußte er sich eingestehen, dies war wirklich die leichtere Fassung.
Marias Blick ging erst zu Paul und dann auf das kleine Kästchen auf dem Nachttisch. Paul nahm es sich und schon fast routiniert legte er seiner Freundin das seltsame Gerät an, welches sie zum Schweigen verurteilte.
»Das Halskorsett möchte Euch sicher der Prinz selbst anlegen.« Mit diesen Worten reichte Mrs. Potter Paul das für seine Größe erstaunlich schwere Halskorsett. Es schien zudem, als gehörten die beiden Korsetts zusammen, denn nachdem Paul es seiner Freundin um den Hals gelegt hatte, erkannte er, dass die Muster auf dem großen Korsett in dem Halskorsett fortgesetzt wurde. Außerdem paßte es sich nahezu nahtlos an das große Korsett an, so das von Marias weißem Catsuit wieder nur ganz wenig zwischen den beiden Teilen hindurchschimmerte. Er trat hinter Maria, um das Halskorsett zu schließen und fast kam es ihm vor, als würde Maria dabei leise stöhnen.
»Der Prinz möchte Euch dann zu Bett bringen.« Es war der Stimme er Erzieherin anzumerken, dass auch sie von der geheimnisvollen Spannung des Augenblicks gefangen war.
Maria ließ sich von Paul ans Bett Führen, dann legt sie sich mit erstaunlicher Behendigkeit auf den vollständig aufgeschlagenen Schlafsack und blickte Paul verliebt an, soweit es ihre nicht mehr vorhandene Kopffreiheit erlaubte.
»Hilft der Prinz, den Platz für die Arme zu finden?« Auch die Stimme von Mrs. Potter war in diesem Augenblick etwas leiser.
Paul mußte erst schlucken, dann trat er ans Bett und ergriff zärtlich Marias Arm, den sie ihm entgegen hielt. Er führte Marias Hand zu der Öffnung des Ärmels, dann half er ihr dabei, den Arm in voller Länge hineinzuführen. Er ging um das Bett herum, dann wiederholte sich das Spiel mit dem anderen Arm. Marias immer größer werdende Hilflosigkeit faszinierte ihn zusehends.
»Die Prinzessin möchte bestimmt auch zugedeckt werden.« Die Stimme der Erzieherin klang in diesem Moment fast liebevoll, auch wenn Paul dies so gut wie nicht bemerkte. Er blickte etwas ratlos auf den noch offenen Schlafsack, dann erst erkannte er, wie er es machen mußte.
Er trat an das Bett heran und klappte die beide Teile des Schlafsacks über Marias unbeweglichen Körper. Er ergriff den Anfasser des Reißverschlusses und zog ihn langsam nach oben, um seine Freundin in dem Schlafsack einzuschließen. Er glaubte ein leises Stöhnen von ihr zu hören.
* * *
Oma Selma hatte sich gefreut, als Paul und Maria ihrer Einladung gefolgt waren und nach der Kirche zu ihr zum Mittagessen gekommen waren. Natürlich hatte sie auch ihre frühere Freundin eingeladen, aber diese gab vor, schon einen anderen Termin zu haben. In Wirklichkeit war es ein gut vorbereiteter Plan von Pauls Oma, den sie mit Marias Erzieherin im Detail abgestimmt hatte.
Der Mittagstisch war schon leergeräumt und Paul hatte gerade Marias umgearbeitete Trainingsjacke in der Hand. Marias Augen leuchteten, als Selma sie unterbrach. »Wartet bitte noch einen Moment, wir müssen vorher noch etwas tun.«
Paul und Maria blickten beide neugierig auf.
»Ich hatte doch von meiner Zeit beim Grafen gesprochen.« Ihre Stimme bekam etwas Sentimentales. »Ich habe da noch ein paar Kisten auf dem Dachboden, die wir herunter holen wollen. Es sind Sachen, die die Grafentöchter damals ausgemustert haben und die weggeworfen werden sollten.« Ihr Blick hatte etwas Verträumtes. »Und Erinnerungen an 'ihn' sind glaube ich auch darin.«
Paul sah seine Oma erstaunt an.
* * *
Es waren zwei große und zwei kleine Kisten, die sie vom Dachboden herunter holten. Paul und seine Oma trugen jeweils eine der großen, während Maria eine der kleinen Kisten trug. Sie brachten die Kisten ins Wohnzimmer und nachdem Paul den Tisch weggeschoben hatte, stellten sie die Kisten vor die Couch-Garnitur und nahmen Platz.
Oma Selma blickte noch einmal voller Anspannung auf die vier Kisten und sie hoffte innig, dass ihr Gedächtnis sie nicht im Stich ließ. Sie wußte natürlich, was in welcher Kiste war, aber sie wollte Maria und ihrem Enkel die Sachen in einer gewissen Reihenfolge präsentieren. Sie öffnete den Deckel einer der großen Kisten und war ohne es sich anmerken zu lassen erleichtert, als sie den Inhalt erblickte. Diese Kiste wollte sie zuerst zeigen.
Oben auf lag eine Reitgerte. Unauffällig blickte sie in die Gesichter des verliebten Paares und bekam die Reaktion, die sie haben wollte. Sowohl Maria als auch Paul erschraken etwas. Sie wollte sie etwas über die Gerte nachdenken lassen, darum erinnerte sie Maria an ihr tägliches Training und reichte Paul die umgearbeitete Zwangsjacke. Marias Augen wanderten zwischen der Jacke und der Gerte hin und her. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie ein wenig Angst zu haben schien.
Selma war zufrieden, ihr erstes Ziel war erreicht. Maria sah die drohende Gerte und sollte sich gleichzeitig durch die strenge Jacke in die ihr wohlbekannte Hilflosigkeit ausliefern.
Maria kämpfte mit sich. Ihr Blick wechselte zwischen allen hin und her. Schließlich blieb ihr Blick auf Paul liegen.
Paul schien Marias Gedanken erkannt zu haben. Er blickte ebenfalls auf die Gerte und auf die Jacke. Schließlich hatte er sich entschieden. Er hielt Maria die Jacke auffordernd hin und blickte sie dabei beruhigend an. Er ließ seinen Blick zur Gerte wechseln, so dass Maria ihn verfolgen konnte, dann blickte er wieder auf Maria und schüttelte leicht den Kopf. Dabei blickte er Maria zuversichtlich an.
Maria zögerte sehr, doch schließlich stand sie auf und hielt ihre Arme vor dem Körper ausgestreckt. Ihr Blick hatte fast etwas Ttrotziges.
Selma war zufrieden, denn die erste Prüfung hatte Maria sehr gut bestanden. Sie hatte sich ausgeliefert, obwohl sie wußte, dass sie sich gegen die Gerte dann nicht mehr erwehren konnte. Es würde ihr beim Fest sehr viel helfen.
Sie mußte ihren Enkel nicht ermahnen, er wußte selbst, wie streng Maria ihre Arme in der Trainingshaltung schon tragen durfte. Sie bat die beiden, sich wieder auf das Sofa zu setzen.
Sie setzte sich dazu und ergriff die Gerte, die als einziges offen oben auf der Kiste lag. Sie nahm sie in die Hand und strich nahezu zärtlich darüber. Ihre Augen wurden weich und rührselig und mit leiser Stimme begann sie zu erzählen.
* * *
Sie war als junge Erzieherin auf das Anwesen gekommen. Der Graf und die Gräfin waren freundlich zu ihr gewesen, aber sie hatten eine große Familie, und so war sie mit den vielen Kindern des Grafen sehr beschäftigt.
Auf eine besondere Unterstützung des Grafen konnte sie sich nicht verlassen, sie brauchte alle ihre Kräfte, um die Kinder mit der richtigen Mischung aus Güte und Konsequenz zu erziehen. Das machte sie in ihren jungen Jahren schon hart.
Doch manchmal, wenn die Gören am Abend endlich Ruhe gegeben hatten, dann ging sie gern zu den Schlehenbüschen am Acker. Dort setzte sie sich auf die kleine verwitterte Mauer und gab sich ihren Gedanken hin.
Von weiter hinten hörte sie das Wiehern der Pferde und das Klirren ihrer Geschirre, wenn sie sich aufbäumten. Mit leiser Sehnsucht schweiften ihre Gedanken dann zu dem neuen Stallmeister, ein gerader aufrechter Mann mit klaren strengen, aber nicht kalten Augen. Ein leiser Schauer der Lust durchlief dabei ihren jungen noch jungfräulichen Körper.
Sie hatte ihn heimlich beobachtet, wie er mit den jungen noch wilden Pferden umging, streng aber kontrolliert hantierte er dabei mit der Gerte. Wenn er es mit einem besonderen Wildfang zu tun hatte, dann band er ihn einfach nur an und ließ ihn sich austoben. Der scharfe würzige Geruch des Stalls mischte sich dann mit dem Geruch seines Schweißes, denn er musste die Trense gut festhalten.
Fasziniert hatte sie dabei zugesehen, wie sich seine Muskeln spannten. Nie hätte sie gedacht, dass er diesen Kampf gewinnen könnte. Und doch ließ sich noch jedes Pferd von ihm nach einem solchen Kampf gefügig in den Stall führen und satteln. Dann ritt er es noch einmal, jedoch nur ganz kurz, und ließ ihm nach überstandener Prozedur besonders viel Pflege zukommen. Bei diesen Gedanken fühlte sie sich sehnsüchtig angezogen.
'Pffht', ein Pfeifen ging durch die Luft und ein brennender Schmerz bemächtigte sich ihres linken Oberschenkels. Sie schnellte hoch. Doch noch bevor sie begriffen hatte, woher das Brennen auf einmal kam, drückte er sie auf die Mauer zurück und herrschte sie an. »Was träumst du hier herum, noch dazu mit so liederlich nach oben gezogenem Rock? Ist es das, was deine Schützlinge von Dir lernen sollen?«
Sie war sprachlos und kämpfte um eine Antwort.
»Ich habe Dich schon neulich beobachtet, als Du Dich im Stall herumgedrückt hast. Du bekommst Dein Brot nicht für diesen Müßiggang.«
»Aber es ist doch alles an Arbeit erledigt«, begann sie zu stammeln.
»Bring Dich in Ordnung, der Graf ist heimgekommen und er schickt nach Dir«, gab er herrisch zurück.
Ohne Widerspruch stand sie auf und machte sich auf Richtung Haus. Brennend spürte sie seinen Blick im Rücken und jetzt fiel ihr ein, woher der Schmerz gekommen war. Er hatte sie ohne Vorwarnung mit der Gerte geschlagen. Wut stieg in ihr auf. Sie war nicht irgendeine Dirne auf diesem Gehöft. Sie war hier Erzieherin, das untergrub ihre Autorität, das konnte sie sich nicht bieten lassen. Sie schnellte herum und wollte ihm wütende Worte entgegenwerfen.
Aber er stand ganz dicht hinter ihr und hielt ihren noch im Drehen begriffenen Körper mit festem, aber nicht schmerzhaftem Griff fest. »Na mach schon«, sagte er fast zärtlich, »der Graf ist heut nicht in gnädiger Stimmung. Ich warte dann im Stall auf Dich.«
Er sah ihr nach, wie sie mit festem Schritt dem Anwesen entgegen ging. 'Ein Rückgrat wie es mancher Mann nicht hat, obwohl sie eher zierlich ist', musste er dabei unwillkürlich denken. Früh war ihr große Verantwortung gegeben worden und er sah wohl, dass sie drohte, vorzeitig zu verblühen.
Er hatte ihre Wut förmlich riechen können, wie sie sich aufgebäumt hatte. Sollte er diese Blume pflücken bevor sie ungepflückt verblühte?
* * *
Oma Selma strich noch einmal zärtlich über die Gerte, dann legte sie sie auf den Boden.
Maria blickte sie fast atemlos an. Paul war ebenfalls sichtlich fasziniert. Er mußte sich erst räuspern. »Und bist Du dann noch in den Stall gegangen.«
Die Antwort von seiner Oma war geheimnisvoll. »Nicht an jenem Abend.«
Sie griff zur Kiste und nahm ein graues Stoffbündel zur Hand. Sie schlug es auf und eine beige Reithose kam zum Vorschein. »Das hier habe ich auch als Erinnerung an ihn behalten dürfen.« Sie reichte Paul die Hose und nahm sich das nächste Paket. Sie wickelte es ebenfalls aus. Maria erkannte es als eine Bluse.
»Diese Sachen habe ich getragen, wenn ich mit dem Rittmeister ausreiten durfte. Darauf hat er stets bestanden.«
Paul und Maria hörten aufmerksam zu.
»Es war die einzige Gelegenheit, wo ich Hosen tragen durfte. Auch wenn die Hose noch ein paar Besonderheiten hatte.«
Der Rittmeister hatte ein paar Veränderungen einarbeiten lassen und von der Schneiderin wußte sie, dass er für jede seiner weiblichen Begleitungen darauf bestand.
Im Schritt war eine kleine Erhöhung eingearbeitet, nicht so groß, um in sie einzudringen, aber noch dick genug, um sie ständig an ihrer empfindsamsten Stelle zu spüren, besonders wenn sie damit im Sattel saß und ihr Gewicht auf den Sattel drückte.
Die Beine waren sehr eng geschnitten und machten das Gehen mit weiten Schritten kaum möglich. Zudem waren an der Aussenseite noch Ösen angebracht, mit denen die Trägerin am Sattel befestigt wurde. So fest ans Pferd gezurrt, mußte sie damals lange Ausritte mit ihrem Herrn machen.
Die langsamen Trittfolgen waren nicht weiter schlimm, sie merkte zwar die Enge in ihr und ihre genommene Beinfreiheit ließ sie nur wenig korrigieren, doch wenn ihr Herr in den Trab oder glatt in den Galopp ging, fiel es ihr schwer, nicht den Bewegungen in ihrem Inneren nachzugeben. So kamen esn gerade in diesem Gallop immer wieder einmal zu einem leichten Aufschreien, was Teils des Schmerzes teils der Lust zu verdanken war.
Unter dem großen Lindenbaum, der tief im Wald auf einer lichtdurchfluteten Lichtung stand, machten sie oft Rast. Der Weg dorthin war aber teils sehr schwer zu bewältigen. Es ging teilweise über Stock und Stein und das Pferd musste ein paar mal über gefallene Baumstämme springen. Ihr bangte jedesmal davor, denn das waren die Momente wo sie unsanft wieder in den Sattel zurück gezogen wurde.
Wenn sie endlich an der alten Linde angekommen waren, dann stieg ihr Begleiter ab, ging zu ihr und ihrem Pferd und erfreute sich lächelnd an den Strapazen, die ihrem Gesiicht anzusehen waren.
Er band erst das Perd an einen Ast und löste dann die ledernen Stricke, die ihre Hose mit dem Sattel und dem Geschirr des Pferdes verbanden. Sie hatte gelernt zu warten, bis ihr das Absteigen erlaubt wurde und wusste, dass sie nur, wenn sie weiterhin still sitzen würde, dies auch erlaubt bekam.
Der Schweiß tropfte von ihrer Nase und ihr Atem beruhigt sich nur langsam. Das enge Korsett machte ihr nicht nur beim Reiten, sondern auch beim Atmen schwer zu schaffen. Nur wenn sie ruhig atmete, bekam sie gut Luft.
* * *
»Und was hat er auf der Lichtung dann mit Dir gemacht?« Paul nutzte die Pause, die Oma Selma machte.
»Jetzt lass mich erst mal einen Schluck trinken«, Sie stand auf und ging in Richtung Küche. In Wirklichkeit bezweckte sie aber, dass Paul und Maria sich etwas mit den Sachen auf ihrem Schoß beschäftigen sollten.
Maria blickte sehr fasziniert auf die Hose und die Bluse, die vor ihr auf dem Schoß lagen. Sie blickte auf die Ösen, die entlang des Beines deutlich zu sehen waren. »Schau, da wurde sie festgebunden.«
Paul begriff erst langsam, dass Maria sich auf der einen Seite für die Hose auf ihrem Schoß interessierte, auf der anderen Seite aber nichts anfassen konnte, weil sie ihre Arme auf dem Rücken in ihrer Trainingshaltung trug. Er blickte erst Maria an, dann auf die Hose, dann nahm er sie in die Hände, so dass Maria sie genauer betrachten konnte.
Auch für Maria war es ungewohnt. Auf der einen Seite war da ihre Neugier und Faszination gegenüber dieser besonderen Hose, auf der anderen Seite konnte sie selbst aber überhaupt nichts machen, da ihre Hände wie so oft auf dem Rücken festgehalten wurden.
Paul begriff, dass er seine Hände für Maria handeln lassen mußte. So drehte er die Hose langsam hin und her, so dass Maria sich die Details ansehen konnte.
Er wollte sie schon wieder auf den Schoß legen, als ihm die besonders dicke Stelle im Schritt auffiel. Von einer bislang unbekannten Faszination getrieben klappte er das Hosenoberteil auf, um sich und seiner Freundin einen Blick auf das Innere der Hose zu erlauben.
Er wurde rot, als er erkannte, was die dicke Stelle bei der Trägerin bewirken würde, doch zu seiner Überraschung reagierte Maria recht cool auf den Anblick. »Das ist eine gemeine Hose, so etwas kenne ich.« Im Gegensatz zu ihrem Freund wurde sie dabei nicht rot. »So was muß ich gelegentlich auch tragen.« Paul wurde nervös. »Zeig mir mal die Bluse.«
Er war erleichtert, diese gewiss sehr beeindruckende Hose beiseite legen zu können. Er ergriff die Bluse und hielt sie hoch. Es war ein leichter, fast dünner Stoff und sie hätte einen sehr zarten Eindruck gemacht, wenn da nicht überall die Dreifachnähte gewesen wären, die den beiden sofort auffielen. Maria sprach es aus. »Das ist Spezialseide, sehr zart und doch auch sehr robust, nicht zu zerreißen.«
Paul bekam eine Gänsehaut, denn irgendwie ahnte er, dass seine Freundin von praktischen Erfahrungen sprach.
Maria erkannte die weiteren besonderen Details der Jacke sofort. Sie lenkte Pauls Aufmerksamkeit auf die langen Bänder am Ende der Ärmel sowie auf die vielen Schlaufen rings um die Taille. Auch oben auf der Schulter gab es etwas kürzere Bänder.
* * *
Oma Selma kam mit einem Tablett zurück, auf dem sich drei Gläser und eine Karaffe Wasser befanden. In einem Glas steckte ein Strohhalm. Sie blickte ebenfall auf die Bluse und überlegte, wie viel von ihren Erinnerungen sie wohl an das Paar weiter geben konnte. Alles würde sie ihnen sicher nicht erzählen. Ganz sicher nicht von den veränderten Heimritten.
Es war stets der gleiche Ablauf gewesen. Er hatte immer einen Picknickkorb dabei, der gut gefüllt war. Er stellte den Korb neben ihren Platz auf einen Baumstumpf, dann erst ließ er sie vom Pferd absteigen. Sofort wurden ihre Beine oberhalb der Knie von ihm zusammengebunden, so dass sie nur kleine Schritte machen konnte.
Sie schämte sich schon lange nicht mehr für den Anblick, den sie bot. Ihre Brüste waren durch den dünnen Stoff der Bluse gut zu sehen und obwohl die Bluse bis zum engen Kragen geschlossen war, bewirkte ihr erhitzter Körper, dass die Bluse an ihrer Haut klebte und nichts mehr verbarg. Dabei hätte es ohnehin nur noch wenige Knöpfe gebraucht und die Bluse wäre offen gewesen.
Doch er öffnete die Bluse stets nur zu einem ganz bestimmten Zweck. Noch heute biß sie sich auf die Lippen, wenn sie daran dachte. Sie konnte es auch nie verhindern, selbst wenn sie es sich getraut hätte, denn er hatte stets die Bänder am Ende des Ärmels mit den Bändern auf der Schulter verbunden, so dass ihre Hand gezwungenermaßen auf ihrer jeweiligen Schulter zu liegen kam und sie damit ihre Arme nicht mehr nutzen konnte.
Das Licht fiel durch die Baumspitzen auf die Decke und tauchte ihren Körper in ein Spiel aus Licht und Schatten, die Lindenblüten wurden vom leichten Wind durch die Luft getragen und es duftete nach frischem Gras, sowie den Blüten, die der Baum trug. Ein leises Zwitschern begleitete den Zauber, den dieser Ort ausstrahlte.
Wie üblich machte er ihr nur eine Hand frei, dann befahl er ihr, das Picknick zu decken, da er essen wolle. Sie wußte, dass es ein Vergnügen für ihn war, wenn sie sich so abmühte. Und dabei war es mit der Hose und dem Korsett schon schwierig genug.
Wenn sie endlich mit dem Bereiten des Picknicks fertig war, legte sie mittlerweile schon von sich aus ihren noch freien Arm auf den Rückenihre noch frei eHand auf ihre Schulter, denn sie wußte, dass er ihn sie dort festbinden würde.
Er öffnete den Wein und drückte ihr dann die geöffnete Flasche in die Hand, die auf dem Rücken der Schulter festgebunden war. Zu Anfang war sie noch bemüht, sehr vorsichtig einzuschenken, doch sie erkannte bald, dass er nur einen Grund suchte, um sie auf dem Rückweg vom Picknick zu »bestrafen«. So machte sie sich nicht mehr so viel Mühe und es tropfte oft roter Wein auf das weiße Tuch.
Beide nahmen es stets wortlos zur Kenntnis, wußten sie doch beide, was kommen würde. Das Ritual war stets gleich. Wenn er gegessen hatte, fütterte er sie, bis auch sie satt war. Schon diese Demütigung bewirkte ein Kribbeln in ihrem Bauch und sie freute sich auf den weiteren Ablauf.
Der »letzte Bissen« war stets ein Knebel, den er ihr geradezu zärtlich in den Mund steckte und ihm Nacken verschloß. Dann standen sie auf. Er trat auf sie zu und öffnete die Knöpfe ihrer Bluse. Aus seiner Tasche nahm er wie immer zwei kleine Schmuckstücke und klemmte sie an ihre Spitzen, dann schloß er ihre Bluse wieder. Ihr Atem zischte regelmäßig am Knebel vorbei.
Erst jetzt löste er ihren Arm vom Rücken, um ihn sofort wieder oben an der Schulter festzubinden. Dann half er ihr, aufs Pferd aufzusteigen und band sie sofort wieder auf dem Sattel fest. Der Schritt der Hose drückte fest in ihr Geschlecht und ihr Atem ging heftig. Sie gab sie stets Mühe, nicht zu stöhnen. Diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen.
* * *
Oma Selma erzählte von den gemütlichen Picknicks und davon, wie er sie stets mit der Bluse neckte, aber von den Schmuckstücken und dem Knebel erwähnte sie nichts.
Sehr erfreut sah sie Marias sehr faszinierten Blick und wandte sich wieder der Kiste zu.
Sie nahm ein kleines hübsch verziertes Schmuckkästchen heraus und reichte es dem Pärchen. Marias Blick fiel auf die Kiste. Der Schreiner damals hatte sich sehr viel Mühe damit gegeben und kleine Schnitzereien auf dem Kistchen angebracht. Wenn man genau hinschaute und die Bilder in der richtigen Reihenfolge betrachtete, schienen sie eine kleine Geschichte zu erzählen. Man sah eine Frau mit gesenktem Blick, die erst auf Knien und in Fesseln an der Leine ihres Herrn diente, bis sie schließlich immer aufrechter und stolzer in einem Gewand vor dem Herrn stand und ihm lustvoll ihre Hände reichte.
Oma Selma reichte ihrem Enkel einen kleinen Schlüssel. Paul nahm den Schlüssel und öffnete das Kästchen vorsichtig. Im Inneren befanden sich kleine mit weißem Samt ausgelegte Abteilungen. Der Schmuck darin war auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich, jedoch zeigten sich beim genaueren Hinsehen kleine Hinweise, wozu dieser Schmuck außer zum bloßen Schmücken noch gedacht war. Sehr unauffällig waren Ringe in den Schmuck eingearbeitet, die etwas herausstanden und an denen etwas befestigt werden konnte.
Die drei Halsketten, die an der ebenfalls mit weißem Samt ausgekleideten Innenseite des Deckels ihren Platz hatten, fielen als erstes auf. Die aus Leder kunstvoll geflochtene und geknüpfte Halskette hing oben über den anderen beiden. Sie war von einer gewissen Breite, welche den halben Hals bedeckte und in einem Dreieck kurz vor dem Dekolleté endete. Selma erwähnte kurz, dass sie es meist zur Arbeit getragen hatte.
Darunter befand sich ein schmuckes Collier aus Gold und Edelsteinen, welches damals extra für einen Ball angefertigt wurde. Als Unterstes hing dort eine robuste Kette aus Ösen, die ihr Vorbild bei den Kettenhemden des Mittelalters fand, jedoch sehr kunstvoll mit einem Muster verziert, welches sich aus verschiedenen Ösengrößen zusammensetzte. Dazu gab es jeweils die passenden Ringe, Armbänder und Ohrringe, die sich in den anderen Fächern der Schatulle befanden.
Für die erste Verlobung der drei Töchter hatte sie ein Ballkleid bekommen, zu welchem sie den Schmuck tragen durfte. Sie griff in die Kiste und nahm ein Stoffbündel heraus. Sie faltete es auseinander und zeigte es in seiner ganzen Größe. Es war zu erkennen, dass in der Taille ein sehr steifes Korsett eingearbeitet war. Selma hob den Rock hoch und zeigte die Bänder, die in den Unterrock eingearbeitet waren. »Damit die Trägerin keine ungebührlich großen Schritte machen kann.«
Marias Augen glänzten.
Oma Selma griff wieder in die Kiste. Sie nahm etwas in leuchtendem Rot heraus und legte es Paul und Maria auf den Schloß. Maria brauchte Paul nicht aufzufordern, er wußte jetzt schon selbst, was er für seine Freundin tun mußte. Er nahm es in die Hand und hielt es hoch. Es rollte auseinander und jetzt konnten sie erkennen, dass es eine Bluse war, bei der allerdings die Ärmel eine Besonderheit bildeten. Sie waren mittels einer kurzen Stoffbahn längs am Körper entlang geschnürt.
Beide blickten verwundert auf die Bluse und dann auf Pauls Oma. Diese blickte verträumt auf die Bluse. »Die habe ich oft für den Rittmeister getragen.« Sie sah Marias faszinierten Blick. »Wenn sie Dir paßt, dann schenke ich sie Dir.«
Es war Maria anzusehen, dass sie diese faszinierende Bluse gern sofort angezogen hätte, denn ihre Arme zuckten in ihrem Gefängnis auf dem Rücken.
Oma Selma griff noch einmal in die Kiste und stellte ein paar Stiefel daneben. Sie waren in dem gleichen Rot und auch sie waren entlang der Waden aneinandergeschnürt. Es war deutlich zu sehen, dass der Trägerin damit so gut wie keine Beinfreiheit mehr bleiben würde.
Paul blickte seine Oma erstaunt an.
»Er hat mich oft getragen.« antwortete sie auf die nicht gestellte Frage. Sie schloß den Deckel der Kiste und schob sie beiseite. Dann zog sie die zweite große Kiste heran und lächelte neugierig. »Mal sehen, was hier drin ist.«
Sie klappte den Deckel auf und blickte hinein. Sie tat so, als würde sie den Inhalt wiedererkennen. In Wirklichkeit wußte sie natürlich genau, was sich in dieser Kiste befand. »Dies sind die Sachen, die die Grafentöchter aussortiert haben. Meistens weil ihnen die Farbe nicht gefallen hat. Es mußten dann neue Sachen angefertigt werden.« Das innerliche Aufstöhnen war immer noch gut zu hören.
Wie schon bei der ersten Kiste lagen hier auch drei Rohrstöcke oben auf. Maria stöhnte unbewußt auf und verzog etwas das Gesicht.
Oma Selma hatte mit so einer Reaktion gerechnet, dennoch war sie auch erleichtert, ihr die Sorgen nehmen zu können. »Diese Stöcke wurden zwar extra für die drei Töchter angeschafft, aber sie dienten nur zur Abschreckung und zur Ermahnung. Geschlagen wurden die Töchter nie damit.« Sie legte sie beiseite und nahm nebenbei Marias erleichterten Blick zu Kenntnis.
Maria wandte den Blick von den Stöcken wieder auf die Kiste. Ein Gewirr von kleinen Ketten und einigen Ringen war zu sehen. Sie dachte daran, dass sie auch bald in Ketten gelegt werden würde. Sie erwähnte kurz den Besuch beim Schmied.
Selma lächelte. »Ja, so ähnlich ist dies auch bei diesen Ketten. Sie gehörten der jüngsten und sie musste sie immer zur Strafe tragen, wenn sie mal wieder besonders frech war.« Sie nahm das Eisenbündel aus der Kiste und breitete es auf dem Boden aus.
Maria blickte mit einer gewissen Faszination darauf, denn bei diesem Kettenensemble war auf ein Taillenring dabei. Sie blickte zu Paul, dessen Blick aber schon wieder auf der Kiste lag.
Doch Oma Selma war Marias Blick nicht entgangen. Sie wusste zwar, dass Maria die Ketten nicht passen würden, weil die jüngste Grafentochter größer war als Pauls Freundin, dennoch war es wichtig, Marias Neugier nicht abzuwürgen. Sie nahm die Ketten und legte sie neben die Bodentreppe. »Die könnt ihr später mit hinunter nehmen.«
Maria wollte widersprechen, doch der kurze fast heimliche Finger auf dem Mund sowie verschwörerisches Lächeln liess sie verstummen.
Paul hatte ein großes Notizbuch aus dem Koffer genommen und bevor er es aufschlug, holte er sich mit einem fragenden Blick die Erlaubnis dafür.
»Das ist eines der Protokollbücher.« erklärte seine Oma. »Es berichtet über die Erziehung, die geplanten Demütigungen und auch die Strafen bei Ungehorsam.«
Maria zuckte bei diesen Worten zusammen.
Paul schlug es auf und hielt es so, dass sie beide hineinsehen konnten. Sie sahen eine Liste von Aufgaben, die zu erfüllen waren und die Strafen bei »Nicht-« oder »schlechter« Erfüllung.
Die folgenden Seiten waren gefüllt mit präzisen Tagesprotokollen und einigen Randbemerkungen. Maria blickte etwas glasig auf Pauls Oma.
»Wenn ihr wollt, könnt ihr euch das gern mitnehmen und lesen.« Paul klappte es langsam zu und blickte Maria fragend an.
Doch seine Freundin schien im Moment gerade zu träumen, sie erwiderte den Blick nicht.
»Ich musste es selbst oft meinem Herrn vorlesen, fast jeden Abend wollte er über den Erziehungstand seiner Töchter Bescheid wissen.« Sie lehnte sie zurück und schloß kurz die Augen. »Meist saß er im Kaminzimmer in seinem Sessel nah am Kaminfeuer und nachdem ich ihm einen Wein gebracht hatte, musste ich mich zu seinen Füßen setzen und ihm vorlesen.«
Paul war recht unsicher, was er machen sollte. Schließlich legte er das Buch neben die Kiste.
Selma griff in die Kiste und holte eine bunte Decke heraus. »Das war die 'Picknick'-Decke.«
Paul horchte auf. Der ironische Tonfall sagte ihm, dass es mit der Decke mehr auf sich hatte.
Seine Oma breitete die Decke auf dem Boden aus. »Auf der einen Seite sind in kleinen Bildern die Fähigkeiten abgebildet, die es zu erlernen galt.« Die Bilder zeigten Situationen aus dem Leben junger adeliger Damen.
Doch dann drehte sie die Decke um. »Die andere Seite ist aber viel interessanter. Dort sind die entsprechenden Strafen bei Ungehorsam abgebildet.«
Sowohl Paul als auch Maria blickten aufmerksam auf die kleinen Darstellungen.
»Die vielen kleinen Bänder und Schlaufen dienten dazu, die Töchter auf der Decke festzubinden.« Sie griff noch einmal in die Kiste und holte einen kleinen länglichen Sack heraus, der ein wenig nach Eisen klang. »Dies sind die Eisenstangen, mit denen die Decke auf dem Waldboden fixiert werden konnte.«
Maria war von der Decke sehr angetan. Sie blickte fragend zu Pauls Oma.
Diese verstand den Blick sofort und legte die Decke sowie die Heringe zu den Ketten. Dann griff sie wieder in die Kiste und holte ein dickes Stoffbündel heraus. Sie blickte Maria ermutigend an. »Das hier könnte dich auch interessieren.« Sie stand auf und breitete es aus. »Das war das Wintercape für die jüngste Tochter. Allerdings etwas zu klein, deswegen wäre es noch ganz neu.« Sie ließ Maria den Gedanken allein zu Ende denken. Es könnte ihr passen. Ihre Neugier war sofort geweckt.
Paul spürte die innere Unruhe seiner Freundin und nachdem ihn seine Oma auffordernd ansah, stand er auf und nahm sich das Cape in seine Hände. Er spürte sofort das ungewöhnliche Gewicht des Umhangs. »Oh, das ist aber schwer.«
»Da sind diverse Bleieinlagen drin.« Oma Selma lächelte verschmitzt. »Es sollte ja auch nicht versehentlich vom starken Winterwind hoch geweht werden.«
Maria war sichtlich beeindruckt. »Dürfte ich das mal ausprobieren?« Es freute sie, dass es endlich mal ein Gegenstand war, bei dem ihre gefesselten Arme nicht weiter störten.
»Wartet, ich helfe euch.« Oma Selma trat zu den beiden und griff mit an das Cape. Sie zeigte Paul, wie es zu öffnen war und dann legten sie es gemeinsam über Marias Schultern.
»Oh, ist das schwer.« Maria war über das Gewicht ebenso erstaunt. »Und warm ist es auch.« fügte sie nach kurzer Zeit hinzu.
Pauls Oma lächelte. »Es ist ja auch für kalte Wintertage gedacht.« Sie bat Paul, es doch einmal zu schließen. »Ich möchte nur kurz wissen, ob es sich schließen lassen würde.«
Paul hatte den Reißverschluss zusammengesteckt und zog den Anfasser jetzt langsam höher. Doch im Bereich von Marias Armen ging es nicht weiter.
Seine Oma hatte dies beobachtet und bat ihn zu stoppen. »So geht es doch nicht.« Sie sah Maria an. »Deine Arme müßten in den inneren Ärmeln liegen, dann würde sich das Cape auch schließen lassen.«
Marias Augen begannen zu leuchten.
»Schade«, fuhr Selma fort, »Ich hätte gern gewußt, ob das Halskorsett gepasst hätte.« Als sie Marias erstaunten Blick sah, ergänzte sie. »In das Cape ist eines eingearbeitet.«
Paul öffnete den Reißverschluß wieder, dann nahm er das Cape von Marias Schultern. Er hielt es etwas unsicher in den Händen.
Maria sah sein Zögern. Sie war etwas unsicher. »Es ist ja noch lange hin bis zum Winter, aber -« Sie zögerte etwas. »Ich würde es gern mal ausprobieren.«
Paul legte es auf die Seite.
Selma griff wieder in die Truhe und holte noch ein schwarzes Ungetüm heraus. »Dies hier war das Nachtkorsett für die mittlere Tochter.« Sie hielt es hoch, damit das Paar es in seiner ganzen Größe bestaunen konnte. »Es reichte der Tochter von den Knien bis zum Hals.«
Es war allen klar, dass dieses Korsett für Maria viel zu groß war, doch vor allem war Maria beeindruckt von der Strenge, die das Korsett ausstrahlte. Es reichte von den Knien bis dicht unter das Kinn. Ihre Stimme war leise. »So eines habe ich noch nicht.«
»Hier sind dann noch einige Kleider der größten Tochter.« Der Tonfall machte deutlich, dass die Kleider Maria auch nicht passen würden. »Sie war besonders auf die Etikette fixiert und so waren bei ihr fast immer irgendwie die Arme mit in das Kleid eingeschlossen.« Sie breitete einige der Kleider auf dem Boden aus und zeigte die interessanten Details. Manchmal waren die Ärmel nur an der Seite festgenäht, bei anderen hätte sie die Arme wie bei einem Monohandschuh auf dem Rücken tragen müssen.
Maria war schwer beeindruckt. »Schade, dass ich nicht ihre Größe habe.«
Selma hatte auf einmal eine Idee. »Ich werde mal meine Freundin fragen, die ist gelernte Schneiderin. Bestimmt kann mal die Kleider auch enger machen lassen. «
In Maria kämpften ihre Bescheidenheit mit ihrer Unterwürfigkeit. Sie würde sich sehr gern diesen so reizvollen Kleidern ausliefern, doch andererseits wollte sie auch keine Umstände machen.
Paul nahm beiden unbewußt den Wind aus den Segeln. »Aber das machen wir erst nach dem Fest, oder?« Er erinnerte sich an die mahnenden Worte, dass er sehr auf Marias Belastung aufpassen sollte.
Innerlich seufzten beiden Frauen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Damit war die Kiste leer und Selma griff zur ersten der beiden kleinen Kisten. Bei dieser Kiste war sie besonders gespannt, wie Maria reagieren würde. Sie enthielt das komplette Keuschheitsgeschirr, welches damals sehr prunkvoll für die jüngste Tochter angefertigt worden war. Sie wusste selbst nicht, warum dieses damals aussortiert worden war. Selma wollte wissen, wie Maria wirklich zu ihrem Keuschheitsgeschirr stand. Würde sie es als »Strafe« empfinden oder als Schutz?
Es lief so, wie sie es insgeheim erhofft hatte. Zum einen sah sie, dass Marias Arme heftig zuckten, als der Deckel der Kiste geöffnet wurde und sie sah, was sie darin befand. Dann war da Marias Atem, der heftiger ging, als sie Paul bat, den Gürtel aus der Kiste zu nehmen.
Ein wenig tat ihr ihr Neffe leid, der sich jetzt mehr oder weniger unfreiwillig mit einigen Details des weiblichen Geschlechts auseinandersetzen musste. Sie sah, dass seine Hände ein wenig zitterten. Doch Maria war mit ihren Gedanken ganz woanders, so dass es ihr nicht auffiel.
»Schau dir nur diese vielen kleinen Bilder an.« Ihre Stimme zeigte echte Begeisterung. »So einen hätte ich auch gern.«
Paul war bemüht, den Gedanken seiner Freundin zu folgen, auch wenn sie ihn gerade mit recht intimen Details beschäftigte. Aber er hatte sich fest vorgenommen, Maria in jeder noch so obskuren Situation beizustehen und vor allem deswegen war er auch bereit, seine eigenen Gefühle und Gedanken außen vor zu lassen.
Selma hatte in die Kiste gegriffen und hielt ihrem Neffen jetzt auch noch den dazu gehörigen Keuschheits-BH hin.
Paul nahm ihn ebenfalls entgegen und musste trotz seiner Anspannung staunen, als er erkannte, wie detailreich der BH gearbeitet war. In seiner sehr kunstvollen Schnecke zog sich ein Motivband von der Mitte aus nach außen und zeigte lauter kleine Szenen aus dem Leben adeliger junger Mädchen.
Sowohl er als auch Maria waren beide sehr beeindruckt.
Ein kleiner Beutel war noch in der Kiste. Er enthielt einige kleine sehr kunstvoll verzierte Schlösser samt Schlüssel als auch kleine Einsätze für den Schrittteil der Gürtel. Selma erklärte dies, als sie den Inhalt der Beutel ausgeschüttet hatte.
Maria stöhnte ein wenig. Im Gegenteil zu Paul hatte sie die Bedeutung der Worte erkannt. Andererseits freute sie sich auch ein wenig, wie nah sie mit ihrem Erziehungsprogramm an dem realen Leben der adeligen Töchter dran war.
* * *
Selma hoffte, nicht zu dick aufzutragen. »Dann muss es in der vierten Kiste sein.« Mit einer theatralischen Geste öffnete sie den Deckel der letzten Kiste, die sie vom Dachboden geholt hatten.
Paul und Maria waren noch mit den Keuschheitsgeschirr-Sachen beschäftigt.
»Das hier habe ich gesucht.« Selma griff in die Kiste und holte ein Bündel von Lederriemen heraus, in dem die eine oder andere rote Kugel herausschaute.
Maria, die kurz herauf schaute, musste sich Mühe geben, um nicht enttäuscht zu sein. Immerhin hatte sie die Ballknebel aus ihrem Strafprogramm erkannt.
Paul war mittlerweile sensibel genug, um Marias Stimmungswechel zu bemerken. Er blickte selbst ebenfalls zu seiner Oma, doch im Gegensatz zu seiner Freundin fehlte ihm die Erfahrung, um zu erkennen, was seine Oma in ihrer Hand hielt.
Selma legte das Bündel auf den Tisch und zog an einer der roten Kugeln. Sie entwirrte die Riemen und blickte Maria ermutigend an. Doch dann, sie war sensibel genug, erblickte sie so etwas wie Abneigung bei Maria. Sofort war ihr klar, dass Mrs. Potter die Knebel bisher vermutlich immer nur zur Strafe eingesetzt hatte. Sie beschloß, ihre Taktik zu ändern und Maria direkt mit ihrem Verdacht zu konfrontieren. »Du musst die Knebel immer zur Strafe tragen?«
Maria war überrascht und überrumpelt, denn sie hätte sich von sich aus nie über ihre Erzieherin beschweren wollen. Doch es stimmte, diese Bälle im Mund trug sie immer als Bestrafung.
Doch Pauls Oma wartete die Antwort gar nicht ab. »Das ist aber nicht richtig.« Sie suchte aus dem Bündel einen anderen Ball heraus, der etwas kleiner war. »Es geht auch anders.« Sie nahm ein Tuch zur Hand, putzte den Ball ausführlich ab und reichte Paul den Knebel. »Probiert den einmal aus.«
Paul war sehr verunsichert. Er hielt den Knebel zwar in seiner Hand, doch genauso fühlte er, dass Maria die Knebel nicht mochte. Erst als Maria ihm einen Kuss gab und ihm versicherte, dass sie es gern ausprobieren wolle, ließ er sich überreden. Sehr langsam und vorsichtig führte er seiner hilflosen Freundin die Kugel in den Mund und verschloss die Riemen in ihrem Nacken.
»Der Ball ist kleiner und müßte es dir erlauben, damit noch zu reden.« Sie reichte Paul ein Taschentuch. »Bitte achte auf ihren Speichel. Das ist bei dieser Methode leider unvermeidlich.«
Es war Maria deutlich anzusehen, dass sie bisher wohl immer wesentlich größere Bälle im Mund gehabt haben musste. Ihre Gesichtszüge entspannten sie sich immer weiter.
Pauls Oma war bemüht, trotz der sehr faszinierenden Situation das Gespräch wieder auf den Punkt zu bringen, von dem alles ausgegangen war. »Nun, was machen die Wiener Waschweiber?«
Maria stutze erst, dann begriff sie, dass Selma auf die Übungssätze von ihrem Schauspielunterricht anspielte. Sie öffnete ihren Mund und sprach langsam ihren Übungssatz. Zu ihrem eigenen Erstaunen störte sie der Ball in ihrem Mund fast überhaupt nicht. Ihr Gesicht begann zu strahlen. Gleich darauf probierte sie noch einen Satz. Auch der Satz klappte sehr gut. Und nur beiläufig nahm sie wahr, dass Paul ihr ab und zu den langsam erscheinenden Sabber abwischte.
Wieder griff Selma in das Gewühl der Lederriemen und zog zielstrebig noch einen Ball heraus. Bei diesem Ball war auffällig, dass er von einem kleinen Netz von Lederriemen umgeben war. Sie legte es etwas auffällig vor sich. Sie wollte Maria nicht drängen, andererseits kam jetzt ihre dominante Seite ein wenig durch und sie hoffte, dass Maria bei ihrer Neugier bleiben würde. Auch wenn sie es im Haushalt des Grafen nie zeigen durfte, von den Kopfgeschirren, die die Töchter gelegentlich tragen mußten, war sie immer besonders fasziniert gewesen.
Doch Maria hatte schon angebissen. »Und was ist das?«
»Das ist ein Kopfgeschirr.« Sie blickte in vier etwas ratlose, wenn auch abenteuerlustige Augen. »Darf ich es euch zeigen?« Irgendwie war ihr klar, dass ihr Enkel sich damit sicher noch nicht auseinander gesetzt hatte.
Paul bemühte sich, Maria zunächst den bisherigen Knebel anzunehmen.
Kaum war die Kugel aus ihrem Mund heraus, als es schon aus Maria herausplatze. »Damit möchte ich immer mein Sprachtraining machen.« Sie lächete etwas verlegen. »Und jetzt möchte ich das ...« Sie zögerte etwas, »das Kopfgeschirr probieren.«
Selma griff nach dem Lederriemengewirr und hielt es hoch. Sie sortierte die Riemen und erklärte dabei mit leiser Stimme die Bedeutung der einzelnen Riemen. Sowohl Paul als auch Maria gaben sich Mühe, aufmerksam zuzuhören. Dann reichte sie es Paul. Sie wusste, dass es sehr wichtig war, dass er es seiner Freundin anlegte. Bei ihm würde Maria mit ihrer Liebe das neue Gefühl um ihren Kopf ganz anders aufnehmen.
Paul war bemüht, das Kopfgeschirr nach den Anweisungen seiner Oma richtig anzulegen und auch nur gelegentlich musste Selma mit ein paar wenigen Worten korrigierend eingreifend. Insgesamt war sie mit der Arbeit ihres Enkels sehr zufrieden.
Marias Atems ging etwas heftiger. Hörbar zischte die Luft zwischen dem Knebel und ihren Lippen vorbei.
Selma war gut vorbereitet. Sie schaltete die vorbereitete Musik an, dann gab sie Paul ein Zeichen, Maria in die Arme zu nehmen.
Das Stöhnen wurde lauter.
Selma erhob sich und verließ leise das Zimmer. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und blickte kurz auf das Liebespaar.
Paul hielt Maria im Arm und streichelte sie zärtlich, während seine Freundin heftig mit ihren Gefühlen kämpfte.
Selma schloß die Tür und lächelte. Maria würde auch nach der Katerina sehr oft hilflos sein, dazu kannte sie ihren Enkel zu gut. Er würde alles tun, was Maria von ihm verlangen würde. Es war genauso gelaufen, wie sie es geplant hatte.