Maria

Maria – Das Probenwochenende

Autor: Karl Kollar

Schon beim Aufschließen ihrer Wohnungstür hörte die Reporterin Andrea Baselitz das Telefon klingeln. Doch da sie schon wusste, dass es nur ihre Freundin Uschi sein konnte, ließ sie sich Zeit. Erst nach dem sie sich Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich auf ihr Sofa fallen. Schließlich griff sie zum Hörer und meldete sich.

»Na endlich!« Ihre Freundin war etwas aufgebracht. »Was meinst du, wie lange ich es schon probiere?«

»Ich wünsche dir auch einen schönen Sonntag.« Andrea überhörte die Hektik ihrer Freundin.

»Nun erzähl schon, wie war es?« Uschis Stimme war sehr aufgeregt. »Hat er dir den Monohandschuh angelegt?«

»Nein, Hans ist doch heute beim Fischen.« Andrea wusste natürlich, was ihre Freundin meinte, doch sie liebte es, sie etwas aufzuziehen.

»Du machst mich verrückt.« Uschi keuchte. »Ich will doch wissen, wie es bei deinem Monohandschuh-Lehrer war.«

Andrea lachte innerlich, doch dann begann sie zu erzählen.

* * *

Andrea hatte die Nacht sehr unruhig geschlafen. Maria mit ihrem Monohandschuh und Mrs. Potter waren abwechselnd in ihren Träumen erschienen.

Sehr eindringlich erinnerte sich die Reporterin dabei an die Mahnung von Marias Erzieherin, dass sie unbedingt als Privatperson zu Herrn Weiterer gehen müsse. Die warnenden Worte klangen deutlich in ihr: »Er hasst die Presse. Lassen sie sich auf keinen Fall anmerken, welchen Beruf sie haben. Sagen sie, sie seien Lektorin bei einem Verlag. Das ist dann keine Lüge, sondern nur die halbe Wahrheit.«

Damit war Andrea einverstanden. Doch sie wollte es ohnehin nur erzählen, wenn er danach fragte. Sie hoffte allerdings sehr, dass sie sich nicht versehentlich verplappern würde.

Auch zu ihrer Kleidung hatte sie von Marias Erzieherin Tipps bekommen. »Er mag Frauen, die Röcke tragen und in High-Heels unterwegs sind, auch wenn er dies selbst nie zugeben würde.« Sie hatte gelächelt. »Sie würden ihm damit eine Freude machen. Achten sie aber darauf, dass der Rock nicht zu kurz ist.«

Sie ging an ihren Kleiderschrank und nahm das Ensemble heraus, welches sie kürzlich auch zu dem Empfang im Rathaus getragen hatte. Damit hoffte sie den richtigen Ton zu treffen.

Auch bei ihrem Schuhen brauchte sie nicht lange zu suchen, denn sie besaß nur ein Paar mit hohen Absätzen. Da sie darin kaum laufen konnte, hatte sie ihren Besuch gut geplant. Ein Taxi würde sie abholen und bis vor die Haustür fahren, so dass sie nur wenige Schritte gehen musste. Die kurzen Wege würde sie mühelos schaffen. Sonst war sie nämlich immer nur in bequemen flachen Schuhen unterwegs.

Auch den Inhalt ihrer Handtasche kontrollierte sie noch einmal. Sie wollte sichergehen, dass nichts darin war, was sie versehentlich entlarven könnte.

Der Auftrag, für Maria zu schreiben und dafür den Monohandschuh zu probieren, war nur die offizielle Ausrede. Tatsächlich war es ihre latent vorhandene Leidenschaft für Bondage, die sie zu diesem Termin trieb und die sie sonst so mühsam verbarg, vor allem vor ihrem Freund Hans.

* * *

Mit weichen Knien stieg Andrea aus dem Taxi und stöckelte etwas mühsam zur Gartenpforte. Sie hoffte, pünktlich zu sein, denn auch darauf hatte Mrs. Potter sie vorbereitet. Als sie auf den Klingelknopf drückte, hörte sie zu ihrer großen Erleichterung in der Umgebung die Kirchenglocken. Es war genau 14 Uhr.

Während sie auf das Öffnen der Tür wartete, gingen ihr noch einmal ihre Bedenken durch den Kopf. Sie wäre ihm lästig, sie würde nur seine Zeit stehlen und sie würde ihn nur belästigen mit ihren egoistischen Wünschen und ihrer »Perversion«. Doch zu ihrer Überraschung war er sehr freundlich und bat sie herein, nicht ohne ihr Äußeres schnell aber ausführlich zu mustern.

Andrea hielt den Atem an.

»Bitte machen sie mir die Freude und seien sie mein Gast.« Er bat sie ins Haus. »Seit meine Frau tot ist, bekomme ich kaum noch Besuch.«

Andrea hatte jetzt schon einen Kloß im Hals, zusätzlich zu ihrem schlechten Gewissen, dem alten Herrn etwas vor zuspielen.

Er erzählte zunächst von seiner Tochter, die jetzt in Amerika lebte, glücklich verheiratet war und zudem auch sehr erfolgreich im Beruf war. »Zwei mal im Jahr kommen sie mich besuchen, mit den Kindern.« Es war seiner Stimme anzuhören, wie stolz er auf seine Tochter war, auch wenn sie so weit weg wohnte.

Andrea hörte geduldig und fasziniert zu. Der alte Herr konnte auf eine besondere Art erzählen, die jeden sofort in den Bann zog.

»Aber jetzt kommen wir zum Zweck ihres Besuches. Warum möchten sie den Handschuh tragen?« fragte er auf einmal recht unvermittelt.

Andrea musste schlucken, bevor sie antworten konnte. Mrs. Potter hatte ihr geraten, in diesem Fall so ehrlich wie möglich zu sein, ohne ihren Beruf zu erwähnen. »Ich bin sehr fasziniert von Maria und wie anmutig sie mit dem Handschuh aussieht. Ich möchte gern ausprobieren, ob ich das auch könnte, bevor ich mir einen kaufen. Die sind schwer zu bekommen und sehr teuer.«

Mit der Antwort war Herr Weiterer zufrieden. »Es kommt nicht oft vor, das jungen Frauen sich für einen Monohandschuh interessieren.« Er stand auf und bat Andrea, sich ebenfalls zu erheben. »Legen sie bitte einmal ihre Arme auf den Rücken.«

Er wartete, bis Andrea der Anweisung nachgekommen war. »Darf ich sie einmal anfassen?«

Nach Andreas Bestätigung drückte er ihre Arme aneinander, bis die Reporterin zu stöhnen begann. Dann ließ er wieder etwas lockerer. »So würde es gehen?«

Andrea keuchte noch etwas. »Ja, ich glaube schon.«

Er hatte schon verschiedene Handschuh bereit liegen, recht zielstrebig griff er zu einem von ihnen. »Ich glaube, dieser wird ihnen passen.«

Erst jetzt erkannte auch Andrea die verschiedenen Handschuhe.

»Haben sie jemand, der ihnen beim Anlegen helfen könnte?« Es lag ein Schmunzeln in seiner Stimme. «Allein ist das etwas schwierig.«

 

Uschi unterbrach sie. »Und hast du Hans schon Bescheid gesagt?«

»Oh nein, wenn er mich darin einschließen darf, komme ich aus dem Handschuh so bald nicht wieder raus.« Andrea wiegelte ab. »Er wird dann leicht zum Tier und vergisst alles um sich herum.« Andrea zögerte etwas. »Ich hatte mehr an dich gedacht?«

Uschi war überrascht.

Doch Andrea ließ sich davon nicht beirren. »Ich komme Morgen vorbei und bringe den Handschuh mit.«

Uschi war überrascht. »Hast du denn schon einen Handschuh bekommen?«

»Stell dir vor«, Andrea strahlte durchs Telefon, »Herr Weiterer hat mir den Handschuh geschenkt.«

»Und er wollte so gar nichts dafür haben?«

»Nein, er sagte, es gäbe heutzutage fast überhaupt keine Mädchen mehr, die sich dafür interessieren und deswegen war er über mich sehr erfreut.«

Uschi war sprachlos.

»Ich habe aber die Auflage, ihn nie länger als eine Stunde zu tragen.« Andrea schien diese Anweisung auch zu respektieren. »Er hat mich gewarnt, dass ich mir sonst meine Schultern damit kaputt machen würde.«

»Und wie war es dann mit dem Handschuh?« Uschi war hörbar neugierig.

»Traumhaft!« schwärmte Andrea. »Ich hatte große Mühe, nicht zu stöhnen.«

Uschi lächelte durchs Telefon.

»Und dann hätte ich fast mich doch noch verraten.« Andrea hatte ein Grinsen in der Stimme.

»Wie das?« Uschi war neugierig.

»Er hatte während des Zuschnürens über die Presse geschimpft, die seiner Meinung nach über die heutigen Zustände schuld sei. Das übliche Gemeckere eben.« Andrea kannte dies zur Genüge. »Doch den Artikel über Maria hat er gelobt. 'Endlich mal mit Sachverstand geschrieben', so hatte er gesagt.«

Uschi freute sich ebenfalls über das Lob.

»Ich war drauf und dran, mich für das Kompliment zu bedanken. Erst im letzten Moment ist mir eingefallen, dass ich mich ja dadurch verraten hätte.«

Erst jetzt erkannte Uschi, in welcher Situation ihre Freundin gesteckt hatte.

»Dann wurde die Schnürung immer enger und hat mich etwas abgelenkt.« Andreas Erleichterung war jetzt noch zu hören.

»Und wie lange warst du dann im Handschuh?« Uschi war fasziniert.

Andrea seufzte vor ihrer Antwort. »Ich habe es nur 10 Minuten ausgehalten, dann taten mir meine Schultern weh.«

»Oh je.«

»Ich weiß jetzt Marias Leistung viel mehr zu schätzen.« Die Stimme der Reporterin zeigte echte Bewunderung. »Sie hält das mehrere Stunden aus.« Andrea machte eine Pause. »Aber es ist ein tolles Gefühl, nicht mehr über die Arme verfügen zu können. Ich möchte das bald noch mal erleben.«

Uschi hörte die Aufforderung heraus. »Komm doch einfach morgen mal vorbei. Ich freue mich schon auf dich.«

»Sehr gern.« Andrea freute sich auf den Besuch. »Nur Hans darf davon nichts mit kriegen.«

»Hat er dir jetzt endlich mal einen Antrag gemacht?« diese Frage stellte Uschi sehr oft.

»Nein, ich glaube, er will sich noch nicht binden. Aber immerhin macht er sehr gern alle die Fotos, die ich für meine Serie brauche.«

Uschi war überrascht. »Du hast eine Serie bekommen?«

»Ich darf sechzehn Artikel über Maria und das Fest schreiben.« Andreas Stolz war deutlich zu hören.

»Stimmt, jetzt wo du es sagst, zwei davon habe ich ja schon gelesen.«

»Aber irgendwas stimmt da nicht.« Andrea erzählte von den Erlebnissen aus der Klinik. »Laut der Schwester wurden wichtige Untersuchungen nicht gemacht.«

Uschi hörte sich die Vermutungen ihrer Freundin höflich an.

»Auch in den Polizeiakten findet sich kein Hinweis auf einen Unfall. Und es war sehr auffällig, wie schnell Maria nominiert wurde.«

»Du spinnst doch.« Uschi war empört. »Warum sollte der Baron seine Tochter aus dem Weg räumen sollen. Das macht doch überhaupt keinen Sinn?«

»Du glaubst mir wieder nicht?« Andrea war etwas enttäuscht.

»Du musst es beweisen können.« Uschi wusste, dass ihre Freundin manchmal etwas abstrusen Theorien nacheiferte.

»Also ich komme dann Morgen Nachmittag vorbei und bringe den Handschuh mit.« Andrea wollte sich von ihrer Freundin nicht die Laune verderben lassen.

Sie verabschiedeten sich.

* * *

Renate Beyer, die Betreuerin des Prinzenpaares stand am Schultor und wartete auf Paul und Maria. Heute am Montag stand der Sponsorenbesuch in der Metzgerei Sauer an und weil dieser Termin so früh angesetzt war, holte Renate ihre Schützlinge direkt von der Schule ab. Seit einigen Wochen begleitete Renate jetzt die beiden Darsteller und so nebenbei erschien es ihr, als würde Maria von mal zu mal immer selbstbewusster zu werden.

Mittlerweile war es Renate klar geworden, dass Maria auch schon vor ihrer Nominierung in der Lage war, so einen dieser seltsamen Handschuhe zu tragen. Auch wenn sie nicht wusste, warum sie das konnte. Im Gegenteil, es freute die Betreuerin, dass Maria bei ihrem sehr knappen Terminplan den sonst so schwierigen Teil der Rolle schon konnte und dies nicht mehr üben musste. Als Paul und Maria aus dem Portal kamen, blieben sie kurz stehen und schienen Ausschau zu halten.

Renate hob ihren Arm und winkte kurz. Dann griff sie in ihre Tasche und holte den weißen Monohandschuh heraus, den sie zuvor bei Marias Erzieherin geholt hatte.

»Es tut mir leid«, sagte Renate nach der Begrüßung, »aber Sauers haben extra dafür bezahlt, dass die Katerina gleich mit ihrem Handschuh kommt.« Sie lächelte etwas verlegen, dann reichte sie Paul den Handschuh. Sie spürte die Verwunderung der beiden Verliebten. »Mrs. Potter war so nett und hat mir den Handschuh gleich mitgegeben.«

»Das ist kein Problem.« Maria hatte ein leichtes Zittern in der Stimme. »Paul wird mir hinein helfen.«

Obwohl Paul beim Anlegen des Handschuhs alles so machte wie immer, spürte er, dass Maria große Mühe hatte, ihre Erregung zu unterdrücken. Er hielt mit der Schnürung kurz inne und fragte, ob alles in Ordnung sei.

Diese Frage schien Maria aus ihren Gedanken zu reißen. »Ich musste gerade an Amelie denken. Sie wäre jetzt sicher gern an meiner Stelle.«

Paul stimmte ihr zu. Gleichzeitig wurde es ihm zum ersten Mal bewusst, dass es Maria durch das Fest möglich war, in der Öffentlichkeit ihren Fesseln zu tragen. Auch wenn bisher keiner von ihnen den Monohandschuh so direkt als Fesseln wahrgenommen hatten.

Langsam schnürte er den Handschuh weiter zu und als er wieder Marias Stöhnen hörte, hatte er eine Idee. »Welches ist der Betrag des Einheitsvektors?« Er hatte bewusst ein ganz einfache Frage genommen, weil er Maria nur aus ihren Gedanken reißen wollte.

»Natürlich 'Eins'.« Maria war etwas verwundert, warum Paul so eine einfache Frage stellte.

Paul grinste und schnürte weiter. Doch jetzt unterblieb Marias Stöhnen.

Erst als er fertig war, erkannte Maria, was seine Frage bewirkt hatte. »Das kannst du öfters machen.«

* * *

Die Metzgerei kannte Maria schon seit ihrer Kindheit, weil ihre Mutter sie oft mit zum Einkaufen genommen hatte. Doch so voll wie diesmal hatte sie den Laden noch nie gesehen. Sie zögerte und ihre Schritte wurden langsamer.

Paul spürte, dass Maria seit dem Wochenende bei Grünbergs verändert war. Sie schien das Tragen des Handschuhs jetzt etwas anders zu sehen. Er versuchte ihre Bedenken zu zerstreuen. »Du bist die Darstellerin der Katerina und dafür trägst du den Handschuh.« Er hatte das 'dafür' extra betont.

Maria machte trotzdem einen sehr schüchternen Eindruck und suchte den Blick ihrer Betreuerin. »So viele Leute.«

Renate erkannte, dass Maria vor der Menge der Leute Angst oder Respekt hatte, sie verstand nur nicht, warum das so war. Doch als Betreuerin war sie gemäß ihrer Aufgabe bemüht, Maria bei ihren vielen Verpflichtungen zu helfen und ihre entsprechende Ängste zu nehmen.

Doch zu Marias Überraschung bekam sie sehr viel Lob für ihr Auftreten. Besonders die älteren Leute waren alle sehr nett und fast jeder wollte ihren Handschuh bewundern.

Paul beobachtete Maria sehr genau und sah nicht nur ihre leuchtenden Augen, sondern auch ein leichtes Zittern, welches er schnell als Nervosität erkannte. Er trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. Dafür bekam er von den Leuten ebenfalls Glückwünsche und viele stellten fest, dass sie ein tolles Prinzenpaar werden würden.

Auf einmal nahm sie Renate beiseite. »Es möchte dich noch jemand beglückwünschen zu deiner Rolle.« Sie drehte sich zu einer alten Frau, die im Rollstuhl saß. »Dies ist Elisabeth, die älteste noch lebende Darstellerin einer Katerina.« Renate warf einen Blick in ihre Unterlagen. »Sie hat das letzte Fest vor dem Krieg gespielt.«

Anna, die Tochter des Metzgers schob den Rollstuhl etwas heran. Dann beugte sie sich zu der Frau hinunter. »Oma, dies ist Maria, die heurige Katerina.«

Maria stutze einen Moment, dann fiel ihr ein, woher sie Anna kannte. Sie tanzte ebenfalls in der Tanzgruppe mit und deswegen begrüßten sie sich entsprechend.

Maria trat auf den Rollstuhl zu und war einen Moment etwas verlegen, denn sie wusste nicht, wie sie die alte Frau richtig begrüßen sollte. Doch schließlich entschied sie sich für einen angedeuteten Knicks.

Renate trat auf Maria zu. »Bitte entschuldigt, ich hatte mich schlecht vorbereitet.« Sie blickte noch einmal in ihre Unterlagen. »Die Familie hat eine kleine Bitte.«

Maria drehte sich zu Renate. »Ja?«

»Elisabeth möchte ein wenig mit dem Prinzenpaar allein sein.« Renate beschrieb, dass sie nicht mehr so gut hören könne und dass es ihr hier im Laden viel zu laut sei.

 

Im Nebenzimmer, es war eigentlich das Büro der Metzgerei, war ein kleines Tischchen aufgebaut mit einer weißen Decke und einem kleinen Blumenstrauß. Getränke und Gläser standen bereit und ein Teller mit Knabbereien stand daneben.

Maria und Paul gingen respektvoll hinter Anna her, die ihre Oma in das Büro schob. Zwei Hocker standen bereit, so dass Paul und Maria neben Oma Sauer sitzen konnten.

»Zeige mir mal deine Arme.« Obwohl es sehr leise im Büro war, konnte man Elisabeth Sauer gerade so zu verstehen.

Maria stand auf und stellte sich mit dem Rücken neben den Rollstuhl, so das Oma Sauer ihre Arme anfassen konnte. Sie schluckte etwas, als sie die zitternden Hände der alten Frau spürte. »Du hast dich aber sehr intensiv auf deine Rolle vorbereitet.«

Maria wollte diese Frau nicht belügen. »Ich trage den Handschuh jetzt schon seit einigen Jahren, lange bevor ich von dem Fest wusste.«

»Ja, so etwas dachte ich mir schon.« Oma Sauer war über die Ehrlichkeit von Maria sichtlich erfreut. »In meiner Jugend gab es viele Mädchen, die einen Monohandschuh tragen konnten.«

Maria wusste nicht, was sie antworten sollte. Aber zumindest spürte sie, dass sie sich wieder auf ihren Hocker setzen konnte.

»Du wirst die Rolle gut spielen, lerne nur gut deinen Text.« Sie berichtete etwas von der Zeit, in der sie die Rolle spielen durfte. »Es war das letzte Fest vor dem Krieg und die Herren Machthaber hatte ein strenges Auge auf die Darstellung.«

Paul hatte in Gedanken nachgerechnet und er kam zu dem Schluss, dass es das Fest 1935 gewesen sein musste.

Die Oma erzählte mit leiser Stimme von dem Fest und von der Begeisterung, die in der damaligen Zeit herrschte. »Es war eine schöne Zeit und wir ahnten noch nicht, was kommen würde.«

Maria begriff schnell, dass sie sich mit einer Zeitzeugin unterhielt und vor allem wegen der bald anstehenden Prüfungen im Gymnasium hörte sie sehr aufmerksam zu und stellte auch die eine oder andere Frage.

 

Es klopfte an der Tür und gleich darauf steckte Frau Sauer den Kopf zur Tür herein. »Wie weit bist du, Mutter?« Sie trat herein. »Wir wollten dann die Führung machen.«

»Wenn du in der Kutsche sitzt, dann musst du unbedingt winken.« Die Stimme von Oma Sauer klang sehr eindringlich. »Versprichst du mir das?«

Maria musste schlucken, bevor sie eine Antwort geben konnte. »Ja, ich werde winken.« Doch tief in ihrem Inneren tat es ihr leid, die alte Frau belügen zu müssen. Denn sie ging fest davon aus, dass sie auch in der Kutsche ihr Gebet auf dem Rücken tragen würde. Und damit konnte sie nicht winken.

Maria hatte erwartet, dass Oma Sauer sich jetzt verabschieden würde, doch zur Überraschung aller wollte die Dame bei der Führung dabei sein. »So eine tolle Fähigkeit verdient Bewunderung.«

Frau Sauer war überrascht. »Du warst schon seit Ewigkeiten nicht mehr in der Metzgerei?«

Oma Sauer ließ ein Lächeln sehen. Sie blickte kurz aber eindringlich zu Maria, die diesen Blick etwas verlegen erwiderte. Dann drehte sie sich zu ihrer Enkelin um und blickte sie auffordernd an.

Anna schob ihre Oma aus dem Büro und die anderen gingen langsam hinterher.

 

Frau Sauer führte ihre Gäste durch die Arbeitsräume der Schlachterei und erklärte jeweils, was in den jeweiligen Räumen gemacht wurde.

Maria verglich diese Führung mit der letzten in der Großbäckerei und sie fand es sympathisch, dass es sich bei der Metzgerei um einen kleinen Familienbetrieb mit nur wenigen Angestellten handelte.

Sie hatte schnell ihren Handschuh vergessen und schwelgte von sich aus in Erinnerungen. »Ich war immer gern hier zum Einkaufen.« Sie erzählte, wie sie anfangs immer mit ihrer Mutter da war, und dabei kaum in die Auslage schauen konnte. »Immer gab es eine Scheibe Wurst, das war toll«, erzählte sie mit Begeisterung. »Es riecht heute noch so wie früher.«

Frau Sauer gab ihrer Tochter ein Zeichen. »Wir hätten da etwas vorbereitet.« Sie lächelte.

Anna Sauer kam mit einem Teller zurück. Darauf waren diverse Wurstscheiben hübsch angerichtet und es lagen zwei Gabeln darauf. »Möchtest du eine Scheibe Wurst?« Ihr breites Grinsen verriet, dass sie diesen Satz extra vorbereitet hatte.

Maria war über diese Geste sichtlich gerührt. »Das sieht ja lecker aus.« Doch dann wurde sie auf einmal verlegen, denn sie wurde sich wieder ihrer gefangenen Arme bewusst. Sie blickte etwas ratlos zu Paul.

Paul hatte die Dialoge sehr aufmerksam verfolgt und er hoffte, jetzt das Richtige zu tun. Er ergriff eine der Gabeln auf dem Teller, spießte eine der Wurstscheiben auf die Gabel und führte sie dann an Marias Mund.

Maria öffnete ihren Mund lächelnd und ließ sich die Wurstscheibe in den Mund schieben. Doch während sie kaute, begann sie wieder etwas heftiger durch die Nase zu atmen.

Paul stutze einen Moment, dann erkannte er, was los war. Er hoffte, dass sein »Trick« von vorhin wieder funktionieren würde. Er beugte sie zu ihr hinüber und flüsterte ihr ins Ohr. »Zweite binomische Formel?«

Maria blickte ihn verblüfft an, dann schluckte sie die Wurst hinunter und war wieder in der Lage, sich um die Gegenwart zu kümmern. »Danke, das war sehr lieb.«

 

Als sie zurück in den Verkaufsraum kamen, war der Chef gerade dabei, einige Sektflaschen zu öffnen. Es waren jetzt noch mehr Leute im Verkaufsraum, da es hatte sich herum gesprochen, dass die Katerina heute ins Geschäft kommen würde.

Maria bekam sogar Applaus, als sie wieder den Laden betrat und eine Zuschauerin sprach aus, was alle dachten. »Sie machen das toll und sind eine bessere Katerina als die Baroness.«

Herr Sauer griff den Gedanken auf. »Darauf wollen wir trinken.« Nachdem er alle Gläser gefüllt hatte, begannen er und seine Frau diese an die Anwesenden zu verteilen. Frau Sauer nahm zwei Gläser vom Tablett und ging damit auf das Prinzenpaar zu. Doch erst als sie Marias nicht sichtbare Arme wahrnahm, bemerkte sie ihren Fehler. »Oh, das geht so ja gar nicht.«

Doch Maria konnte ihre Sorgen entkräftigen. »Das machen wir schon.« Sie drehte sich zu ihrem Freund. »Wir probieren das jetzt mal. Ich nehme nur einen Schluck und dann setzt du wieder ab.«

Erst im Nachhinein konnte Paul darüber nachdenken, warum ihm dieser kurze Sektempfang so viel Kraft gekostet hatte. Es war weder Marias Handschuh noch ihre Hilflosigkeit, die ihn so sehr beschäftigten. Es war vielmehr die Befürchtung, Maria könne durch einen Fehler von ihm gedemütigt werden, in dem sie zum Beispiel ihre Bluse bekleckern würde. Paul war hoch bemüht, ihr jegliche Peinlichkeit zu ersparen.

Marias Trinkversuch ohne ihre Arme ging ihm wie in Zeitlupe noch lange im Kopf herum. Er hatte sich sehr anstrengen müssen, damit seine Hand kein Zittern zeigte, als er das Glas an ihre Lippen hob. Er hielt sehr intensiven Blickkontakt zu ihr, als er das Glas dann langsam anhob. Als Maria das Prickeln an ihren Lippen spürte, öffnete sie diese und ließ etwas Sekt in ihren Mund fließen. Paul hatte in diesem Moment nur Augen für ihre Lippen und sobald Maria diese wieder schloss, senkte er das Glas wieder ab. Erst als Maria ihre Lippen von dem Glas löste, stellte er das Glas wieder auf das Tablett und konnte dann einen Schluck aus seinem Glas nehmen.

Obwohl die ganze Szene nur drei Sekunden gedauert hatte, kam es Paul wie eine Ewigkeit vor. Um so größer war entsprechend auch seine Erleichterung, als er erkannt hatte, dass Maria sehr würdevoll einen Schluck Sekt hatte trinken können und nichts von allen daneben gegangen war.

Die Anwesenden waren sehr beeindruckt. »Ihr seid gut auf einander eingespielt.« bemerkte Renate bewundernd.

Maria wartete, bis auch Paul sein Glas abgesetzt hatte, dann drehte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Danke mein Schatz.« Sie wollte ihr Glück mit ihm teilen.

Applaus brandete auf und es waren vereinzelte Stimmen zu hören, die das Paar bewunderten.

»Ihr werdet ein tollen Prinzenpaar werden.«

»Man kann euer Glück gut sehen.«

»Das wird ein tolles Fest werden mit euch.«

Doch dann musste Renate zum Aufbruch mahnen. »Die Katerina hat heute noch einen anderen Termin.«

Maria zuckte kurz zusammen, denn die Worte der Betreuerin hatten sie daran erinnert, dass sie als nächste wieder ihre Ketten anprobieren sollte.

* * *

Doris, die Tochter des Kunstschmiedes, schien sie schon erwartet zu haben, denn kaum hatte Renate geklingelt, als sie die Tür auch schon geöffnet hatte. Sie sagte nichts, sondern bat ihre Besucher mit einer Handbewegung herein. Dabei trug sie wieder die Ketten, die sie auch schon beim ersten Termin getragen hatte.

Mit einer weiteren Geste zeigte sie auf den Mundschutz, den sie trug. So etwas war sonst immer bei Smog zu sehen. Doch als sie voran ging in die Schmiede, war auch ein verräterische schwarze Riemen unter ihrem Haar zusehen, der teilweise durchschimmerte.

Maria stupste Paul kurz an und machte ihren Mund kurz auf, dann blickte sie zu Doris.

Paul nickte viel sagend. »Das habe ich mir auch schon gedacht.« Er grinste. »Faszinierend.«

 

In der Schmiede wurden sie von Doris Vater begrüßt, der Maria gleich wieder zu dem kleinen Tischchen führte, welches wieder aufgebaut war. »Mein Geselle ist heute in der Stadt, Material einkaufen. Und meine Tochter hat heute etwas Probleme mit ihrer Stimme.« Er warf ihr einen seltsamen Blick zu, den Doris etwas verlegen erwiderte.

»Wir wollen heute die Längen der Verbindungsketten ausprobieren und die Maße feststellen.« Er bat seine Tochter, Maria die eisernen Manschetten anzulegen.

Doris nahm eine der Schellen in die Hand und blickte Maria auf ihre linke Hand. Etwas sagen tat nicht. Ein sehr leises Zischen war zu hören, welches Maria aber sehr bekannt vor kam. So klang sie selbst auch, wenn sie ihren Knebel für das Sprachtraining trug und durch den Mund Luft holen wollte.

 

Renate wartete ab, bis Doris alle vier Schellen um Marias Hand- und Fußgelenke gelegt hatte, dann griff sie zu ihren Unterlagen und bat um die Aufmerksamkeit von Doris. »Der Vorstand hat dich ausgewählt, um die Rolle der ersten Dienerin zu spielen.«

Von Doris war ein gedämpfter Juchzer zu hören. Es war ihr anzusehen, wie sehr sie sich über diese Nachricht freute. Immerhin war diese Rolle nach der Katerina die wichtigste Rolle für eine weibliche Darstellerin auf dem Fest, da die Katerina so gut wie immer von ihrer Dienerin begleitet wurde. Doch dann wurde Doris rot und blickte sich verlegen um.

»Wir wissen, dass du einen Knebel trägst.« Paul griff in seine Tasche und zeigte den Ball vor, den er immer für Maria dabei hatte. »Du musst ihn nicht verstecken.«

Doris versuchte, mit den Händen ihr Gesicht zu erreichen, doch die Länge ihrer Ketten ließ das nicht zu. Sie blickte etwas verlegen zwischen Paul und Maria sowie ihrem Vater hin und her. Doch Herr Schwerterle hatte sich wieder seiner Arbeit zugewandt.

Paul blickte fragend, aber entschlossen zu Maria.

Sie wusste, was ihn bewegte. »Mach es ruhig.«

Paul griff zu der weißen Maske und zog sie Doris vorsichtig über den Kopf.

Zum Vorschein kam ein schöner roter Ball, der von Doris Lippen fast liebevoll umrahmt wurde.

»Soll ich ihn dir abnehmen?« fragte Paul mit freundlicher Stimme.

Doris blickte etwas verlegen, dann drehte sie ihren Kopf und schüttelte etwas ihre Haare. Sie fuchtelte ein wenig mit ihren Händen und drehte ihre Hand herum.

Maria verstand, was sie sagen wollte und sie schien auch die Zusammenhänge erkannt zu haben. »Dein Verlobter hat ihn abgeschlossen?«

Doris nickte etwas verlegen. Dafür kam aus ihren Augen ein ganz besonderes Strahlen.

Renate räusperte sich etwas. Sie reichte Doris ein paar zusammengeheftete Seiten. »Ich habe dir hier zusammengestellt, was du für deine Rolle wissen musst.« Sie schien sich von dem Schrecken erholt zu haben. »Und du dürftest, wenn du möchtest, auch so Ketten tragen wie Maria.«

Doris war sprachlos. Das war ihrem Blick sehr deutlich anzusehen. Selbst wenn sie jetzt keinen Knebel getragen hätte, wäre kein Wort über ihre Lippen gekommen.

Auch der Vater schien sich von dem Schrecken erholt zu haben. Er drehte sich wieder um und nahm seine Tochter in den Arm. »Ich bin stolz auf dich. Das wirst du toll machen.«

Über Doris Wange lief eine Träne, die sie reflexartig wegwischen wollte. Doch auch dazu ließen ihr die Ketten keine Möglichkeit.

Ihr Vater strich ihr durch das Gesicht und wischte die Träne weg. Doch dann erinnerte er wieder an den eigentlich Zweck von Marias Besuch. »Wie weit seid ihr mit dem Ausmessen?«

Doris, die jetzt deutlich sichtbar etwas unter ihrem Ballknebel litt, zeigte das noch leere Blatt, welches neben einem Stift als einziges auf dem Tisch lag.

»Na dann macht mal.« Er ließ seine Tochter wieder los. »Und du bist sicher, dass du das alleine schaffst?«

Doris blickte ihn sehr zuversichtlich an und zeigte ihm den Stift, dann schrieb sie etwas auf das Blatt. »Geh mal ganz normal und dann bleib mitten im Schritt stehen, so dass deine Beine hintereinander stehen.«

Sie erhob sich und zeigte, wie sie es meinte. Dabei viel auf, dass die Kette, die die beiden Beine miteinander verband, in diesem Moment gespannt war und nicht herunter baumelte.

Jetzt hatte Maria es verstanden, sie wollte ihre Schrittlänge messen. Sie stellte sich so hin, wie Doris es gewünscht hatte.

Doris nahm eine Kette und befestigte sie mit einem Schloss an einer von Marias Fußschellen. Dann zog sie die Kette zum anderen Fußgelenk und machte mit einem farbigen Klebeband eine Markierung an ein Kettenglied. Wieder nahm sie ein Schloss und befestigte auch die andere Seite der Kette an der Stelle, wo sie die Markierung gemacht hatte.

Das gleiche Spiel wiederholte sich bei den Handgelenken, nur das Doris Maria vorher zeigte, wie sie ihre Arme halten sollte.

Doris ging wieder zum Tischchen und schrieb »Verbindungskette« Dann zeigte sie Maria, wie sie die Arme halten sollte. Erst nach einiger Zeit wurde klar, dass Doris noch die Länge der Kette zwischen den Arm- und Fußketten feststellte.

Herr Schwerterle war mit den Arbeiten von Doris sehr zufrieden. Er blickte auf den Zettel, auf dem Doris die Maße notiert hatte und warf einen Blick auf die markierten Ketten. »Sie können das Ensemble am Mittwoch abholen.«

Renate blickte in ihre Unterlagen und machte sich eine Notiz. »Wir kommen dann am späten Nachmittag vorbei. Vorher müssen wir noch dem Architekturbüro Walter einen Besuch abstatten.«

* * *

Immer wieder blickte Maria auf die Uhr und den daneben hängen Kalender. Natürlich wusste sie, wie spät es war und auch die Termine des heutigen Mittwochs waren ihr bekannt. Doch seit den Ereignissen von Gestern war sie etwas noch etwas nervöser.

Dabei hatte sich streng genommen gar nichts aufregendes ereignet. Dienstag war wie jeder Tag in diesen Wochen gewesen. Kaum war sie von der Schule daheim und hatte ein wenig gegessen, als auch schon Renate kam und sie zu dem nächsten Termin abholte.

Dabei hatten die Pflichten des Festes an diesem Tag eher lustig angefangen. Nachdem Renate angerufen hatte, dass sie ein paar Minuten später käme, hatte Maria die Idee, das Trinken noch einmal schnell zu üben. Sie grinste, als sie mit dem Cape über dem Arm das Tablett vor sich her trug, auf dem sich eine Karaffe mit Wasser und ein paar Gläser befanden. Sie stellte es auf dem kleinen Tischchen in der Diele ab und grinste Paul an. »Wir üben jetzt noch mal das Trinken.«

Paul blickte als erstes zur Uhr. Doch Maria drängelte. »Komm, das Cape wollte ich sowieso anziehen und es geht doch schnell.«

Paul grinste und nahm das Cape von Marias Arm. Er hielt es ihr hin und Maria steckte ihre Arme mit viel Routine in die inneren Ärmel. Dafür liebte sie das Cape, wenn sie es für Paul tragen konnte. Es machte sie mit sehr wenig Aufwand sehr hilflos.

Sie hatte dann tatsächlich Zeit für zwei Gläser Wasser, ohne dass auch nur ein Tropfen Wasser auf das Cape getropft wäre. Maria war mehr als zufrieden.

 

Doch ihre Stimmung schlug um, als sie zu Beginn der Tanzstunde entdeckte, dass der Neffe des Baron, der Freiherr Franz-Ferdinand von Schleihtal anwesend war. Im ersten Moment fürchtete Maria, dass er jetzt doch die Rolle spielen wollte und diese sozusagen von Paul zurück fordern wolle. Doch zu ihrer Überraschung setzte er sich lediglich auf eine Bank an der Turnhallenwand und schaute den Tänzern zu.

Die Tänzer waren ebenfalls alle von einer gewissen Nervosität erfasst und ihre Konzentration litt deutlich darunter. Ab und zu musste Carlos sogar eingreifen und Korrekturen verlangen. Natürlich war auch ihm klar, dass der Neffe daran schuld war, doch nachdem dieser friedlich an der Hallenrand saß, sah er keine Möglichkeit, ihn der Halle zu verweisen.

Marias Nervosität ließ erst nach, als der Neffe kurz nach Ende des letzten Tanzes genau so schnell verschwunden war, wie er gekommen war.

* * *

»Es tut mir leid, dass euer Terminkalender so voll gestopft ist.« Renate bedauerte das Prinzenpaar, als sie sie am Mittwoch für den Besuch der Architektenfamilie abholte. »Es ist eigentlich nur ein kleines Büro, aber sie haben eine sehr hohe Summe gespendet.«

Paul hatte ein neu modisches Haus erwartet, etwas mit außergewöhnlichen Formen, so wie es sich die Architekten oft selbst bauen. Doch zu seiner Überraschung wohnte die Familie Walter in einer alten Villa aus der Zeit des Historismus. Zumindest von außen sah sie so aus. Die Inneneinrichtung hingegen zeigte viele Anleihen aus Gotik und Barock, insgesamt ein sehr bunter Stilmix, der trotzdem einen sehr würdevollen Eindruck erweckte.

Das Büro Walter bestand aus der Chefin, ihrem Vater und drei weiteren Angestellten. Frau Walter stellte sie einander vor und erwähnte, dass ihr Mann im Moment auf einer Baustelle unabkömmlich war. In ihrem Arm hielt sie ihre Tochter, die sie ebenfalls vorstellte.

»Wir unterstützen das Fest schon seit mehreren Generationen. Schon mein Urgroßvater hat es sich stets etwas kosten lassen und wir wollen diese Tradition beibehalten.« Sie bat ihre Besucher in den Salon. »Hier haben wir die Modelle unserer wichtigsten Bauten ausgestellt und hier führen wir üblicherweise auch unsere Kundengespräche.«

Maria fiel auf, dass die Tochter sehr viel Interesse an dem Monohandschuh zeigte, den Paul ihr wie üblich schon daheim angelegt hatte. Sie trat zu ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Die Tochter, Maria schätzte sie auf 12 oder 13, war erstaunt und verlegen zugleich. »Darf ich wirklich?«

Maria war amüsiert. »Aber sicher.« Um es ihr leichter zu machen, drehte sie sich so, dass sie der Tochter halb den Rücken zu wandte.

Sehr vorsichtig und schüchtern näherten sich die Hände der Tochter Marias verpackten Armen. »Tut das nicht weh?« fragte sie, nachdem sie etwas getastet hatte.

Wieder lächelte Maria. »Ich habe das lange geübt.« Ein gewisser Stolz lag in ihrer Stimme.

»Ich möchte auch mal die Katerina spielen.« Ein klein wenig Trotz lag in der Stimme der Architektentochter.

Frau Walter trat auf ihre Tochter zu und strich ihr zärtlich über den Kopf. »Bis dahin ist ja noch viel Zeit.«

»Ich habe damals auch geträumt«, Marias Stimme zeigte eine gewisse Sentimentalität. »Aber bald nach dem Fest war die nächste Darstellerin festgelegt.« Sie vermied es, von sich aus die Baroness zu erwähnen. »Und jetzt ist mein Traum doch noch wahr geworden.« Sie strahlte. »Du siehst, träumen lohnt sich.«

»Ich wäre sehr sehr stolz auf dich.« meldete der Opa sich zu Wort.

Nur Paul fiel auf, dass Marias Worte auch etwas anders gemeint sein konnten. Aber dazu schwieg er.

»Kommen sie in diesen Zeiten überhaupt aus dem Handschuh heraus?« Opa Walter hatte sich zu Maria gedreht und sie aufmerksam betrachtet.

Maria kam etwas ins Grübeln und wurde etwas verlegen.

Renate kam ihr zur Hilfe. »Die Katerina hat ja nur am Nachmittag Termine.«

»Auf jeden Fall ist Maria die bessere Besetzung.« Frau Walter warf ebenfalls einen bewundernden Blick auf Marias Arme.

»Wissen sie schon, wie ihr Stand am Freitag aussehen wird und was die Katerina dort machen soll?« Renate hatte wieder ihre Unterlagen zur Hand genommen.

»Das wollten wir heute noch besprechen.« Sie warf noch einen Blick auf Maria. »Was können sie denn überhaupt machen?«

Maria stutzte erst einen Moment, dann glaubte sie zu erkennen, was Frau Walter meinte. »Am Freitag werde ich die Ketten tragen und dabei halte ich meine Arme vor dem Körper.

»Warum diese Diskussion?« Der Vater der Architektin mischte sich ein. »Wir machen das wie bei den anderen Festen auch.«

»Aber Vater, diese Bauklötze sind doch Kinderkram.« Frau Walter blickte zwischen Maria und ihrem Vater hin und her. »Ich wollte mal was neues ausprobieren.«

»Darf ich dich daran erinnern, wie du immer deine ersten Entwürfe machst?«

Frau Walter seufzte lediglich.

Maria war neugierig geworden. »Was muss ich denn tun?«

Renate blätterte in ihren Unterlagen, doch Frau Walter hatte die Antwort schon parat. »Wir haben verschieden bemalte Bauklötze, mit denen wir unsere Ideen grob darstellen können. Damit soll die Katerina ein kleines Haus bauen.«

Maria blickte etwas zweifelnd.

»Wir bringen am Samstag einfach alles mit, dann können sie sich das mal ansehen.«

Renate machte sich eine Notiz, dann blickte sie auf die Uhr. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Maria hat heute noch einen anderen Termin.« Sie erwähnte den noch anstehenden Besuch der Kunstschmiede Schwerterle. »Und sie muss sich noch umziehen.«

* * *

Natürlich spürte Renate die Nervosität von Maria, als sie auf dem Weg zur Kunstschmiede waren, aber sie wusste auch, dass sie ihr nicht wirklich helfen konnte. Diese unheimlichen Ketten gehörten nun einmal zur Rolle der Katerina und bisher musste sich jede Darstellerin diesen Ängsten stellen. Renate war lediglich bemüht, es nicht durch zusätzlichen Druck noch schlimmer zu machen. Denn letztendlich hatte es bisher jedes Mädchen geschafft, die »Heimkehr von der Schlacht« mit Bravour zu spielen und sie war sich sicher, dass auch Maria dies schaffen würde.

Die Betreuerin hatte schon auf die Klingel der Schmiede gedrückt, als auf einmal eine Autotür klappte und eilige Schritte näher kamen. Maria stöhnte leicht, als sie sah, das die Reporterin Andrea Baselitz anscheinend vor der Schmiede auf sie gewartet hatte.

»Ich würde gern einmal in der Schmiede dabei sein.« Andrea hatte ihren Notizblock schon griffbereit und stellte sich vor. »Ich möchte einmal sehen, wie das geht mit den Ketten.«

Renate wollte eigentlich noch etwas erwidern, als sich schon die Tür öffnete.

Doris trat neben die Tür und bat ihre Besucher mit der üblichen Handbewegung herein. Wie üblich klimperten ihre Ketten leise und melodisch dazu.

Andrea war durch das Geräusch neugierig geworden und trat näher.

Doris erstarrte, als sie von Renate erfuhr, das jemand von der Presse dabei war. Sie wurde rot und blickte sehr verlegen an sich herunter.

Andrea musterte Doris sehr aufmerksam und war sichtlich verwundert wegen der vielen Ketten. Die Schmiedetochter trug neben dem Taillenring mit den Ketten zu den Handgelenken auch das Geschirr in Form des liegenden Hs, welches Hände und Füße miteinander verband.

Maria hatte als erste die Gesamtsituation erfasst und wusste instinktiv, was sie machen musste. Sie ging so unbefangen wie möglich auf Doris zu und gab ihr die Hand. »Guten Tag Doris, ich sehe, du trainierst auch schon für deine Rolle?« Dabei hatte sie versucht, ihre Stimme so natürlich wie möglich klingen zu lassen.

Trotzdem war Doris zunächst sehr irritiert und erst als sie sah, das Maria ihr zu zwinkerte, begriff sie Marias Idee. »Ja, natürlich, ich übe für meine Rolle.« Jetzt hatte sie ihre Selbstsicherheit wieder gewonnen und konnte auch die übrigen Gäste begrüßen.«

Renate hatte zwar die Befindlichkeiten der beiden Mädchen nicht verstanden, aber sie fühlte zumindest, dass sie Andrea Informationen schuldig war. »Doris wird die Rolle der ersten Dienerin spielen, dies wurde erst vor kurzem festgelegt.«

»Und als erste Dienerin muss sie natürlich auch mit den Ketten vertraut sein.« Herr Schwerterle war hinzu getreten und zeigte, dass er seht stolz war auf seine Tochter. Auch er begrüßte die Anwesenden.

Es war sowohl Doris als auch Maria anzusehen, dass sie große Mühen hatten, um ein Lachen zu unterdrücken.

»Das sieht aber heftig aus.« Andrea war von Doris Ketten sichtlich beeindruckt. »Können sie sich denn damit überhaupt noch bewegen?«

Doris zögerte sehr mit der Antwort. »Ich komme ganz gut zurecht.« Sie war recht verlegen, als sie versuchte ihre eher geringe Bewegungsfreiheit zu zeigen.

Andrea war sichtlich fasziniert.

Renate verstand die wahren Zusammenhänge immer noch nicht. »Die Katerina wird ähnliches Ketten bekommen.«

Andrea blickte ungläubig zu Maria.

Herr Schwerterle räusperte sich. »Wenn sie bitte mitkommen in die Schmiede, es ist alles fertig zum Abholen.«

Doris Verlobter stand neben dem kleinen Tischchen und polierte noch ein wenig die Ketten, die glitzernd auf der weißen Decke lagen.

Als Doris ihre Gäste herein führte, ging sie kurz zu ihrem Verlobten und gab ihm einen Kuss, dann drehte sie sich zu dem Tischchen und bat Maria zu sich.

»Das Anlegen sollte immer eine zweite Person machen.« Doris blickte Maria fragend an. »Allein ist es zu leicht möglich, sich die Haut einzuklemmen.«

Maria suchte den Blick von Paul, welcher der unausgesprochenen Bitte sofort nach kam und ebenfalls an das Tischchen trat.

»Die Ketten sollten immer angewärmt sein.« Sie warf ihrem Verlobten einen schnellen Blick zu. »Das geht einfach mit einer Plastiktüte in warmen Wasser.«

»Natürlich können die Ketten auch direkt mit Wasser in Kontakt kommen«, Herr Schwerterle ergänzte die Ausführungen seiner Tochter, »aber mit der Tüte werden sie nicht unnötig nass.«

Doris bat Paul, sich eine der kleinen Manschetten zu nehmen und diese auf zuklappen. »Vorsichtig beim Zuklappen, mache es immer ganz langsam, damit keine Haut eingeklemmt wird. Die Manschetten werden dann ganz eng, aber sehr bequem anliegen.« Dann wandte sie sich an Maria. »Und du darfst beim Anlegen nicht zucken oder erschrecken.«

Maria nickte ehrfürchtig.

Nachdem Paul zur Zufriedenheit aller die erste der vier Schellen gut angelegt hatte, durfte er Maria auch noch die anderen drei Eisenmanschetten anlegen. Diesmal war es an ihm, etwas zu stöhnen.

Herr Schwerterle bat Maria, ein wenig herum zu gehen und dabei auf den Sitz der Ketten und der Schellen zu achten.

Maria war anfangs noch sehr schüchtern und vorsichtig, doch sie stellte bald fest, dass die Ketten sie beim Gehen mit ihren normalen Schritten überhaupt nicht behinderten. Erst als sie sich mit der Hand ins Gesicht fassen wollte, machten die Ketten unerbittlich auf sich aufmerksam und zeigten ihr die neue Reichweite an.

Herr Schwerterle bat Maria, Paul und Renate und zu sich und bat die Katerina, ihre Hände etwas zu heben. Er griff zu einem Schlüsselbund, nahm einen der Schlüssel ab und steckte ihn in das kleine Loch am Rand der Manschette. Es machte nur leise 'Klick', dann bat er Paul, die Schelle zu öffnen.

Paul musste feststellen, dass sie nicht mehr zu öffnen war.

Der Schmiedemeister reicht einen der Schlüssel an Renate, die anderen gab er Maria.

Doch Maria steckte die Schlüssel nicht ein, sondern reichte sie Paul. »Tue sie zu den anderen.« Dabei war ihr Blick für einen Moment seltsam verträumt.

»Ich hätte hier noch etwas.« Herr Schwerterle hielt einen sehr edel aussehenden Koffer in der Größe eines kleinen Aktenkoffers bereit, den er aufklappte. »Ich möchte mich dafür bedanke, dass meine Schmiede jetzt schon zum fünften Mal für die Ketten sorgen darf.« Zum Vorschein kam ein mit Samt ausgelegtes Inneres, bei dem für die vier Manschetten und die Ketten jeweils Vertiefungen vorgesehen waren.

Renate war zunächst ziemlich irritiert. »Der Koffer war aber nicht bestellt.« erwiderte sie nach einem hektischen Blick in ihre Unterlagen.

»Ich weiß«, antwortete der Schmiedemeister, »sehen sie es bitte als eine weitere Spende.«

»Und wie sind die Ketten zu pflegen?« Renate hatte sich gut vorbereitet, weil sie Maria so weit es ging, die Sorgen nehmen wollte.

»Die sind sehr pflegeleicht und brauchen nur ganz selten mal etwas Puder«, sagte sie sehr voreilig, »auch bei täglichem Tragen.« Erst nachdem sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, was sie gerade gesagt hatte. Sie wurde rot und verlegen.

Ausgerechnet ihr Verlobter versuchte, die Situation zu retten. »Das empfehlen wir allen unseren Kundinnen.« Doch damit machte er es insgeheim fast noch schlimmer.

Erst Doris Vater schaffte es, die peinliche Stille zu durchbrechen. »Richten sie dem Vorstand bitte meinen herzlichen Dank aus. Unsere ganze Familie freut sich über die außerordentliche Ehre, dass unsere Tochter bei dem Fest so eine wichtige Rolle spielen darf. Und wie sie sehen, hat sie sich ja schon sehr ehrgeizig darauf vorbereitet.« Er trat auf sie zu und nahm sie genau so zärtlich wie stolz in den Arm.

 

Andrea musste sich erst räuspern. »Was würde denn so ein Satz Ketten kosten?« Ihr Gesicht zeigte deutlich, wie viel Kraft ihr diese Frage gekostet hatte.

Herr Schwerterle war bemüht, keine Miene zu verziehen, als er kurz seine Kalkulation durch ging. »Materialkosten, das Schweißen, drei Anproben. Gehen sie mal von ungefähr 400 DM aus.«

Andrea keuchte etwas und ihre Augen begannen zu leuchten. Der Preis war durchaus in Ordnung. Sie würde mit ihrer Serie sicher noch einen Bonus bekommen und dann könnte sie sich die Ketten locker leisten. Doch der Gedanke an ihre Serie ließen noch eine andere Idee in ihr reifen. Sie drehte sich zu Doris. »Ich würde gern auch einen Artikel über die »erste Dienerin« schreiben. Wann kann ich denn mal für ein Interview vorbei kommen?«

»Am Montag«, Doris musste nicht lange überlegen. Erst später wurde ihr klar, was es wirklich für sie bedeuten sollte.

»Wenn sie sonst weiter keine Fragen haben?«, Herr Schwerterle deutete vorsichtig an, dass sie von Seiten der Schmiede fertig wären.

»Muss für die Ketten noch etwas trainiert werden?« Renate zog hier einen Vergleich zum Handschuh.

»Eigentlich nicht«, konnte der Schmiedemeister beschwichtigen, »aber es schadet sicher nichts, sie zur Gewöhnung öfters mal zu tragen.« Er warf einen kurzen Blick auf seine Tochter.

»Dann behalte ich sie jetzt gleich mal an.« Maria gefiel der Gedanke, in Ketten nach Haus gehen zu können. »Falls das geht?« schob sie noch als Alibifrage hinterher.

Herr Schwerterle reichte zunächst Maria die Hand, dann allen anderen. »Auf ein schönes Fest.«

 

Paul ging etwas nachdenklich neben Maria her und lauschte dem lieblichen Klingen der neuen Ketten.

»Ich hatte es mir viel schlimmer vorgestellt.« In Marias Stimme klang vor allem Erleichterung.

* * *

Mrs. Potter legte ihr Besteck auf den Teller und blickte kurz auf die Uhr. »Wann wollte Frau Bayer euch abholen?«

Paul blickte seine Freundin kurz an. »Sie wollte gegen halb zwei Uhr hier sein.«

Maria warf ebenfalls einen Blick auf die Küchenuhr. Sie spürte eine deutliche Anspannung wegen der beiden Probentage, die für dieses Wochenende angesetzt waren. Heute wurde die 'Heimkehr von der Schlacht' geprobt und dafür würde sie in Ketten durch die Stadt geführt werden. Entsprechend aufgeregt war sie.

Ihre Erzieherin hatte angeregt, die Ketten schon einmal zur Probe zu tragen. Maria war im ersten Moment sehr verwundert über diese Idee, doch dann bat sie Paul, ihr die Ketten anzulegen. Danach kümmerten sie sich um liegen gebliebenen Sachen für die Schule. Doch schon nach kurzer Zeit hatte Maria die Ketten schon wieder vergessen und nur, wenn sie ihren Arm nicht so weit heben konnte, wie sie wollte, wurde sie kurz wieder daran erinnert. Trotzdem fühlte sie sich wesentlich freier, als wenn sie ihren Monohandschuh trug. Der nahm ihren Armen jegliche Bewegungsfreiheit.

Auch beim Mittagessen hatte sie ihre Ketten anbehalten. Aus dem Probenplan wusste Maria, dass sie auch zu einem Imbiss eingeladen waren und deswegen wollte sie einmal probieren, ob Essen mit den Ketten möglich wäre. Insgeheim war Maria von den Ketten recht fasziniert und sie träumte schon davon, sie einmal bei einem gemütlichen Fernsehabend mit Paul zu tragen.

 

Es klingelte. Mrs Potter ging zur Tür und öffnete. Als sie zurück kam, hatte sie einen etwas verwunderten Blick. Hinter ihr betrat zunächst Renate Bayer und danach noch zwei Polizistinnen in Uniform die Küche.

»Die beiden Beamtinnen werden auf dich aufpassen«, erklärte Renate, »Bevor Beschwerden kommen, dass hier zwei Frauen gefangen wären.«

Die beiden Polizistinnen stellten sich ebenfalls vor und baten Maria dann, ihre Ketten einmal vorzuzeigen. »Wir müssen ja wissen, auf was wir aufpassen sollen.«

Maria kam der Bitte nach und zeigte den Verlauf ihrer Ketten sowie die ihr noch verbliebene Bewegungsfreiheit.

Die eine Polizistin grinste. »Das ist schon etwas effektiver als unsere Handschellen.«

»Und sie sind eine Maßanfertigung.« Maria erzählte mit etwas Stolz in der Stimme, wie sie die Ketten bekommen hatte. »Ich trage sie schon den ganzen Vormittag und sie stören überhaupt nicht.«

Paul trat zu ihr und legte seinen Arm um sie, dann gab er ihr einen Kuss.

Renate blickte auf die Uhr. »Wir sollten dann langsam aufbrechen. Wir müssen auch noch die 'Dienerin' abholen.«

»Ich wünsche euch eine schöne Probe.« Mrs. Potter verabschiedete ihre Schützlinge. »Selma und ich kommen dann zum Marktplatz zum Zusehen.«

 

Vor dem Haus stand ein Polizeibus, der sie dann zur Schmiede fuhr. Renate stieg wieder mit den beiden Polizistinnen aus und ging zum Haus. Doris schien schon an der Tür gewartet zu haben, denn es wurde schon geöffnet, bevor Renate die Tür erreicht hatte. Dennoch dauerte es einen Moment, bis eine offensichtlich sehr nervöse Doris in ihrem vollen Kettengeschirr das Haus verließ.

Renate bemerkte ihre Nervosität und obwohl sie nicht verstand, warum die Schmiedetochter so nervös war, war sie bemüht, ihr die Nervosität zu nehmen. »Du wirst das schon schaffen.«

»Das ist ja noch strenger.« bemerkte eine der Polizistinnen, als sie das Geschirr von Doris erblickte. »Können sie sich denn überhaupt damit bewegen?«

Doris war wegen der Frage sichtlich irritiert. Sie musste sich erst räuspern, bevor sie antworten konnte. »Oh, das bin ich gewöhnt.« Erst später wurde ihr bewusst, was sie gerade gesagt hatte. Sie hoffte, dass die Beamtinnen nicht so genau hingehört hatten.

 

Als Doris zu Maria in den Bus stieg, leuchteten ihre Augen. Sie setzte sich auf ihren Platz und versuchte, mit der Hand an den Sicherheitsgurt zu fassen. Doch sie musste erkennen, dass ihr die Ketten dies verwehrten. Etwas verlegen wandte sie sich an die Polizistin. »Ich komme nicht an den Gurt.«

Als die Beamtin der Schmiedetochter beim Anschnallen half, war auch bei ihr eine gewisse Nervosität zu erkennen.

Nach dem alle Platz genommen hatten, fuhr der Bus weiter zum Sportplatz am Ortsrand, wo die Aufstellung zum Festzug sein würde.

 

Als sie aus dem Bus aus stiegen, sahen sie, dass schon fast alle Teilnehmer anwesend waren. Robert Greinert bat die Anwesenden, sich aufzustellen. Er war als zweiter Vorsitzender für den Ablauf des Festes zuständig.

Maria sah sich kurz um und konnte einige Bekannte begrüßen. Auch die Mitglieder ihrer Musikgruppe waren anwesend und wünschten Maria einen guten Festverlauf. Sogar der Baron war anwesend und erkundigte sich höflich nach Marias Wohlbefinden.

Maria hatte zu Beginn des Marsches etwas Probleme mit ihren Ketten. Sie schleiften auf dem Boden und blieben manchmal an kleineren Hindernissen hängen.

»Nimm die Verbindungskette in die Hand und hebe die Kette damit etwas hoch.« Doris hatte das Missgeschick bemerkt und war bemüht, Maria die nötigen Tipps zu geben.

* * *

Als sie den Marktplatz erreichten, war Maria sehr erleichtert, denn das lange Gehen mit den Ketten war für sie doch sehr ungewohnt. Im Gegensatz zu ihr machte Doris einen sehr glücklichen Eindruck. »Ich bin so froh, dass ich meine Ketten endlich mal in der Öffentlichkeit tragen darf.« Sie strahlte dabei über das ganze Gesicht.

Der Zug blieb stehen und Robert kam zusammen mit Renate auf Maria zu. »Wir möchten jetzt testen, ob die Aufgaben an den Stände alle machbar sind.«

Die meisten Stände hatte nur das notwendigste aufgebaut, so wie es in den Unterlagen auch angefordert war. Nur zwei Stände hatten sich etwas ins Zeug gelegt und sie weiter aufgebaut. Das Architekturbüro Walter hatte diverse Modelle von Häusern aufgebaut und die Kunstschmiede Schwerterle hatte den Schmiedeofen und einen Amboss dabei. Theo, der Verlobte von Doris hatte es sich nicht nehmen lassen, seine kleine Reiseschmiede sogar in Betrieb zu nehmen.

An den meisten Ständen gab es mit den Tätigkeiten für die Katerina keine Probleme, nur einmal war noch ein zusätzlicher Hocker notwendig, damit Maria die nötigen Handgriffe machen konnte. Ein andermal konnte ein Tisch ein wenig niedriger gemacht werden.

Doris genoss es sichtlich, dass sie in der Rolle der ersten Dienerin immer an Marias Seite sein durfte und ihr gelegentlich sogar zu Hilfe kommen konnte. Sie strahlte über das ganze Gesicht.

Maria war wegen der vielen Aufgaben sehr konzentriert, sie hatte den Ehrgeiz, der Rolle keine Schande zu machen. Die Ketten hatte Maria schon lange vergessen. Nur gelegentlich wurde sie daran erinnern, als sie etwas außerhalb der Reichweite machen wollte. Doch in diesen Fällen bekam sie vom Standinhaber stets Hilfe.

Besonders schön war es natürlich am Stand von Theo und seiner Schmiede. Maria stand zunächst vor der Wahl, ob sie mit dem normalen Schmiedehammer oder einer Spielzeugausgabe hantieren wollte. Nach kurzem Probieren entschied sie sich für den richtigen Hammer, was ihr von allen Seiten sehr viel Anerkennung einbrachte. »Es sind ja nur ein paar Schläge.« winkte sie bescheiden ab.

Erst nachdem Maria an dem Stand fertig war, wagte es Theo und nahm seine Doris kurz in den Arm. »Ich bin so stolz auf dich.«

Doris kam nicht umhin, vor Freude Tränen zu vergießen, die ihr Verlobter wegwischen musste.

 

Maria war es in all ihrer Konzentration gar nicht aufgefallen, dass Paul nicht an ihrer Seite war. Erst als sie die historische Kutsche auf den Marktplatz fahren sah, wurde sie wieder an die Rolle erinnert, die ihr Freund in dem Spiel inne hatte.

Es war der erste Auftritt, den sie auf diesem Fest gemeinsam zu absolvieren hatten. Maria würde in der Kutsche platz nehmen und Paul würde sie dann mit symbolischen Fesseln an den kleinen Thron fesseln.

Für diese Szene gab es kein historisches Vorbild, aber es wurde schon seit langem so gespielt, weil es so möglich war, dass das Prinzenpaar auf schon am Freitag des Festes einen gemeinsamen Auftritt haben konnte.

Mit zitternden Händen ging Maria auf die Kutsche zu und ihr Herz klopfte laut, dass sie auf dem Thron platz nahm. Von Renate war sie schon vor gewarnt worden, dass sie Manschetten, die Paul ihr anlegte, nur Attrappen waren und sie nicht wirklich festhalten würden. Im Gegenteil, es war wichtig, dass Maria ihre Arme ruhig halten würde, sonst wäre die Illusion zerstört.

Die Kutsche rollte langsam durch das große Rathaustor und als es sich hinter ihnen schloss, war ein paar wenig Applaus zu hören, der ihnen zeige, dass der erste Durchlauf vorbei war.

* * *

»Oh, wie seid ihr doch unzuverlässig.« Maria schimpfte und trat dabei mit dem Fuß auf. Ihr Ärger galt Paul und dem Verlobten von Doris. »Wie konntet ihr bloß die Schlüssel für die Ketten daheim vergessen.«

Paul wollte gerade protestieren, als er auf einmal das Zwinkern in Marias Augen bemerkte. Er begriff sofort ihren Plan und war auch gern bereit, mit zuspielen. Er gab sich zerknirscht. »Es tut mir leid.« Er seufzte gespielt. »Es war so eine Hektik heute Morgen.« Dabei fühlten seine Finger nach dem kleinen Schlüsselbund in seiner Tasche.

Auch Doris bedankte sich bei ihm mit einem kurzen aber intensiven Blick. Maria hatte sich diesen Kniff ausgedacht, als Doris ihr gestanden hatte, dass sie die Ketten nicht selbst abnehmen kann und auch nicht wollte. »Sie sind ja recht bequem.« hatte sie der Schmiedetochter geantwortet. »Lass mich nur machen.«

Renate hatte die Spielerinnen zu einem Bierzeltgarnitur geführt, die im Innenhof des Rathauses aufgebaut war. Sie bat sie, Platz zu nehmen.

»Oh, endlich sitzen.« Doris stöhnte. »Ich kann auf diesen Absätzen nicht so gut laufen.« Sie berichtete, dass sie sonst immer nur auf flachen Sohlen unterwegs war.

»Die sind aber für die richtige Körperhaltung sehr wichtig.« Maria erzählte von Auswirkungen der Absätze. »Sie bewirken einen fraulichen und sehr eleganten Gang.«

Doris war dies herzlich egal. »Mir tun die Füße weh.« stöhnte sie nur.

»Wartet mal, dazu stand etwas in den Unterlagen.« Renate blätterte in ihrer Mappe und begann vorzulesen. »Für den Umzug durch die Stadt sollten das ein paar auf mittelalterlich gemachte Stiefelchen sein, aber mit 4-5 cm Absatz. Ohne den Absatz wird der Gang mit den Ketten zu einem unwürdigen Geschlurfe einer Gefangenen. Wir brauchen aber eine stolze, aufrechte Prinzessin mit elegantem Gang, und da sind die (moderaten) Absätze zu den Ketten doppelt wichtig.«

Sie legte die Mappe auf den Tisch. Insgeheim bedauerte sie es, dass sie den Mädchen an dieser Stelle nicht besser helfen konnte. »Ruht euch aus bis zum zweiten Durchlauf. Ich schaue mal, wo die Getränke sind.«

Maria wartete, bis Renate außer Hörweite war, dann wandte sie sich an Doris. »Du trägst die Ketten sehr gern?«

Die Schmiedetochter war im ersten Moment etwas verlegen, doch dann fasste sie sich ein Herz. »Seine Ketten.«

Maria schwieg erst einen Moment, bevor sie weiter fragte. »Seine?«

»Es war vor einem Jahr«, Doris Stimme war regelrecht verträumt. »Mein Vater hatte gerade den Auftrag für die Katerina-Ketten erhalten und er wollte, das Theo diese als kleinen Teil seiner Meisterprüfung anfertigen sollte.«

Maria hörte aufmerksam zu.

»Wir hätten die Details mit der Baroness besprechen sollen und sie sollte deswegen zu uns kommen zwecks Maßnehmen.« Doris Seufzer war gut zu hören.

»Sie ist nicht gekommen?« Maria ahnte, was passiert war.

»Zu keinem einzigen Termin war sie erschienen.« Doris seufzte. »Und der Prüfungstermin rückte immer näher.«

Maria seufzte ebenfalls.

»Ich war damals schon sehr verliebt in Theo und deswegen hatte ich mich bereit erklärt, die Ketten zur Probe zu tragen.« Doris schwärmte. »Die Baroness hatte 'soviel Ketten wie möglich' bestellt.«

Maria lachte. »Die hat bestimmt an andere Ketten gedacht.«

»Wir haben uns für diese Art von Geschirr entschieden.« Doris hob ihre Arme und zeigte ihr Geschirr. Es bestand aus je einer Verbindungskette zwischen den Hand und Fußgelenken, einer Verbindungskette zwischen den beiden Ketten und einer Verbindung zwischen den Handgelenken zu dem breiten Taillenring. »Es hat ihm genauso gut gefallen wie mir.«

»Und was haben deine Eltern dazu gesagt?«

»Die haben erst nicht verstanden, was sich da zwischen mir und Theo abgespielt hat.« Sie grinste. »Ich hatte damals das Versprechen abgelegt, die Ketten so lange tragen zu wollen, bis die Baroness sie abholt.«

Maria schluckte, als sie die Tragweite dieser Aussage erkannte.

»Natürlich trage ich die Ketten nur, wenn ich im Haus bin und normalerweise bekommt die auch kein Fremder zu Gesicht.«

Maria erinnerte sich an die Aussage von der ersten Kettenprobe, dass Doris die Ketten zur Probe tragen würde.

»Wir haben dann noch etwas mit den Kettenlängen experimentiert. Schließlich ist es zu drei verschiedenen Kettenensembles gekommen.« Doris Stimme klang in diesem Moment besonders stolz. »Ich habe ein Arbeitsgeschirr mit relativ langen Ketten, eines mit ganz kurzen für die Ruhepausen und eines für die Sonntage.«

»Und nur Theo hat die Schlüssel?« fragte Maria, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte.

»Ich bin sehr gern seine Gefangene.« schwärmte Doris.

»Und wie ist es zu dem Knebel gekommen?« Marias Faszination wuchs.

»Es war meine Idee.« Doris grinste. »Aber ich glaube, er hatte sich bisher nur noch nicht zu fragen getraut.«

»Es hat einen gewissen Kick, wenn er Kontrolle über die Stimme hat.« sagte Maria mehr zu sich selbst.

Doris stimmte ihr zu. »Schade, dass die Rolle keinen Knebel vor sieht.«

Maria lachte.

 

Renate kam mit Robert Greinert an den Tisch zurück. »Es tut mir leid, Getränke habe ich keine gefunden, aber ihr seit zu einem Imbiss im Rathaus eingeladen.«

Robert blickte auf die Mädchen, die sich gerade etwas mühsam erhoben. Etwas erbost wandte er sich an die Betreuerin. »Warum haben sie den Mädchen die Ketten nicht abgenommen? Das hatten wir doch extra so ausgemacht.«

Doch Doris trat ihm entgegen. »Wir wollten in den Ketten bleiben.«

Robert Greinert war sichtlich verunsichert. »Wir hätten nämlich etwas zu Essen vorbereitet.« Er war deutlich verlegen.

Doris tauschte erst einen kurzen Blick mit Maria aus, bevor sie antwortete. »Das kriegen wir schon hin.« Dann winkte sie ihm Verlobten, der noch damit beschäftigt war, den Stand wieder abzubauen. Paul half ihm dabei.

 

Paul sah zu, wie Theo sein letztes Werkzeug einpackte. »Unsere Mädchen haben die Gefangenen toll gespielt.« Aus seiner Stimme klang Begeisterung.

Theo hielt inne und warf einen langen Blick auf Paul. Erst dann rang er sich zu einer Antwort durch. »Doris hat die Gefangene nicht gespielt.«

Paul blickte ihn verwundert an.

»Ich liebe es, wenn sie in Ketten ist und ich sie als 'meine' Gefangene betrachten kann.« Seine Stimme klang sehr schwärmerisch. »Und ich glaube, sie liebt es ebenso.«

Paul griff noch einmal in seine Tasche und vergewisserte sich, dass die Schlüssel zu Marias Ketten noch da waren.

»Sie erwarten von uns, dass wir dominant auftreten und sie in ihre Schranken verweisen.« Theo spürte Pauls Vorbehalte.

»Aber ich liebe sie.« rang Paul sich zu einer schwachen Verteidigung durch.

»Ich liebe meine Doris ebenfalls über alles.« Theos Stimme ließ keinen Zweifel an seiner Aussage. »Darum tue ich das ja alles für sie.« Er klappte seinen Werkzeugkasten zu und blickte zu seiner Verlobten. »Ich glaube, die Damen wünschen, dass wir zu ihnen gehen.«

Paul folgte seinem Blick und sah, dass auch Maria ihn herbei winkte. Er wartete, bis Theo seinen Werkzeugkasten im Auto verstaut hatte, dann folgte er ihm zum Tisch.

 

Nach einer kurzen, aber innigen Begrüßung räusperte sich Renate und bat die Vier ins Rathaus. »Es steht ein Imbiss bereit.«

Theo nahm seine Doris beiseite. »Bist du sicher, dass das mit den Ketten geht?« Er streichelte ihr liebevoll über den Kopf. »So etwas haben wir noch nie in der Öffentlichkeit gemacht.«

»Ich bin sehr aufgeregt«, gestand sie ihm und freute sich über sein Einfühlungsvermögen. »Ich kriege das schon hin.« Doch dann ging ein Grinsen über ihr Gesicht. »Außerdem habt ihr doch beide die Schlüssel daheim vergessen, das haben wir Renate so gesagt.« In diesem Moment blickte sie ihn geradezu flehend an.

Theo war im ersten Moment sehr verblüfft, doch dann begriff er, dass für seine Freundin gerade ein sehr großer Traum in Erfüllung ging. Es bedeutete ihr sehr viel, ihre Ketten einmal in der Öffentlichkeit zeigen zu dürfen. Gleichzeitig sah er auch eine Gelegenheit, wieder die Initiative zu ergreifen. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich sie dir aufgeschlossen hätte.«

Doris zuckte bei diesen Worten etwas zusammen und ihre Augen wurden etwas glasig. Erst nach einer gewissen Zeit war sie in der Lage, wieder eine Reaktion zu zeigen. Sie deutete mit ihrem Armen einen Umarmung an und küsste ihn lange auf den Mund. »Ich liebe Dich auch.«

 

Renate war noch einmal in die kleine Küche des Rathauses gegangen und hatte Gabeln geholt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Schützlinge die Ketten anbehalten würden. Sie hoffte, dass es mit dem Besteck möglich sein würde, einigermaßen würdevoll essen zu können.

Sie hatte geglaubt, die Ketten wären eine Belastung für die Darstellerinnen, so wie es in den Jahren zuvor auch immer gewesen war. Doch im Gegensatz dazu schienen Maria und vor allem Doris die Ketten überhaupt nichts auszumachen. Renate erinnerte sich daran, dass sie Doris bisher jedes mal daheim mit den Ketten angetroffen hatte. Sie hatte sich wirklich sehr gut auf die Rolle vorbereitet.

 

Im Rathaus standen sowohl die Eltern von Doris als auch Mrs. Potter und Oma Selma beieinander und unterhielten sich, als Maria und Doris mit ihren Ketten den Rathaussaal betraten. Beide Mädchen wurden liebevoll von ihren Angehörigen begrüßt und in die Arme genommen.

Es war der Mutter von Doris anzusehen, dass sie sich zwar über das Glück ihrer Tochter sehr freute, aber über die Ketten etwas unglücklich war.

Der Bürgermeister hielt eine kurze Rede und bat dann an das Buffet. Doch dann trat Renate auf ihn zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ihr war anzusehen, dass es ihr etwas unangenehm war. Auch der Chef des Rathauses warf einen verwunderten Blick auf die beiden Darstellerinnen, doch dann kam seine berufliche Routine hervor. Er bat die Herren ans Buffet und bat sie, für ihre Frauen etwas auszusuchen und ihnen dann beim Essen behilflich zu sein.

Doch zur großen Erleichterung aller war es Doris und Maria durch die Gabeln möglich, ganz normal zu essen und zu trinken. Renate hatte in der Küche auch Strohhalme gefunden.

 

»Darf ich heute Nacht in den Käfig?« fragte Doris mit sehr viel Glück in der Stimme ihren Verlobten.

»Von mir aus sehr gern.« Theo legte den Arm um seine Verlobte und streichelte ihr durch das Gesicht. »Aber hast du nicht noch morgen einen anstrengenden Tag vor dir?«

Doris seufzte ein wenig. Sie wusste, dass Theo recht hatte und dass sie morgen besser ausgeschlafen sein sollte.

Maria erinnerte sich an den seltsamen Käfig, den sie bei Grünbergs gesehen hatte. »Du hast auch so einen Käfig?«

Auf die Frage zuckte Doris ein wenig zusammen und sie wurde verlegen.

Maria erzählte von dem Käfig bei Grünbergs. »Was ist so schön daran, in einem Käfig eingesperrt zu sein?«

Doris war erleichtert, weil Maria nicht nur nicht lachte, sondern sogar Interesse zeigte. Dennoch wusste sie keine Erklärung. »Ich weiß es nicht. Ich hatte aber immer schon davon geträumt, in einem goldenen Käfig eingesperrt zu sein.«

»Gold?« Maria wunderte sich.

»Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat«, ihre Augen strahlten. »Er sagte irgendwas von Galvanik. Die Stäbe dieses Käfigs sind goldfarben.« Sie zögerte etwas. »Es ist übrigens nur schön, wenn er auch dabei ist. Wenn ich alleine bin, ist es eher langweilig. Wenn er dabei ist, wage ich es nicht, den Riegel zu berühren. Zu besonderen Gelegenheiten lässt er mich auch mal im Käfig übernachten, doch meistens darf ich bei ihm im Bett sein.«

»Und du bist darin richtig gefangen und eingesperrt?« Paul kam dies ebenfalls sehr unheimlich vor.

»Naja, nicht richtig.« Doris wurde wieder etwas verlegen. »Wenn die Tür wirklich abgeschlossen wäre, dann wäre das viel zu gefährlich.«

»Ist der offene Käfig nicht witzlos?« Paul verstand die Zusammenhänge noch weniger.

Doris seufzte. »Das war auch meine Argumentation am Anfang. Aber sie haben mich überzeugt, dass es viel zu gefährlich wäre.« Sie machte eine Pause und schluckte, bevor sie weiter sprach. »Wir wohnen direkt über der Schmiede und dort brennt fast immer das Feuer. Sehr leicht könnte es zu brennen anfangen oder es könnte sehr stark rauchen. Wenn ich dann im Käfig gefangen wäre, wäre das lebensgefährlich. Ich musste der Bedingung zustimmen, dass der Käfig nicht abgeschlossen wird, sonst hätte ich ihn überhaupt nicht bekommen. Am Anfang habe ich mir immer vorgestellt, dass da ein dickes Schloss daran hängen würde. Und der Klang, wenn der Riegel zufällt hat auch etwas elektrisierendes.«

Sowohl Paul als auch Maria fühlten mit Doris mit, obwohl sie deren Motivation weiterhin nicht nachvollziehen konnten.

»Aber dann hatte meine Mutter eine tolle Idee.« Doris strahlte.

»Deine Mutter?« Maria war verblüfft.

»Naja, sie sorgte sich sowohl um mein Wohlbefinden als auch um mein Glück.« Doris seufzte etwas. »Und als sie erkannt hatte, wie viel mir der Käfig bedeutete, hat sie vorgeschlagen, die Tür mit einer Schnur zu verschließen und diese anschließend mit Wachs zu versiegeln.«

Paul und Maria waren sprachlos.

»Wir haben es dann sogar mehrmals getestet. Im Notfall muss ich nur den Riegel haben und dann der Tür einen kräftigen Schuss geben.« Sie strahlte. »Und er kann mich mit dem Siegel genauso wirksam einsperren wie mit einem Schloss.«

»Ich würde den Käfig gern mal sehen.« Maria war sehr gespannt.

»Kommt uns doch einfach mal besuchen.« Doris strahlte. »Dann kann ich euch alles zeigen?«

 

Renate kam mit Robert Greinert an den Tisch. »Wir würden dann gern die Ergebnisse des ersten Durchlaufs besprechen.« erklärte Renate und blickte dann zu Herrn Greinert.

Dieser nahm eine Liste zur Hand und räusperte sich. »Fangen wir mit dem unangenehmsten Punkt an. Wir haben viele Beschwerden und Anmerkungen bekommen, dass die Ketten der Dienerin nicht strenger sein dürfen als die der Katerina.«

Maria und Doris blickten sich erschrocken an.

»Ich möchte auch so einen Taillenring.« Maria reagierte blitzschnell und drehte sich zu Doris. »Kannst du deinen Vater fragen, ob das noch geht?«

Doch Herr Schwerterle hatte die Frage gehört und konnte sie selbst beantworten. »Die Taillenringe sind in der Größe verstellbar und werden nur geschraubt. Und die zwei Ketten lassen sich schnell anbringen.« Er streichelte seiner Tochter über den Kopf und blickte Maria freundlich an. »Ich schaue mal, ob Theo noch Feuer auf der Esse hat.«

»Danke«, Doris flüsterte leise zu Maria. »Das war sehr nett von dir.«

Maria lächelte geheimnisvoll und ergriff Pauls Hand.

Herr Greinert blickte wieder auf seine Liste. »Wir haben bei der Planung der Route einen der Sponsoren vergessen, beim zweiten Mal wird die Strecke ein klein wenig länger.« Er blickte Doris und Maria fragend an.

Diese begriffen erst nach einiger Zeit, dass er eine Antwort haben wollte. »Das ist kein Problem. Die Ketten lassen sich gut tragen.« sagte Maria und blickte dabei verschwörerisch zu Doris.

»Dann haben sich die Sparkasse und die Bäckerei gewünscht, dass sie ein wenig langsamer gehen könnten, wenn sie bei ihnen sind.« Er drehte sich zu Renate. »Können sie jeweils darauf aufpassen und das Tempo gegebenenfalls drosseln?«

Renate versprach es.

»Dann hätte ich noch etwas, was mir aufgefallen ist.« Herr Greinert wurde eine Spur verlegen. »Ich glaube ihnen ja, dass sie glücklich sind, das Fest spielen zu dürfen.«

In die kleine Pause hörte man Doris seufzen.

»Aber bei der Heimkehr von der Schlacht spielen sie ja die Geiseln.« Er blickte noch einmal auf die Ketten der beiden Mädchen. »Es wäre besser, wenn sie ein wenig an ihre Rolle denken. Ein glückliches Lächeln wäre nicht richtig.«

Die etwas beschämenden Gesichter der beiden Mädchen zeigten, dass sie der Argumentation gefolgt waren. »Wie sollen wir denn schauen?« Doris wollte ihre Sache gut machen.

»Eine Mischung aus Empörung, Stolz und Trauer.« zitierte Renate aus ihrer Mappe. »Meint ihr, das bekommt ihr hin?«

»Ich glaube euch, dass sich die Ketten deines Vaters gut tragen lassen.« Herr Greinert hatte etwas verschmitztes im Blick. »Aber glaubt ihr, ihr könntet dem Publikum vorspielen, dass ihr unter den Ketten leiden würdet?«

Doris und Maria blickten sich verblüfft an. »Ja, das kriegen wir hin.« Doris grinste. Sie drehte sich zu Maria und flüsterte ihr ins Ohr. »Es ist gar nicht so einfach, traurig zu schauen. Da geht ein Traum in Erfüllung und verlangt ist ein trauriges Gesicht.«

Maria blickte sie etwas verwundert an.

»Ich habe schon immer davon geträumt, dass ich seine Ketten auch zeigen darf.« Sie lächelte verträumt. »Es soll jeder sehen dürfen, dass ich ihm gehöre.«

 

Herr Schwerterle kehrte zurück und hielt einen breiten Metallring in der Hand, an dem zwei Ketten baumelten.

Doris war verblüfft. »Aber das ist doch mein ...« Weiter kam sie nicht, denn ein Blick ihres Vater mit dem Finger auf dem Mund bat sie um Ruhe. Gleichzeitig zwinkerte er ihr zu. Doris verstand sofort und sie war einverstanden. »Mein Vater.« versuchte sie etwas verlegen ihr Satz zu vollenden und hoffte, dass keiner ihren Versprecher bemerken würde.

Doch alle Aufmerksamkeit richtete sich auf Maria, die jetzt von Doris Vater den Ring um die Taille gelegt bekam. »Diese Ringe sind in der Größe leicht zu verstellen. Ist es bequem so?«

Maria musste sich erst räuspern, bevor sie zu einer Antwort fähig war. »Ja, so geht es.«

»Theo meint, dass wir die Ketten jetzt mit kleinen Karabinern befestigen müssen. Wenn er sie jetzt gleich schweißen würde, wären sie zu heiß zum tragen. Außerdem möchte er es gern sorgfältig machen.«

Er wandte sich an Renate. »Organisieren sie bitte noch einen Termin in der Schmiede.« Dann drehte er sich wieder zu Maria und bat sie ihre Hände ein wenig hoch zu halten. Mit zwei leisen Klicks waren die Ketten mit den Ringen um die Handgelenke verbunden. »Probiere mal, wie du jetzt klar kommst.«

Maria bewegte etwas ihre Arme und stellte interessiert fest, dass sie jetzt noch weniger Freiraum hatte, um ihre Hände zu bewegen. Sie drehte sich zu Renate. »Ich weiß nicht, ob ich so noch alle Aufgaben auf dem Marktplatz erfüllen kann.« Sie hob ihre Arme und drehte sie etwas in der Luft, um ihren verbliebenen Freiraum zu zeigen. »Können wir das noch mal probieren.«

»Ich gehe mal zu den Ständen und sage Bescheid.« Renate trat an den ersten Stand und sprach kurz mit dem Inhaber, dann winkte sie Maria zu sich.

* * *

Robert Greinert stand auf und wartete, bis Ruhe eingekehrt war. »Ich möchte ihnen allen für den erfolgreichen Tag danken.« Er blickte deutlich zum Prinzenpaar und zu Renate. »Alle Wünsche der Sponsoren und alle Probleme wurden bestens gelöst und so können wir zuversichtlich auf das Fest schauen.«

Maria seufzte innerlich. Ihr sorgenvoller Blick während des zweiten Durchlaufs war nicht gespielt. Im Gegensatz zur ersten Proben waren diesmal der Baron und sein Neffe unter den Zuschauern. Maria hatte den Eindruck gehabt, als hätte der Neffe sie keinen einzigen Moment nicht angestarrt. Doch jetzt im Nachhinein war sie sich nicht mehr sicher, ob der Blick wirklich ihr gegolten hatte. Immerhin waren beim zweiten Marsch durch die Stadt auch noch andere Frauen mit Ketten unterwegs. Doch diese Ketten unterschieden sich in einem wesentlichen Punkt von denen von der Katerina und ihrer Dienerin. Am deutlichsten war dies daran zu merken, dass das metallische Klirren fehlte. Die Ketten waren fast alle aus dunklem Plastik und würden einer Belastungsprobe nicht stand halten.

Doris hatte die leidende Dienerin so überzeugend gespielt, dass selbst Maria das eine oder andere Mal nachfragte, ob alles in Ordnung sei. Als Antwort bekam sie stets ein kurzes verschmitztes Zwinkern mit den Augen, dann setzte Doris wieder ihre Leidensmiene auf.

»Und dann sehen wir uns Morgen in der Kirche wieder, um den Part für Samstag und Sonntag durch zu proben.« Herr Greinert bedankte sich noch einmal für die erbrachten Mühen, dann wünschte er den Teilnehmer noch einen schönen Abend.

Doris drehte sich zu Maria. »Muss ich eigentlich Morgen auch dabei sein?«

Doch Maria zuckte nur mit den Schultern. Sie wandte sich an Renate und wiederholte das Anliegen der Schmiedetochter.

Renate blätterte in ihren Unterlagen. »Es steht dir frei.«

Maria ahnte, um was es Doris ging. »Die Prinzessin würde sich sehr freuen, wenn ihre Dienerin morgen an ihrer Seite wäre.« Dabei zwinkerte sie unauffällig.

Renate verstand nicht, welches Spiel die beiden Mädchen gerade spielten. »Du hörst, deine Anwesenheit wird gewünscht.«

Doris drehte sich zu Maria. »Dafür wird er mir die Ketten nicht abnehmen.« Dabei leuchteten ihre Augen und es war deutlich, dass sie sehr verliebt war.

Maria drehte sich zu Renate. »Kann Doris morgen auch mit ihren Ketten kommen?«

Renate war etwas verwundert über den Ehrgeiz von Doris. Sie blätterte wieder in ihren Unterlagen, doch sie fand nichts in der Richtung. »Komm morgen erst mal so wie du möchtest und dann sehen wir weiter.«

»Naja, im schlimmsten Fall hast du die Schlüssel vergessen.« flüsterte Maria Doris ins Ohr. Sie ahnte, dass es für Doris etwas ganz besonderes wäre, wenn sie ihre Ketten mal in der Öffentlichkeit zeigen konnte.

* * *

Auf dem Nachhauseweg gingen Paul und Maria Hand in Hand. Beide hingen ihren Gedanken nach.

»Paul?« fragte Maria auf einmal und ihr Tonfall zeigte, dass sie vermutlich lange mit sich gerungen hatte.

Schon als sich Marias Händedruck etwas verstärkte, war Paul aufmerksam geworden. »Ja?« Er ahnte aufgrund des Tonfalls, dass Maria etwas außergewöhnliches vor hatte.

»Heute wäre doch wieder meine »schöne Nacht«.« Ihre Stimme wurde merklich leiser. »Ich würde gern das große Nachtkorsett tragen.« Ihr Atem ging heftiger.

Paul ahnte, dass ihr die Frage einige Kraft gekostet hatte. Er zögerte zunächst mit seiner Antwort.

»Und wenn ich 'sie' frage, ob sie uns dabei hilft?« Maria war stehen geblieben. »Aber zuschnüren musst du.«

Paul begann langsam zu begreifen, wie wichtig Maria diese Nacht war. Außerdem gingen ihm die mahnenden Worte von Leonhard durch den Kopf, nicht so zögerlich zu sein. »Das können wir machen.« hatte er sich schließlich zu einer Entscheidung durch gerungen.

Sie gingen schweigend weiter. Paul spürte bei Maria eine gewisse Erleichterung.

»Warum gefällt dir das Korsett? Ich finde es unheimlich, weil es so streng aussieht.« Er wollte verstehen, warum sich seine Freundin einer solchen Tortur ausliefern wollte.

Maria kam ins Grübeln. Doch dann antwortete sie mit den Worten, die Paul auch schon von Leonhard gehört hatte. »Es fühlt sich an wie eine große Umarmung.« Sie wurde etwas rot. »Deine Umarmung.«

Paul drückte ihre Hand ein wenig fester.

»Und ich kann es die ganze Nacht spüren.« Ihre Stimme schwärmte. »Überall.«

Paul wusste nicht, was er darauf antworten sollte.

»Aber tagsüber möchte ich es nicht tragen müssen.« Sie lachte. »Ich kann mich darin überhaupt nicht mehr bewegen und fühle mich super hilflos.«

»Ich müsste dich tragen oder auf Rollen stellen.« Paul dachte laut.

Auf einmal blieb Maria stehen und ihr Atem ging auf einmal sehr heftig. Diesmal erkannte Paul es sofort und er nahm sie sofort liebevoll in die Arme und begann sie zu streicheln. Ihre Lippen suchten die seinen. Liebevoll und sehr erregt küssten sie sich.

 

Sie gingen weiter schweigend nebeneinander her. Auf einmal begann Maria zu erzählen. »Weißt du, der Gedanke, dieses Korsett auch tagsüber zu tragen und von dir umsorgt zu werden, das hat mich umgehauen. Ich stellte mir vor, wie ich mit dem Korsett vor dem Schreibtisch stand und so lernen konnte.« Sie versuchte ihren Arm um ihn zu legen, soweit es ihre Ketten erlaubten. »Danke, dass du mich in die Arme genommen hast.«

Paul war zunächst nicht zu einer Antwort fähig. Erst langsam begann er zu verstehen, was Maria so sehr erregt hatte. »Du möchtest das Korsett doch auch mal tagsüber tragen?«

»Ich bin bisher nie auf den Gedanken gekommen, dass ich auf Rollen stehen könnte.« Aus ihrer Stimme klang ein sehr großes Strahlen. »Dann wäre ich bei weitem nicht so hilflos und könnte das Korsett doch genießen.«

* * *

Maria war sofort zu ihrer Erzieherin gegangen und hatte wie sie es gewöhnt war um die Erlaubnis gebeten, die Sachen für die schöne Nacht nutzen zu dürfen. Zu ihrer Erleichterung war Mrs. Potter von der Idee durchaus angetan und bat an, sofort die nötigen Sachen herauszusuchen.

»Ich dachte, dass Paul mir die Sachen anlegt und sie ihm vielleicht dabei helfen könnten.« Ihre Stimme zeigte ihre deutliche Verlegenheit. »Und darf Paul dann die Nacht neben mir verbringen?« Maria war erleichtert, alle ihre Fragen gestellt zu haben.

»Wie wäre es, wenn ihr dazu auch die oberschenkellangen Bettstiefel anzieht?« Sie öffnete eine Kommodenschublade und nahm die Stiefel heraus.

Maria nahm sie mit zitternden Händen entgegen. Sie war sichtlich irritiert, weil sie auf ihre Fragen noch keine direkte Antwort bekommen hatte.

»Ich werde Paul zeigen, wie er damit umzugehen hat.« Sie blickte Marias Freund auffordernd an. »Mit den anderen Sachen kennt sich der Prinz doch schon aus oder?«

Paul musste erst einmal schlucken, bevor er zu einer Antwort fähig war. »Gewiss, werte Erzieherin.« Er horchte kurz in sich, was ihm Bauch und Herz zu sagen hatten, dann fuhr er fort. »Aber eine weitere helfende Hand wäre sicher nicht zu viel.«

Als Antwort drehte sich Maria zu ihm hin zu wollte ihn umarmen. Doch die Katerinenketten hinderten sie immer noch daran. Sie versuchte einen Kuss. »Danke, dass du das machen möchtest.«

* * *

»Wann müsst ihr Morgen bei der Probe sein?« Mrs Potter blickte auf die Uhr.

»Die erste Probe beginnt nach dem Kirche.« berichtete Maria.

»Und wir sind angehalten, auch schon am Gottesdienst teilzunehmen.« ergänzte Paul.

»Dann sollten wir jetzt schon anfangen, denn das sorgfältige Anlegen der Sachen wird lange dauern.« Mrs Potter blickte auf den Berg Leder, der auf dem Tisch lag.

Maria war dem Blick gefolgt. »Dann fangen wir an.« Ein leichtes Zittern lag in ihrer Stimme. Doch auf einmal stutzte sie und blickte an sich herunter. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich die Ketten noch trage.« Sie blickte auf Paul und lächelte etwas verlegen. »Kannst du mich bitte befreien?«

Etwas nervös griff Paul in seine Hosentasche, um das Schlüsselbund heraus zu nehmen. Dann drehte er sich zu Maria, die ihm schon die Hände entgegenstreckte.

Die Hand- und Fußschellen waren schnell geöffnet, doch dann blickten auf einmal alle drei sehr verwundert auf den Taillenring.

»Dafür habe ich keinen Schlüssel.« Paul war sichtlich verlegen. »Ich weiß nicht, wie der zu öffnen ist.«

»Ich glaube, Doris Vater hatte etwas von einer Verschraubung gesagt.« Maria blickte an sich herunter und zeigte auf eine Stelle am Bauch. »Hier müsste eine Schraube sein.«

Paul kniete sich vor Maria nieder, um so einen guten Blick auf den Eisengürtel zu haben. »Ja, hier sind zwei Schrauben.« Er stand wieder auf.

Mrs Potter schob die Kommodenschublade wieder zu und reichte Paul ein entsprechendes Werkzeug. »Könnte der hier gehen?«

»Schade«, lachte Maria, »Ich hatte mich schon an die Ketten gewöhnt.«

Paul grinste seinerseits. »Wir ersetzen ja nur das Metall durch Leder.«

Maria keuchte ein wenig.

* * *

»So«, Paul trat wieder in das Zimmer, »Meine Oma weiß Bescheid. Sie lässt übrigens schön grüßen.«

»Bitte mache dich auch gleich bettfertig.« bat Mrs Potter, nachdem sie sich für die Grüße bedankt hatte.. »Sobald Maria in dem Korsett steckt, solltest du immer an ihrer Seite sein.«

Mit etwas Gänsehaut kam Paul der Bitte nach.

* * *

Hand in Hand standen Paul und seine Freundin vor dem Tisch und fast etwas atemlos betrachteten sie die Gegenstände, die die Erzieherin heraus gesucht hatte.

»Ich habe euch noch einige andere Sachen heraus gelegt, die ihr vielleicht nutzen wollt.« Mrs. Potter hatte ihre Stimme ein wenig gesenkt und sprach auch ein wenig leiser wie sonst. Auch bei ihr war eine gewisse Anspannung zu spüren. »Sucht euch die Sachen aus, ich muss noch etwas holen.«

Auf dem Tisch lagen neben dem riesigen Korsett und den Bettstiefeln auch noch die passenden Armkorsetts und ein sehr streng aussehende Halskorsett mit Kopfgeschirr sowie auch die beiden Handschuh-Kästen.

Mit sehr viel Zittern in der Stimme drehte sich Maria zu ihrem Freund. »So könnte ich mich überhaupt nicht mehr bewegen.« Ihre Lippen näherten sich den seinen.

Paul nahm sie liebevoll in den Arm. »Wenn es das ist, was du dir wünscht.« Er küsste sie.

 

Es lag noch ein Kasten auf dem Tisch, den Maria bisher anscheinend nicht beachtet hatte. Paul sah, dass der Kasten so eine Art Warnzeichen aufgeklebt hatte, wie das Verkehrszeichen mit dem Ausrufezeichen. »Und was ist da drin?«

Maria schluckte als er das fragte. Wortlos griff sie zu dem Kasten und öffnete ihn langsam.

Paul blickte hinein. »Das ist dein Mundschutz.« Den Gegenstand erkannte er.

Maria legte ihn mit zitternden Händen auf den Tisch. »Versprich mir, dass Du ihn mir anlegt.« Das 'du' hatte sie besonders betont.

Jetzt war es an Paul, zu schlucken. Auch er hatte Respekt vor der Situation und Marias Mut. »Ja, ich verspreche es.«

Doch es waren noch mehr Gegenstände in der kleinen Schachtel. Nach genauerem Hinsehen erkannte er den einen als eine Augenbinde. Doch die kleinen Stöpsel konnte er nach wie vor nicht zuordnen. »Das eine ist eine Augenbinde.« Seine Hand zitterte, als er danach griff und sie auf den Tisch legte.

Jetzt war es an Maria zu schlucken.

»Und was sind diese beiden Stöpsel.« So etwas hatte er bisher noch nicht gesehen.

»Die sind für meine Ohren.« Marias Stimme war sehr leise. »Ich kann dann auch so gut wie nichts mehr hören.«

»Nichts mehr bewegen, nichts mehr sehen, nichts mehr sagen und nichts mehr hören« sagte er mehr zu sich selbst, dann blickte er Maria tief in die Augen. »Bist du dir wirklich sicher?«

 

Nach dem Kuss bewegte Maria ihre Hand wieder zu dem Kasten und ergriff einen der Stöpsel. Paul folgte mit seiner Hand fast magnetisch und griff sich den anderen Stöpsel. Gleichzeitig legte sie die beiden Gegenstände auf den Tisch.

Paul legte einen Arm um seine Freundin und zog sie nochmals an sich. »Meine mutige Prinzessin.«

Gemeinsam schauten sie schweigend auf den Tisch. Als die Schritte von Mrs. Potter auf der Treppe zu hören waren, ergriff Maria Pauls Hand und drückte sie. Paul erwiderte den Händedruck.

* * *

Die Erzieherin hatte sich bewusst viel Zeit gelassen, um den beiden Liebenden Gelegenheit zu gaben, sich mit dem Kommenden in aller Ruhe auseinandersetzen zu können.

Ohne das Katerinenfest hätte sie darauf bestanden, dass Paul die Nacht ganz allein mit Maria sein würde. Doch nach dem anstrengenden Tag heute wollte sie den beiden eine Hilfe sein, damit der Tag nicht durch einen falschen Handgriff noch verdorben werden würde. Sie hatte sich vorgenommen, nur dann einzugreifen, wenn etwas grob falsch laufen würde. Und natürlich war bei dem strengen Korsett eine weitere helfende Hand nicht störend.

 

Maria keuchte etwas, als sie die fragenden Blicke sowohl von Paul als auch von ihrer Erzieherin spürte. Sie hatte dadurch begriffen, dass Mrs. Potter sich heute nicht einmischen wollte und so sie selbst die Reihenfolge vorgeben musste. »Zuerst die Bettstiefel.« Sie legte sich auf das Bett und blickte Paul erwartungsvoll an.

Unter dem Wort 'Bettstiefel' konnte sich Paul nicht so richtig etwas vorstellen, doch als er sich zum Tisch drehte, hatte Mrs. Potter die beiden langen Ungetüme schon in der Hand und reichte sie ihm. Er warf einen Blick darauf und war verwundert. Erst auf den zweiten Blick konnte er erkennen, was er da in der Hand hielt. Der Stiefel würde Maria bis weit über das Knie reichen und vermutlich würde sie dann auch nicht mehr in der Lage sein, das Bein zu beugen. Ihr Fuß wäre gestreckt wie bei einem ihrer Ballettstiefel, doch bei diesem Exemplar fehlte der lange Absatz.

Sein Blick blieb verwundert auf dem Stiefel liegen, während er sich wieder zum Bett drehte. »Kannst du denn darin überhaupt laufen?« fragte er sehr verwundert.

»Natürlich nicht.« Trotz ihrer Anspannung musste Maria ein wenig lachen. »Die kann ich nur im Bett tragen. Deswegen heißen sie ja Bettstiefel.«

»Und die Knie kannst du dann auch nicht mehr beugen?« Paul war von der subtilen Hilflosigkeit mehr als angetan.

»Nein«, Maria keuchte ein wenig. »Ich kann dann nur noch die Beine breit machen.« Als sie begriff, was sie gerade gesagt hatte, wurde sie auf einmal knallrot.

Doch Paul war schon damit beschäftigt, den Stiefel für das Anziehen vorzubereiten. Marias letzte Bemerkung hatte er nicht gehört. Oder er gab vor sie nicht gehört zu haben.

 

Die Stiefel hatten so ähnlich wie bei Bergschuhen Ösen und Haken gemischt, so dass Paul die Schnürung recht schnell schließen konnte. Doch je weiter er an Marias Oberschenkel aufwärts kam, desto lauter wurde Marias Stöhnen bei jeder seiner Berührungen. Er musste sich auf die Lippen beißen, um wenigstens seine eigenen Gefühle im Griff zu behalten. Er wusste, dass Maria jetzt ihren Keuschheitsgürtel nicht trug.

Anfangs hatte Mrs. Potter noch mit angefasst und die Stiefelschäfte mal hier und mal da in die richtige Richtung gezogen, doch ab Marias Knie hielt sie sich auffällig zurück. Das Stöhnen hatte auch erst seit dem eingesetzt. Doch als Marias Stöhnen immer heftiger wurde, hielt Paul inner und blickte mit etwas Sorge zu ihrer Erzieherin.

Diese antwortete nicht, aber blickte recht deutlich auf den Tisch zu der kleinen Box.

Paul folgte dem Blick und obwohl er sofort verstand, was gemeint war, dauerte es doch einen Moment, bis er sich überwinden konnte. Es kostete Paul sehr viel Kraft, als er zum Tisch ging und den Mundschutz in die Hand nahm. Er ging damit auf Maria zu und hielt ihn vor ihr Gesicht.

Marias Blick zeigte zuerst ein leichtes Erschrecken, doch dann versuchte sie ein Lächeln. Erst als der Mundschutz schon ihre Lippen berührte, öffnete Maria ihren Mund und erlaubte es Paul so, dass er ihr ihn in den Mund schieben konnte. Maria seufzte, dann schloß sie ihren Mund und blickte Paul mit sehr verliebten Augen an. Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf den jetzt schon so gut wie versiegelten Mund.

Als er sich wieder erhob, sah er, dass Mrs. Potter ihm die Augenbinde reichte. Doch als Maria das sah, schüttelte sie den Kopf und brummte zwei mal kurz. So wie Paul es gelernt hatte, erkannte er das Notsignal und fragte, was nicht in Ordnung sei.

Maria machte ihren Mund auf und blickte Paul bittend an. Sorgen lagen dabei aber keine in ihrem Blick.

Paul zog ihr das Plastikstück aus dem Mund und blickte sie sorgenvoll an.

»Bitte als letztes.« ihre Stimme war sehr leise. »Bitte die Augenbinde als allerletztes.«

Nur im Unterbewusstsein spürte Paul, was seine Freundin zu dieser Bitte bewegte. Sie wollte sicher sein, dass Paul alle ihre Fesseln anlegen würde.

Paul steckte ihr den Mundschutz wieder in den Mund, legte die Augenbinde beiseite und fuhr fort, die Schnürung der Stiefel zu vollenden. Marias Stöhnen hatte nicht nachgelassen, wurde jetzt aber durch den Mundschutz äußerst süß gedämpft.

 

Mrs Potter blickte kurz auf das Bett, wo die große und schwere Lederhülle schon bereit lag. »Maria muss sich jetzt an das Trapez hängen.«

Erst als er Maria beim Aufstehen half, erkannte Paul, dass Maria wegen der Bettstiefel jetzt ihre Beine wirklich nicht mehr beugen konnte. Und weil die Stiefel auch keine Absätze hatten, konnte Maria damit auch nicht allein stehen. Er musste sie den ganzen Weg bis zum Trapez festhalten. Erst als Maria ihre Arme in die Schlaufen legte, konnte er seinen Griff lockern.

Das Anlegen des Korsett bereitete ihm keine Mühe, denn das hatte er jetzt schon zwei Mal machen dürfen. Trotzdem dauerte es sehr lange, bis das Korsett ganz geschlossen war. Und das jetzt nur noch gedämpft hörbare Stöhnen seiner Freundin zeigte ihm, wie sehr sie die zunehmende Enge genoss.

 

Als das Korsett ganz geschlossen war, brauchte Paul erst einmal eine Pause. Es war nicht die Kraft, sondern das Einschnüren hatte ihn emotional sehr gefordert.

Mrs. Potter reichte ihm das Halskorsett. »Es ist einfacher, wenn du Maria es jetzt schon anlegst.«

Marias Augen leuchteten, als sie sah, wie Paul mit dem 'Monster' auf sie zu kam. Sie wusste, dass sie gleich auch ihren Kopf nicht mehr bewegen konnte. Das Halskorsett reichte ihr bis unter die Nase, lies zwar die Ohren frei, nahm ihrem Kopf aber jegliche Bewegungsmöglichkeit. Und was Maria an diesem Exemplar besonders mochte, es gab noch die Riemen, die wie ein Kopfgeschirr ihren Kopf ebenfalls noch fixierten.

Paul fiel es schon auf, dass Marias Atem immer heftiger ging, doch ihre Augen zeigten keinerlei Anzeigen von Sorgen oder Ängsten.

Auch die Erzieherin zeigte sehr großes Einfühlungsvermögen. »Es würde schneller gehen, wenn wir dich jetzt zum Bett tragen.« Sie machte eine Pause, um Maria Zeit zum Nachdenken zu geben. »Dazu müßte ich dich aber anfassen.«

Maria war ein wenig beschämt, als sie erkannte, wie sehr ihre Erzieherin sie doch kannte und trotzdem bereit war, auf ihre Wünsche einzugehen. Sehr verschämt versuchte sie ein Nicken, welches aber wegen des Halskorsetts fast nicht zu sehen war.

Mrs. Potter zeigte Paul kurz, wie er Maria an den Beinen anfassen sollte, dann wandte sie sich den Schlaufen zu.

Während sie Maria zum Bett trugen, fiel ihm auf, dass sich ihr Körper fast überhaupt nicht durchbog. Er konnte nur ahnen, wie streng dieses Monster von Korsett wirklich war.

Als Maria wieder auf dem Bett lag, ging Mrs. Potter zum Tisch und hob einen der Ohrstöpsel hoch. »Ich zeige dir jetzt noch, wie du den Maria einzusetzen hast und dann kannst du den Rest sicher allein.« Sie zeigte Maria den Ohrstöpsel und wiederholte ihre Worte.

Marias Blick zeigte ihre Anerkennung.

Paul sah sehr aufmerksam zu und durfte das Einsetzen des Ohrstöpsel dann einmal üben.

Als die Erzieherin sah, dass er es richtig machen würde, warf sie noch einmal einen sehr liebevollen Blick auf Maria und wünschte ihre eine schöne Nacht, dann verliess sie zügig das Zimmer.

 

Als Paul fragte, ob er die Armkorsetts, die er als nächstes angelegt hatte auch am Korsett festmachen sollte, wusste er zunächst nicht, wie Maria antworten sollte. Doch dann sah er, wie ihre Augen sich rauf und runter bewegten. Aber er erkannte auch, dass Maria versuchte, zum Tisch zu blicken.

Er folgte diesem Blick und dachte über die Sachen nach, die noch auf dem Tisch lagen. Schließlich hatte er erkannt, was Maria ihm sagen wollte. »Du möchtest erst die Handkästen bekommen?«

Obwohl von Maria fast nur noch die Augen zu sehen waren, war das Lächeln und Strahlen doch gut zu erkennen.

Er erschauderte, einerseits vor der Strenge von Marais Fesselung, andererseits aber auch vor dem Strahlen in ihren Augen. Er fühlte sich sehr unter Druck, denn er wollte ihr nicht die Nacht verderben durch irgendetwas, was er falsch machen würde.

Mit den Handkästen hatte er am wenigsten Probleme. Trotzdem erschauderte es ihn ein wenig, wie fest er zusammen drücken musste, bis er endlich das erlösende »Klick« zu hören bekam. Danach verband er die Armkorsetts mit dem großen Korsett.

Er beobachtete, wie Maria etwas mit den Armen zuckte. Es schien als wollte sie ihre verbliebenen Freiräume austesten. Paul bekam eine Gänsehaut, als er erkannte, dass von Marias sicher heftigen Versuchen so gut wie nichts zu sehen war. Schließlich zeigte ihr Strahlen, wie sehr sie mit Pauls Werk zufrieden war.

Wieder blickte er zum Tisch. Jetzt lagen da nur noch die Ohrstöpsel und die Augenbinde. Jetzt wo die schwierigen Sachen alle erfolgreich gemacht waren, wurde Paul ein wenig mutiger. »Bist du bereit für das Finale?«

Maria strahlte ihn an und stöhnte auf. Erst ein wenig später ließ sie wieder ihre Augen wieder auf und ab wandern.

Paul beugte sich zu ihr herunter und strich ihr zärtlich über das Gesicht. »Ich wünsche dir eine ruhige Nacht.«

Das Stöhnen und Keuchen wurde hefitger, als Paul nacheinander die beiden Ohrstöpsel in Marias Ohren gesteckt hatte und sie so noch weiter von der Aussenwelt isolierte.

Er nahm die Augenbinde zur Hand und schaute sie sich etwas genauer an. Es irritierte ihn nur kurz, dass sie keinen »Riemen um den Kopf« hatte. Doch dann entdeckte er die beiden Druckknöpfte deren Gegenstück er an Marias Kopfgeschirr sehen konnte.

Nachwievor ging Marias Atem sehr heftig und ihre Stöhnen war trotz des Mundschutzes deutlich zu hören. Ihre Augen hingen an der Augenbinde und sie blickte geradezu sehnsuchtsvoll darauf.

Paul wusste auf einmal, was er machen musste. Er legte sich neben Marais und knöpfte die Augenbinden zunächst auf der ihm gegenüberliegenden Seite von Maria ein. Er beugte sich noch einmal über sie und gab ihr einen Kuss auf den so streng versiegelten Mund. Einen Arm legte er über Marias Körper, mit der anderen Hand zog er die Augenbinde über ihre Augen. Als der Knopf leise einrastete, fühlte er deutlich, wie ein heftiger Orgasmus durch ihren Körper raste.

Sehr zärtlich strich er noch einige Zeit über Marias zitternden Körper, bis schließlich ihr ruhiger Atem zeigte, dass sie eingeschlafen war.

* * *

»Seid ihr fertig für die Kirche?« Mrs. Potter blickte über den schön gedeckten Frühstücksstisch zur Uhr. Gleich würde Renate kommen und sie abholen.

Maria und Paul blickten sich kurz an, dann antwortete Maria. »Ich bin so aufgeregt. Ich war noch nie mit dem Handschuh in der Kirche.«

Paul strich seiner Freundin über die auf dem Rücken verpackten Arme. Er hatte sich diesmal besonders viel Mühe gegeben, den Handschuh nicht nur sorgfältig anzulegen, er hatte sogar darauf geachtet, dass die Schnürung ordentlich und gleichmäiß angelegt war. »Ich bin gespannt, ob Doris ihre Ketten tragen wird.«

Mrs. Potter blickte sehr erstaunt und fragte 'Ketten?'

»Sie trägt die Ketten für ihren Freund.« erklärte Paul etwas nervös.

»Sie ist sehr gern seine Gefangene«, ergänzte Maria. »Das hat sie mir gestern in der Pause verraten.«

Es klingelte. Mrs. Potter stand auf und ging zur Haustür.

Paul stand auf und ging zu Maria, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Du siehst wirklich toll aus.«

Maria blickte an sich herunter. Sie trug eine beige Bluse zu einem dunklem wadenlangen Rock und einer dazu passenden Jacke und hätte wie eine sehr brave Kirchgängerin ausgesehen, wenn da nicht der weiße Monohandschuh gewesen wäre. Sie lächelte nur. »Hängst du mir bitte noch meine Handtasche über die Schulter?«

»Wofür brauchst du denn die Tasche?« fragte Paul mit einem deutlichen Blick auf ihre verpackten Arme.

»Es sieht einfach etwas fraulicher aus.« grinste Maria. »Außerdem möchte jetzt endlich mal etwas ausprobieren, was ich mir mal ausgedacht habe.«

Paul blickte sie neugierig und verwundert gleich an.

Maria bat ihn, die farblich zur Bluse passende Tasche in die Hand zu nehmen. »Siehst du oben in der Riemenmitte den Druckknopf?«

Paul kam der Bitte nach und hatte den Knopf sofort gefunden.

»Oben auf meine Schulter gibt es auf dem Riemen des Handschuhs das passende Gegenstück. Dort kannst du die Tasche festmachen.«

Es war ein Druckknopf von der etwas stärkeren Sorte, denn Paul musste schon etwas kräftiger drücken, bis er Marias Bitte erfüllt hatte. Dann trat er einen Schritt zurück. Maria sah toll aus.

 

Renate blieb vor Erstaunen in der Tür stehen. Sie brauchte einige Momente, bevor sie Maria wegen ihrer aussergewöhnlichen Erscheinung loben konnte. »Und einen schönen Guten Morgen möchte ich auch noch wünschen.«

Paul und Maria erwiderten den Gruß. »Wir sind bereit.« sagte Paul und sein Blick zu Maria zeigte, wie stolz er auf seine Freundin war.

Maria strahlte über das gesamte Gesicht. »Ich habe schon immer davon geträumt, mal so nach draussen gehen zu dürfen.«

Renate freute sich ebenfalls über ihren besonderen Schützling. »Wir gehen dann noch an der Schmiede vorbei und holen Doris ab.«

Doris stand schon in der offenen Tür und blickte sehnsüchtig nach draussen. Doch errst als Renate mit den beiden Darstellerin auf ihrem Grundstück war, traute sie sich einen Schritt vor die Tür. Auf den ersten Bick sah sie aus wie eine normale Kirchgängerin mit einer weißen Bluse, einem schwarzen Rock und einem passenden Blazer. Doch ganz außergewöhnlich waren die silber glänzenden Ketten, die sie dazu trug. Ihr Verlobter trat ein paar Schritte hinter ihr ebenfalls aus dem Haus. Auch seine Miene zeigte ebensoviel Stolz und wie Verliebtheit. Und auch er war passend für einen Kirchgang gekleidet.

Nach der freudigen Begrüßung griff Renate zu ihrer Mappe und schlug eine Stelle auf, die sie markiert hatte. Sie drehte sich zu Doris. »Anfang des Jahrhunderts gab es eine Darstellerin der ersten Dienerin, die sowohl beim Ball als auch in der Kirche noch ihre Ketten getragen hat.«

»Siehst du, du kannst es einfach machen.« Maria wusste, was Doris bewegte.

Doris strahlte über das ganze Gesicht und suchte den Blick ihres Verlobten.

»Und du bist dir wirklich sicher, dass du das machen willst?« Er nahm sie in den Arm und steichelte sie zärtlich. »Ich soll dir die Ketten wirklich nicht abnehmen.«

»Das ist so eine einmalige Gelegenheit.« Doris drehte sich fast etwas empört von ihm weg. »Das lasse ich mir nicht entgehen.«

»Du siehst toll aus.« Doris Eltern traten neben sie. »Wir wollen bei diesem tollen Ereignis dabei sein.«

 

In der Kirche durften sich Maria, Doris und Paul in die erste Reihe setzen in die Reihe, in der sonst nur die Pfarrerin und der Kirchenvorstand saßen.

»Wir treffen uns dann nach dem Gottesdienst am Altar und besprechen das Nötige für das Fest.« sagte Renate, bevor sich wieder nach hinten ging und sich einen Platz suchte.

Die Darsteller hatten eigentlich einen normalen Gottesdienstablauf erwartet, doch zu ihrer Überraschung wurden sie von der Pfarrerin gleich bei der Begrüßung nach vorn gebeten. Es freue sie, betonte die Pfarrerin, dass diesesmal so sehr engagierte Darsteller für die Rollen ausgewählt wurden. Sie bat Maria sich einmal umzudrehen und Doris, einmal ihre Arme zu heben. »Sie nehmen das Opfer auf sich, ihre Freiheit aufzugeben und sich so sehr gewissenhaft auf die Rolle vorzubereiten.« Natürlich war es eigentlich als Seitenhieb auf die Baroness gedacht.

Sehr beschämt nahmen Maria und Doris den Applaus der Gemeinde entgegen, dann gingen alle drei mit sehr viel Stolz und Glück aiuf ihre Plätze zurück. Besonders Doris schwebte auf Wolke sieben.

* * *

Nachdem die Gemeinde die Kirche verlassen hatte, bat die Pfarrerin die Darsteller und Renate an den Alter. »Wie wollt ihr es dieses Jahr handhaben mit dem Handschuh?« Sie erklärte, dass dies die Paare stets selbst festgelegt hatten.

Paul und Maria blickten sie etwas nervös an, dann suchten sie die Blick von Renate und Mrs. Potter. Doch eine Hilfe bekamen sie diesmal nicht.

»Das müssen wir noch klären.« entschuldigte sich Paul.

Maria hatte eine Idee. »Wie wurde es denn bisher gehandhabt?«

»Oh, wir hatten schon drei Varianten.« Die Pfarrerin hatte sich gut vorbereitet. »Das Paar kam schon frei in die Kirche.« Sie machte kleine Pause, während Paul und Maria sich kurz anblickten. »Variante zwei: Der Handschuh wurde zu Beginn des Gottesdienstes feierlich abgenommen.«

Paul streichelte Maria etwas über ihre Arme, was Maria mit einem sehr verliebten Blick beantwortete.

»Einmal wurde der Handschuh erst nach dem 'Ja'-Wort abgenommen.«

Maria musste sich sehr konzentrieren, um sich nicht zu verraten. »Ich glaube, wir nehmen auch die Variante vor den Ringen.« Doch insgeheim wusste sie, dass sie die Arme überhaupt nicht aus dem »Gebet auf dem Rücken« frei bekommen würde. Immerhin hatten sie es bei der Schneiderin schon geprobt, dass Paul nur das Kleid ein klein wenig öffnen musste und ihr dann den Ring an den Finger stecken konnte.

Und es würde noch eine ganz besondere Aufgabe für Doris geben. Aber dies konnte sie ihr erst am Tag der Aufführung sagen. Doris würde ihr den Ring für Paul zwischen die Finger stecken, so dass sie anschließend Paul den Ring an den Finger stecken konnte.

* * *

Nach den Proben für den Sonntag waren die Darsteller sowie ihre Angehörigen zum Essen ins Rathaus eingeladen. Theo lehnte die Einladung jedoch ab. »Ich möchte unbedingt an meinem Kunstwerk weiter arbeiten.« Er drehte sich zu Doris. »Kann ich dich wirklich so allein lassen?« Er blickte sowohl mit Bewunderung als auch mit Besorgnis auf ihre Ketten.

»Ich schaffe das.« Doris gab sich sehr zuversichtlich. »Du weißt doch, dass ich mit dem Vierer-Geschirr gut essen kann.« Sie gab ihm noch einen innigen Abschiedskuß.

Maria hatte sich von Paul den Handschuh abnehmen lassen. »Eine kleine Pause.« So konnte sie den Strohhalm, den Renate extra für sie organisiert hatte, Doris zur Verfügung stellen.

Die Anmut von Doris beim Essen war mehr als beeindruckend. Es fiel überhaupt nicht auf, dass sie durch ihre Ketten eingeschränkt war. Sie hatte wirklich eine große Routine, mit ihren Einschränkungen klar zu kommen.

* * *

Die Tanzproben am Nachmittag liefen sehr zur Zufriedenheit aller ab. Lediglich Maria war die ganze Zeit etwas nervös, weil der Neffe wieder zum Zuschauen gekommen war. Sie hatte den Eindruck, dass er sie die ganze Zet angestarrt hatte.

Erst beim vorletzten Tanz erschien Andrea mit ihrem Fotographen. Sie stritten sich noch beim Eintreten. »Wenn du früher aufgestanden wärst, dann hätte ich jetzt Bilder aus der Kirche haben können.« Doch ihr Kollege verzog keine Miene. »Jetzt mach wenigstens hier gute Bilder.« Es war der Reporterin anzusehen, wie wütend sie war.

 

Als der letzte Tanz vorbei war und Carlos sich für den guten Ablauf bedankt hatte, kam Doris wieder auf Maria zu und stellte sich gemäß ihrer Rolle neben sie. Erst jetzt fiel sie mit ihren Ketten auf und sowohl Andrea als auch Hans fragten nach dem Grund.

Renate räusperte sich. »Doris spielt die 'erste Dienerin' und die Ketten sind Teil ihres Kostümes.«

Hans zeigte außerordentlich großes Interesse. »Sind das die Ketten, von denen du mir erzählt hast?«

Andrea bestätigte es und es schien, dass sie immer nervöser wurde. Als Hans dann auch noch Bilder von Doris und Maria zusammen machen wollte, begann sie leicht zu stöhnen.

* * *

»Doris sah heute sehr glücklich aus.« sagte Paul leise, als sich die Tür der Schmiede geschlossen hatte.

»Ja, ich glaube, es hat ihr sehr viel bedeutet, dass sie ihre Ketten mal zeigen durfte.« Maria ging langsam neben ihm her und versuchte, ihn mit ihren immer noch verpackten Armen etwas zu streicheln.

Nach der Probe hatte der Bürgermeister noch zu einem kleinen Empfang geladen um sich für den guten Verlauf der Vorbereitungen zu bedanken. Nachdem Doris ihre Ketten nicht ablegen konnte, wollte Maria ebenfalls in ihrem Handschuh verbleiben, doch Paul hatte auf einer Pause bestanden.

»Der Bürgermeister scheint sich ja jetzt an den Handschuh gewöhnt zu haben.« grinste Paul.

»Ja,« Maria lächelte ebenfalls. »Dabei habe ich ja sogar extra geübt.« Sie schob ihre Arme seitlich nach vorn. »Guten Tag Herr Bürgermeister.«

* * *

Mrs. Potter saß zusammen mit Oma Selma vor Pauls Haus. Als sie Paul und Maria kommen sah, erhob sich sich und griff zu einer Tasche, die sie auf die Bank stellte.

»Ich habe ein paar Sachen für Maria vorbeigebracht.« Nach der Begrüßung zeigte auf die Tasche. »Es sind unteranderem die Sachen für die Schule Morgen.«

Maria erst nach einiger Zeit, was ihre Erzieherin gerade gesagt hatte. »Ich darf wirklich...« Sie zögerte etwas. »Bis Mogen früh?«

»Ich habe gerade mit deiner Mutter gesprochen und von deinem Ehrgeiz und den guten Probenverläufen berichtet.« Mrs. Potter strich ihr andeutungsweise über den Handschuh. »Sie meinte, dass das eine Belohnung wert wäre.«

Maria strahlte und suchte den Blick von Paul.

»Ich habe dann auch noch mit ihr über die Einladung von Sebastian gesprochen...« Sie machte eine bedeutsame Pause.

»Sie hat es nicht erlaubt?« Maria befürchtete das Schlimmste.

»Nein, im Gegenteil.« Die Erzieherin wechselte einen Blick mit Pauls Oma. »Sie ist damit einverstanden und sie wünscht euch ein spannendes Wochenende.« Ihr Tonfall jedoch liess ein 'Aber' erwarten.

Maria kannte diesen Tonfall nur zu gut. »Aber?«

Oma Selma räusperte sich. »Sie möchte nur sicherstellen, dass ihr wirklich wisst, woraus ihr euch da einlasst.«

»Sebastian hat euch die Regeln geschickt.« Mrs. Potter fuhr fort. »Und Selma wird die mit euch durchsprechen. Ihr müsst sie dann unterschreiben.«

* * *

Oma Selma hatte ins Wohnzimmer geladen. Es standen Getränke und ein paar Knabereien bereit. Sie bat das Paar auf dem Sofa platz zu nehmen, während sie sich selbst in den Sessel setzte. Sie schenkte sich ein Glas Wasser ein, bat ihre Gäste, ebenfalls zuzugreifen und griff dann zu den Unterlagen, die sie schon auf dem Tisch bereit gelegt hatte. Sie begann zu lesen. »Regeln für das Wochenende: Bei unserem gemeinsamen Wochenende dürfen die Damen, die dies möchten, verschiedene Fesseln ausprobieren und Zeit gefesselt verbringen.«

Maria horchte auf. »Dann könnte ich das ganze Wochenende für das Gebet trainieren?«

»Deine Mutter kennt dich gut.« Oma Selma lächelte. »Genau diese Frage hat sie vorausgesagt.«

Maria lächelte beschämt.

»Sie erlaubt dir insgesamt 120 Minuten.«

»Nur?« Marias Stimme klang ein wenig enttäuscht.

»Ich soll dich daran erinnern, dass du demnächst noch etwas intensiver trainieren wirst.«

Wieder war Maria verlegen.

»Ich lese euch jetzt die Regeln vor. Wir besprechen diese und geben euch Hinweise, wie ihr euch verhalten sollt: Es werden nur Vornamen benutzt, es werden keine Informationen über die vollen Identitäten der Beteiligten ausgetauscht.« Sie blickte auf. »Ihr solltet also auch nicht unbedingt etwas vom Fest erzählen.«

Maria blickte verschreckt auf. »Aber mein Gebet?«

Selma erinnerte sich an das, was Sebastian in dem Telefonat gesagt hatte. »Wenn du auf der Hütte etwas ausprobieren möchtest, reicht es, deinen Wunsch zu äußern. Eine Begründung brauchst du nicht.«

In Marias Augen begann ein Leuchten.

Selma blickte wieder auf ihre Mappe. »Wichtig für die Anfahrt: Auf dem Weg zur Hütte im Auto dürfen keinerlei Fesseln getragen werden. Die Sicherheit der Beteiligten im Fall eines Unfalls geht vor!«

Es kam keine Reaktion, deswegen laß sie die nächste Regeln vor. »Alle Bondagetten werden von allen höflich und zuvorkommend behandelt, insbesondere, wenn sie in Fesseln sind. Ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit wird von allen Beteiligten überwacht und gewährleistet!« Sie legte das Papier kurz ab und wurde etwas nachdenklich. »Ich wünschte, ich hätte früher solche Kontakte gehabt.«

Paul war verwundert. »Ich dachte, du warst eine strenge Erzieherin?« Doch dann erinnerte Maria ihn an die Geschichten, die Selma ihnen kürzlich erzählt hatte.

Sie las weiter. »Das Zufügen leichter Schmerzen und Demütigungen ist nur dem eigenen Partner erlaubt, sofern die Bondagette damit grundsätzlich einverstanden ist und eine solche Behandlung wünscht. Die Verhältnismäßigkeit wird von allen anderen überwacht.«

Sie blickte Maria fragend an, diese schüttelte aber nur den Kopf. Doch Selma hakte nach. »Aber es macht dir nichts aus, wenn du beim Handschuhtraining den Bleistift mit dem Mund führen musst?«

Maria war nachdenklich. »Das habe ich aber nicht als Demütigung empfunden.«

Selma lächelte hintergründig. »Du wirst viel Spaß haben auf der Hütte.«

Doch dann wurde ihre Miene etwas ernster. »Es werden Sicherheitssignale für ‚alles OK’, ‚langsamer/weniger’ sowie ‚Stopp’ vereinbart. Diese Signals sind von allen bedingungslos zu beachten.« Sie legte das Papier wieder ab. »Das müßt ihr euch unbedingt verinnerlicht haben.«

Dann laß sie weiter. »Bondagetten können auf eigenen Wunsch zum eigenen Schutz einen Keuschheitsgürtel tragen, damit Spiele nicht überhand nehmen.«

Sie setzte wieder ab. »Das ist der einzige Punkt, bei dem Deine Mutter noch eine weitere Bedingung gestellt hat. Für dich ist der Gürtel Pflicht.«

Maria war irgendwie erleichtert, gab sich jedoch Mühe, dies nicht zu zeigen.

Den folgenden Satz laß sie aber nicht vor. So war es mit Frederike abgesprochen. Gedruckt war: »Sexuelle Handlungen dürfen nur mit dem Einverständnis der Bondagette durchgeführt werden.« Sie wollte Maria gar nicht erst in Versuchung führen.

Sie wandte sich an Paul. »Die folgende Regeln betrifft hauptsächlich dich.« Sie blickte wieder auf das Blatt. »Die Damen verbringen die meiste Zeit in Fesseln, dürfen verschiedene Varianten und Spiele in Fesseln ausprobieren. Daher müssen die Herren alle anfallenden Arbeiten im Haus übernehmen, insbesondere Kochen und Reinigung, und die Damen umsorgen. Der Lohn der Herren ist die ‚Freude’ der Damen!«

Paul gab sich zuversichtlich. »Das kriege ich schon hin.«

»Dann wäre da noch die Regel mit der Kaution. »Zur Einhaltung dieser Regeln wird eine Kaution von 1000 DM pro Paar erhoben, die nach dem Wochenende zurückgezahlt wird. Bei schwerwiegendem Verstoß gegen obige Regeln wird die Kaution einbehalten, das betreffende Paar von weiteren Treffen ausgeschlossen. Die alleinige Entscheidung hierüber obliegt Sebastian, sie kann nur durch einstimmiges Votum aller übrigen nicht Beteiligten überstimmt werden.«

Sie legte das Blatt auf den Tisch und schob es dann zusammen mit einem Stift zu Paul und Maria. »Ihr müßt unterschreiben, dass ihr diese Regeln verstanden habt und sie einhalten werdet.«

* * *

»Ich glaube, Maria erwartet von mir, dass ich sie für die Nacht fixiere Aber ist das auch wirklich das richtige?« Er blickte etwas ratlos. »Ich möchte ihr nicht weh tun und auch nichts falsches machen.«

Oma Selmas Antwort war verblüffend einfach. »Frag sie doch einfach.«

Paul schluckte heftig. Irgendwie hatte er sich genau davor immer etwas gedrückt. Doch er wusste, dass es jetzt endlich an der Zeit war.

Oma Selma antwortete auf die Frage, die er noch gar nicht gestellt hatte. »Am besten nimmt du einfach Ledermanschetten. Wenn du sie damit an die Bettpfosten festbindest, kann sie damit bequem übernachten und gefährlich ist es auch nicht.«

Paul war zu einer Antwort nicht fähig.

»Bitte geht in das Gästezimmer. Dort steht ein Doppelbett.« Sie lächelte etwas hintergründig. »Ich habe extra frisch bezogen.«

* * *

Als Paul mit Maria das Zimmer betrat, sah er, dass auf dem Bett schon vier Ledermanschetten angebracht sind, so dass Maria auf dem Bett fixiert werden könnte.

»Danke, dass du das vorbereitet hast.« Maria war sehr erfreut und fiel Paul um den Hals. »Ich habe schon so lange davon geträumt, aber mich nicht zu fragen getraut.«

Paul hatte sich sehr schnell wieder unter Kontrolle. Doch er nahm sich vor, sich bei seiner Oma zu beschweren, weil sie sie beide so überrumpelt hatte. »Und du freust dich wirklich darauf?« fragte er mit sehr liebevoller Stimme.

Die Antwort war ein langer inniger Kuss. »Ausserdem müssen wir doch üben für die Hütte.« Marias Stimme war etwas leise. »Wir wollen uns doch nicht blamieren.«

* * *

Endlich war er da, der lang ersehnte erste Ferientag. Eigentlich hatten sie ausschlafen wollen, doch Herr Schwerterle von der Schmiede hatte angerufen und gebeten, für die Anprobe der neuen Ketten noch einmal vorbei zu kommen und dafür ein wenig Zeit mitzubringen. »Doris wollte euch ja noch ihr Zimmer zeigen.« hatte er als Anregung mitgegeben. Es war deutlich zu hören, wie stolz er auf seine Tochter war.

Die Ketten hatte Herr Schwerterle schon am Ende des Wochenendes abgeholt, so dass Maria dieses Mal das Haus ganz ohne Fesseln verlassen hatte.

»Irgendwie fühlt es sich total ungewohnt an.« Maria grinste etwas. »Ich bin diese Feiheit gar nicht mehr gewöhnt.«

Paul war ebenfalls etwas irritiert, denn auch er hatte sich schon sehr an Marias ständige Einschränkungen gewöhnt. »Ich bin schon sehr gespannt, was Doris uns zeigen wird.«

Die Tür bei der Schmiede öffnete sich diesmal eher schüchtern. Erst als Doris sah, dass Paul und Maria allein waren, trat sie vor die Tür. »Ich möchte nicht schon wieder von einer Reporterin überrumpelt werden.« Sie lächelte etwas verlegen und wackelte ein wenig mit ihren Ketten, als sie ihre Gäste begrüßte.

Sie führte ihre Gäste in die Schmiede und half dort ihrem Verlobten bei der Anprobe der geänderten Ketten.

»Ich brauche noch ungefähr eine Stunde.« Er nahm Maria die Ketten wieder ab. »Du wolltest doch dein Zimmer zeigen?« Er gab seiner Verlobten einen Kuss.

 

»Oh, ich dachte, er hätte aufgeräumt.« Doris war etwas verlegen, als sie in ihr Reich kam, denn auf dem Tisch bei der kleinen Sitzgruppe stand noch ein Frühstücksgedeck und das Bett war auch nicht gemacht. Es fiel aber sofort auf, dass in dem Bett nur eine Person geschlafen hatte.

Paul und Maria traten ein und als erste fiel ihnen das große schmiedeeiserne Bettgestell ins Auge. Paul trat darauf zu. »Das hat er selbst gemacht?« Er strich mit der Hand über ein sehr kunstvolle Rankwerk aus dunkelm Eisen.

Doris schüttelte die Bettdecke auf und legte das Kissen wieder ordentlich hin. »Das Bett hat noch ein Geheimnis.« Sie trat an das Kopfende der nicht benutzen Bettseite und zeigte auf das sehr kunstvoll verschlungene Rankwerk. »Fällt euch hier etwas auf?«

Paul und Maria verneinten.

Doris grinste, dann griff sie in das Rankenwerk und klappte eines der Blätter herum. Es machte leise Klick und eine kleine runde Öffnung war zu sehen. »Es ist so gut wie nicht zu sehen, aber die Öffnungen sind mit schwarzem Neopren gepolstert und sind sehr bequem.«

Sie trat zur Mitte des Kopfendes und zeigte auf eine ähnliches Stelle. »Hier gibt es das spiegelverkehrt noch mal.« Sie lächelte glücklich. »Die benutzen wir oft.«

Erst jetzt dämmertes es dem Paar, dass Doris Handgelenke in den Öffnungen stecken würden und sie so in der Nacht gefesselt war.

Doris lies ihre Besucher die Vorrichtung noch etwas begutachten, dann ging sie zur anderen Seite des Zimmers, nahm das Frühstücksgedeck vom Tisch und stellte es auf das Tablett auf der Kommode.

»Hier ist mein goldener Käfig.« sagte sie mit sehr viel Stolz in der Stimme und hob die Tischplatte hoch. Zum Vorschein kam ein würfelförmiger Käfig mit goldenen Stangen. In dem Käfig stand ebenfalls ein Frühstücksgedeck und eine Ausgabe des Landsbacher Boten lag darin.

»Wir haben heute Morgen zusammen gefrühstückt und ich habe ihm meinen Artikel vorgelesen.« Es war Doris anzusehen, dass sie diese Details lieber geheim gehalten hätte. »Über den Artikel haben wir uns sehr amüsiert.«

Sie holte die Zeitung aus dem Käfig und begann zu lesen. »Doris hat sich sehr intensiv auf ihre Rolle vorbereitet, denn sie zeigt einen sehr routinierten Umgang mit den zur Rolle gehörenden Ketten.« Die drei brachen in schallendes Gelächter aus.

Doris legte die Zeitung weg und räumte das ihr Gedeck aus dem Käfig. »Das ist dann mein kleines goldenes Reich.« Sie strahlte. »Und ich weiß selten, wie lange er mich darin schmoren läßt.« Sie bat ihre Gäste zu der kleinen Kommode.

»Dies hier ist die Siegelgarnitur.« Ihre Stimme klang seltsam feierlich. »Damit schließt er mich im Käfig ein. Er kann so jederzeit das Siegel prüfen, ob es unverletzt ist.« Sie zeigte die kleinen dünnen Wachsplatten und die Siegelschnur. »Aber im Notfall kann ich den Käfig ganz einfach aufstoßen. Damit war sogar meine Mutter einverstanden, obwohl sie es immer noch etwas seltsam findet, das ich gefangen sein möchte.«

Sowohl Paul als auch Maria standen ziemlich staunend vor dem goldenen Gefängnis, dem Doris sich anscheinend oft auslieferte.

Doris fasste an die Tür. »Hört mal, wie das klingt, wenn der Riegel zufällt.« Sie wartete einen Moment, dann schob sie die Tür zu und der Metallriegel fiel an seinen Platz. Ein lautes metallisches Klack war zu hören. »Er hat den Riegel extra etwas schwer gemacht, damit dieser Klang sehr eindringlich ist.«

Es klopfte an der Tür und Doris Vater trat herein. »Paul, haben sie die Schlüssel dabei?«

Paul griff in seine Tasche und reichte dem Schmied das Bund.

Herr Schwerterle blickte voller Stolz auf seine Tochter. »Hast du schon den Körperkäfig gezeigt?«

Doris verneinte, dann erhob sich und ging auf die Schrankwand zu. Auf der rechten Seite war das Stück zwischen Schrank und der angrenzenden Wand durch einen Vorhang abgehängt. Sie zog den Vorhang auf und rollte etwas heraus, was mit einem Tuch abgedeckt war und die Umrisse eines menschlichen Körpers hatte.

»Ein ziemlich exzentrischer Millionär hat diesen Käfig bei uns bestellt und obwohl er ihn vorab komplett bezahlt hat, hat er ihn bis heute nicht abgeholt.« Herr Schwertele zog das Tuch herunter. Zum Vorschein kam ein Käfig, der die Form einer Frau hatte.

»Ich durfte damals Modell stehen,« Doris strich geradezu zärtlich über das Metallgerüst. »Ich passe da ganz genau hinein.«

Sowohl Paul als auch Maria begannen unwillkürlich zu stöhnen.

»Was würde denn so ein Wagen kosten?« Paul zeigte auf das Rollengestell, auf dem diese Metallpuppe stand.

»Oh ja,« Maria zeigte ebenfalls großes Interesse. »Könnte man so etwas anfertigen?«

»Wofür braucht ihr das denn?«

Maria erzählte von ihrem Korsett und dass sie dabei gern auf Rollen stehen würde.

»Ich werde Theo davon erzählen und er wird sich das nach dem Fest mal ansehen.«

* * *

Pauls Herz klopfte laut, als er am Donnerstag zu Maria ging. Es lag an dem besonderen Abenteuer, welches Maria sich für den letzten Tag vor der Hütte gewünscht hatte.

Wie immer war Maria in ihrem Zimmer und hielt ihren Monohandschuh in den Händen. Sie blickte so liebevoll bittend, dass Paul nicht umhin kam, ihr den Handschuh gleich nach der sehr herzlichen Begrüßung anzulegen.

Auf dem Tisch standen schon die Ballettstiefel und das strenge Halskorsett bereit. Nach Pauls kritischem Blick blickte Maria etwas verlegen und doch zugleich auch fordernd. »Wir müssen doch üben für die Hütte.« Maria wollte die Ballettstiefel auf der Hütte vorführen. »Amelie war so angetan davon«

Paul erinnerte sich mit ein wenig Schrecken an das erste Abenteuer. »Weißt du noch, was damals fast passiert wäre?«

Doch Maria war nicht von ihrem Wunsch abzubringen. »Wir werden sie um Rat fragen.«

»Was möchtet ihr mich fragen?« Irgendwie stand Mrs. Potter auf einmal in der Tür.

Paul musste schlucken, bevor er fragen konnte. »Wir möchten noch mal einen Spaziergang mit Ballettstiefeln, Halskorsett und Monohandschuh machen. Maria möchte für das Wochenende üben. Was müssen wir beachten, damit es ungefährlich bleibt?«

»Was habt ihr denn aus dem letzten Abenteuer gelernt?« ihr Tonfall zeigte, dass sie von der Idee durchaus angetan war.

»Maria kann nicht sehen, wo sie hintritt.« Paul versuchte sich daran zu erinnern. »Ich darf sie nie allein gehen lassen und muss sie auf jedes noch so kleines Hindernis aufmerksam machen.« Er schluckte. »Und ich muss sofort spüren, wenn sie stolpert und sie dann festhalten.«

Ihr Blick richtete sich auf Maria.

Diese musste wegen des strengen Blicks ebenfalls erst mal schlucken. »Ich werde keinen Schritt ohne Paul machen.« Sie war ziemlich aufgeregt wegen des Abenteuers, was ihr bevorstand.

Die Erzieherin wandte sich wieder an Paul. »Bitte sei dir in jeder Sekunde bewußt, dass Maria ohne dich vollkommen hilflos ist und ohne dich keinen Millimeter gehen kann. Sie wird sich dir vollkommen ausliefern. Darüber musst du dir immer im klaren sein.«

Paul verstand noch nicht ganz, in welche Richtung es gehen würde. »Sie würden es mir und Maria erlauben? Ohne Bestrafung?« Er wollte es lieber vorher fragen, um dann sicher sein zu können.

»Ich möchte nur sicherstellen, dass ihr euch gut überlegt habt, worauf ihr euch einlasst.«

 

»Danke, dass du gefragt hast.« Maria strahlte. »Ich möchte dir gern einen Kuss geben.«

Paul musste sich jetzt bedingt durch Marias Kopfhaltung und den Stiefeln auf die Zehenspitzen stellen, um ihrem Wunsch nachzukommen zu können.

»Ich werde immer auf dich aufpassen, wenn du gefesselt bist.« Im Nachhinein wunderte er sich, dass er den Mut aufgebracht hatte, so einen Satz zu formulieren.

»Und ich trage sie sehr gern, deine Fesseln.« Marias Blick fragte nach einem weiteren Kuss, dem Paul gern nach kam.

»Und wie ist es dazu gekommen, dass du das alles auf dich nimmst?« Die Frage hatte er schon lange stellen wollen, jetzt war endlich einmal die dafür passende Gelegenheit.

Maria berichtete mit sehr viel Stolz in der Stimme von den alten Prinzessin Sissi Filmen und wie sehr die lebenslustige Prinzessin in Wien zu leiden hatte. »Ich wollte genau so leiden wie die Prinzessin, leiden für das Volk.« Sie seufzte. »Und natürlich so ein schönes Kleid tragen und so wunderschön aussehen wie Sissi.«

Paul hörte aufmerksam zu und machte nur gelegentlich auf Hindernisse auf dem Weg aufmerksam.

»Angefangen hatte es mit dem Korsettkleid vom Kaufhaus.«

Paul erinnerte sich an die Geschichte, als er einmal Maria ziemlich überrumpelt hatte.

»Und dann war da das Programm meiner Mutter.« Maria klang ziemlich verträumt. »Ich konnte so leiden, wie ich mir das immer ausgemalt hatte.« Sie lachte kurz. »Nur dass ich nicht für das Volk litt, sndern für meine Mutter. Aber für mich kam es auf das gleiche heraus.«

»Was ist das für ein Programm?« Paul war endlich in der Lage, diese schon lang gehegte Frage endlich zu stellen.

Maria blieb kurz stehen und versuchte sich zu Paul zu drehen. »Oh, viel weiß ich auch nicht.« Sie dachte kurz nach. »Es geht irgendwie um ein Forschungsprogramm, wie sich ein ‚heutiger’ Körper an ein Korsett und verschiedene andere Hilfsmittel für die Schönheit anpassen kann, und wie er davon geformt werden kann.«

Sie holte tief Luft. »Schließlich hatte Sissi eine Taille von nur 36 Zentimetern! Das braucht schon jahrelanges Training. Darum sind auch so viele Orthopäden daran beteiligt. Du hast ja gesehen, dass es auch viele Dinge gibt, die mir eine schöne Haltung beibringen sollen!«

Paul dachte an all die seltsamen Dinge, die er Maria schon 'antun' musste.

»Die Stiefel und das Halskorsett und natürlich mein Handschuh gehören da auf jeden Fall dazu. Und damit das alles wissenschaftlich dokumentiert werden kann, werden alle getragenen Gegenstände abgeschlossen und die Tragezeit genau notiert.«

»Dann bringt das Fest das alles ja ganz schön durcheinander.« Paul dachte einfach laut nach.

»Ja«, Maria grinste, »meine Mutter hat ganz schön gestöhnt.« Sie dachte kurz nach. »Aber es muß noch mehr dahinterstecken. Es geht irgendwie um neuartige Erziehungsmethoden.«

»Erziehung?« Paul war verblüfft.

»Sie arbeitet da irgendwie im Auftrag eines Konsortiums.« Maria holte tief Luft. »Ich habe einmal aus Versehen ein Telefonat mit angehört. Sie dachte ich wäre eingeschlafen. Sie hat da irgendwie Auftraggeber, die das ganze wohl finanzieren.«

»Und was springt für dich dabei heraus?« Paul stellte eine Frage, die Maria ein wenig in Schwierigkeiten brachte.

»Ich lebe meinen Traum, das ist das Allerwichtigste.« Die Antwort kam erst nach einigem Zögern. »Und ich helfe meiner Mutter – sie hat ihre Position nur wegen des Forschungsprogramms bekommen. Und meine Schönheitsmittel wirken – oder gefallen dir ich dir nicht?« Sie versuchte an sich herunter zu blicken, was ihr aber nur andeutungsweise gelang. Sie lächelte.

Paul wurde etwas rot.

»Sie hatte mir damals gesagt, das sie weitreichende Kontakte hätte und mir bei meiner beruflichen Zukunft sehr viel helfen könnte.« Maria grübelte ein wenig. »Aber das war mir nicht so wichtig. Im Gegenteil, ich hatte oft ein schlechtes Gewissen, weil mir ihre 'drastischen Maßnahmen' insgeheim sehr gut gefallen haben.«

Paul war verblüfft.

»Erst Amelie hat mir aufgezeigt, dass ich es einfach mag, wenn ich gefesselt bin. Ich glaube, ich bin auch so eine Bondagette.« Doch dann äußerte sie eine Frage, die Paul wiederum ins Grübeln brachte. »Warum gefälllt es dir?«

Diesmal war es an Paul, stehen zu bleiben. Doch erst als er sich überzeugt hatte, dass auch Maria einen sicheren Stand hatte, versuchte er eine Antwort. »Du hast mich sofort angezogen. Du warst so geheimnisvoll.«

»Ich war ja so erleichtert, als du es nicht abstoßend fandest.« Maria seufzte etwas. »Alle anderen fanden mich und meinen Äußeres abstossend.«

Paul grübelte noch immer. »Ich überlege immer noch, warum du mich so anziehst, wenn du gefesselt bist. Ich glaube, es weckt einen ganz tiefen Beschützerinstinkt in mir – tatsächlich wie der Prinz, der herbeieilt, seine gefangene Prinzessin zu retten. Nur«, er grinste, »befreien möchte ich Dich ja gar nicht, jedenfalls nicht gleich.«

Maria blickte ihn erstaunt an. Doch dann fiel ihr eine Antwort ein. »Die Prinzessin möchte auch gar nicht befreit werden.« Sie holte tief Luft. »Aber sie möchte beschützt werden.«

»Die Fesseln geben dir Kraft, da bin ich mir sicher.« Er gab ihr noch einen Kuss. »Du wirst in Fesseln stärker. Du bist wirklich eine Prinzessin.«

Maria blieb stehen und atmete tief. »Das ist das netteste Kompliment, das ich je bekommen habe. Bitte küss mich, mein Prinz!«

Paul versuchte weiter zu denken. »Das Fest kommt dir sicher sehr gelegen?«

Maria musste erst einmal nachdenken, bevor sie antworten konnte. »Es fühlt sich an wie ein 6er im Lotto.«

Sie gingen langsam weiter.

»Es tut mir nur ein wenig leid um Sophie. So etwas hat sie nicht verdient.«

Paul schwieg.

»Sind dir nicht ihre so traurigen Augen aufgefallen?« Maria beschrieb, was ihr im Krankenhaus aufgefallen war.

Paul musste eingestehen, dass er wegen des vergessenen Schlüssels dafür keine Augen gehabt hatte.

»Und sie hat nie Besuch bekommen, nicht mal von ihrem Vater.«

»Meinst du, wir sollten sie mal wieder besuchen?« Paul fühlte sein schlchtes Gewissen.

»Aber ich würde mich dafür gern umziehen.« Maria lächelte. »Andere Schuhe und ohne das Halskorsett.«

Paul fiel natürlich sofort auf, dass sie den Handschuh nicht erwähnt hatte. »Aber trainieren möchtest du?«

Maria freute sich, dass er ihre Linie erkannt hatte. »Ich muss doch Sophie zeigen, dass ich sie würdig vertrete.« Sie lächelte ein wenig.

* * *

»Und dann wart ihr noch im Krankenhaus?« Pauls Oma war sichtlich beeindruckt.

Paul bestätige, dass Maria dort auch noch den Handschuh getragen hatte. »Sie hat sehr viel bewundernde Blicke bekommen.« Doch dann veränderte sich seine Stimme. »Aber Sophie ist wirklich zu bedauern.«

»Ich kenne sie noch aus der Zeit, als ihre Mutter noch lebte.« Oma Selma seufzte. »Die Baroness hätte es nicht soweit kommen lassen.« Sie blickte ihren Neffen nachdenklich an. »Maria wird Sophie wirklich gut vertreten.«